TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/13 W102 2163603-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.05.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W102 2163603-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 29.05.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.04.2018 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG, § 10

Abs. Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9 FPG und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 05.11.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 15.11.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, es habe Krieg zwischen Taliban und Behörden gegeben. Es seien Raketen verschossen worden. Er sei von den Taliban bedroht und geschlagen worden und fürchte um sein Leben.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.12.2016 führte der Beschwerdeführer im Beisein eines gesetzlichen Vertreters zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass er auf der Straße Benzin verkauft habe. Die Taliban seien zu ihm gekommen und hätten Benzin bekommen, ohne zu bezahlen. Sie seien ein weiteres Mal gekommen und hätten Benzin gewollt. Er habe sich dagegen gewehrt, da hätten sie ihn geschlagen. Er habe das Bewusstsein verloren. Er sei im Krankenhaus zu sich gekommen. Danach sei er eine Weile zuhause gewesen, aber die Taliban hätten ihn gesucht, daraufhin habe er Afghanistan verlassen. Auch dass er Hazara und Schiit sei, sei ein Fluchtgrund.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29.05.2017, zugestellt am 31.05.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.). Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen bezüglich Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit in keiner Weise konkretisiert. Die Schilderungen zum Fluchtauslösenden Vorfall seien nicht detailliert und lebensnah gewesen. Zu den Taliban habe der Beschwerdeführer keine Angaben machen können.

3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2017 richtet sich die am 28.06.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde. Sie führt aus, dem Beschwerdeführer werde aufgrund seiner Weigerung, den Taliban kostenlos Benzin zur Verfügung zu stellen, von diesen eine regierungsfreundliche Gesinnung unterstellt. Er werde auch als Hazara religiös-ethnisch diskriminiert. Die den Beschwerdeführer bedrohende Situation (Zwangsrekrutierung, Entführung bis hin zur Ermordung durch die Taliban, prekäre Allgemeinlage, ständige Bedrohung, strukturelle Gewalt, Menschenrechtsverletzung) sei in ihrer Gesamtheit von asylrelevanter Intensität. Der Beschwerdeführer würde in eine aussichtslose Lage geraten. Die Sicherheitslage sei schlecht. Staatlichen Schutz gebe es nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 06.04.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, die Taliban würden ihn verfolgen, weil er sich geweigert habe, ihnen kostenlos Benzin zu geben und weil er Hazara sei, im Wesentlichen aufrecht.

Am 18.04.2018 brachte der Beschwerdeführer Länderberichte in das Verfahren ein. Am 19.04.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben vom 21.03.2019 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und räumte dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde die Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers langte am 10.04.2019 am Bundesverwaltungsgericht ein.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Beschluss des Pflegschaftsgerichtes über die Obsorgeübertragung

* Schulbesuchsbestätigungen

* Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und andere Bildungsangebote

* Bestätigung über die Teilnahme des Beschwerdeführers am Ringer-Training in einem Sportverein

* Mehrere Empfehlungsschreiben

* Schülerausweis des Beschwerdeführers

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren im Jahr XXXX im Distrikt XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Die Identität des Beschwerdeführers steht, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Die Familie des Beschwerdeführers zog bald nach der Geburt des Beschwerdeführers nach Kabul um und von dort aus nach etwa fünf Monaten in die Provinz Baghlan. Der Vater des Beschwerdeführers verließ die Familie, als der Beschwerdeführer noch ein kleines Kind war. Bis zur Ausreise lebte der Beschwerdeführer mit seiner Familie in der Provinz Baghlan, im Gebiet Dand-e Ghori in einem Mietshaus. Um den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten, verkaufte er in den letzten drei bis vier Jahren vor der Ausreise Benzin. Im letzten Jahr vor der Ausreise arbeitete er außerdem als Mechaniker. Die drei jüngeren Brüder des Beschwerdeführers arbeiteten zuletzt als Hirten. Die finanzielle Situation der Familie war schlecht.

Mutter und Brüder des Beschwerdeführers lebten zuletzt noch in der Herkunftsregion. Seit etwa Mitte 2016 besteht kein Kontakt mehr und ihr Aufenthalt ist unbekannt.

Der Beschwerdeführer hat keine Schule besucht, wurde jedoch zwei bis drei Jahre privat unterrichtet.

Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit er am 15.11.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, im Bundesgebiet auf. Er hat Deutschkurse besucht und zahlreiche andere Bildungsangebote wahrgenommen (Fahrradpass, Integrationskurse, Schwimmlehrgang, Ringer-Training, Polizeiworkshop, Demokratieworkshop etc.). Er hat im Bundesgebiet einige Kontakte geknüpft und Freunde gefunden, mit denen er auch gelegentlich seine Freizeit verbringt. Aktuell besucht der Beschwerdeführer eine HAK. Er bezieht Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer verkaufte an der Straße Benzin und gab einmal kostenlos Benzin an eine Gruppe Taliban ab.

Die Taliban kamen ein weiteres Mal und ließen den Beschwerdeführer zwei ihrer Autos tanken. Als der Beschwerdeführer dafür Bezahlung verlangte, schlugen sie ihn bewusstlos.

Der Beschwerdeführer erwachte im Krankenhaus wieder, wo er zwei Wochen behandelt wurde. Dann kehrte er für eine Woche nachhause zurück und flüchtete schließlich aus Angst vor den Taliban, als er erfuhr, dass diese bereits nach ihm gefragt hatten.

Im Fall der Rückkehr in die Herkunftsregion drohen dem Beschwerdeführer Übergriffe bis hin zur Tötung durch die Taliban, weil sie in seiner Weigerung, ihnen kostenlos Benzin zu geben, eine Weigerung, sie in ihrem Aufstand zu unterstützen sehen und ihn darum für einen politischen Gegner halten. Ein Zusammenhang zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers kann allerdings nicht festgestellt werden.

Schutz vor Übergriffen durch die Taliban von Seiten afghanischer Behörden ist für den Beschwerdeführer nicht zu erwarten.

Dass dem Beschwerdeführer auch im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif Übergriffe bis hin zur Tötung durch die Taliban drohen, ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Übergriffe durch private oder staatliche Akteure wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.

Dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr von Zwangsrekrutierung betroffen wäre, kann nicht festgestellt werden.

1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Provinz Baghlan zählt zu den am schwersten umkämpften Provinzen des Landes. Die Sicherheitslage hat sich seit Anfang 2016 verschlechtert, nachdem die Taliban begonnen haben, koordinierte Angriffe in Schlüsseldistrikten in der Nähe der Hauptstadt auszuführen. Dies führte zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften. Die Taliban sind im Nordwesten der Provinz präsent. Insbesondere die Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist stark betroffen.

Im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsregion droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Provinzen Balkh und Herat gehören zu den friedlichsten Provinzen Afghanistans und sind vom Konflikt relativ wenig betroffen. Insbesondere Balkh gehört zu den stabilsten Provinzen Afghanistans mit im Vergleich zu anderen Provinzen geringen Aktivitäten von Aufständischen. Die Provinz Herat verzeichnet Aktivitäten von Aufständischen, die allerdings abgelegene Distrikte betreffen. Die Hauptstadt der Provinz - Herat (Stadt) - ist davon wenig betroffen und steht wie auch Mazar-e Sharif in Balkh unter Regierungskontrolle. Beide Städte verfügen über einen internationalen Flughafen, über den sich sicher erreicht werden können.

Für den Fall einer Niederlassung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat (Stadt) kann nicht festgestellt werden, dass diesem die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Zugang zu medizinischer Versorgung ist in Herat (Stadt) und Mazar-e Sharif grundsätzlich gegeben. Die medizinische Behandlung des Beschwerdeführers ist gewährleistet.

Im Fall einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif ist davon auszugehen, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen und die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft wird decken können und im Fall seiner Niederlassung ein Leben ohne unbillige Härten wird führen können, so wie es auch seine Landsleute führen.

Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationalen Organisationen. IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu Name, Geburtsjahr und -ort, Staatsangehörigkeit, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, Herkunft, Sprachkenntnissen sowie Schulbesuch, Berufserfahrung und Lebensgeschichte des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, an denen zu zweifeln sich im Lauf des Verfahrens keine Gründe ergeben haben.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstiger Bescheinigungsmittel konnte die weitere Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellung, dass die finanzielle Situation der Familie schlecht war, erscheint vor dem Hintergrund, dass sie vom damals minderjährigen Beschwerdeführer und seinen drei noch jüngeren Brüdern ernährt werden musste und über keinen Grundbesitz verfügt, plausibel.

Zum Verbleib der und zum Kontakt zu den Angehörigen des Beschwerdeführers ist zunächst auszuführen, dass der Beschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.12.2016 bereits angab, dass der Kontakt zu seiner Familie vor sieben Monaten abgebrochen sei und begründet dies damit, dass es in der Herkunftsregion Krieg gegeben habe. Seither könne er den Nachbarn, den er immer angerufen habe, nicht mehr erreichen (Einvernahmeprotokoll S. 5). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.04.2018 gab der Beschwerdeführer diesbezüglich befragt schließlich an, er habe seit etwa zwei Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Familie (Verhandlungsprotokoll S. 7). Zwar ist demgegenüber dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 01.03.2019 (in der Folge: Länderinformationsblatt) zu entnehmen, dass nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie verlieren (Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitt Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen). Allerdings erscheint es vor dem Hintergrund zur konkrete Berichtslage zur Herkunftsregion des Beschwerdeführers für den Zeitraum 2015 und 2016 plausibel, dass der Kontakt infolge von Auseinandersetzungen und Fluchtbewegungen, die diese nach sich gezogen haben, abgebrochen ist und seither nicht wiederaufgenommen werden konnte. So berichtet die ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Provinz Baghlan:

Aktivitäten und Rekrutierungsversuche der Taliban in der Provinz, insbesondere in Dand-e-Ghori [a-10245] vom 25. Juli 2017 für das Jahr 2016 von einem zunächst erfolgreichen Großeinsatz der ANSF um das Gebiet Dand-e-Ghori von Aufständischen zu Räumen sowie der baldigen Gegenoffensive und Rückeroberung durch die Taliban nach Übergabe der Verantwortung an die ALP. Berichtet wird auch von beträchtlichen negativen Auswirkungen auf das Leben der lokalen zivilen Bevölkerung und von Fluchtbewegungen infolge der Kampfhandlungen. Dass auch die Familie des Beschwerdeführers betroffen war und deshalb, weil der Beschwerdeführer über deren Nachbar Kontakt gehalten hatte und diesen nun nicht mehr erreichen kann, der Kontakt abgebrochen ist und dem Beschwerdeführer nichts vom weiteren Verbleib seiner Familie bekannt ist, erscheint folglich plausibel.

