Entscheidungsdatum
15.05.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W178 2109074-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Frau XXXX vertreten durch Martin UNGER, Steuerberatung, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Wien vom 06.05.2015, Zl. VSNR 5275 080380, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG keine Folge gegeben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) hat mit Bescheid vom 06. Mai 2015 festgestellt, dass die Beschwerdeführerin (Bf) aufgrund ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit als Sängerin in den folgenden Zeiträumen der Pflichtversicherung in der Kranken-und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterliege: 01.01.2009 bis 31.12.2009, 01.01.2010 bis 31.12.2010, 02.03.2011 bis 31.05.2011, 06.06.2011 bis 31.07.2011, 29. 08.2011 bis 31.12.2012.
Zur Begründung wurde angeführt, dass die Beschwerdeführerin mit Versicherungserklärung vom 03.05.2006 erklärt habe, dass sie seit 01.07.2006 die selbstständige Erwerbstätigkeit als Sängerin ausübe und mit ihren Einkünften die Versicherungsgrenze überschreiten werde. Ein Widerruf der Einkommensprognose sei nicht erfolgt. Es sei für verschiedene Zeiträume in den Jahren 2009 bis 2011 die Ausstellung des Formulars E 101 bzw. A1 beantragt worden, und zwar für Deutschland und für Belgien. Die Zeiträume werden näher angeführt. Weiters wird angeführt, dass die Beschwerdeführerin in den näher genannten Zeiträumen ihre Erwerbstätigkeit als ruhend gemeldet habe. Weiters habe sie in im Bescheid näher angeführten Zeiträumen eine Selbstversicherung in der Arbeitslosenversicherung abgeschlossen und in den ebenfalls näher bezeichneten Zeiträumen habe sie Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen, in anderen Zeiträumen sei sie arbeitssuchend gemeldet gewesen. Es seien Unterlagen über einige Gastvorträge in verschiedenen Theatern und Opernhäuser vorgelegt worden. Die rechtliche Beurteilung wird auf Art. 14a Abs. 1a der Verordnung (EWR) 1408/71 sowie auf Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EG) 883/2004 und die entsprechenden Bestimmungen des GSVG gestützt:
Die Beschwerdeführerin sei als Sängerin selbstständig erwerbstätig und ihre Wohnung in der Taborstraße in 1020 Wien werde als Proberaum genutzt; dieser werde auch steuerlich abgesetzt. Sie habe im gegenständlichen Zeitraum 2009 bis 2011 Gastauftritte als Sängerin an verschiedenen Opernhäusern in EWR- bzw. EU- Mitgliedstaaten, vor allem in Deutschland absolviert; aus den beispielhaft vorgelegten Gastverträgen gehe hervor, dass sie immer für einzelne Aufführungen engagiert gewesen und der Beginn und das Ende der ERwerbstätigkeit von vornherein festgelegt gewesen sei. Sie habe den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich. Auch der Betriebsstandort befinde sich in Österreich. Sie werde in Österreich steuerlich veranlagt. Außerdem sei sie in diesen Jahren in Österreich arbeitslosenversichert gewesen. Die Rückkehr und Aufnahme der Erwerbstätigkeit als Sängerin in Österreich sei ihr jederzeit möglich gewesen. Sie übe daher gewöhnlich im Entsendestaat, also in Österreich, eine selbstständige Erwerbstätigkeit aus. Es handle sich um eine ähnliche Tätigkeit, da sie sowohl in Österreich als Entsendestaat als auch in den Beschäftigungsstaaten die Tätigkeit als Sängerin ausübe. Nicht erheblich sei, ob diese Engagements in den Beschäftigungsstaaten selbstständig oder unselbstständig ausgeübt werden. Die Gastauftritte würden jeweils den Zeitraum von 12 Monaten bzw. 24 Monaten nicht überschreiten.
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich daher das Vorliegen einer Entsendung nach Art. 14a Abs. 1 lit.a VO (EWR) 1408/71 bzw. ab 01.05.2010 Art. 12 Abs. 2 Z 1 883/2004; es seien somit die österreichischen Rechtsvorschriften auch während der Gastauftritte anzuwenden.
2. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben und im Rechgsmittel und in der ergänzenden Stellungnahme vom 16.12.2015 vorgebracht, dass unstrittig sei, dass sich der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin nach ihrer Eheschließung in Wien bzw. Pressbaum befinde; aber selbst nach den Unterlagen der SVA werde unterschieden, inwieweit bei gleichzeitiger Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit in mehreren EU/EWR Staaten die Versicherungspflicht gegeben sei. In diesem Fall sei das Sozialversicherungsgesetz jenes Staates anzuwenden, in dem sich der Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit befinde, somit sei zwischen dem Lebensmittelpunkt und dem Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit zu unterscheiden. Im gegenständlichen Fall ergebe sich eindeutig, sowohl aus der Aufenthaltsdauer im Rahmen der Engagements wie auch aus den erzielten Honoraren, dass bei Frau XXXX der Sachverhalt der überwiegenden Erwerbstätigkeit in Deutschland zu liegen komme. Es sei dabei unbeachtlich, ob die Pflichtversicherte nach dem GSVG in Unkenntnis, inwieweit selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit vorliege, die Ausstellung von Formularen E 101 bzw. ab 1.5.2010 A1 beantragt habe. Bei gleichzeitiger Ausübung einer unselbstständigen und einer selbstständigen Erwerbstätigkeit in verschiedenen EU/EWR Staaten richte sich die Versicherungspflicht ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die unselbstständige Beschäftigung vorliege; in Deutschland sei ein Sänger, der einen Vertrag mit einem Opernhaus für die bestimmte Spielzeit abschließe, nicht selbstständig tätig. Die Heranziehung in eine Beitragsgrundlage in Österreich von in Deutschland erzielten Einkünften aus einer nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit sei nicht zulässig.
3. Die Beschwerde wurde mit einer Stellungnahme der SVA dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
4. Aufgrund des Hinweises in der Beschwerde sowie aufgrund der vorgelegten Unterlagen wurde die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen ersucht, zu einigen Fragen, insbesondere zur Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die Sozialversicherung in Deutschland trotz Vorliegens einer Bescheinigung E 101 bzw. A1 Stellung zu nehmen.
5. Zu diesem Schreiben ist seitens der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen mit Jänner 2017 eine Antwort erstattet worden; diese ist nur an die Bf selbst ergangen, nicht an das BVwG. Mit 05.04.2019 wurde die Stellungnahme dem BVwG vorgelegt; die Versorgungsanstalt hat angeführt, dass ihrer Meinung nach die Voraussetzungen für die Anwendung von zwischenstaatlichen Regelungen nicht vorlägen.
6. Der Bf wurde noch Gelegenheit zur Stellungnahme, auch zur zeitlichen Lagerung der Engagements gegeben; diese hat darauf verzichtet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Gegenstand dieses Verfahrens sind die Zeiträume:
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vom 01.01.2009 bis 31.12.2009,
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vom 01.01.2010 bis 31.12.2010,
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vom 02.03.2011 bis 31.05.2011,
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vom 06.06.2011 bis 31.07.2011,
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und vom 29.08.2011 bis 31.12.2011
1.2 Die Beschwerdeführerin ist unstrittig als Künstlerin (Sängerin) erwerbstätig, auch in den streitgegenständlichen Zeiträumen. Sie hatte bzw. hat ihren Wohnort in Österreich (Wien bzw. Pressbaum). In einer Wohnung in Wien, zweiter Bezirk, Taborstraße, hat sie dauernd einen Probenraum gemietet, sie nutzt ihren PKW auch beruflich, vgl. steuerliche Unterlagen.
Sie wurde im streitgegenständlichen Zeitraum durch die Künstleragentur Dr. Raab & Dr. Böhm GmbH, Sitz in Wien, vertreten.
1.3 Die Beschwerdeführerin hatte für verschiedene Zeiträume jeweils die Ausstellung einer Bescheinigung E 101 bzw. A1 bei der SVA beantragt; es wurden seitens des Versicherungsträgers diese Entsendebescheinigungen E 101 gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 574/72 bzw. Bescheinigung A 1 nach Art. 5 VO 987/2009 für eine in Österreich als Selbständige tätige Person ausgestellt und zwar für die Zeiträume:
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06.10.2008/gegenständlich ab 01.01.2009 bis 18.04.2009 - Engagement in Leipzig,
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01.05.2009 bis 10.07.2009 - Engagement in Leipzig,
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20.08.2009 bis 15.10.2009 - Engagement in Dresden,
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20.08.2009 bis 31.12.2009 Engagement in Düsseldorf,
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21.10.2009 bis 22.12.2009 Engagement in Brüssel,
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30.12.2009 bis 01.01.2010 Engagement in Gent,
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01.01.2010 bis 19.08.2010 Engagement in Düsseldorf,
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19.08.2010 bis 29.08.2010 Engagement in Düsseldorf,
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17.09.2010 bis 21.12.2010 Engagement in Köln/Dresden,
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06.06.2011 bis 16.07.2011 Engagement in Düsseldorf/Köln und
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29.08.2011 bis 31.12.2011 Engagement in Düsseldorf/Köln
Während der Zeiträume, für die Bescheinigungen ausgestellt worden sind, hat die Bf - wie unter Pkt. 1.4 ersichtlich, zwischendurch andere Engagements angenommen (vgl. beispielsweise Mai 2009)
1.4 Folgende Engagements ist sie in den streitgegenständlichen Zeiträumen eingegangen:
2009:
In Österreich:
An den Tagen 09., 10. und 12.Mai.2009 und 13.Mai 2009 in Grafenegg bzw.im Wiener Musikverei bzw. in St. Pölten
In Japan: Tournee 03. bis 23.Jänner 2009
In Deutschland:
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Leipzig: 01.Jänner 2009, 18.April 2009
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Dresden: ab 24.August 2009 bis einschließlich an den Aufführungstagen im Oktober 2009
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Düsseldorf: von August bis Dezember 2009 (mit Unterbrechungen)
In Belgien:
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Gent: 21.Oktober bis 23.Dezmber 2009, 30.Dezember.009
2010:
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Portugal: 27.Mai bis 29. Mai 2010:
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Belgien: 01.Jänner.2010
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Niederlande: Termine im Mai 2010
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Tschechien: 21.Jänner.2010
2011:
Schweden:
-Malmö: März bis Mai 2011 (11 Vorstellungen), -Malmö Opera und Musiktheater: 01.März bis 21.Mai.2011
Deutschland:
-Deutsche Oper am Rhein Duisburg: 05.Dezember 2011 bis 26.Dezmeber 20111
-Bühnen der Stadt Köln: 4 Termine im November 2011 und weitere 6 Termine im Okt./Nov. 2011, auch Proben im Juni/Juli/Aug. 2011 und 8 Vorstellungstermine im Sept./Okt. 2011
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1.5 Die in Deutschland ausgeübten Beschäftigungen wurden jedenfalls in Köln und Duisburg/Düsseldorf in Form eines Dienstverhältnisses ausgeübt; die Bf war aufgrund dieser Engagements in Deutschland Mitglied der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen, vgl. dazu die Jahresnachweise im Akt der SVA, S.586 ff.
1.6 Für die Zeiträume vom 17.12.2010 bis 01.03.2011, vom 15.05.2011 bis 05.06.2011, vom 16.07.2011 bis 28.08.2011 und vom 26.12.2011 bis13.02.2011 hatte die Bf ihre selbstständige Erwerbstätigkeit als Künstlerin ruhend gemeldet.
1.7 In den Jahre 2009, 2010 und vom 02.03.2011 bis 31.05.2011, vom 06.06.2011 bis 31.07.2011 und vom 29.08. bis 31.12.2011 war sie in Österreich nach § 3 AlVG in der Arbeitslosenversicherung selbstversichert.
In den Zeiträumen 04.01.2011 bis 01.03.2011, 01.06.2011 bis 05.06.2011, 01.08.2011 bis 28.08.2011 bezog sie Leistungen aus dieser Versicherung, vom 04.01.2011 bis 28.02.2011, vom 24.05.2011 bis 05.06.2011 und vom 28.07.2011 bis 28.08.2011 war sie arbeitssuchend gemeldet.
Die Bf war in diesen Jahren in Österreich steuerlich veranlagt. Die Höhe der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit betrug im Jahr 2009 € 25.495,05, im Jahr 2010 € 855,01 und €6.490,67 im Jahr 2011. In den Einkommenssteuerbescheiden sind jeweils auch ausländische Einkünfte, Progressionseinkünfte und Hinzurechnungsbeträge GSVG/FSVG und ASVG/AlVG enthalten.
Die Bf hat mit 03. Mai 2006 eine Erklärung abgegeben, dass ihr Einkommen die Versicherungsgrenze übersteigen wird. Ein Widerruf ist im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erfolgt.
2. Beweiswürdigung:
Der gegenständliche Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt der SVA, die umfangreiche Erhebungen durchgeführt hat, aus den Ergänzungen durch das Gericht und aus dem Vorbringen der Partei, insbesondere ergibt sich der Sachverhalt aus den Einkommensteuererklärungen samt Beilagen zu den Einkommenssteuererklärungen bzw. den Einkommenssteuerbescheiden für die Jahre 2008, 2009, 2010 und 2011. Weiters ergibt er sich aus den vorgelegten Verträgen (Vertrag vom 20.5.2011, vom 14.7.2011, vom 12.11.2010, vom 30.6.2010 und vom 19.7.2010). Die Feststellungen betreffend die ausgestellten E 101 bzw. A1 -Bescheinigungen über anzuwendendes Recht ergeben aus dem Akt der SVA, in dem sowohl eine Kopie der Bescheinigung als auch der Beantragung durch die Agentur der Beschwerdeführerin vorhanden sind.
Die Feststellungen betreffend die Selbstversicherung in der Arbeitslosenversicherung, den Leistungsbezug sowie die Meldung als arbeitssuchend ergeben sich aus dem im Akt der SVA befindlichen Schreiben des AMS Tulln vom 23. Juli 2014. (Seite 438). Die Dokumente betreffend die Einbeziehung in die Versicherungspflicht der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen ergeben sich aus den Unterlagen der Beschwerdeführerin und den Lohnauszahlungsbestätigungen (u.a. Seiten 529 ff., 586 ff, im Akt der SVA).
Die Feststellungen über die Zeiträume, in denen das Ruhen der künstlerischen Tätigkeit angezeigt wurden, ergeben sich ebenfalls aus den entsprechenden Unterlagen der SVA bzw. des Künstler-Sozialversicherungsfonds; die Feststellungen betreffend den Versicherungsverlauf ergeben sich aus dem Versicherungsdatenauszug des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, der von der belangten Behörde und auch vom Gericht eingeholt wurde.
Alle vorgelegten Dokumente sind als echt und richtig anzusehen.
Im Wesentlichen ist nicht der Sachverhalt strittig, sondern die rechtliche Würdigung, insbesondere ob eine österreichische Zuständigkeit für die Einbeziehung in die Sozialversicherung gegeben ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Im gegenständlichen Fall ist zu klären, ob nach den unten angeführten Koordinationsnormen der EU eine Zuständigkeit Österreichs für die gegenständliche Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Zeitraum bestanden hat:
3.1 Anzuwendendes EU-Recht:
3.1.1 Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie
deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern
(Konsolidierte Fassung - ABl. Nr. L 28 vom 30.1.1997, ......kurz VO
1408/71, anzuwenden bis 30.04.2010:
(1) Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas Anderes bestimmen, gilt folgendes:
a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt;
Artikel 14a VO (EWG) 1408/71:
Sonderregelung für andere Personen als Seeleute, die eine selbständige Tätigkeit ausüben
Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe b) gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:
1. a) Eine Person, die eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet eines Mitgliedstaats ausübt und die eine Arbeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausführt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche
Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet;
b) geht eine solche Arbeit, deren Ausführung aus nicht vorhersehbaren Gründen die ursprünglich vorgesehene Dauer überschreitet, über zwölf Monate hinaus, so gelten die Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats bis zur Beendigung dieser Arbeit weiter, sofern die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sich der Betreffende für die Arbeit begeben hat, oder die von dieser Behörde bezeichnete Stelle dazu ihre Genehmigung erteilt;
Artikel 14d VO 1408/71
(1) Eine Person, für die Artikel 14 Absätze 2 und 3, Artikel 14a Absätze 2, 3 und 4, Artikel 14c Buchstabe a) oder Artikel 14e gilt, wird für die Anwendung der nach diesen Bestimmungen bestimmten Rechtsvorschriften so behandelt, als ob sie ihre gesamte Erwerbstätigkeit oder ihre gesamten Erwerbstätigkeiten im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats ausübte.
(2) Eine Person, für die Artikel 14c Buchstabe b) gilt, wird für die Festlegung des Beitragssatzes zu Lasten der Selbständigen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie ihre selbständige Tätigkeit ausübt, so behandelt, als ob sie ihre abhängige Beschäftigung im Gebiet dieses Staates ausübte.
3.1.2 Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, anzuwenden ab 01.05.2010:
Fassung der VO 883/2004 ab 1.1.2011 idFd. VO 859/2003 und VO 1231/2010.
Artikel 11
(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.
(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:
a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
b) ein Beamter unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem die ihn beschäftigende Verwaltungseinheit angehört;
c) eine Person, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Artikel 65 erhält, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
d) eine zum Wehr- oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
e) jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a bis d fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats.
Artikel 12 Sonderregelung
(1) Eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere Person ablöst.
(2) Eine Person, die gewöhnlich in einem Mitgliedstaat eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und die eine ähnliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Tätigkeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet.
3.1.3 Übergangsbestimmung:
§ 87 Abs. 8 der VO 883/2004:
Gelten für eine Person infolge dieser Verordnung die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, der durch Titel II der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 bestimmt wird, so bleiben diese Rechtsvorschriften so lange anwendbar, wie sich der bis dahin vorherrschende Sachverhalt nicht ändert, es sei denn, die betreffende Person beantragt, den gemäß dieser Verordnung anzuwendenden Rechtsvorschriften unterstellt zu werden. Der Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung bei dem zuständigen Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gemäß dieser Verordnung anzuwenden sind, zu stellen, wenn die betreffende Person den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats ab dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung unterliegen soll. Wird der Antrag nach Ablauf dieser Frist gestellt, so gelten diese Rechtsvorschriften für die betreffende Person ab dem ersten Tag des darauffolgenden Monats.
3.1.4 Nach Art. 1 lit. h) der VO 1408/71 ist "Wohnort": der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts.
Nach Art.1 lit j) bezeichnet "Wohnort" den Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes.
3.1.5 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009, kurz: VO 987/2009, zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (kurz: Durchführungsverordnung):
Rechtswirkung der in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Dokumente und Belege
Art. 5
(1) Vom Träger eines Mitgliedstaats ausgestellte Dokumente, in denen der Status einer Person für die Zwecke der Anwendung der Grundverordnung und der Durchführungsverordnung bescheinigt wird, sowie Belege, auf deren Grundlage die Dokumente ausgestellt wurden, sind für die Träger der anderen Mitgliedstaaten so lange verbindlich, wie sie nicht von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurden, widerrufen oder für ungültig erklärt werden
(2) Bei Zweifeln an der Gültigkeit eines Dokuments oder der Richtigkeit des Sachverhalts, der den im Dokument enthaltenen Angaben zugrunde liegt, wendet sich der Träger des Mitgliedstaats, der das Dokument erhält, an den Träger, der das Dokument ausgestellt hat, und ersucht diesen um die notwendige Klarstellung oder gegebenenfalls um den Widerruf dieses Dokuments. Der Träger, der das Dokument ausgestellt hat, überprüft die Gründe für die Ausstellung und widerruft das Dokument gegebenenfalls.
(3) Bei Zweifeln an den Angaben der betreffenden Personen, der Gültigkeit eines Dokuments oder der Belege oder der Richtigkeit des Sachverhalts, der den darin enthaltenen Angaben zugrunde liegt, nimmt der Träger des Aufenthalts- oder Wohnorts, soweit dies möglich ist, nach Absatz 2 auf Verlangen des zuständigen Trägers die nötige Überprüfung dieser Angaben oder dieses Dokuments vor.
(4) Erzielen die betreffenden Träger keine Einigung, so können die zuständigen Behörden frühestens einen Monat nach dem Zeitpunkt, zu dem der Träger, der das Dokument erhalten hat, sein Ersuchen vorgebracht hat, die Verwaltungskommission anrufen. Die Verwaltungskommission bemüht sich binnen sechs Monaten nach ihrer Befassung um eine Annäherung der unterschiedlichen Standpunkte.
3.1.6 Beschlüsse der Verwaltungskommission
Nach dem Beschluss Nr. A2 vom 12.Juni 2009 zur Auslegung des Artikels 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der auf entsandte Arbeitnehmer sowie auf Selbstständige, die vorübergehend eine Tätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedsstaat ausüben, anzuwendenden Rechtsvorschriften, (veröffentlicht im Amtsblatt C 106/02)
Zif. 2 bei der Anwendung von Artikel 14 Abs. 3 der VO Nr. 987/2009 die Erfüllung der Anforderungen in dem Mitgliedsstaat, in dem die Person ansässig ist, unter anderem danach bewertet, ob die Person Büroräume unterhält, Steuern zahlt, einen Gewerbeausweis und eine Umsatzsteuernummer nachweist oder bei der Handelskammer oder ein einem Berufsverband eingetragen ist. Übt eine Person ihre Tätigkeit seit mindestens zwei Monaten aus, kann dies als Erfüllung der Forderung betrachtet werden, die durch die Formulierung "bereits einige Zeit vor dem Zeitpunkt, ab dem sie die Bestimmungen des genannten Artikels in Anspruch nehmen will" zum Ausdruck gebracht wird. Bei kürzeren Zeiträumen erfolgt die Bewertung von Fall zu Fall unter Berücksichtigung aller übrigen Faktoren.
3.1.7 Inländische Gesetzesbestimmungen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in der hier anzuwendenden Fassung sind aufgrund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist, pflichtversichert. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die Versicherungsgrenze übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen.
Gemäß § 4 Abs. 9 GSVG, in Kraft seit 01.01.2011, sind KünstlerInnen nach § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes (K-SVFG), BGBl. I Nr. 131/2000, die das Ruhen ihrer selbständigen künstlerischen Erwerbstätigkeit nach § 22a K-SVFG gemeldet haben, für die Dauer der Wirksamkeit des Ruhens nach § 22a Abs. 4 K-SVFG von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung sind ausgenommen.
Gemäß § 22a Abs. 1 K-SVFG können nach dem GSVG pflichtversicherte Künstlerinnen/Künstler gemäß § 2 Abs. 1 dem Fonds das Ruhen der selbständigen künstlerischen Erwerbstätigkeit melden, um die Ausnahme von der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 9 GSVG zu bewirken. Die vom Fonds aufgelegten Formblätter sind zu verwenden.
§ 2 SV-EG in der Fassung BGBl. I Nr. 119/2006:
Führt die Anwendung des Titels II der Verordnung dazu, dass eine Person den österreichischen Rechtsvorschriften unterliegt, die im Gebiet eines anderen Staates, für den die Verordnung gilt, eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt oder deren in Österreich ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit sich auf das Gebiet eines solchen anderen Staates erstreckt, so ist für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für diese im Ausland ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, die jeweilige steuerbehördliche Entscheidung über die Einkünfte aus dieser im Ausland ausgeübten selbständigen Tätigkeit maßgebend. Der in dieser Entscheidung ausgewiesene Betrag gilt
a)
für die Anwendung des GSVG oder BSVG als für die Bemessung der Einkommensteuer nach den österreichischen Vorschriften über die Einkommensteuer steuerbare Einkünfte;
b)
für die Anwendung des NVG 1972 als nach den Vorschriften über die Einkommensteuer steuerbare Einkünfte.
In Fällen von landwirtschaftlichen Teilflächen eines österreichischen Betriebes, die keine organisatorische Einheit bilden, ist der Bildung des Versicherungswertes nach § 23 Abs. 3 BSVG durch den zuständigen österreichischen Träger der unter Heranziehung der Daten gleichgelagerter Betriebe in Österreich (§§ 29 bis 50 des Bewertungsgesetzes 1955) ermittelte Ertragswert zu Grunde zu legen.
3.2 Prüfung der Anwendbarkeit der Übergangsbestimmung:
Nach der Übergangsbestimmung des Art. 87 der VO 883/ 2004 bleibt bei unverändertem Sachverhalt, der zur Zuordnung der anwendbaren Rechtsvorschriften geführt hat, die VO 1408/71 weiter anwendbar.
Es ist daher im gegenständlichen Fall zu prüfen, auch nach dem Inkrafttreten der VO 883/2004 mit 01.05.2010 weiterhin die bis zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtlage nach der VO 1408/71 anzuwenden. Die Frist von 10 Jahren, die für die Geltung der Übergangstimmung normiert wurde, läuft bis Ende April 2020.
Es kann hier aber dahingestellt bleiben, ob eine neu eingegangene Entsendung bzw. der Wechsel zwischen selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit im Drittstaat zu einem neuen Sachverhalt und damit zur Anwendbarkeit der neuen VO geführt habe, da die Änderungen in der Regelung hier nicht relevant sind; weder das mit der VO 883/2004 eingeführte Kriterium der "Ähnlichkeit" der Tätigkeiten noch die längere Entsendemöglichkeit spielen hier eine Rolle.
3.3 Prüfung, ob eine österreichische Zuständigkeit für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der gegenständlichen Erwerbstätigkeit gegeben ist:
3.3.1 Prüfung, ob eine Entsendung nach Art. 14a VO(EWG) 1408/71 bzw. Art. 12 Abs. 2 VO 883/2004
Nach dem Territorialitätsprinzip unterliegen selbständig und unselbständig Erwerbstätige immer jenem System der sozialen Sicherheit, das in dem Land gilt, in dem sie tätig sind. Durchbrochen wird dieser Grundsatz vom sogenannten "Ausstrahlungsprinzip". Dieses besagt, dass bei einer vorübergehenden Verlagerung einer Tätigkeit ins Ausland weiterhin die inländischen Rechtsvorschriften anzuwenden sind. Voraussetzung hierfür ist eine besonders enge Verknüpfung der ausländischen Tätigkeit zum Inland.
3.4 Folgende Kriterien müssen für eine Entsendung einer selbständig erwerbstätigen Person vorliegen:
3.4.1 Die selbständige Tätigkeit muss bereits einige Zeit vor der beabsichtigten Entsendung ausgeübt worden sein. Es wird dabei auch auf den oben zitierten Beschluss der Verwaltungskommission verwiesen, wonach bereits eine zweimonatige Ausübung vor der Entsendung dieses Kriterium, dass die Person "bereits einige Zeit vor dem Zeitpunkt, ab dem sie die Bestimmungen des genannten Artikels in Anspruch nehmen will" als erfüllt anzusehen ist. Das ist zu bejahen, es ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Bf im Jahr 2007 in erheblichem Maße für die Volksoper in Wien aufgetreten ist, was für die Gesamtbeurteilung der nennenswerten Tätigkeit in Österreich heranzuziehen ist, auch wenn dieses Jahr hier nicht gegenständlich ist.
3.4.2 Als weitere Voraussetzung ist zu prüfen, ob die selbständig tätige Person eine nennenswerte Tätigkeit im Gebiet des Mitgliedstaates ausübt, in dem sie ansässig ist. Für die Erfüllung der Voraussetzungen stellt der oben angeführte Beschluss A2 u.a. darauf ab, ob Büroräume vorhanden sind, was hier zu bejahen ist.
Ein Beschluss der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist nicht bindend, aber eine Interpretationshilfe. Es trifft zwar zu, dass Beschlüsse der Verwaltungskommission, wozu auch der praktische Leitfaden zähle, keine unmittelbar verbindliche Wirkung hätten. Vgl. Erk vom 10.10.2018, Ro 2016/08/0013. Allerdings - so der VwGH - würden sie doch die von den Mitgliedstaaten und auch von der Europäischen Kommission getragene Rechtsauslegung dokumentieren und daher einen hohen Wert für alle Mitgliedstaaten darstellen. Solche Beschlüsse müssten als Grundlage für die erforderliche loyale Zusammenarbeit betrachtet werden.
Die Bf hat ihre betriebliche Infrastruktur in Österreich (Proberaum, Agentur, betriebliche Nutzung des Autos) vor den Auslandsengagements aufgebaut und auch in der Zeit der Entsendungen aufrechterhalten. Sie ist in Österreich steuerlich veranlagt. Eine Mitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer ist bei selbstständiger Ausübung künstlerischer Tätigkeit nicht vorgesehen. Für bestimmte Belange ist der KünsterInnen-Sozialversicherungsfonds für sie zuständig (vgl. Ruhendmeldungen).
Sie ist auf weitere Elemente des Mittelpunktes ihrer Tätigkeit in Österreich hinzuweisen, wie die u.a. während des Aufenthaltes in Österreich erfolgten Akquise, auch wenn die Bf dafür eine Agentur beauftragt hatte. In Zeiträumen, in denen eine Lücke zwischen den Aufträgen bestand, hat sich die Bf in Österreich befunden bzw. und hat hier in den oben angeführten Zeiträumen Leistungen aus der Selbstständigen-Arbeitslosenversicherung als Absicherung gegen das Risiko der mangelnden Engagements und Einkünfte als Künstlerin in Anspruch genommen.
Die Bf war in der Zeit, die hier zu prüfen ist, neben den Erwerbstätigketien in verschiedenen Ländern, durchgehend in Österreich selbstständig seit 2006 als Künstlerin erwerbstätig.
3.4.3 Es muss sich weiters um eine Entsendung handeln:
Für die Unterscheidung zwischen einer Entsendung und mehreren Erwerbstätigkeiten ist die Dauer und die Eigenart der Tätigkeiten in mehreren Mitgliedsstaaten (MS) entscheidend, dh ob diese von dauerhafter, kurzfristiger oder vorübergehender Art sind. (vgl. Art. 14 Abs. 7 Durchführungs-VO 987/2009).
Die hier gegenständlichen Engagements im EU-Ausland waren nicht auf Dauer angelegt, sondern auf ein bestimmtes künstlerisches Projekt bzw. auf einzelne Aufführungen gerichtet. Die Dauer war vorhersehbar und begrenzt.
Die Tätigkeiten im EU-Ausland waren für längere oder kürzer Zeiträume vereinbart, sie haben die Dauer von einem Jahr in keinem Fall erreicht oder überschritten.
Das Vorliegen einer Entsendung ist daher zu bejahen.
3.4.4
Nach dem EuGH-Urteil BANKS, C-178/97, Slg.2000, I-2005 ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Selbstständiger vorübergehend in einem anderen Staat eine unselbstständige Beschäftigung ausübt. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass aufgrund dieser vorübergehenden unselbstständigen Beschäftigung die Anwendung von Art. 14a VO 1408/71 bzw. Art. 12 VO 883/2004 nicht ausgeschlossen wird.
Nach der VO 883/2004 muss der Selbständige in dem Mitgliedstaat, in den er sich entsendet, eine ähnliche Tätigkeit ausüben, wie im Staat, in dem er ansässig ist. Dieses Kriterium liegt hier unbestritten vor.
Zur Frage der Relevanz vgl. unten unter Pkt.3.7
3.5 Zusammenfassung:
Die Bf hat zwar ihre Erwerbstätigkeit in den hier zu prüfenden Jahren überwiegend im EU-Ausland absolviert, aber von einem österreichischen Betriebsstandort aus. Die künstlerische Erwerbstätigkeit der Bf im Ausland ist auf Basis von "Selbst"-Entsendungen einer Selbstständigen zur vorübergehenden Ausübung im Ausland im Sinne des Art. 14a Abs. 1 lit a VO 1408/71 bzw. Art. 12 Abs. 2 VO 883/2004.
Nach den Koordinierungsbestimmungen ist in diesem Fall Österreich der zuständige Staat für die Durchführung der Sozialversicherung.
3.6 Wirkung von Bescheinigungen E101 bzw. A1
Die Tatsache, dass die belangte Behörde für bestimmte Zeiträume Bescheinigungen darüber ausgestellt hat, dass die österreichischen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, begründet allein keine Pflichtversicherung nach innerstaatlichem Recht, d.h. es tritt zwar eine Bindung der Versicherungsträger der sonstigen Mitgliedsstaaten ein, aber keine innerstaatliche Bindung, vgl. Erk-VwGH vom 12.09.2012, Zl. 2010/08/0085.
3.7 Eine Ausnahmeregelung für in mehreren Staaten Tätige (unselbstständig und selbständig) nach Anhang VII der VO 1408/71 war in Österreich im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr in Kraft.
3.8 Zu den Beschwerdeausführungen ist zu bemerken, dass die Tatsache, dass die Versorgunganstalt der deutschen Bühnen von der Bf für ein- und dieselbe Erwerbstätigkeit Beiträge zur Altersvorsorge vereinnahmt hat, obwohl Bescheinigungen über die österreichische Zuständigkeit vorlagen, die österreichische Zuständigkeit zur Durchführung der Sozialversicherung nach den Kollisionsnormen nicht ausschließt. Für die Prüfung, ob in Deutschland unter Umständen zu Unrecht Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden, wären die deutschen Behörden/Gerichte zuständig.
4. Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG vorlagen:
Abgesehen von den Zeiträumen, in denen das Ruhen der künstlerischen Tätigkeit gemeldet worden war und in denen unstrittig keine Pflichtversicherung vorlag, hat eine betriebliche Tätigkeit mit die Versicherungsgrenze übersteigenden Einkünften bestanden bzw. bestand die Pflichtversicherung aufgrund der Versicherungserklärung.
4.1 Der Bescheid der belangten Behörde war somit sowohl hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellung (einschließlich Beweiswürdigung) als auch hinsichtlich der rechtlichen Würdigung zu bestätigen.
4.2 Ein Abkommen über soziale Sicherheit mit Japan ist nicht in Kraft. Die SVA hat daher zu Recht das dort erzielte Einkommen nicht in die Beurteilung der Pflichtversicherung und der Beitragsgrundlage einbezogen, vgl. Liste der zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen in https://www.sozialministerium.at. Diesbezüglich gehen die Beschwerdeausführungen ins Leere.
5. Absehen von der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt ist und in der Beschwerde und dem Vorlageantrag nicht bestritten wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht (vgl. die Entscheidung des EGMR vom 2. September 2004, 68.087/01 [Hofbauer/Österreich ], wo der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt hat, dass die Anforderungen von Art 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jegliche Anhörung [im Originaltext "any hearing at all"] erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft und in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise verwiesen hat, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 29.April 2015, Zl. Ro 20015/08/0005. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Auslandsbezug, Betriebsstandort, Entsendung, künstlerischeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W178.2109074.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.07.2019