TE OGH 2019/5/29 7Ob53/19y

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** K*****, vertreten durch Dr. Norbert Novak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 8.396,04 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. Dezember 2018, GZ 1 R 300/18s-12, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 18. Juli 2018, GZ 17 C 78/18x-8, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Parteien bestand ein fondsgebundener Lebensversicherungsvertrag mit einer Laufzeit vom 1. 2. 2005 bis 1. 2. 2054 und monatlicher Prämie von 300 EUR. Als Zweck der Versicherung wurde (unstrittig) im Antrag ausdrücklich „Kreditbesicherung“ ausgewiesen. In diesem Antrag wurde der Kläger schriftlich wie folgt auf das Rücktrittsrecht hingewiesen:

Rücktrittsrecht

Dem Antragsteller wird ein Rücktrittsrecht vom Antrag bzw. vom Vertrag eingeräumt. Dieses Rücktrittsrecht erlischt zwei Wochen nach Zugang der Polizze, der Versicherungsbedingungen und der Erfüllung der Mitteilungspflichten nach § 5b VersVG; anderenfalls einen Monat nach Zugang der Polizze. Der Rücktritt bedarf zu seiner Wirksamkeit der Schriftform. Es genügt, wenn die Rücktrittserklärung innerhalb des genannten Zeitraumes abgesendet wird.

Der Versicherungsnehmer hat gem. § 165a VersVG das Recht, innerhalb von 14 Tagen nach Zustandekommen des Vertrages von diesem zurückzutreten.

Mit Abtretungsanzeige vom 8. August 2005 trat der Kläger „sämtliche Rechte und Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag“ an eine Bank ab (in der Folge: Zessionarin).

Der Kläger zahlte Prämien von 12.033,96 EUR. Der Vertrag wurde zum 1. Februar 2009 beitragsfrei gestellt. Am 24. April 2009 kündigte die Zessionarin unter Berufung auf die Abtretung und unter Anschluss der Versicherungspolizze den Versicherungsvertrag und begehrte die Auszahlung von Rückkaufswert und Gewinnbeteiligung an sich.

Der Vertrag wurde daraufhin zum 1. Juni 2009 aufgelöst und die Beklagte zahlte 4.916,15 EUR an die Zessionarin aus.

Am 8. März 2018 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, dass er unter Berufung auf § 165a VersVG vom Vertrag zurücktrete. Die Beklagte wies das Rücktrittsbegehren zurück.

Der Kläger begehrte zuletzt 8.396,04 EUR sA, nämlich die Rückzahlung der Prämien zuzüglich kapitalisierter Zinsen abzüglich Risikokosten und Rückzahlung. Die Belehrung über das Rücktrittsrecht sei fehlerhaft, sodass es unbefristet ausgeübt werden kann.

Die Beklagte wandte ein, der Kläger habe sämtliche Rechte und Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an die Zessionarin abgetreten, die den Vertrag gekündigt habe und an die der Rückkaufswert ausgezahlt worden sei. Die Belehrung sei zutreffend und gesetzeskonform erfolgt, die 30-tägige Rücktrittsfrist des § 165a VersVG abgelaufen, das Rücktrittsrecht verjährt und werde rechtsmissbräuchlich geltend gemacht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 7.933,13 EUR sA statt und wies das Begehren in Ansehung von 462,91 EUR an Versicherungssteuer ab. Das Rücktrittsrecht stehe zufolge fehlerhafter Belehrung unbefristet zu. Die Abtretung des Vertrags schade nicht, weil die Zessionarin ab dem Kündigungszeitpunkt „schon definitionsgemäß“ über keine weiteren Rechte verfüge, sodass der Kläger zur Geltendmachung befugt sei.

Das – nur von der Beklagten gegen die Klagsstattgebung angerufene – Berufungsgericht änderte das Urteil dahin ab, dass es das gesamte Klagebegehren abwies. Es komme auf das Bestehen eines Spätkündigungsrechts ebenso wenig an wie auf die Frage, ob der Kläger trotz Abtretung zu einem solchen Rücktritt berechtigt sei. Jedenfalls seien nämlich die aus einem allfälligen Rücktritt resultierenden Ansprüche von der festgestellten Abtretung umfasst, sodass der Kläger zur Geltendmachung dieser Forderungen nicht aktiv legitimiert sei.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Wirksamkeit einer Abtretung von Rückabwicklungsansprüchen aufgrund eines Rücktritts nach § 165a VersVG nach Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags vorliege.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Der Revisionswerber macht – soweit dies für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist – geltend, der Rückabwicklungsanspruch, an den im Jahr 2005 niemand gedacht habe, sei ebenso wenig von der Abtretung umfasst wie das den Rückabwicklungsanspruch auslösende Rücktrittsrecht selbst. Die Abtretung betreffe nur vertragliche Erfüllungsansprüche, nicht jedoch Ansprüche, welche gerade aus der Aufhebung des Vertrags ex tunc resultieren würden; Gestaltungsrechte könnten nicht selbstständig abgetreten werden. Eine Abtretungsvereinbarung, wie sie das Berufungsgericht verstehe, würde die Effektivität des Unionsrechts beeinträchtigen und wäre (teil-)nichtig oder zumindest teleologisch zu reduzieren.

Dazu wurde erwogen:

1. Nach § 1393 ABGB sind alle veräußerlichen Rechte ein Gegenstand der Abtretung; nur Rechte, die der Person ankleben, folglich mit ihr erlöschen, können nicht abgetreten werden.

Höchstpersönlich in diesem Sinn ist ein Anspruch, wenn sein Inhalt durch die Person des Berechtigten bestimmt wird, sodass durch den Wechsel dieser Person auch der Leistungsinhalt selbst eine Veränderung erfahren würde, wie etwa bei Arbeitsverträgen und Unterhaltsansprüchen. Dass der Anspruch mit dem Tod des Berechtigten oder bei Eintritt sonstiger Umstände erlischt, macht ihn noch nicht zu einem höchstpersönlichen (

RS0032673).

2. Die Auslegung eines Vertrags hat zufolge § 914 ABGB nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern unter Berücksichtigung aller Umstände die Absicht der Parteien zu erforschen. Der Vertrag ist so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RS0017817, RS0017915, RS0017797).

Auf eine (auch formfreie: RS0032544) Vereinbarung, mit der Rechte aus einem Versicherungsvertrag abgetreten werden, sind die Auslegungsgrundsätze des § 914 ABGB anzuwenden, wobei insbesondere auf den Geschäftszweck Bedacht zu nehmen ist (vgl 7 Ob 157/12g; RS0017823).

3. Forderungen des Versicherungsnehmers „aus der Versicherung“ (§ 15 VersVG) können als Geldforderungen im Allgemeinen ohne weiteres abgetreten, verpfändet oder gepfändet werden und sind daher als Sicherungsmittel geeignet. Das bedeutet, dass der Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag wirksam verpfänden (RS0011319 [T2]) oder abtreten kann, ohne dass dadurch das Versicherungsverhältnis zwischen Versicherer und Versichertem berührt würde (RS0032544 [T2]).

Auch künftige Forderungen, die nach der Person des Schuldners und nach dem Grundverhältnis, aus dem in Zukunft die Forderung zwischen den beteiligten Personen entstehen soll, bestimmt sind, können abgetreten werden (RS0032827, RS0054244, RS0032798). Der Versicherungsnehmer kann daher schon vor dem Versicherungsfall seinen möglichen Anspruch auf die Versicherungsleistung abtreten (7 Ob 157/12g = RS0032544 [T3] =

RS0032906 [T9]). Auch aus der Anfechtung eines Vertrags sich ergebende Ansprüche sind bereits vorab abtretbar (RS0032864, RS0032732).

4. Der Kläger hat hier nach den Feststellungen „sämtliche Rechte und Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag“ (welcher zudem ausdrücklich als Kreditsicherungszwecken dienend beantragt wurde) an seine Bank abgetreten.

Einen von diesem umfassend formulierten objektiven Wortlaut abweichenden Geschäftszweck hat der Kläger in erster Instanz auch nicht behauptet und dem Einwand der Beklagten, es mangle dem Kläger an der Aktivlegitimation keinerlei erstinstanzliches Vorbringen entgegengesetzt.

Der Geschäftszweck einer Zessionsvereinbarung wie der vorliegenden besteht in der Sicherstellung von Kreditverbindlichkeiten des Klägers. Es soll ihm die Dispositionsbefugnis auf sämtliche dem Sicherungszweck dienenden, aus dem Versicherungsverhältnis abgeleiteten Ansprüche entzogen werden. Nur mehr der Zessionar soll sie geltend machen können. Der Versicherungsnehmer hat damit selbst vorab über sich möglicherweise aus einer Rückabwicklung ergebende Leistungsansprüche disponiert und durch die Zession zugunsten seines Kreditgebers privatautonom eigene Interessen verfolgt. Warum dies in der vorliegenden Konstellation dem Gesetzeszweck des § 165a VersVG widersprechen oder den effet utile der ihm zugrundeliegenden europarechtlichen Bestimmungen beeinträchtigen sollte, ist nicht ersichtlich.

Ob das Rücktrittsrecht selbst durch die Vereinbarung abgetreten wurde (vgl dazu RS0032642,

RS0038501), ist daher hier nicht entscheidungsrelevant.

5. Zusammengefasst gilt:

Hat ein Versicherungsnehmer seinem Kreditgeber zur Besicherung eines Kredits sämtliche Rechte und Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag abgetreten, so sind davon auch Rückforderungsansprüche nach einem ex tunc wirkenden Vertragsrücktritt nach § 165a VersVG umfasst.

6. Eine Zession hat aber grundsätzlich zur Folge, dass der Zedent nicht berechtigt ist, den Schuldner – hier die Beklagte – im eigenen Namen auf Zahlung zu klagen (

vgl RS0032699 [T6]).

Der Revision des aktiv nicht legitimierten Klägers ist daher der Erfolg zu versagen, ohne dass es einer Klärung der Berechtigung des Anspruchs und damit der dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Rechtssache C-479/18, UNIQA Österreich Versicherungen ua, zur Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV vorliegenden Fragen bedurfte (vgl 7 Ob 124/18p, 7 Ob 144/18d uva).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E125410

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00053.19Y.0529.000

Im RIS seit

04.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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