Die Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich insbesondere aus den vorgelegten Unterlagen. Das Datum der Antragstellung ist aktenkundig und sind im Lauf des Verfahrens keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig aus dem Bundesgebiet ausgereist wäre. Die Feststellungen zum vom Beschwerdeführer wahrgenommenen Bildungsangebot ergeben sich aus den zahlreichen vorgelegten Bestätigung. Auch zum Schulbesuch hat der Beschwerdeführer eine Bestätigung vorgelegt. Die Feststellung zu den vom Beschwerdeführer geknüpften Kontakten ergibt sich aus seinen plausiblen Angaben sowie aus den vorgelegten Empfehlungsschreiben. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus dem aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Eine Erwerbstätigkeit hat der Beschwerdeführer nicht behauptet, sondern in der mündlichen Verhandlung am 06.04.2018 lediglich angegeben, er habe nach Arbeit gesucht, aber keine finden können, jedoch von der Schule aus Praktika absolviert. Diesbezüglich hat der Beschwerdeführer zwar keine Bestätigungen vorgelegt, allerdings sind diese auch - nachdem sie im Rahmen des Schulbesuchs erfolgten - nicht als Erwerbstätigkeit zu qualifizieren.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zum fluchtauslösenden Vorfall stützen sich im Wesentlichen auf die Aussagen des Beschwerdeführers im Lauf des Verfahrens. Der Beschwerdeführer schildert dabei durchgehend, im Wesentlichen stringent und im Kern gleichbleibend, dass er von den Taliban bewusstlos geschlagen worden sei, nachdem er sich geweigert habe, ihnen das Benzin kostenlos zu überlassen sowie, dass die Taliban in der Folge nach ihm gesucht hätten. Auch konnte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.04.2018 durch seine lebhafte Schilderung und seine erkennbare Gemütsbewegung einen Eindruck persönlicher Glaubwürdigkeit erwecken.

Schon in seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.11.2015 schildert der Beschwerdeführer - in diesem Zeitpunkt fünfzehnjährig - er sei von den Taliban bedroht und geschlagen worden. Er fürchte um sein Leben. Richtig ist, dass der der Beschwerdeführer hier keine konkreten Gründe nennt, warum ihm Verfolgung durch die Taliban droht, wie die belangte Behörde beweiswürdigend anmerkt. Allerdings ist zu beachten, dass die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz AsylG insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute dient und sich gerade nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Naturgemäß werden daher in der Erstbefragung keine umfangreichen Angaben zu den Fluchtgründen gemacht. Demnach erblickt das Bundesverwaltungsgericht in den späteren Angaben des Beschwerdeführers lediglich eine Konkretisierung des dem Charakter der Erstbefragung entsprechend allgemein gehaltenen Fluchtvorbringens einer von den Taliban ausgehenden Verfolgungsgefahr.

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.12.2016 schildert der Beschwerdeführer schließlich, dass er den Taliban zunächst einmal kostenlos Benzin gegeben habe und dass sie schließlich wiedergekommen seien und er sich beim zweiten Mal geweigert habe und daraufhin letztendlich bewusstlos geschlagen worden sei (Einvernahmeprotokoll S. 8). Selbiges schildert der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.02.2018, wobei zu den teilweisen Abweichungen der Schilderungen in Details auszuführen ist, dass Erinnerungen mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Ereignis Veränderungen unterliegen, weswegen Auslassungen und Erweiterungen der Erzählung bei unterschiedlichen Einvernahmen eher für die Glaubhaftigkeit einer Aussage sprechen (Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht. Glaubhaftigkeits- und Beweislehre. Vernehmungslehre4 [2014] Rz 199). Widersprüchen im Detail ist demnach im Fall einer im Kern gleichbleibenden, stringenten und lebhaften Erzählung keine große Bedeutung beizumessen.

Aus den Länderinformationen zur Lage in der Herkunftsregion (siehe die schon zitierte ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan:

Provinz Baghlan: Aktivitäten und Rekrutierungsversuche der Taliban in der Provinz, insbesondere in Dand-e-Ghori [a-10245] vom 25. Juli 2017) ergibt sich, dass die Taliban sich im Zuge ihrer Frühjahrsoffensive im Jahr 2015 verstärkt unter anderem auf das Gebiet Dand-e-Ghori konzentriert hätten. Anfang 2015 hätten die Taliban fast alle Checkpoints der ALP erobert. Die (vorrübergehende) Rückeroberung sei der ANSF erst im Jahr 2016 gelungen. Demnach wurde die Herkunftsregion des Beschwerdeführers bereits im Zeitpunkt des fluchtauslösenden Vorfalles im Wesentlichen von den Taliban kontrolliert, was ihr offenes Agieren in einer großen Gruppe am helllichten Tag plausibel erscheinen lässt.

Den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge UNHCR-Richtlinien; Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe j) Andere Zivilisten, die die Regierung oder die internationale Gemeinschaft tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, S. 53 f) ist auch zu entnehmen, dass regierungsfeindliche Kräfte unter anderem mit Schikanen und Bestrafung reagieren, wenn die örtliche Bevölkerung ihnen die Unterstützung verweigert. In der Weigerung des Beschwerdeführers, Benzin kostenlos abzugeben, kann solch eine Verweigerung der Unterstützung gesehen werden, womit die vom Beschwerdeführer geschilderte Reaktion der Taliban den Informationen in den herangezogenen Länderberichten grundsätzlich entspricht.

Insgesamt fügt sich das individuelle Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers daher konsistent in das von den zitierten Berichten gezeichnete Bild von der Situation im Herkunftsstaat wobei zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des fluchtauslösenden Vorfalls noch minderjährig war. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in ständiger Rechtsprechung auch eine besondere Berücksichtigung der Minderjährigkeit eines Asylwerbers bei der Beweiswürdigung und Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen. Insbesondere ist die Dichte des Vorbringens nicht mit "normalen Maßstäben" zu messen und muss aus der Entscheidung erkennbar sein, dass darauf und auch auf den Blickwinkel, aus dem die Schilderung der Fluchtgründe erfolgt, Bedacht genommen wurde. Demnach bedarf es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung (zuletzt VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0150 mwN). Fallbezogen war der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des fluchtauslösenden Vorfalles etwa 15 und im Zeitpunkt der Einvernahme durch die belangte Behörde am 12.12.2016 etwa 16 Jahre alt, wobei seiner Erzählung gemessen an seinem jugendlichen Alter im Zeitpunkt der Erlebnisse eine hohe Dichte sowie ein großer Detailgrad und große Stringenz zukommt. Die belangte Behörde gibt zwar, indem sie einen diesbezüglichen Textblock in ihre Beweiswürdigung eingefügt hat, vor, das Alter des Beschwerdeführers berücksichtigt zu haben (Bescheid S. 39). Mangels Bezugnahme auf das konkrete Vorbringen des Beschwerdeführers kommt diesem jedoch kein Begründungswert zu.

Die Länderberichte belegen dagegen, dass die Taliban im Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers, in den auch der fluchtauslösende Vorfall fällt, wie bereits oben erläutert in der Heimatregion stark präsent bzw. an der Macht waren. Daran ändert auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer den Namen des örtlichen Taliban-Kommandanten nicht nennen kann, nichts, auch wenn die belangte Behörde daraus zu schließen scheint, dass sich schon dadurch eine Auseinandersetzung mit der konkreten Lage in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers sowie eine Würdigung seines Vorbringens vor dem Hintergrund der Länderberichte erübrigen würde (Bescheid S. 38-39). Vielmehr erscheint diese Wissenslücke des Beschwerdeführers mit seinem jugendlichen Alter erklärbar. An den Schilderungen des Beschwerdeführers fällt auch auf, dass sein Interesse am konkreten aktuellen Machthaber nicht besonders groß gewesen sein dürfte, als er in seinen Befragungen mit keine Wort erwähnt, persönlich politisch gegen die Taliban eingestellt zu sein, sondern mit allgemeinen Floskeln auf seine Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit verweist (Einvernahmeprotokoll S. 11), sowie auf den finanziellen Schaden einer kostenlosen Betankung der Fahrzeuge (Verhandlungsprotokoll S. 5). Diese unpolitische Einstellung des Beschwerdeführers lässt sich mit seinem jugendlichen Alter und seiner in diesem Zeitpunkt geringen Bildung erklären, weswegen der Umstand, dass er den örtlichen Taliban-Kommandanten im Zeitpunkt des fluchtauslösenden Vorfalles nicht kennt, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nicht schadet.

Dazu, der Beschwerdeführer habe zum genauen Tathergang keinerlei detaillierte Angaben machen können (Bescheid S. 38), ist anzumerken, dass das Bundesverwaltungsgericht die Angaben des Beschwerdeführers sowie seine Antworten auf Nachfragen demgegenüber allerdings als durchaus detailliert und lebensnah erachtet. Insbesondere, dass der Beschwerdeführer nachdem er von mehreren Personen attackiert und bewusstlos geschlagen wurde, keine genaue Abfolge der Schläge, Tritte, Ohrfeigen etc., die ihn getroffen haben, angeben kann, erscheint nicht realitätsfremd. Gleiches gilt für die genaue Herkunft der Narbe, die der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgezeigt hat.

Zur Frage, woher der Beschwerdeführer wisse, dass es sich um Taliban gehandelt habe, führt die belangte Behörde aus, dass daraus, dass jemand traditionelle afghanische Kleidung, einen Bart und Turban trage, noch nicht geschlossen werden könne, dass es sich um einen Talib handelt sowie dass der Großteil der afghanischen Bevölkerung so aussehe und es üblich sei Waffen zu tragen (Bescheid S. 38). Dem ist zwar grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings lassen die weiteren Umstände, die auch der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anspricht (Verhandlungsprotokoll S. 5), nämlich, dass die Taliban im Vorfallszeitpunkt Machthaber in der Herkunftsprovinz waren, dass sie in einer großen Gruppe bei Tag auftraten und offenbar selbstverständlich davon ausgingen, das Benzin nicht bezahlen zu müssen, den Schluss des Beschwerdeführers, dass es sich um Taliban handelt, durchaus plausibel erscheinen.

Die Feststellung zur von den Taliban ausgehenden Übergriffsgefahr im Fall der Rückkehr in die Herkunftsregion ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer sich durch seine Weigerung, den Taliban kostenlos Benzin zu geben (wenn auch möglicherweise nicht beabsichtigt) als ihr politischer Gegner positioniert hat, indem er ihnen dadurch die Unterstützung verweigerte. Dass ein solches Verhalten Übergriffe bis hin zur Tötung nach sich ziehen kann, ergibt sich etwa aus dem bereits oben zitierten Risikoprofil der UHNCR-Richtlinien.

Auch dem Landinfo report Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne (Arbeitsübersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation) vom 23.08.2017 lässt sich entnehmen, dass Personen, die die Zusammenarbeit verweigert haben grundsätzlich ein Angriffsziel der Taliban darstellen (Kapitel 4. Identifizierung von Zielpersonen zur Einschüchterung und Tötung).

Dazu, dass ein Zusammenhang der Gefährdung des Beschwerdeführers durch die Taliban mit der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden kann, ist auszuführen, dass sich dem vom Beschwerdeführer geschilderten Ablauf kein Hinweis auf einen dahingehenden Zusammenhang entnehmen lässt. Der Beschwerdeführer zieht sich dabei lediglich auf eine allgemeine Behauptung zurück (Verhandlungsprotokoll S. 5). Auch in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde beschränkte sich der Beschwerdeführer auf die Floskel, sein weiterer Fluchtgrund sei, dass er Schiit und Hazara sei (Einvernahmeprotokoll S. 8) und gibt später noch an, die Taliban hätten mit den Hazara Probleme (Einvernahmeprotokoll S. 11). Dies relativiert der Beschwerdeführer jedoch insofern, als er an gleicher Stelle auch angibt, dass man keine Probleme habe, wenn man noch jung sei. Nachdem der Beschwerdeführer diese Floskel als Rechtfertigung dafür gebraucht, dass er selbst keine konkret erlebte Benachteiligungssituation beschreiben kann, will er damit wohl angeben, dass er selbst dem gerade noch nicht ausgesetzt war. Auch verweist er nicht auf seine eigene Konfrontation mit den Taliban. Damit ist ein Zusammenhang nicht hinreichend konkretisiert und konnte nicht festgestellt werden.

Zur Feststellung, dass der Beschwerdeführer Schutz von Seiten afghanischer Behörden vor Übergriffen der Taliban nicht zu erwarten hat, ist zunächst auf die starke Präsenz der Taliban in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers zu verweisen (siehe dazu oben unter 2.1. und sogleich unter 2.3.). Weiter lässt sich dem Länderinformationsblatt entnehmen, dass eine Missachtung der Rechtsstaatlichkeit sowie Straffreiheit im Fall von Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan weit verbreitet sind (Kapitel 10. Allgemeine Menschenrechtslage). Auch berichtet wird von weitverbreiteter Korruption und Drohungen gegen Richter oder Bestechungen sowie davon, dass das kodifizierte Recht unterschiedlich eingehalten und Gerichte gesetzliche Vorschriften häufig zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachten (Kapitel 4. Rechtsschutz/Justizwesen). Auch die UNHCR-Richtlinien zeichnen von der Durchsetzungskraft der afghanischen Behörden im Fall von Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte ein ähnliches Bild (Abschnitt II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Kapitel C. Menschenrechtssituation, Unterkapitel 1. Menschenrechtsverletzungen, Buchstabe c) Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs), S. 30 f. und Kapitel 2. Die Fähigkeit und Bereitschaft des Staates, Zivilisten vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, S. 34 f.).

Zur Feststellung, dass nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass dem Beschwerdeführer auch im Fall einer Niederlassung in Herat (Stadt) und Mazar-e Sharif Übergriffe bis hin zur Tötung durch die Taliban drohen, lässt sich den vorliegenden Länderinformationen zunächst entnehmen, dass beide Städte unter Regierungskontrolle stehen (dazu sogleich unten unter 2.3.). Während Balkh zu den friedlichsten Provinzen des Herkunftsstaates zählt, wird für die Provinz Herat zwar von einer gewissen Präsenz der Taliban berichtet. Deren Aktivitäten beziehen sich jedoch insbesondere auf abgelegene Distrikte. Zwar Verfügen die Taliban grundsätzlich über Zugriffsmöglichkeiten auch in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt), wie sich aus den vorliegenden Informationen ergibt (siehe insbesondere Landinfo report Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne (Arbeitsübersetzung durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation) vom 23.08.2017). Die Wahrscheinlichkeit, dass sie diese Zugriffsmöglichkeiten ausgerechnet dafür einsetzen, um den Beschwerdeführer anzugreifen, erscheint allerdings äußerst gering. So ergibt sich aus dem eben zitierten Bericht im Wesentlichen, dass ein Zugriff durch ein Mordkommando in einem gut geschützten Gebiet - so wie es die beiden unter Regierungskontrolle stehenden Städte zweifellos darstellen - auf eine weniger wichtige Zielperson nicht wahrscheinlich ist (insbesondere Kapitel 5. Die Regeln der Taliban). Auch im Länderinformationsblatt (Kapitel 3. Sicherheitslage, Einführungsabschnitt) wird für die städtischen Zentren insbesondere von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen berichtet. Beim Beschwerdeführer handelt es sich allerdings nicht um eine bekannte Person, die eine hohe oder wichtige Position bekleidet hätte, sondern wird ihm lediglich politische Gegnerschaft aufgrund einer einmalig verweigerten Zusammenarbeit unterstellt. Dieses Vergehen vereinigen wohl viele Bürger des Herkunftsstaates in sich, sodass dem Beschwerdeführer in den Augen der Taliban kaum eine derart große Bedeutung zukommt, dass sie ihn in Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif angreifen würden.

Wie bereits oben ausgeführt, hat der Beschwerdeführer nicht individuell und konkret dargelegt, inwiefern er als Schiit und Hazara im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat von Übergriffen wegen seiner Zugehörigkeit zu eben dieser Volksgruppe und Glaubensrichtung Übergriffen ausgesetzt wäre. Zur allgemeinen Situation von Schiiten bzw. Hazara im Herkunftsstaat ist zunächst auszuführen, dass die schiitische Religionszugehörigkeit dem Länderinformationsblatt zufolge wesentlich zum ethnischen Selbstverständnis der Hazara zählt (Länderinformationsblatt, Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.1. Hazara) und bedingt durch diese untrennbare Verbundenheit oftmals nicht eindeutig zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits oder aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit andererseits unterschieden werden kann (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 [in der Folge UNHCR-Richtlinien], Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe

a) Religiöse Minderheiten, S. 69-70). Daher scheint in diesem Fall eine gemeinsame Betrachtung der Merkmale der Religions- und der Volksgruppenzugehörigkeit geboten.

Weder aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 15.

Religionsfreiheit, insbesondere Unterkapitel 15.1. Schiiten sowie Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.2. Hazara) noch aus den UNHCR-Richtlinien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel

5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) religiöse Minderheiten [S. 66 ff.], insbesondere Abschnitt Schiiten [S69 f.] und Unterkapitel

13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara [S. 106 f.]), ergibt sich, dass es systematisch zu so intensiven Übergriffen gegen schiitische Hazara kommt, dass gleichsam jeder Angehörige dieser Volksgruppe aufgrund seiner Anwesenheit im afghanischen Staatsgebiet mit Übergriffen rechnen muss. Zwar berichtet das Länderinformationsblatt von sozialen Ausgrenzungen und Diskriminierung ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag, die nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert werden und auch, dass ethnische Spannungen weiterhin zu Konflikten und Tötungen führen, gleichzeitig ist aber auch von einer grundsätzlichen Verbesserung der Lage der Hazara seit dem Ende der Taliban-Herrschaft sowie von deren Etablierung in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft die Rede. Auch berichtet wird von sozialer Diskriminierung, illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, physischer Misshandlung und Festnahme. Diese Vorfälle treten allerdings nicht so gehäuft auf, dass von einer automatischen Betroffenheit aller im afghanischen Staatsgebiet bloß aufgrund ihrer Anwesenheit ausgegangen werden könnte. Dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der schiitischen Hazara Übergriffe drohen, konnte daher nicht festgestellt werden.

Zur Behaupteten Gefahr einer Betroffenheit des Beschwerdeführers von Zwangsrekrutierung ist den UNHCR-Richtlinien (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel

3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, S. 59 ff.) zu entnehmen, dass es im Herkunftsstaat zu Fällen von Zwangsrekrutierung kommen kann. Allerdings hat der Beschwerdeführer seine konkrete und individuelle diesbezügliche Betroffenheit nicht dargetan, sondern beschränkt sich sein Vorbringen auf die bloße Behauptung in der Beschwerde, er sei im Rückkehrfall von Zwangsrekrutierung bedroht, während der Beschwerdeführer selbst im Zuge seiner Befragung zu den Fluchtgründen derartige Rückkehrbefürchtungen mit keinem Wort erwähnt. Damit ist jedoch die vorgebrachte Bedrohung des Beschwerdeführers von Zwangsrekrutierung völlig unsubstantiiert.

2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan basiert auf der UNHCR-Richtlinie (siehe insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel 2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU], S. 117 f.) und findet Bestätigung im Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien betonen die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Diese lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz Baghlan basieren insbesondere auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.4. Baghlan sowie auf der bereits zitierten ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Provinz Baghlan: Aktivitäten und Rekrutierungsversuche der Taliban in der Provinz, insbesondere in Dand-e-Ghori [a-10245] vom 25. Juli 2017, wo von der Einnahme der im Nordwesten der Provinz gelegenen Herkunftsregion des Beschwerdeführers im Jahr 2016 berichtet wird. Dem Länderinformationsblatt lässt sich entnehmen, dass die Situation sich seither eher verschlechtert als gebessert hat. Ähnliches wird auch in der EASO Country-Guidance von der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz berichtet (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Artivle 15 (c) QD, Buchstabe b. Indiscriminate violence, Abschnitt Indiscriminate violence assessment per province of Afghanistan, Unterabschnitt Baghlan, S. 78-79). Daraus ergibt sich auch die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in sein Herkunftsdorf die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Feststellungen zu Sicherheitslage in Herat und Balkh ergeben sich aus den jeweiligen Kapiteln zu den genannten Provinzen im Länderinformationsblatt (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.5. Balkh und Unterkapitel 3.13. Herat). Auch die EASO-Country Guidance (Abschnitt Guidance note: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD: serious and individual threat to a civilian's life or person by reason of indiscriminate violence in situations of international or internal armed conflict, S. 23-24) zeichnet ein ähnliches Bild. Die Feststellung, dass die Städte Mazar-e Sharif und Herat unter Regierungskontrolle stehen, basieren darauf, dass von einer Eroberung durch Aufständische und dergleichen nicht berichtet wird. Die Feststellung zum Flughafen in Herat (Stadt) ist dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel

3.35. Erreichbarkeit, Unterabschnitt Internationale Flughäfen in Afghanistan entnommen.

Bedingt durch die relativ gute Sicherheitslage und die geringe Betroffenheit der Städte Mazar-e Sharif und Herat vom Konflikt im Herkunftsstaat konnte nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer für den Fall einer dortigen Niederlassung die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass die Städte gelegentlich von Angriffen und Anschlägen durch Aufständische betroffen sind. Allerdings ist die Vorfallshäufigkeit nicht so groß, dass gleichsam jede in der Stadt anwesende Person mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Vorfall betroffen wäre. Spezifische Gründe für ein erhöhtes auf seine Person bezogenes Risiko hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.

Die Feststellung zum Zugang zu medizinischer Versorgung im Herkunftsstaat ist dem Länderinformationsblatt entnommen (Kapitel 22. Medizinische Versorgung), demzufolge es in den letzten Jahren zu einer Zunahme der Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung gekommen ist, auch wenn Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung stark variieren und nicht alle Einwohner (uneingeschränkten) Zugang zu medizinischer Grundversorgung haben. Die Behandelbarkeit leichter und saisonbedingter Krankheiten sowie medizinscher Notfälle in den öffentlichen Krankenhäusern größerer Städte ist allerdings gewährleistet (Kapitel 22. Medizinische Versorgung, Unterkapitel 22.1. Krankenhäuser in Afghanistan). Nachdem der Beschwerdeführer gesund ist, erscheint seine medizinische Versorgung damit gewährleistet.

Die Feststellung zu den Folgen einer Niederlassung des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif und Herat ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint.

Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 105).

Beim Beschwerdeführer handelt es sich zweifellos um einen jungen, gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter ohne zusätzliche Verantwortung für andere Personen. Der Beschwerdeführer wurde im Herkunftsstaat im Lesen und Schreiben unterrichtet und hat auch im Bundesgebiet die Schule besucht und zahlreiche weitere Bildungsangebote wahrgenommen. Dadurch, dass der Beschwerdeführer auch in Österreich zahlreiche Bildungsangebote wahrgenommen und eigenen Angaben zufolge auch Praktika absolviert hat, konnte der Beschwerdeführer seine Chancen auf Erwerbstätigkeit zweifellos verbessern. Er verfügt außerdem über mehrjährige Berufserfahrung als Straßenverkäufer von Benzin und als Mechaniker. Damit wird er im Herkunftsstaat zumindest durch Gelegenheitsjobs und seine Teilnahme am informellen Arbeitsmarkt allenfalls nach einer anfänglichen Orientierungsphase sein Auskommen erwirtschaften können. Insbesondere kann der Beschwerdeführer sich die Reintegration durch anfängliche Inanspruchnahme einer der angebotenen Unterstützungsmaßnahmen erleichtert, wobei hierzu anzumerken ist, dass es dem Beschwerdeführer auch freisteht, seine Rückkehr und Reintegration bereits von Österreich aus vorzubereiten, um auf diese Weise besser an den angebotenen Maßnahmen partizipieren zu können.

Der Beschwerdeführer hat bis zu seiner Ausreise nach Europa im Herkunftsstaat gelebt und ist dort bis zum Alter von fünfzehn Jahren aufgewachsen. Demnach hat er für seine Sozialisation prägenden Jahre im Herkunftsstaat verbracht. Folglich ist er mit den im Herkunftsstaat herrschenden Traditionen und Gebräuchen vertraut und ein Bezug des Beschwerdeführers zum Herkunftsstaat nach wie vor aufrecht. Außerdem spricht der Beschwerdeführer mit Dari eine der Landessprachen und wird sich im Rückkehrfall damit zweifellos im Herkunftsstaat verständigen können.

Dazu, dass der Beschwerdeführer infolge des Kontaktabbruches und des unbekannten Aufenthaltes seiner Angehörigen im Herkunftsstaat nicht auf deren Unterstützung wird zurückgreifen können, ist auszuführen, dass zwar dem Länderinformationsblatt zufolge die Großfamilie nach wie vor die zentrale soziale Institution Afghanistans und das wichtigste soziale Sicherheitsnetz bildet und dass ein fehlendes soziales Netzwerk eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen darstellt. Betont wird auch die Relevanz des Netzwerkes bei der Anpassung an das Leben in Afghanistan (Kapitel

23. Rückkehr, Abschnitt Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen). Der Beschwerdeführer ist durch seine (teilweise) Sozialisation im Herkunftsstaat allerdings grundsätzlich mit afghanischen Sitten und Gebräuchen vertraut und würde sich in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) zudem in einer Großstadt niederlassen. Zusätzlich ist anzumerken, dass den vorliegenden Länderinformationen zu entnehmen ist, dass junge, alleinstehende Männer ohne spezifische Vulnerabilität auch ohne Unterstützungsnetzwerk ihr Auslangen finden können (EASO Country-Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterkapitel Reasonableness to settle, Unterkapitel Conclusions on reasonableness: particular profiles encountered in practice, S. 106-107). Diese Einschätzung wird auch von den UNHCR-Richtlinien bestätigt, denen zufolge alleinstehende leistungsfähige Männer im erwerbsfähigen Alter eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung darstellen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedelungs- oder Schutzalternative, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, insbesondere S. 125).

Eine spezifische Vulnerabilität oder konkrete Gefährdungsmomente hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert dargetan. Bezüglich der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ist auf die beweiswürdigenden Ausführungen zum Fluchtvorbringen zu verweisen (siehe 2.2.), wo bereits umfassend dargetan wurde, dass der Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit von volksgruppen- und religionszugehörigkeitsbedingten Diskriminierungen nicht dargetan hat. Insbesondere lässt sich dem Länderinformationsblatt entnehmen, dass Hazara in den afghanischen Städten besonders präsent sind, sowie dass sie sich in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etablieren konnten (Kapitel 16.2. Hazara). Demnach gehört der Beschwerdeführer aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit im Fall der Niederlassung in Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif nicht zu einer vulnerablen Personengruppe.

Zur allgemeinen Versorgungslage im Herkunftsstaat ist zwar zu berücksichtigen, dass dieser - und insbesondere die Provinzen Herat und Balkh - von einer Dürre betroffen ist (UNHCR-Richtlinie, Kapitel

III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 3. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in afghanischen Städten, S. 126). Allerdings wird nicht von einer Hungersnot berichtet und ist dem vorliegenden Berichtsmaterial (Länderinformationsblatt, Kapitel

3. Sicherheitslage, insbesondere Unterkapitel 3.13. Herat und Kapitel 21. Grundversorgung und Wirtschaft) auch nicht zu entnehmen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Unterkunft grundsätzlich nicht gewährleistet bzw. zusammengebrochen wäre, auch wenn sich aus den Informationen eine schwierige Situation insbesondere für Rückkehrer wie den Beschwerdeführer ergibt (Länderinformationsblatt, 20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge und Kapitel 23. Rückkehr). Auch dem vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Bericht von ACCORD, Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018 vom 07.12.2018 lässt sich derartiges nicht entnehmen, wobei das Bundesverwaltungsgericht auch hier einräumt, dass sich aus dem Bericht ergibt, dass der Beschwerdeführer im Rückkehrfall mit Schwierigkeiten beim Wiederaufbau seiner Existenzgrundlage zu rechnen haben wird. Allerdings wird auch hier nicht berichtet, dass eine Hungerkrise herrscht und die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser generell zusammengebrochen ist. Zwar erstattet der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 10.04.2019 umfassende Ausführungen zum eben zitierten ACCORD-Bericht, jedoch bestehen diese Ausführungen im Wesentlichen aus allgemeingehaltenen Textblöcken, die einen Bezug zum konkreten Einzelfall vermissen lassen. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesen Ausführungen erübrigt sich daher.

Insgesamt gehört der Beschwerdeführer damit keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Daher sind besondere exzeptionelle Umstände, die dazu führen könnten, dass der Beschwerdeführer sich in der Herkunftsprovinz keine Lebensgrundlage wird aufbauen können, nicht ersichtlich und davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Rückkehrfall im ins Auge gefassten Neuansiedelungsgebiet ein Leben ohne unbillige Härten wird führen können, so wie es auch seine Landsleute führen.

Das mit Stellungnahme vom 10.04.2019 erstattete Vorbringen, die "Feststellungen" im Länderinformationsblatt zur Rückkehrsituation würden fast ausschließlich auf dem Fact Finding Mission Report Afghanistan beruhen, ist auszuführen, dass dies nicht den Tatsachen entspricht. Im Kapitel 23. Rückkehr werden viel mehr unterschiedlichste Quellen - darunter auch der Fact Finding Mission Report Afghanistan - angeführt und zitiert. Das Bundesverwaltungsgericht teilt daher die Zweifel an der Ausgewogenheit und Objektivität der Informationen im Länderinformationsblatt nicht.

Zum mit Stellungnahme vom 10.04.2019 in das Verfahren eingebrachten Gutachten Afghanistan von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 für das Verwaltungsgericht Wiesbaden ist auszuführen, dass dieses Gutachten eine konkrete und individuelle den Beschwerdeführer treffende Bedrohung im Fall seiner Rückkehr nicht aufzuzeigen vermag.

Das Gutachten kommt zum Schluss, dass alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestünde. Das Gesamtniveau der Gewalt würde sich aus einer Kombination von Gewaltformen (Gefahr ausgehend von Aufständischen, staatlichen Akteuren oder privaten Akteuren) konstituieren, dass grundsätzlich landesweit drohen würde. Jedoch ist zu beachten, dass im gegenständlichen Gutachten eine subjektive Quellenauswahl und -interpretation vorgenommen wurde und von regionalen Einzelfällen Rückschlüsse auf die Situation in Afghanistan landesweit gezogen werden. Die Gutachterin trifft insbesondere zur Sicherheitslage und Versorgungssituation in Afghanistan nur sehr allgemein gehaltene Aussagen - die einer rechtlichen Beurteilung gleichkommen - und lässt dabei vor allem regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen sowie individuelle Lebensumstände vollkommen außer Acht.

Daher weist dieses Gutachten für das erkennende Gericht auch nicht denselben Beweiswert auf, wie die oben bereits umfassend zitierten länderkundliche Informationen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren, womit die länderkundlichen Informationen, die sie zur Verfügung stellt, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchlaufen. Zur Plausibilität und Seriosität der von der Staatendokumentation herangezogenen Quellen ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Außerdem ist den vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/18/0521 mwN). Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet, womit auch diese Länderinformationen einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess durchlaufen. Zusätzlich weisen die zitierten Berichte auch ein aktuelleres Datum auf, als das Gutachten. Auch hebt Art 10 Abs. 1 lit. b) Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes die Bedeutung von EASO und UNHCR durch deren explizite Nennung als Quelle für Herkunftslandinformationen besonders hervor (Vgl. auch VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533). Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat und seine Beweiswürdigung zu den Fluchtgründen daher auf die angeführten Quellen, wobei einer Beweiswürdigung im Detail oben erfolgt ist.

Die Feststellung zur Rückkehrhilfe ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes ist für den Flüchtlingsbegriff der GFK entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199).

"Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (zuletzt VwGH 31.07.2018 mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten