Entscheidungsdatum
21.11.2018Norm
AsylG 2005 §55 Abs1Spruch
L515 2207652-2/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. Leitner als Einzelrichter über die Beschwerde vom XXXX des XXXX , am XXXX geboren, Staatsbürger der Islamischen Republik Pakistan, vertreten durch Dr. Wilfried WEH Rechtsanwalt GmbH, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , sowie gegen die andauernde Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.
IV. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in der Höhe von € 423,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B) Die Revision ist nicht zulässig.
BESCHLUSS
A) Der Antrag des XXXX , am XXXX geboren, Staatsbürger der Islamischen Republik Pakistan, vertreten durch Dr. Wilfried WEH Rechtsanwalt GmbH vom XXXX ,
1. auszusprechen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist
und
2. dem Antragsteller ein Aufenthaltstitel erteilt wird,
3. in eventu, dem Antragsteller internationalen Schutz zu gewähren,
wird mangels fehlender sachlicher Zuständigkeit seitens des Bundesverwaltungsgerichts gem. § 6 AVG dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weitergeleitet.
B) Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die männliche und volljährige beschwerdeführende Partei (im Folgenden "bP" genannt) ist ein Staatsangehöriger der Islamischen Republik Pakistan (nachfolgend kurz "Pakistan" genannt) und befand sich vom XXXX zur Abschiebung nach Pakistan am XXXX in Schubhaft.
I.2. Hinsichtlich des bisherigen verfahrensrechtlichen Schicksals der bP wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche wie folgt auszugsweise wiedergegeben werden:
"Sie sind illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet eingereist und haben am 03.10.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Ihr Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.10.2012 gem. §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen und eine Ausweisung nach Pakistan verfügt. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt, weil das Vorbringen ganz offensichtlich nicht den Tatsachen entsprach und die behauptete Fluchtgeschichte vage, substanzlos und widersprüchlich war. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 12.11.2012 als unbegründet abgewiesen und erwuchs mit 14.11.2012 in Rechtskraft.
Sie sind Ihrer Ausreiseverpflichtung jedoch nicht nachgekommen und haben sich illegal in Österreich aufgehalten.
Am 15.04.2014 stellten Sie bei der Erstaufnahmestelle Traiskirchen einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag mit Bescheid vom 13.12.2016 gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen Sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Pakistan zulässig ist. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts abgewiesen und erwuchs mit 13.01.2017 in Rechtskraft.
Sie haben durch Ihren Rechtsanwalt Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben und die aufschiebende Wirkung beantragt. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 17.03.2017 wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss vom 08.06.2017 lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab.
Mit Beschluss vom 31.07.2017 wurde die Beschwerde über Ihren nachträglichen Antrag zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Mit Beschluss vom 23.10.2017 hat der Verwaltungsgerichtshof die Revision zurückgewiesen.
Am 22.01.2018 stellten Sie persönlich einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 Abs. 1 AsylG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Dieser beinhaltet gem. § 58 Abs. 13 AsylG kein Aufenthalts- und Bleiberecht. Ihr Antrag wurde mit Bescheid vom 08.10.2018 gem. § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen. Eine Zustellung des Bescheides ist noch nicht bekannt.
Aufgrund Festnahmeauftrags des Bundesamtes vom 03.05.2018 wurde am 07.05.2018 versucht, Sie an Ihrer Wohnsitzadresse XXXX , festzunehmen. Ihr Zimmer war versperrt, Sie konnten nicht angetroffen werden. Ihre Mitbewohner gaben auf Nachfrage an, dass Sie zuletzt am 04.05.2018 an der Meldeadresse aufhältig waren.
Aufgrund Festnahmeauftrags des Bundesamtes vom 27.06.2018 wurde durch die Polizei am 09.07.18 neuerlich ein Festnahmeversuch an der Wohnsitzadresse unternommen, der wiederum negativ verlief.
Mit Festnahmeauftrag des Bundesamtes vom 17.08.2018 wurden am 05.09.2018 an Ihrem Arbeitsplatz in XXXX und am 06.09.2018 sowie am 07.09.2018 an Ihrer Wohnsitzadresse weitere Festnahmeversuche unternommen. Der Polizei wurde mitgeteilt, dass Sie am 06.09.2018 kurz in Ihrer Unterkunft gewesen seien, Ihre Sachen gepackt hätten und anschließend untertauchten.
Sie wurden am 11.10.2018 wegen einer Vollstreckungsverfügung durch die Finanzpolizei kontrolliert. Dabei haben Sie einen Fluchtversuch gemacht, der jedoch von den Beamten vereitelt werden konnte.
Aufgrund des Festnahmeauftrages gem. § 34 Abs. 1 Z 2 FPG vom 28.09.2018 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden Sie den Beamten der Bundespolizei übergeben."
I.3. Die belangte Behörde ("bB") führte im angefochtenen Bescheid weiters Folgendes aus (Formatierungen nicht mit dem Original übereinstimmend):
"...
Ihre Identität steht fest. Sie heißen XXXX und wurden am XXXX in XXXX in der Provinz Punjab in Pakistan geboren. Sie sind pakistanischer Staatsangehöriger, XXXX Jahre alt und volljährig. Sie bekennen sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Punjabi ist Ihre Muttersprache.
Sie sind in Pakistan geboren und aufgewachsen, haben die Schulausbildung absolviert, sprechen die dortigen Sprachen und sind mit den Sitten und Gebräuchen in Ihrem Heimatland vertraut. Sie haben den überwiegenden Teil Ihres Lebens (20 Jahre) in Pakistan verbracht. Sie haben bis zu Ihrer Ausreise im Elternhaus gewohnt. In Pakistan leben Ihre Mutter, vier Brüder und zwei Schwestern mit deren Familien. Sie verfügen über ausreichend familiäre und soziale Anknüpfungspunkte in Ihrem Heimatland.
Sie sind gesund und arbeitsfähig. Sie sprechen die Sprachen Punjabi, Urdu und Deutsch.
Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:
Sie haben zwei Asylanträge in Österreich gestellt, die nach Ausschöpfung des vollen Instanzenzuges negativ entschieden wurden.
Eine Rückkehrentscheidung gegen Ihre Person ist seit dem 13.01.2017 rechtskräftig und nach Wegfall der zuerkannten aufschiebenden Wirkung seit dem 23.10.2017 durchsetzbar. Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werden Sie zur Ausreise verhalten werden.
Zu Ihrem bisherigen Verhalten:
-
Sie sind nach Österreich illegal eingereist und halten sich, nach zwei rechtskräftig negativen Asylverfahren seit dem 13.01.2017 illegal in Österreich auf.
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Ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 22.01.18 wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 08.10.2018 gem. § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen.
-
Sie gingen seit dem 01.09.2015 einer Erwerbstätigkeit auf Werksvertragsbasis als Zeitungsaussteller nach und haben vertraglich zugesichert, dass Sie selbständig für die Meldung aller Abgaben aufkommen werden.
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Sie haben Ihre Einkünfte nicht an die Grundversorgungsstelle gemeldet und haben weiterhin finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Geldern der Grundversorung bezogen.
...
-
Sie waren vom 01.12.2016 - 01.09.2018 in einer Lehrausbildung als
XXXX für die XXXX in XXXX .
-
Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie nicht rückkehrwillig waren und untertauchten, wodurch bereits drei Festnahmeaufträge vom Mai 2018, vom Juni 2018 und vom September 2018 negativ verliefen.
-
Sie tauchten in Österreich unter, indem Sie seit dem 06.09.2018 nicht mehr an Ihrer Unterkunft im Flüchtlingsquartier in XXXX festgestellt werden konnten. Es wurde ein Festnahmeauftrag des BFA erlassen.
Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:
Drei Festnahme- und Abschiebeaufträge des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl verliefen negativ, da Sie nicht an Ihrer gemeldeten Unterkunft in einem Flüchtlingsquartier der Caritas wohnten, sondern dort nur Ihre Sachen deponierten und Ihre Post abholten. Sie haben tatsächlich in anderen Unterkünften übernachtet.
Nachdem am 05., 06. und 07.09.2018 Festnahmeversuche an Ihrem Arbeitsort und an Ihrer Meldeadresse negativ verliefen sind Sie untergetaucht. Seiher ist Ihr Aufenthaltsort unbekannt.
Sie haben erhebliche Einkünfte aus zwei nicht angemeldeten Werksverträgen erwirtschaftet und haben weder Sozialversicherungsbeiträge noch Steuern aus diesem Einkommen abgeführt.
Sie haben Ihr Einkommen nicht gemeldet, weswegen Sie bis zum 01.12.2016 die volle finanzielle Unterstützung aus der Grundversorgung bezogen.
Da nur Ihr Einkommen als Lehrling angemeldet war, wurde Ihnen vom 01.12.2016 bis dato aus öffentlichen Mitteln der Grundversorgung die Unterkunft bezahlt, obwohl Sie in der Lage gewesen wären, diese selbst zu tragen.
Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.
Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.
Es besteht höchste Fluchtgefahr, da Sie sich bereits drei Festnahmeaufträgen mit jeweils mehreren Festnahmeversuchen entzogen haben.
Da an der Verhinderung von Schwarzarbeit ein großes öffentliches Interesse besteht, reicht allein schon das Betreten des Fremden bei der Verrichtung von Schwarzarbeit aus, um die Notwendigkeit der Schubhaft im Hinblick auf die Sicherung eines voraussichtlich zu verhängenden Aufenthaltsverbotes zu rechtfertigen (VwGH 27.04.2000, 2000/02/0088).
Sie waren seit 01.09.2015 als Zeitungsausträger für die Firma XXXX Schwarzach auf Werksvertragsbasis tätig. Dieses Einkommen haben Sie den Abgabenbehörden und der Bezüge auszahlenden Stelle (GVS XXXX ) nicht gemeldet.
Sie sind zwar bis dato strafgerichtlich unbescholten, allerdings steht fest, dass Sie jahrelang zu Unrecht Unterstützung aus öffentlichen Mitteln der Grundversorgung bezogen haben, obwohl Sie ein eigenes Einkommen erwirtschaftet haben.
Sie haben aus diesem Einkommen auch keine Sozialversicherungsbeiträge und keine Steuern gezahlt, weil Sie Ihr Einkommen aus zwei Werksverträgen nicht angemeldet haben.
Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.
Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.
Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.
Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.
Sie konnten bereits bei drei Festnahmeaufträgen mit jeweils mehreren Festnahmeversuchen an Ihrer Unterkunft nie angetroffen werden. Seit dem 06.09.2018 ist Ihr Aufenthaltsort nicht mehr bekannt.
Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.
Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind. Sie sind gesund und arbeitsfähig und leiden an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten.
Zu Ihrem Privat- und Familienleben:
Sie haben keine Familienangehörigen und Verwandte in Österreich. Sie haben keine Sorgepflichten.
Ihre Lehrausbildung ist seit dem XXXX 2018 nicht mehr aufrecht. Sie haben Sprachkenntnisse in Deutsch auf B1-Niveau.
Sie haben zusätzlich Einkünfte aus zwei Werksverträgen als Zeitungsausträger erwirtschaftet, die Sie weder sozialversicherungsnoch steuerrechtlich gemeldet haben, wodurch Sie sich der Abgabenhinterziehung schuldig gemacht haben.
Sie haben zudem bis zum 01.12.2016 die vollen Leistungen aus der Grundversorgung bezogen, obwohl Sie über erhebliche Einkünfte als Zeitungsausträger verfügt haben.
..."
I.4. Der Bescheid wurde der bP rechtswirksam zugestellt.
I.5.1. Mit Schriftsatz vom 11.10.2018 erhob die bP durch ihren bevollmächtigten Rechtsvertreter am Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Schubhaftbescheid und die seither andauernde Anhaltung in Schubhaft. Diese Beschwerde wird wie folgt begründet:
"Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsbürger und lebt seit über sechs Jahren völlig unbescholten in Österreich.
Er hat am 03.10.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der nicht einmal zwei Wochen später mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.10.2012 abgewiesen wurde.
Der Asylgerichtshof hat die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 12.11.2012 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen.
Am 15.4.2014 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 13.12.2016, also über eineinhalb Jahre nach der Antragstellung im ersten Verfahrensgang, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach nicht einmal zweiwöchiger Verfahrensdauer ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen und die Rückkehrentscheidung bestätigt.
Diese Rückkehrentscheidung ist aufgrund der inzwischen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs unbeachtlich, da das Bundesverwaltungsgericht die Verhandlungspflicht verletzt hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit jüngst veröffentlichtem Erkenntnis vom 02.08.2018, Ra 2017/19/0491, zu einem fremdenrechtlichen Sachverhalt ausgesprochen, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt vollständig und in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben werden und zum Zeitpunkt der Entscheidung "immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen" muss.
Die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung führte nach diesem Erkenntnis ohne Relevanzprüfung des Verfahrensmangels zur Aufhebung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes:
"Die Missachtung der Verhandlungspflicht führt im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK und des - wie hier gegeben - Art. 47 GRC zur Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, ohne dass die Relevanz dieses Verfahrensmangels geprüft werden müsste."
Mit einem weiteren aktuellen Erkenntnis vom 21.06.2018, Ra 2018/22/0035, hat der Verwaltungsgerichtshof die Verweigerung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK und die Rückkehrentscheidung mangels mündlicher Verhandlung und Aktualitätsprüfung mit folgender Begründung aufgehoben:
"Der Verwaltungsgerichtshof betont in seiner ständigen Rechtsprechung im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG, dass die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden kann, sondern der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt."
Der Aktualitätsprüfung und der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung kommt also nach der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bei Entscheidungen über die Erteilung von Aufenthaltstiteln und bei Rückkehrentscheidungen besondere Bedeutung zu (sh. auch Art. 46 Verfahrens-RL).
Der Beschwerdeführer lebt seit nunmehr über sechs Jahren völlig unbescholten in Österreich, ohne dass er bis heute jemals (!) von einem Aslygericht persönlich angehört wurde.
Der Beschwerdeführer stellte am 22.1.2018 aufgrund geänderten Sachverhaltes beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in persönlicher Vorsprache einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.
Mit Schriftsatz vom 21.2.2018 begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag wie folgt und legte auch das Original seiner Geburtsurkunde vor. Die Geburtsurkunde und der später vorgelegte Reisepass beweisen, dass der Beschwerdeführer seit seiner Einreise nach Österreich stets wahre Angaben zu seiner Identität gemacht hat:
Persönliche Verhältnisse
Der Antragsteller ist pakistanischer Staatsbürger und lebt seit beinahe fünf Jahren völlig unbescholten in Österreich. Er spricht sehr gut Deutsch und hat sich während dieser Zeit vorbildlich integriert.
Aufgrund seiner sehr guten Deutschkenntnisse und seiner guten Integration hat ihm die L&H Gastro GmbH mit beiliegendem Lehrvertrag eine Lehre als XXXX ermöglicht. Der Antragsteller arbeitet seit Dezember 2016 bei der XXXX in XXXX und verdient monatlich EUR 620,--.
Das Arbeitsmarktservice hat ihm bis zum 29.2.2020 eine Beschäftigungsbewilligung erteilt. Er besucht die Lehrberufsschule in XXXX und hat das erste Lehrjahr positiv abgeschlossen. Der Lehrvertrag und der positive Abschluss des ersten Lehrjahres bestätigen auch die Einsatzbereitschaft und die guten Deutschkenntnisse des Antragstellers.
Der Antragsteller hat ausgezeichnete berufliche Perspektiven in XXXX . Nach übereinstimmenden Berichten in " XXXX " vom 02. bzw. 03.12.2017 fehlen in XXXX Gastronomie 1.000 Arbeitskräfte.
Dem Antragsteller ist die sprachliche Integration sehr wichtig. Er hat an zahlreichen Deutschkursen teilgenommen. Die A2-Sprachdiplomprüfung hat er bereits im Jahr 2015 mit "gut bestanden" absolviert. Um seine Sprachkenntnisse zu verbessern hat er den B1-Vorbereitsungskurs beim XXXX besucht und am 13.12.2017 dieB1- Sprachdiplomprüfung positiv bestanden.
Dass der Antragsteller an einer vorbildlichen Integration bemüht ist, zeigt sich auch an den angeschlossenen Unterstützungserklärungen. Alle beschreiben den Antragsteller als sehr gut integrierten, freundlichen, höflichen und hilfsbereiten jungen Mann, der hier in Österreich einen positiven Beitrag geleistet hat und weiter leisten wird.
XXXX aus XXXX lobt den Antragsteller:
"Ich kenne XXXX von seinen Besuchen bei meinen Schwiegereltern. Er hat ihnen sehr oft geholfen und wir hatten einige interessante Unterhaltungen. Er überzeugte mich mit seinen guten Kochkünsten und seinem Ehrgeiz fließend Deutsch zu lernen."
Martin Weiß aus XXXX berichtet in seinem Schreiben:
"Ich habe XXXX von September bis Dezember 2016 begleitend in Deutsch unterrichtet. Zusätzlich hat er im Rahmen der Nikolausfahrten des Vereins XXXX am 4.12.2016 die Funktion des Knecht Ruprecht wahrgenommen. XXXX war sehr fleißig und zeigte sich sehr interessiert. Er hat eine sehr gute Auffassung und machte große Fortschritte im Erlenen der deutschen Sprache."
XXXX aus XXXX beschreibt den Antragsteller:
"Ich kenne XXXX seit dem Frühjahr 2016, er hat meiner Familie während einer schweren Zeit sehr geholfen. Mein Vater hatte nach einer Operation nur mehr sehr wenig Kontakt zu anderen Leuten und generell wenige Aufgaben im Leben. XXXX Besuche bei uns taten meinem kranken Vater gut, lange Gespräche und ein bisschen Hilfe bei Deutsch-Aufgaben brachten Abwechslung in sein Leben.
Ich danke XXXX für seine treue Freundschaft und kann nur hoffen, dass ein so freundlicher Mann in Österreich eine Heimat findet."
Auch XXXX berichtet nur Positives über den Antragsteller:
"Ich habe Herrn XXXX vor ca. 2 Jahren kennengelernt. Herr XXXX ist ein sehr ehrlicher, bescheidener junger Mann mit guten Manieren, und er ist fleißig und intelligent.
Seit ihn kennen, stehe wir in regelmäßigen und gutem Kontakt zueinander. Er mich öfters an und er kam auch schon öfters zu uns auf Besuch. Ich habe Herrn XXXX aus den oben genannten Gründen sehr lieb gewonnen und schätze ihn als Mensch sehr.
Mein Mann und ich schätzen ihn sehr und es würde uns sehr freuen, wenn er das Bleiberecht in Österreich bekommen würde.
Herr XXXX nennt mich "Mama" und ich bin stolz so einen guten "Sohn" zu haben." XXXX und XXXX aus XXXX berichten:
" Wir kennen XXXX seit Juni 2015. Zu diesem Zeitpunkt hat er sich schon selber einiges Deutsch beigebracht. Mittlerweile kann er nach vielen Kursen schon sehr gut Deutsch. Er kann schon Deutsch auf B1-Niveau. XXXX hat sich selber eine Lehrstelle als Kellner gesucht und gefunden. Er ist sehr zuvorkommen, höflich und hilfsbereit. Für unsere Familie ist er ein lieber Freund geworden. Er ist am Leben der Österreicher interessiert.
Wir wünschen uns, dass er weiterhin in Österreich bleiben kann. Wir werden ihn auch weiter unterstützen."
Auch die sonstigen Empfehlungsschreiben und die Lichtbilder belegen die hervorragende Integration des Antragstellers in Österreich.
Urkunden - Reisepass / Geburtsurkunde
Die Geburtsurkunde ist mittlerweile aus Pakistan eingelangt und befindet sich im beiliegenden Beilagenkonvolut.
Der Antragsteller hat die Ausstellung des Reisepasses bei der Botschaft in Pakistan in XXXX bereits beantragt.
Die Botschaft hat dem Antragsteller mitgeteilt, dass zunächst eine ID-Karte und erst anschließend der Reisepass ausgestellt werden kann. Bis wann die Ausstellung der Karte und des Reisepasses erfolgen wird, konnte dem Antragsteller nicht beantwortet werden.
Fehlende Rückkehrmöglichkeit - politische Lage in Pakistan
Der Antragsteller verfügt in Pakistan weder über Unterkunft, Unterhalt oder eine Sozi
alstruktur, die ihm ein menschenwürdiges Leben ermöglichen würde.
Das österreichische Außenministerium rät auf seiner Homepage von Reisen nach Pakistan ab (Stand 16.2.2018):
Aktuelle Hinweise
Seit Februar 2017 kommt es zu einer Häufung terroristischer Anschläge. Betroffene sind neben Belutschistan vor allem die Provinzen Sindh (Anschlag auf einen SufiSchrein in Sehwan) und Punjab. In Lahore kam es im Februar 2017 zu einem Anschlag auf eine Demonstration und im Juli 2017 zu einem Selbstmordanschlag während eines Polizeieinsatzes. Es ist weiterhin von einer erhöhten Terrorgefahr im gesamten Land auszugehen.
Sicherheit und Kriminalität
Partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5)
Wegen häufiger Attentate, weitverbreiteter Kriminalität und anhaltender Kampfhandlungen zwischen Sicherheitskräften und Terroristen wird vor Reisen nach Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa (früher Nordwestgrenzprovinz) und in die unter Bundesverwaltung stehenden Stammesgebiete (Federally Administered Tribal Areas - FATA), insbesondere in die Grenzgebiete zu Afghanistan und Iran, sowie entlang der Waffenstillstandslinie mit Indien (Line of Control) gewarnt. In allen Bezirken kann es jederzeit zu Terroranschlägen, Entführungen, Geiselnahmen, anderen kriminellen Aktivitäten oder Operationen der Sicherheitskräfte kommen.
Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) im Rest des Landes!
Geschäftsreisen in die urbanen Zentren (Islamabad, Karachi und Lahore) sollten nur nach vorheriger Absprache mit verlässlichen lokalen Partnern und unter sorgfältiger Beachtung erforderlicher Sicherheitsmaßnahmen unternommen werden.
Es besteht eine hohe Gefahr von Terroranschlägen auf militärische, zivile und ausländische Ziele (z.B. internationale Hotels, Fast-Food-Restaurants, Einkaufszentren, diplomatische Vertretungen, Personen westlicher Herkunft), selbst in der Hauptstadt Islamabad. Ferner kommt es regelmäßig zu Entführungen, Raubüberfällen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden politischen Lagern, ethnisch-religiösen Gruppen oder kriminellen Banden sowie zu politisch oder ethnischreligiös motivierten Gewalttaten.
Reisende sollten insbesondere an Freitagen und an hohen moslemischen Feiertagen von Besuchen religiöser Stätten sowie von Teilnahmen an Prozessionen und Feierlichkeiten Abstand nehmen. Größere Menschenansammlungen sollten jedenfalls gemieden werden. Insbesondere in Karachi sollte außerdem vom Besuch abgelegener Stadtbezirke abgesehen werden. Auch das Innere der Provinz Sindh ist durch hohe Kriminalität, insbesondere Entführungen, gekennzeichnet.
Selbst friedliche Demonstrationen und Kundgebungen können leicht in unkontrollierte Gewaltaktionen umschlagen, die ein hohes Gefahrenpotential für Reisende darstellen. Reisende sollten deshalb vor und während der Reise ortskundigen Rat zur Sicherheitslage einholen. Außerdem sollte bei den Behörden oder Reisebüros nachgefragt werden, welche Gegenden für Touristen gesperrt sind. Den Anweisungen der Behörden ist unbedingt Folge zu leisten.
In Gilgit-Baltistan führen latente Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten gelegentlich zum Aufflammen gewaltsamer Auseinandersetzungen. Unvermeidbare Reisen dorthin sollten bevorzugt auf dem Luftweg (Flughäfen Gilgit und Skardu) durchgeführt werden.
Die Grenzgebiete zu Afghanistan, Iran und Indien ebenso wie der von Pakistan verwaltete Teil Kaschmirs entlang der Waffenstillstandslinie sind nicht bzw. nur mit offizieller Genehmigung zugänglich. Für die genannten Gebiete ist außerdem obige Reisewarnung zu beachten!
Für Urlaubsreisende und sonstige kurzfristige Aufenthalte wird die Reiseregistrierung des Außenministeriums ausdrücklich empfohlen.
Jeder Reisende, der sich in ein Gebiet mit einem erhöhten oder hohen Sicherheitsrisiko begeben möchte, muss sich der Gefährdung bewusst sein. In diesem Fall wird dringend empfohlen, sich über die Sicherheitslage vor Ort genauestens zu informieren und diese gegebenenfalls während des Aufenthaltes regelmäßig zu überprüfen.
Es wird daher
beantragt,
dem Antragsteller einen Aufenthaltstitel nach § 55 Abs. 1 AsylG zu erteilen.
Mit weiterem Schriftsatz vom 1.3.2018 übermittelte der Beschwerdeführer den Nachweis seiner persönlichen Vorsprache bei der pakistanischen Botschaft zur Erlangung eines Reisepasses.
Aufgrund annähernd sechsmonatiger Untätigkeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm die Einschreiterin am 13.7.2018 Akteneinsicht und reichte bei diesem Termin nachstehenden Antrag ein:
In umseits bezeichneter Fremdenrechtssache hat der Antragsteller am 22.01.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK gestellt.
Der Antragsteller lebt seit beinahe 6 Jahren völlig unbescholten in Österreich und arbeitet aufgrund der Beschäftigungsbewilligung des XXXX im Mangelberuf XXXX .
Nach dem aktenkundigen Bescheid des XXXX vom 25.11.2016 gilt die Beschäftigungsbewilligung für die Zeit vom 01.12.2016 bis 29.02.2020.
Durch die Nichterteilung des beantragten Aufenthaltstitels und die beabsichtigte Abschiebung des Antragstellers würde die Entscheidung des Arbeitsmarktservice konterkariert. Einerseits wird dem Antragsteller eine Beschäftigungsbewilligung bis 29.02.2020 in einem Mangelberuf erteilt, andererseits soll er diese qualifizierte und auf dem Arbeitsmarkt höchst nachgefragte Tätigkeit aufgrund der beabsichtigten Abschiebung nicht mehr ausüben können.
Der Landeshauptmann für XXXX wird in der Landtagsdebatte zum Fall des Antragstellers unter dem Schlagwort "Hirn einschalten" wie folgt zitiert:
"Wenn ein junger Flüchtling in einem Mangelberuf der Gastronomie die Sprache lerne und sich ordentlich integriere, sei es nicht in Ordnung, die Ausbildung abzubrechen und ihn nach Hause zu schicken. Den reinen Populismus in diesem Bereich teile er nicht - "Hirn einschalten" laute die Devise" (Quelle: vorarlberg .orf.at vom 05.06.2018)
Auch der Bürgermeister der Marktgemeinde XXXX , Dr. XXXX , setzt sich nach dem Fernsehbericht vom 02.06.2018 ( XXXX ) aktiv für den Antragsteller ein und plädiert dafür, ihm einen Aufenthaltstitel zu erteilen.
Der Antragsteller hat bald das zweite Lehrjahr positiv abgeschlossen und setzt sich eine Vielzahl von Personen für den Antragsteller ein.
Der Arbeitgeber XXXX hat eine Petition mit folgender Begründung gestartet, die bislang von 339 Personen unterschrieben wurde: "In Österreich ausgebildete Lehrlinge sollen abgeschoben werden, obwohl sie sich integriert haben, keine staatlichen Leistungen in Anspruch nehmen und unsere Privatwirtschaft dringend Fachkräfte braucht.
Begründung
XXXX arbeitet seit fast 2 Jahren im Lokal XXXX und absolviert seine Lehre. XXXX hätte dieses Jahr seine Lehrabschlussprüfung und hat die gesamte Lehrzeit im Lokal XXXX verbracht. Beide stammen aus Pakistan und sind als Flüchtlinge nach Österreich gekommen. Beide sind fleißig - sowohl in der Schule, als auch bei der Arbeit; und mehr als bemüht sich zu integrieren und deutsch zu lernen. Beide sind gute Schüler. Sie werden in der hiesigen Gastronomie als Facharbeitskräfte benötigt! Sie verdienen sich ihren eigenen Unterhalt und nehmen keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch. Jetzt sollen sie in ihr Heimatland abgeschoben werden!
Vielen Dank für Ihre Unterstützung, XXXX aus XXXX "
Eine Auswahl von persönlichen Stellungnahmen von Unterzeichnern der Petition:
[...]
Weitere über 700 (!!!) Menschen haben sich mit beiliegenden persönlichen Untestüt- zungserklärungen für den Verbleib des Antragstellers in Österreich eingesetzt.
Da sohin sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen wird noch einmal
beantragt,
1. den beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen und
2. bis zur Entscheidung über diesen Antrag keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu setzen und einen Durchsetzungsaufschub zu gewähren.
Anlässlich der Akteneinsicht am 13.7.2018 hat das Bundesamt der Einschreiterin eine mit
10.7.2018 datierte "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" übergeben, wonach beabsichtigt sei, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen und mit einer Rückkehrentscheidung sowie einem Einreiseverbot zu verbinden.
Der Beschwerdeführer nahm dazu mit Schriftsatz vom 24.7.2018 ausführlich Stellung und brachte (gekürzt) vor:
Abschiebung von gut integrierten Lehrlingen:
Der Antragsteller arbeitet seit Dezember 2016 als bestens integrierter Lehrling im Mangelberuf XXXX und verdient monatlich EUR 700,-- netto. Das Arbeitsmarktservice hat dem Antragsteller mit Bescheid vom 25.11.2016, eine Beschäftigungsbewilligung bis zum 29.2.2020 erteilt.
Der Vorarlberger Landtag hat in seiner 6. Sitzung am 05.07.2018 folgende Entschließung gefasst:
"Die Vorarlberger Landesregierung wird ersucht, bei der Bundesregierung rechtliche und faktische Maßnahmen einzufordern, um es im Bundesgebiet befindlichen Asylsuchenden zu ermöglichen, ihre begonnene Ausbildung selbst bei einem während der Ausbildung rechtskräftig gewordenem, negativen Asylbescheid abschließen zu können. Zudem soll parallel dazu die Regelung zur Rot-Weiß-Rot-Karte in Richtung Abbau bürokratischer Hürden und kürzerer Bearbeitungsdauer überarbeitet werden."
Der erklärte Mehrheitswille des Vorarlberger Landtages ist somit, dass Lehrlinge wie der Antragsteller nicht abgeschoben werden, weil es menschlich, volkswirtschaftlich und aufgrund der Entwicklung der Bevölkerungsstruktur kontraproduktiv ja geradezu irrsinnig ist.
Der Landeshauptmann für XXXX wird in dieser Landtagsdebatte zum konkret diskutierten Fall des Antragstellers unter dem Schlagwort "Hirn einschalten" wie folgt zitiert:
"Wenn ein junger Flüchtling in einem Mangelberuf der Gastronomie die Sprache lerne und sich ordentlich integriere, sei es nicht in Ordnung, die Ausbildung abzubrechen und ihn nach Hause zu schicken. Den reinen Populismus in diesem Bereich teile er nicht - "Hirn einschalten" laute die Devise" (Quelle: XXXX .orf.at vom 05.06.2018)
Auch der ORF berichtet am 21.07.2018:
Mehrheit laut Umfrage gegen Abschiebung von Lehrlingen
Fast drei Viertel der Österreicherinnen und Österreicher sind gegen die Abschiebung von Lehrlingen, die einen negativen Asylbescheid erhalten haben. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Unique research für das Nachrichtenmagazin "profil" hervor. 43 Prozent sind der Meinung, die abgelehnten Asylwerbenden sollten zumindest die Lehre beenden dürfen.
Der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober hat deshalb die Initiative "Ausbildung statt Abschiebung" gestartet. Knapp 55.000 Personen und über 500 Firmen unterstützen bisher die entsprechende Petition.
Junge Menschen, die arbeiten wollten und gut integriert seien, abzuschieben widerspreche deshalb jeder Logik. Es sei ein Gebot der Menschlichkeit, diesen jungen Leuten auch eine Chance zu geben.
Der Standard berichtet in der Ausgabe vom 23.07.2018:
Abschiebung von Lehrlingen: Integrierte sollen bleiben
Österreich braucht ein Einwanderungsregime wie Kanada, das benötigten Fachkräften und Spitzenpersonal den Zuzug ermöglicht und dies vom Asylrecht strikt trennt.
Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer hat mit einem Vorstoß eine seit Jahren laufende Debatte in Österreich neu belebt. Sollen Asylwerber, die eine Lehre begonnen haben, deren Asylantrag aber angelehnt wurde, das Land verlassen müssen oder bleiben dürfen?
Der ÖVP-Politiker Haslauer hat sich entgegen der Linie von Kanzler Sebastian Kurz für ein Bleiberecht ausgesprochen. Man müsse darüber nachdenken, wie man für Menschen, die integriert sind, Deutsch sprechen und eine Lehre abgeschlossen haben, eine Möglichkeit schafft zu bleiben, sagte Haslauer.
Mit diesem Thema beschäftigt sich auch der STERN in seiner Ausgabe vom 20.7.2018:
Integrierte Flüchtlinge abgeschoben: Diese klaren Worte finden Firmen
aus ganz Deutschland:
Zahlreiche Unternehmer beklagen, wichtige Mitarbeiter verloren zu haben - und den Glauben an die Zusagen der Politik.
Dass Mitarbeiter aus ihren Firmen gerissen werden, bringt inzwischen mehr und mehr Chefs auf die Palme. Es sind Geschäftsführer von mittelständischen Unternehmen, die Angela Merkels Worte ("Wir schaffen das!") mit Leben füllen, die den Geflüchteten hierzulande eine Perspektive geben wollen.
Damit auch jedes Unternehmen klar erkennen kann, was von den vollmundigen Zusagen der Politik zu halten ist", machte der Chef einer Feinblechfirma aus Jena seinem Ärger in der "Thüringer Allgemeinen" Luft, nachdem sein Mitarbeiter aus Afghanistan den Abschiebungsbescheid erhielt. "Wir hören tagein, tagaus, dass Fachkräfte in unserem Land fehlen", sagte er dem Blatt. Kümmere sich eine Firma dann, würde sie von den Behörden alleine gelassen.
In der "Badischen Zeitung" beklagten sich gleich 60 Firmen allein aus BadenWürttemberg, dass ihre Mitarbeiter das Land verlassen müssten. "Da heißt es immer, die Leute müssen integriert werden - dann macht man etwas, und sie werden abgeschoben", erklärte etwa eine Bauunternehmerin, die einen Mann aus Gambia angestellt hat.
Es gibt niemanden, der sich mit dem Fall des Antragstellers ernsthaft auseinandersetzt, der die geplant Abschiebung und Verweigerung eines Aufenthaltstitels auch nur einigermaßen nachvollziehen kann.
Es besteht daher der konkrete Eindruck, dass eine ernst- und gewissenhafte Auseinandersetzung und eine Abwägung aller Interessen noch nicht stattgefunden hat.
Eine solche Abwägung wird klar ergeben, dass die privaten und auch die öffentlichen Interessen an der Erteilung eines Aufenthaltstitels überwiegen.
Am 5.9.2018 urgierte die Einschreiterin telefonisch beim Bundesamt die überfällige Entscheidung, und wurde ihr trotz der vorgelegten Originalgeburtsurkunde erklärt, die Identität des Beschwerdeführers sei nicht klar und könne daher keine Entscheidung getroffen werden.
Der Beschwerdeführer legte daraufhin noch am selben Tag seinen
Reisepass mit nachstehendem Email vor:
Von: XXXX
Gesendet: Mittwoch, 05. September 2018 20:28
An: XXXX >
Cc: XXXX XXXX
Sehr geehrte Frau XXXX ,
ich beziehe mich auf unser Telefonat und übersende Ihnen in der Anlage den Reisepass unseres Mandanten. Wie Sie daraus ersehen können, hat unser Mandant zu seiner Identität von Anfang an richtige Angaben gemacht. Ich habe Ihnen dazu auch noch die Niederschrift über die Erstbefragung aus dem Jahr 2012 angeschlossen. Sowohl der Name, als auch das Geburtsdatum stimmen mit dem Reisepass und der aktenkundigen Geburtsurkunde überein, was für die Redlichkeit unseres Mandanten spricht.
Anlässlich der jüngst breitgetretenen Diskussion über die Abschiebung von Lehrlingen hat die Bundesregierung erklärt, dass sie bei 700 von den etwa 1000 Betroffenen Lehrlingen von positiven Asylbescheiden ausgeht und hinsichtlich der restlichen rund 300 andere Lösung zum Verbleib im Bundesgebiet gefunden werden sollen, zumal diese auch von der Wirtschaft benötigt werden. Es gibt sohin auch ein öffentliches Interesse am Verbleib unseres Mandanten in Österreich.
Mit der Hoffnung auf einen positiven Ausgang des Verfahrens bleibe ich
mit freundlichen Grüßen
XXXX
Trotz inzwischen bald achtmonatiger Untätigkeit des Bundesamtes und damit Überziehung der gesetzlichen Entscheidungsfrist fand noch am 6.9.2018, also einen Tag nach Vorlage des Reisepasses, ein Festnahmeversuch am Arbeitsplatz des Beschwerdeführers statt. Der Beschwerdeführer hatte allerdings seinen freien Tag und gab es aufgrund Intervention seines Arbeitgebers einen öffentlichen Aufschrei gegen diesen Versuch der Festnahme. Vom Landesstatthalter Mag. Karl-Heinz Rüdisser über Vertreter der Wirtschaftskammer, der Gewerkschaft und des Arbeitgebers sprachen sich eine Vielzahl von Menschen gegen den als Behördenterror bezeichneten Abschiebeversuch aus. Der Vorarlberger Landeshauptmann quittierte den Fall des Antragstellers bereits zuvor in einer Landtagsdebatte mit der Bemerkung "Hirn einschalten" und setzte sich ebenfalls für den Verbleib des Antragstellers wie anderer bestintegrierter Lehrlinge in Österreich ein.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl teilte der Einschreiterin darauf mit E-Mail vom
10.9.2018 mit, dass eine positive Ausgangsprognose besteht und kein weiterer Festnahmeversuch erfolgen wird:
Von: XXXX Gesendet: Montag, 10. September 2018 07:36 An: XXXX < XXXX
>
Betreff: AW: Reisepass XXXX
Guten Morgen Herr XXXX ,
vielen Dank für die Übermittlung des Reisepasses. Damit sind alle Zurückweisungsgründe weggefallen und der Antrag des Herrn XXXX ist in der inhaltlichen Prüfung. Ein weiterer Festnahmeversuch wird nicht erfolgen, da der Antrag damit eine positive Ausgangsprognose hat.
Bis Mitte/Ende dieser Woche können wir das Verfahren abschließen und werden eine definitive Antwort übermitteln. Falls noch Fragen offen sind, bin ich heute bis ca. 08:30 Uhr im Büro erreichbar und morgen wieder den ganzen Tag.
Mit freundlichen Grüßen
XXXX
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion XXXX Referentin
Mit weiterem Schriftsatz vom 10.9.2018 brachte der Beschwerdeführer noch Folgendes vor:
Der Antragsteller hat dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Reisepass vorgelegt und nachgewiesen, dass er seit der Einreise ins Bundesgebiet stets wahre Angaben zu seiner Identität gemacht hat.
Der Antragsteller lebt seit dem Jahr 2012 völlig unbescholten in Österreich. Bis heute haben weder der Asylgerichtshof noch das Bundesverwaltungsgericht jemals mündlich über den Fall des Antragstellers verhandelt und ihn persönlich gehört, obwohl dies vom Unionsrecht für Abschiebungsentscheidungen und damit Güterabwägungen eindeutig gefordert wird.
In der einzigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.01.2017, also vor über eineinhalb Jahren, kommt mit keinem Wort vor, dass das XXXX dem Antragsteller für die berufliche Tätigkeit als XXXX eine Beschäftigungsbewilligung bis 29.02.2020 erteilt hat.
Der Antragsteller arbeitet bis heute beim selben Arbeitgeber als Lehrling in diesem Mangelberuf und hat inzwischen auch das B1-Sprachzertifikat erworben.
Das Bundeskanzleramt hat mit beiliegendem Schreiben vom 06.09.2018 öffentlich erklärt, dass jene Asylwerberinnen und Asylwerber, die schon jetzt eine Lehre absolvieren, diese fortsetzen können und im Falle eines negativen Bescheides die rechtlichen Möglichkeiten geprüft werden sollen, damit die Lehre abgeschlossen werden kann. Zusätzlich ist es
"der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, einen Aufenthaltstitel für Lehrlinge zu schaffen".
Der Vorarlberger Landesstadthalter Mag. Karl-Heinz Rüdisser hat im Rahmen einer Pressekonferenz am 07.09.2017 zum Fachkräftemangel in XXXX zum Fall des Antragstellers erklärt, dass eine Abschiebung
"kontraproduktiv und unvernünftig (wäre)
Auch für die Ausbildungsbetriebe sei eine solche Abschiebung während der Lehrausbildung unzumutbar."
Der Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich, Dr. Johannes Kopf, berichtet anlässlich dieser Pressekonferenz, dass im Tourismus derzeit auf einen Lehrstellensuchenden 107 (!) offene Lehrstellen kommen. Insgesamt gibt es nach den Aussagen des AMS-Vorstands in XXXX mehr offene Lehrstellen als Lehrstellensuchende.
Die Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Antragsteller liegt sohin auch im öffentlichen Interesse, da die Erhaltung eines bereits bewährten Lehrlings auch dem wirtschaftlichen Wohl des Landes dient.
Es wird daher noch einmal
beantragt,
den Aufenthaltstitel zu erteilen.
Mit weiterer Erledigungsbitte vom 19.9.2018 trug er vor:
In umseits bezeichneter Fremdenrechtssache hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Email vom 10.09.2018 mitgeteilt, dass kein weiterer Festnahmeversuch erfolgen werde, da der Antrag eine positive Ausgangsprognose habe. Das Verfahren könne bis Mitte/Ende (vergangener) Woche abgeschlossen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit jüngst veröffentlichtem Erkenntnis vom 02.08.2018, Ra 2017/19/0491, zu einem fremdenrechtlichen Sachverhalt ausgesprochen, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt vollständig und in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben werden und zum Zeitpunkt der Entscheidung "immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen" muss.
Die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung führte nach diesem Erkenntnis ohne Relevanzprüfung des Verfahrensmangels zur Aufhebung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes:
"Die Missachtung der Verhandlungspflicht führt im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK und des - wie hier gegeben - Art. 47 GRC zur Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, ohne dass die Relevanz dieses Verfahrensmangels geprüft werden müsste."
Der Antragsteller lebt seit sechs Jahren in Österreich, ohne dass er bis heute jemals (!) von einem Gericht persönlich angehört wurde.
Die ohne Durchführung der beantragten und zwingend durchzuführenden mündlichen Verhandlung getroffene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist bald zwei Jahre alt und hat mit dem heutigen Sachverhalt nichts mehr zu tun. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich weder mit der erteilten Beschäftigungsbewilligung noch mit der Selbsterhaltungsfähigkeit und den B1-Sprachkenntnissen des Antragstellers auseinandergesetzt. Aus diesem Grund liegt ein neuer Sachverhalt vor, der auch neu zu beurteilen ist.
Mit einem weiteren aktuellen Erkenntnis vom 21.06.2018, Ra 2018/22/0035, hat der Verwaltungsgerichtshof die Verweigerung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK und die Rückkehrentscheidung mangels mündlicher Verhandlung und Aktualitätsprüfung mit folgender Begründung aufgehoben:
"Der Verwaltungsgerichtshof betont in seiner ständigen Rechtsprechung im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG, dass die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden kann, sondern der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt "
Der Aktualitätsprüfung und der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung kommt also nach der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtsho