TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/28 W226 2175278-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.03.2019
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Entscheidungsdatum

28.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §50
FPG §52

Spruch

W226 2175278-2/15E

W226 2181707-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX (BF1), geb. XXXX , 2.) XXXX (BF2), geb. XXXX , beide StA. Moldawien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2017 (BF1) bzw. 30.10.2017 (BF2), Zlen. 1.) 1149248808-170466201 und 2.) 1169889701-171113170, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.10.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerden gegen die ersten Spruchteile der Spruchpunkte

III. werden mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass diese zu lauten haben: "Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt."

III. Gemäß § 50 FPG wird festgestellt, dass die Abschiebung der XXXX und des XXXX nach Moldawien unzulässig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1), eine moldawische Staatsbürgerin, stellte am 18.04.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am selben Tag stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab sie zum Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates an, in Moldawien keine Zukunft zu haben. Sie habe auf der Straße gelebt. Sie sei diskriminiert worden und dort herrsche Rassismus. Aufgrund ihrer Hautfarbe sei auch ihre Registration gelöscht worden. Sie habe keine medizinische Hilfe erhalten und habe keinen Status gehabt. "Sie" würden sie nicht als ihre Bürgerin sehen. Sie habe keine Arbeit. Bei einer Rückkehr in die Heimat befürchte sie ein Leben in Armut. Sie würde ihr Kind verlieren.

Weiters gab die BF1 an, in Chisinau geboren zu sein. Sie sei verheiratet, ihre Muttersprache sei Russisch. Sie spreche auch gutes Englisch, mittelmäßiges Deutsch und mittelmäßiges Rumänisch. Sie sei Christin (Protestantische Kirche). Sie habe 12 Jahre lang die Grundschule und zwei Jahre lang eine Universität besucht. Sie habe eine Berufsausbildung als Lehrerin/Übersetzerin und dies auch zuletzt gearbeitet. Der Aufenthaltsort ihrer Eltern sei ihr nicht bekannt. Ihr Ehemann sei im Libanon aufhältig. Zuletzt habe sie in Chisinau gelebt. Sie sei im zweiten Monat schwanger. Sie habe ihren Herkunftsstaat am 12.04.2017 legal verlassen, sei zwei Monate in Deutschland, dann ca. acht Monate in Holland aufhältig gewesen. Danach sei sie zwei Monate im Libanon gewesen, bevor sie wieder (etwa für 10 Tage) in Moldawien gewesen sei. Danach sei sie über Rumänien und Ungarn nach Österreich gekommen. In Holland habe sie um Asyl angesucht, es sei zuerst positiv, dann negativ entschieden worden. Sie habe für ein Jahr einen holländischen Aufenthaltstitel bekommen.

Bei der BF1 wurden ein moldawischer Reisepass und eine moldawische ID-Card sichergestellt.

2. Die BF1 wurde am 20.07.2017 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen.

Zu ihrem Reiseweg bzw. ihren persönlichen Verhältnissen gab sie an, im März 2017 aus Moldawien ausgereist zu sein. Am XXXX habe sie im Libanon einen Libanesen standesamtlich geheiratet. Ihr Ehemann befinde sich derzeit im Libanon. Da seine Verwandten Moslems seien, habe man sie nicht aufnehmen wollen und habe man sie nach Moldawien zurückgeschickt. Sie habe ihren Ehemann in Holland kennengelernt, als sie beide als Flüchtlinge dort gewesen seien. Zwei Monate (Feber und März 2017) sei sie im Libanon bei den Verwandten des Ehemannes gewesen. Sie habe keine Kinder, sei gesund und im sechsten Monat schwanger. Sie habe keine Verwandten im Heimatland und sei Waise. Drei Halbbrüder seien von einer anderen Familie aufgenommen worden und würden dort leben. Manchmal schicke sie ihnen Nachrichten. Seit ihrem 14. Lebensjahr habe sie nicht mehr bei der Mutter gelebt und auch keinen Kontakt mehr zu den Eltern gehabt. Sie sei bis zum 16. Lebensjahr in einem Internat für Waisenkinder untergebracht gewesen und sei drei Jahre lang zur Schule gegangen. Danach hätte der Staat eine Wohnung oder ein Zimmer zur Verfügung stellen müssen, dies hätten die Behörden aber nicht gemacht. Wenn man unter der Adresse der Kinderschutzorganisation gemeldet sei, dann habe man kostenlosen Zugang zu medizinischer Hilfe und anderen Unterstützungen. Die Behörden würden die Kinder einfach abmelden und somit habe man keinen Anspruch. Man lande auf der Straße. Nach dem Internat hätten sie gläubige Menschen für ein Jahr aufgenommen und sie ein Jahr zur Schule geschickt. Danach habe sie eine Organisation (für den Schutz für afrikanische Kinder) unterstützt und sie zur Schule geschickt. Als Budgetstudentin bzw. durch Sponsoren habe sie dann ihren Aufenthalt an der Uni finanzieren können. Sie habe die Fremdsprachen Englisch und Deutsch mit pädagogischem Schwerpunkt studiert. Die holländische Sponsorin habe ihr auch Englisch beigebracht. Sie sei zur Protestantischen Kirche gegangen und habe dort als Dolmetscherin für Gruppen der USA und der Schweiz gearbeitet. Die Amerikaner hätten ihr dann gesagt, dass eine Stelle bei der US-Botschaft in Moldawien als Security Mitarbeiterin frei werde, 2013 habe sie dort zu arbeiten begonnen, habe aber ihr Studium (1,5 Jahre vor dem Abschluss) abbrechen müssen. Sechs Monate lang habe sie bei der Botschaft gearbeitet, habe die Arbeit aber aus gesundheitlichen Gründen abbrechen müssen. In ihrem Hinterkopf habe sich Wasser angesammelt, auf das Hirn gedrückt und sie habe Gleichgewichtsprobleme bekommen. Sie sei dann bei einer Organisation für Jugendliche und Waisen untergebracht worden. Später habe sie Kindern Privatunterricht gegeben und auch als Babysitterin gearbeitet. Zu ihrem Aufenthalt in Holland gab sie an, wegen ihrem Mann nicht geblieben zu sein, dieser habe "Probleme mit seinen Dokumenten" gehabt. Sie hätten die Ehe nicht registrieren können und seien dann in den Libanon gereist. Ihr Verfahren in Holland habe sie stoppen müssen, obwohl dies positiv ausgegangen sei. Die Eheschließung hätten sie im Libanon gemacht. In Moldawien habe sie bei verschiedenen Menschen gelebt. Zuletzt sei sie in Chisinau gemeldet gewesen. Als sie den Pass bekommen habe, sei sie abgemeldet worden. In Moldawien könne sie nicht wieder leben, da sie dort keine Rechte und keinen Zugang zu Medizin habe. Sie erwarte ein Kind und könne ohne Unterstützung nicht überleben. In der Zeit als sie gemeldet gewesen sei, habe sie Unterstützung erhalten, nach der Abmeldung nicht mehr. Jetzt mit 30 Jahren, als Erwachsene, habe sie keinen Anspruch mehr, als Waise eine Anmeldung unter der Adresse zu bekommen. Sie sei als Au Pair Mädchen nach Deutschland gegangen, habe aber kein Geld, nur ein Zimmer und Essen bekommen. In Moldawien habe sie offiziell keine Arbeitsstelle bekommen können. Diese würden so schlecht bezahlt werden, dass man davon nicht leben könne. Sie habe privat Englischunterricht an Kinder gegeben und für US-Gruppen übersetzt. Für eine offizielle Arbeit brauche man eine Meldeadresse, diese habe sie nicht gehabt. Die US-Botschaft habe sie nicht mehr einstellen wollen, da ihr Gesundheitszustand so schlecht gewesen sei und sie nicht dafür bezahlen haben wollen. Sie habe in Moldawien auch gehungert und eine Zeit lang auf der Straße gelebt. Hin und wieder habe sie als Babysitterin gearbeitet und Englisch unterrichtet. Nach der Operation (von 2013 bis 2016) habe sie - nicht durchgehend - auf der Straße gelebt. Wenn sie Geld verdient habe, habe sie z.B. in Hostels übernachtet. Sie habe den Beruf der Dolmetscherin erlernt. Je nach Auftrag habe sie den Beruf ausgeübt.

Zu ihrem Leben in Österreich gab sie an, einen Deutschkurs (derzeit A2) besucht zu haben. In Vereinen oder Organisationen sei sie nicht Mitglied. Sie spreche Deutsch. In ihrer Freizeit lese sie, höre Musik und surfe im Internet.

Befragt zu ihrem Fluchtgrund gab sie an, ihr Fluchtgründe schon erwähnt zu haben. Ihre Anmeldung sei gelöscht worden und dadurch habe sie keinen Zugang mehr zu staatlichen Leistungen erhalten. Sie erwarte ein Kind, wie solle sie dort überleben. Sie habe Angst, dass sie ihr das Kind wegnehmen, dann komme das Kind ebenfalls in ein Waisenhaus. Der Rassismus blühe in Moldawien. Es gäbe dort nicht so viele Menschen mit dunkler Hautfarbe. Sie sei in der Schule gehänselt worden und auf der Straße habe man auf sie gezeigt. Ob sie vom Staat diskriminiert worden sei, wisse sie nicht, aber sie könne es nicht ausschließen, dass sie ihre Anmeldung unter anderem auch wegen ihrer Hautfarbe verloren habe. Sie sei auch diskriminiert worden, indem sie als Sektenanhänger bezeichnet worden sei. Ihr sei gesagt worden, dass sie einer falschen Religion angehöre. Sie habe sich als Jugendliche bei der XXXX Partei eingeschrieben. Einen Parteiausweis habe sie nicht, sie sei lediglich mit ihrer ID-Nummer registriert worden. Später sei der Vorsitzende der Partei ins Gefängnis gekommen. Jetzt seien Sozialisten an der Macht. An Demonstrationen habe sie nicht teilgenommen. Sonst habe sie keine Fluchtgründe.

Im Zuge der Einvernahme legte die BF1 einen Mutter-Kind-Pass vor, auf welchem als errechneter Geburtstermin der XXXX angegeben wurde.

3. In weiterer Folge legte die BF1 in Kopie eine Heiratsurkunde in arabischer Sprache und den Reisepass des Ehemannes vor.

4. Mit Bescheid des BFA vom 25.08.2017 wurden der Antrag der BF1 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Moldawien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG wurde die Rückkehrentscheidung vorübergehend als unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt stellte zum Privat- und Familienleben der BF1 fest, dass ihre Identität feststehe. Sie sei moldawische Staatsbürgerin und gehöre der christlichen Glaubensrichtung an. Sie sei verheiratet und schwanger. Sie leide an keinen lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Beeinträchtigungen ihres Gesundheitszustandes. Eine Ausweisung stelle keinen Eingriff in ihr Familienleben dar. Ein Eingriff in ihr Privatleben sei gerechtfertigt. Sie lebe ausschließlich aus öffentlicher Hand, beherrsche die deutsche Sprache nur rudimentär und habe sich nicht mit der Geschichte und Kultur von Österreich auseinandergesetzt. Eine besondere Integrationswilligkeit oder Integrationsbemühung habe sie nicht gezeigt. Sie kenne die in Moldawien herrschenden sozialen und kulturellen Werte und beherrsche die dort gesprochene Sprache auf muttersprachlichem Niveau. Ein schützenswertes Privatleben in Österreich sei nicht entstanden. Die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen seien höher zu werten als die allfälligen Privatinteressen.

Zu Spruchpunkt I. wurde ausgeführt, dass sie in ihrem Herkunftsstaat keine asylrelevanten Probleme aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit, Rasse, Volksgruppenzugehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe gehabt habe. Soweit die BF1 vorgebracht habe, wegen der Arbeitslosigkeit und der angeblichen Diskriminierung wegen ihrer Hautfarbe ihren Herkunftsstaat verlassen zu haben, sei anzumerken, dass in Moldawien ein funktionierendes Sozialsystem bestehe. Es sei klar hervorgekommen, dass ausschließlich die weitverbreitende Armut sie zum Verlassen des Heimatstaates bewogen habe. Die BF1 habe eine überdurchschnittliche Schulbildung, es müsse ihr möglich sein, eine Arbeit zu finden. Es sei auch möglich, dass ihr Mann sie aus dem Libanon aus finanziell unterstütze. In Moldawien sei eine medizinische Versorgung gegeben. Es sei davon auszugehen, dass die vorgebrachten Diskriminierungen (durch Mitschüler und Passanten auf der Straße) stattgefunden hätten, Diskriminierungen von Privatpersonen würden aber keine staatliche Verfolgung darstellen. Der Schutz von Minderheiten sei in Moldawien gegeben. Auch sei ein funktionierender Staatsapparat vorhanden und sei dieser in der Lage und auch grundsätzlich willens seinen Bürgern Schutz und Hilfe vor strafrechtsrelevanten Übergriffen zu bieten. Auch liege seitens der BF1 kein politisches Engagement und auch keine sie betreffenden geschlechtsspezifischen Verfolgungsmechanismen vor. Aufgrund ihrer Volljährigkeit seien auch allfällige aus dem Lebensalter resultierende soziale und wirtschaftliche Benachteiligungen auszuschließen. Sie spreche die gebräuchliche Landessprache auf Muttersprachenniveau, sodass auch ein Ausschluss aus dem in Moldawien herrschenden Gesellschafts- und Kulturleben verneint werden könne. Aus ihrer Lebensgeschichte seien ferner keine Hinweise auf das Vorliegen einer individuell besonders herausragenden Stellung ihrer Person innerhalb der moldawischen Gesellschaft (etwa durch Geburt, sozialer Stellung, religiösen Fachwissen) erkennbar. Die Länderinformationen würden belegen, dass jedem Bürger alle Rechts-, Gesellschafts-, Sozial- und Wirtschaftsinstrumentarien uneingeschränkt zur Verfügung stehen würden, wenngleich marginal verbesserungswürdige Umstände bestehen würden. In Moldawien würden eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen operieren. Moldawien sei ein nach demokratischen Gesichtspunkten aufgebautes Gemeinwesen in dem grundsätzlich niemand befürchten müsse Opfer von gezielter willentlicher staatlicher oder von Privatpersonen ausgehender Verfolgung aus welchen Gründen auch immer zu werden. Eine Verfolgungsgefahr habe die BF1 somit nicht glaubwürdig darlegen können. Sie habe bei der Befragung auch ausdrücklich angegeben in ihrem Herkunftsstaat weder aufgrund ihrer Rasse, politischen Einstellung, Nationalität oder religiösen Gesinnung bzw. Anschauung oder auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden zu sein.

Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass in Moldawien keine Todesstrafe bestehe. Hinweise auf das Vorliegen allgemeiner, existenzbedrohender Notlagen würden nicht bestehen. Eine konkrete Gefahr im Falle ihrer Rückkehr habe sie nicht vorbringen können. Es deute nichts darauf hin, dass sie bei einer Rückkehr einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr.13 zur Konvention ausgesetzt wäre. Zumindest ein volljähriger Halbbruder, mit dem die BF1 Kontakt habe bzw. zahlreiche andere Familienangehöre würden sich nach wie vor im Herkunftsstaat befinden und wäre sie im Herkunftsstaat entsprechend versorgt bzw. sei sie in der Lage sich selbst zu versorgen. Es sei davon auszugehen, dass sie in Chisinau Fuß fassen könne. Ein neuerlicher Anschluss an die Familie müsse möglich sein und könne sie mit Hilfe einer anfänglichen Unterstützung ihrer Familie eine Reintegration in die moldauische Gesellschaft erlangen. Sie habe eine Schulausbildung genossen, sei bereits in verschiedenen Berufen tätig gewesen und habe Kenntnisse der deutschen Sprache, was vorteilig beim Wiedereinstieg in die Arbeitswelt sein werde. Von einer generellen Mittellosigkeit ihrer Familie habe sie nicht berichtet. Auch wenn nach der Rückkehr in das dortige Leben Startschwierigkeiten bestehen würden, entstehe kein Rückkehrhindernis. Sie sei vor ihrer Ausreise in der Lage gewesen ihr primären Bedürfnisse zu befriedigen. Ihre Reise in Länder und Kulturen, die sie nicht gekannt habe, zeuge zudem von einer überdurchschnittlichen Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit, welche ihr bei einer Rückkehr zu Gute komme. Sie beherrsche die im Herkunftsstaat gesprochene Sprache auf muttersprachlichem Niveau und kenne die dort herrschenden kulturellen Gepflogenheiten. Auch habe sie ausdrücklich ausgeführt an keinen schwerwiegenden Erkrankungen zu leiden.

Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass die BF1 spätestens am 18.04.2017 nach Österreich gereist sei und sei das in dieser Zeit entstandene Privatleben keinesfalls geeignet sei ein Interesse am Verbleib in Österreich, welches über dem Interesse des Staates stehe, darzulegen. Sie habe ihr bisheriges Leben in Moldawien verbracht, es liege ein überwiegendes Interesse an der Aufenthaltsbeendigung vor. Eine Rückkehrentscheidung sei daher nicht auf Dauer unzulässig. Im Falle der BF1 ergebe sich jedoch die vorübergehende Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung. Sie sei derzeit schwanger und der voraussichtlich errechnete Geburtstermin sei der XXXX . Demnach sei sie im Mutterschutz und bedürfe besonderer Pflege. Nach dem Mutterschutz seien der Behörde keine Gründe bekannt, welche gegen eine Rückkehrentscheidung sprechen würden. Somit wäre sie danach, spätestens nach Ablauf von drei Monaten seitens der Behörde rückführbar und sei gegen sie eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Eine Rückkehrentscheidung verletze zum derzeitigen Zeitpunkt Art. 8 EMRK (Schutz der körperlichen Integrität). Diese Gründe seien allerdings nicht auf Dauer, weshalb die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nur vorübergehend entgegenstehe. Bei Änderung der gesundheitlichen Situation werde die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Art. 8 EMRK neu geprüft. Aufgrund der Gesamtabwägung der Interessen und unter Beachtung aller bekannten Umstände ergebe sich, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig sei. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG habe zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig sei (§58 Abs. 2 AsylG). Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet sei daher gemäß § 46 Abs. 1 Z 4 FPG geduldet.

5. Am XXXX wurde der BF2 im österreichischen Bundesgebiet geboren und für diesen am 29.09.2017 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dem Antrag wurden eine Versicherungsbestätigung eines Krankenhauses beigelegt, woraus hervorgeht, dass die BF1 von 04.09.2017 bis 15.09.2017 stationär im Krankenhaus aufhältig war (Aufnahme Entbindung 04.09.2017, Entlassung normal 15.09.2017). Zudem wurde den BF2 betreffend eine österreichische Geburtsurkunde, eine ZMR-Meldebestätigung, ein Taufschein (Diözese XXXX , der römisch-katholischen Kirche, Tag der Taufe: XXXX ) und ein Auszug aus dem Geburtseintrag beigelegt.

6. Am 19.10.2017 brachte die BF1 beim BFA einen "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Beschwerde" ein. Es wurde ausgeführt, dass der Bescheid der BF1 am 31.08.2017 zugestellt worden sei, zu diesem Zeitpunkt sei die BF1 schon hochschwanger gewesen. Am 05.09.2017 sie die BF1 wegen Vorwehen ins Krankenhaus gekommen, am XXXX sei der BF2 geboren worden (Frühgeburt). Dieser habe eine schwere pertinatale Asphyxie und Krampfanfälle nach Asphyxie erlitten. Der BF1 brauche weiterhin intensive medizinische und pflegerische Versorgung. Der BF1 sei es daher nicht zumutbar gewesen das Krankenhaus zu verlassen. In der vollumfänglichen Beschwerde wurde im Wesentlichen noch ausgeführt, dass die BF1 aufgrund ihrer Hautfarbe und ihrer Herkunft als Waisenkind systematisch diskriminiert worden sei. Dadurch sei ihr die Existenzgrundlage entzogen worden, sodass sie schlussendlich auf der Straße leben habe müssen. Der moldawische Staat habe sie nicht unterstützt. Trotz ihrer hohen Bildung sei sie in Bewerbungsgesprächen bei moldawischen Arbeitgebern stets diskriminiert worden. Es seien rassistische Bemerkungen wie "Bist du wirklich eine Moldawierin" oder "Hast du auch einen Pass" gemacht worden. Das Anti-Diskriminierungsgesetz habe ihr keinen Schutz geboten. Selbst mit Hilfe der Caritas habe man ihr keine Arbeitsstelle vermitteln können. Ihr Mann sei im Libanon und könne sie aufgrund wirtschaftlicher Probleme nicht unterstützen. Am 25.10.2017 habe die BF1 einen Arzttermin, wo sie ein Ventil im Kopf erhalten solle, indem das Wasser reguliert werde. Zum BF2 wurde zusätzlich noch ausgeführt, dass dieser nach mündlicher Auskunft noch mindestens ein Jahr Medikamente gegen Krämpfe nehmen müsse. Eine medizinische Versorgung eines Kleinkindes mit intensiven Pflegebedarf sei in Moldawien nicht gesichert. Die belangte Behörde habe Verfahrensvorschriften verletzt, indem sie mangelhafte Länderfeststellungen verwendet habe, welche sich nicht mit dem Fluchtvorbringen der BF1 befassen würden. Die Behörde habe nichts zum vorhandenen Rassismus in Moldawien erhoben und sei Moldawien im europäischen Vergleich eines der rassistischsten Länder. Dies würden auch zahlreiche NGOs bestätigen. Auch die Beweiswürdigung der Behörde sei mangelhaft. Die BF1 habe eine dunkle Hautfarbe und deshalb keine Arbeit gefunden. Die Tatsache ihrer überdurchschnittlichen Schulbildung in Verbindung mit der vergeblichen Arbeitssuche zeige die Verfolgung der BF1. Der Entzug der Lebensgrundlage wirke als "Mittel zur Durchsetzung des Machtanspruches". In der moldawischen Gesellschaft zähle bei der Arbeitssuche nicht nur die Qualifikation, sondern auch die ethnische Herkunft. Die BF1 habe über zwei Jahre lang hinweg versucht, eine Arbeit zu finden, aber sie habe trotz guter beruflicher Qualifikation keine gefunden. Sie habe bei der US-Botschaft und als Fremdenführerin gearbeitet, dies seien alles nicht moldawische Organisationen gewesen. Der Ehemann komme nur mit Müh und Not über die Runden und werde auch seine Familie sie nicht unterstützen. Da die BF1 keine Arbeit gefunden habe, stehe ihr in Moldawien auch keine Krankenversicherung zur Verfügung. Auch mit Versicherung seien oftmals weitere Zahlungen notwendig, um die nötige Behandlung zu erhalten. Hinsichtlich des Gesetzes zum Schutz von Minderheiten sei darauf hinzuweisen, dass dieses auf Roma abziele, es sei fraglich, ob die BF1 darunterfalle, da sie keiner nationalen Minderheit angehöre. Soweit das BFA meine, dass es in Moldawien zahlreiche Menschenrechtsorganisationen gäbe, welche ihre Arbeit uneingeschränkt durchführen können, so sei darauf hinzuweisen, dass es Änderungen im NGO Gesetz durch die Regierung vorgeschlagen worden seien und dadurch das Recht auf Vereinsfreiheit stark eingeschränkt werde und vielen NGOs Repressalien und Schließung drohen würde. Die BF1 habe auch nur alle paar Monate Kontakt zu ihrem Halbbruder und führe dessen schlechte wirtschaftliche Lage dazu, dass er die BF1 nicht unterstützen könne. Dem BF2 sei es nicht zumutbar nach Moldawien zu reisen. Durch die Abschiebung wäre das Recht der BF auf das Privat- und Familienleben gefährdet. Der BF1 sei als Zugehöriger zur Rasse der Menschen mit dunkler Hautfarbe Asyl zu gewähren. Der BF1 drohe zudem aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Personen mit dunkler Hautfarbe eine Verletzung des Rechts auf Leben und würde eine Art. 3 EMRK Verletzung bei einer Abschiebung nach Moldawien vorliegen. Die BF1 sei auch durch die Rückkehrentscheidung in Art. 8 EMRK verletzt. Es sei eine mangelhafte Interessensabwägung vorgenommen worden. Der BF2 habe einen erhöhten Pflegebedarf, eine medizinische Behandlung in Moldawien erscheine fraglich. Die BF1 spreche Deutsch auf sehr hohem Niveau, sei strafrechtlich unbescholten und bemühe sich um Integration. Abschließend wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt und auf die Kinderrechte sowie das Kindeswohl hingewiesen.

Es wurde ein Befund einer Klink (Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin, datiert mit 11.10.2017) beigelegt, worauf die Diagnosen: "Frühgeburt nach 32 + 5/7SSW; schwere perinatale Asphyxie; Krampfanfälle nach perinataler Asphyxie" erstellt wurden. Weiters wurde darin ausgeführt, dass der BF2 seit der Geburt in der Abteilung betreut werde und aufgrund der Diagnosen eine intensive medizinische und pflegerische Versorgung brauche. Eine klare Verlaufsprognose sei derzeit noch nicht möglich. Der Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus sei ebenso ungewiss. Es sei jedoch davon auszugehen, dass der BF2 auch noch darüber hinaus einen erhöhten medizinischen und pflegerischen Betreuungsbedarf haben werde.

7. Mit Bescheid des BFA vom 30.10.2017 wurden der Antrag des BF2 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Moldawien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG wurde die Rückkehrentscheidung vorübergehend als unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

Das BFA führte aus, dass die Identität des BF2 feststehe. Er sei moldawischer Staatsbürger und sei am XXXX in Österreich geboren worden. Er sei römisch-katholischen Glaubens, seine Volksgruppenzugehörigkeit könne nicht festgestellt werden. Er sei minderjährig und auf die Pflege seiner Mutter angewiesen. Eigene Fluchtgründe seien für den BF2 nicht geltend gemacht worden.

Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass sich bei einer Überstellung keine Hinweise auf eine Art. 3 EMRK Verletzung ergeben hätten. Er habe in Moldawien Verwandte. Seine Mutter habe keine Gründe vorgebracht, welche zur Gewährung von subsidiären Schutz führen würden.

Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass er sich in Obhut der Mutter befinde, keine Familienangehörigen in Österreich habe und ein allfälliger Eingriff in das Privatleben gerechtfertigt sei. Jedoch ergebe sich die vorübergehende Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG. Sein Aufenthalt sei gemäß § 46 Abs. 1 Z 4 FPG geduldet.

8. Mit Bescheid des BFA vom 20.11.2017 wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 18.10.2017 gemäß § 71 Abs. 1 AVG stattgegeben

9. Am 24.11.2017 wurde für den BF2 eine vollumfängliche Beschwerde eingebracht. Es wurde im Wesentlichen auf die gesundheitlichen Probleme hingewiesen und ausgeführt, dass eine medizinische Versorgung eines Kleinkindes mit intensivem Pflegebedarf in Moldawien nicht gesichert sei. Die Länderfeststellungen seien unvollständig und würden sich nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen beschäftigen. Die Behörde habe keine Ermittlungen zur tatsächlichen medizinischen Versorgung in Moldawien gemacht. Eine Erhebung der Einhaltung der Kinderrechte in moldawischen Krankenhäusern habe ergeben, dass es gerade an Ausrüstung fehle. Für Arbeitslose bestehe ein großes Risiko nicht krankenversichert zu sein. Die Behörde hätte prüfen müssen, ob den BF eine unmenschliche Behandlung drohe und ob die spezifischen medizinischen Probleme des BF2 in Moldawien versorgt werden können. Auch zum vorhandenen Rassismus sei nichts erhoben worden und gäbe es Anschuldigungen an die Polizei, rassistische Übergriffe zu dulden. Dem BF2 sei Asyl, ansonsten subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen. Eine medizinische Behandlung in Moldawien erscheine fraglich, insbesondere da die Mutter keine Arbeit gefunden habe und eine medizinische Versorgung nicht gewährleistet werden könne. Eine medizinische Versorgung könne in Österreich gesichert werden.

10. Die BF1 wurde im Zuge einer Beschwerdeverhandlung vom 04.10.2018 durch das erkennende Gericht nochmals ergänzend zu ihrem eigenen und dem Gesundheitszustand des BF2, zu ihrem Leben in Moldawien und den Fluchtgründen befragt. Zudem wurde mit der BF1 das aktuelle LIB der Staatendokumentation zu Moldawien erörtert.

Im Zuge der Verhandlung wurden für den BF2 folgende medizinische Unterlagen vorgelegt:

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Ambulanzkarte (Klinische Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde), wonach am 16.01.2018 der ambulante Behandlungsbeginn war und am 16.01.2018 die Diagnose "FG 32 + 5 SSW;

schwere perinatale Asphyxie: Krampfanfälle;

Schluckkoordinationsstörung" erstellt wurde.

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Verordnung (eines FA für Kinderheilkunde) für Heilbehelfe, Hilfsmittel und ambulante Heilbehandlungen, datiert mit 19.07.2018, als Diagnose ist: "Stp. Schwere perinat. Asphyxie, ausgepr. Gedeihstörung b. Laryngomalazie, Stp. FG 32+5 SSW, Zn. Krampfanfällen, Floppy Larynx, milde Anämie" festgehalten.

Verordnung: mobile Krankenschwester erbeten.

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Orthoptischer Befund, datiert mit 07.08.2018, wonach die Diagnose "Strabismus divergens alternans; Cataracta congenita, Verdacht auf rechtes Auge; Hypermetropie beidseitig" erstellt wurde.

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Entlassungsbrief Pflege (Situationsbericht), datiert mit 12.08.2018, wonach der BF2 in der Abteilung für Kinder- und Jugendchirurgie von 11.08.2018 bis 20.08.2018 betreut wurde.

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Ärztlicher Kurzbrief eines Ambulatoriums (Zentrum für Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie) vom 28.08.2018, Diagnose: "Zustand nach Frühgeburt (32. + 5. SSW), cerebrale Bewegungsstörung (ICP), Ausgeprägte Gedeihstörung, Laryngomalazie mit Stridor, Zustand nach PEG-Sonde-Implantation am 02.07.2018".

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Vorläufiger Patientenbrief, datiert mit 20.08.2018, wonach der BF2 vom 11.08.2018 bis 20.08.2018 in der Abteilung für Kinder- und Jugendchirurgie stationär in Behandlung war. Diagnosen bei Entlassung: "Erbrechen, Vd GÖ Reflux, Muskuläre Hypertonie mit Strecktendenz, ausgeprägter Gedeihstörung, Laryngomalazie (Floppy Larynx), Stridor, St.p. Oberlappenpneumonie li, St.p. schwerer perinatale Asphyxie, St.p. FG 32 + 5 SSW, Z.n. Krampfanfällen, Milde Anämie, Interaktionsproblematik, PEG-Sonden Implantation am 02.07.2018, Diagnostische Bronchoskopie am 13.06.2018". Empfohlene Medikation: Oleovit D3 TR, Aktiferrin TR, Antiflat TR, Tgl. PEG Pflege, dringend Physiotherapie empfohlen.

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Ärztlicher Entlassungsbrief (Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde), datiert mit 19.09.2018, Diagnosen bei Entlassung:

"St.p. schwere perinatale Asphyxie (pH 6.6, Apgar 0/4/4); spast. Tetraparese; Entwicklungsverzögerung; ausgeprägte Gedheistörung bei Laryngomalazie; PEG-Sonde bei Schluckstörung mit Aspirationsgefahr (Juli 2018); Delayed visual maturation; St.p. FG 32+5 SSW, Geb.gewicht 1890g; Eisenmangelanämie" erstellt. Durchgeführte

Maßnahmen: 3. Synflorix und 3. 6fach Impfung am 14.9.18. Letzte

Medikation: Aktiferrin 2x8gtt, Oleovit D3 1x5gtt, Antiflat. mehrmals tgl. 8gtt. Empfohlene Medikation: Aktiferiin 2x8gtt, Oleovit D3 1x5gtt, Antiflat. mehrmals tgl. 8gtt, Ernährung: Nutrini Energy 6x 75ml (max. 85ml).

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Aufenthaltsbestätigung der BF1 und des BF2 am 19.09.2018 in einem Landesklinikum.

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Verordnung (eines FA für Kinderheilkunde) für Heilbehelfe, Hilfsmittel und ambulante Heilbehandlungen, datiert mit 20.09.2018, als Diagnose ist: "Schluckstörung, PEG Sonde, schwere peripartale Asphyxie" festgehalten. Verordnung: 10x Logopädische Betreuung.

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Verordnung (eines FA für Kinderheilkunde) für Heilbehelfe, Hilfsmittel und ambulante Heilbehandlungen für den BF2, datiert mit 20.09.2018, als Diagnose ist: "Entwicklungsverzögerung, perip.

Asphyxie motor. Verzögerung, Hyperthonus" festgehalten. Verordnung:

10x Physiotherapie erbeten.

11. Am 07.11.2018 wurde eine ergänzende Stellungnahme eingebracht. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus den vorgelegten Befunden ergebe, dass der BF2 eine intensive medizinische Behandlung und eine kontinuierliche ärztliche Betreuung benötige. Er müsse regelmäßig ins Krankenhaus und werde dauerhaft durch eine Sonde ernährt. Aus den Berichten sei nicht ersichtlich, ob die notwendige medizinische Versorgung in Moldawien vorhanden und für die BF konkret, auch im Hinblick auf die mangelnde Erhaltungsfähigkeit der BF, verfügbar und erreichbar sei. Beim BF2 handelt es sich um eine Person mit besonderen Bedürfnissen, sodass bei einem inadäquaten Transport und einer auch nur kurzen Unterbrechung der Behandlung sowie fehlender Unterstützung im Alltag mit ernsten, schnellen und irreversiblen Schäden bezüglich seines Gesundheitszustandes zu rechnen sei bzw. sei bei einer Abschiebung nach Moldawien eine Zusicherung einzuholen, dass die notwendigen Behandlungen und Medikamente konkret für den BF2 zur Verfügung stehen und tatsächlich erreichbar seien. Eine Abschiebung nach Moldawien würde eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Darüber hinaus würden die intensiven Fürsorgepflichten und der in Moldawien der BF1 gegenüber vorherrsche Rassismus die Chancen auf eine eigene Existenzsicherung im gesamten Staatsgebiet verringern. Die BF würden auch nicht auf ein soziales Netzwerk zurückgreifen können. Mangels sozialer Anknüpfungspunkte und Ortskenntnis würden auch andere Städte in Moldawien keine zumutbar interne Fluchtalternative darstellen. Die BF hätten keinen Zugang zu grundlegender Versorgung wie Wohnraum, Erwerbsmöglichkeiten oder medizinischer Versorgung. Es wäre ihnen daher subsidiärer Schutz zu gewähren.

Mit der Stellungnahme wurden folgende Dokumente vorgelegt:

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Sozialbericht, datiert mit 29.09.2018, wonach die BF1 mit dem BF2 in das Haus der Frauen gekommen sei und aufgrund ihrer bisherigen Erlebnisse psychisch und physisch belastet sei. Der BF2 habe folgende Diagnosen: St.p. schwere perinatale Asphyxie (ph 6.6, Apgar 0/4/4); spastische Tetraparese; Entwicklungsverzögerung; ausgeprägte Gedeihstörung bei Laryngomalzie; PEG-Sonde bei Schluckstörung mit Aspirationsgefahr (seit Juli 2018); Delayed visual maturation; St.p. FG 32+ 5 SSW, Geb.-Gewicht 1890g; Z.n. Krampfanfälle; Eisenmangelanämie. Die BF1 nehme alle Termine und Aufgaben selbstständig wahr.

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Aufenthaltsbestätigung (Abteilung Kinder- und Jugendheilkunde), datiert mit 05.10.2018, wonach der BF2 von 01.10.2018 bis 04.10.2018 in stationärer Pflege gewesen ist. Die Diagnosen lauten:

"Hochfieberhafter viraler Infekt; Z.n. Frühgeburtlichkeit SSW 32+5;

Z.n. schwerer peripartaler Asphyxie (pH 6.6, APGAR 0/4/4);

Spastische ICP; ausgeprägte Gedeihstörung; Entwicklungsverzögerung;

Laryngomalazie; Z.n. Krampfanfälle (Z.n. Levetiracetam-Therapie);

Eisenmangelanämie".

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Verordnung (eines FA für Kinderheilkunde) für Heilbehelfe, Hilfsmittel und ambulante Heilbehandlungen für den BF2, datiert mit 06.11.2018, Diagnose: "Entwicklungsverzögerung, perip. Asphyxie; motor. Verzögerung; Hypertonus. Verordnung: 10x Physiotherapie erbeten.

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Verordnung (eines FA für Kinderheilkunde) für Heilbehelfe, Hilfsmittel und ambulante Heilbehandlungen für den BF2, datiert mit 06.11.2018, Diagnose: "Schluckstörung, PEG-Sonde, schwere peripartale Asphyxie". Verordnung: 10x Logopädische Betreuung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den beiden BF:

Die Identität der BF steht fest. Sie sind Staatsangehörige von Moldawien.

Die BF1 ist Christin (protestantische Kirche), ihre Volksgruppenzugehörigkeit kann nicht festgestellt werden. Die Muttersprache der BF1 ist Russisch, sie spricht auch Rumänisch, Englisch und Deutsch.

Die BF1 ist in Chisinau geboren und hat etwa bis zu ihrem 14. Lebensjahr bei ihrer Mutter gelebt. Aufgrund der Alkoholabhängigkeit der Mutter hat sie danach in einem Internat für Waisenkinder, in einer Lehranstalt für Näherinnen, in einem Heim für Jugendliche und bei Privatpersonen gelebt bzw. wurde sie von verschiedenen gemeinnützigen Organisation und Privatpersonen unterstützt. Sie hat 12 Jahre lang die Grundschule und zwei Jahre lang eine Universität (Studienrichtung: Englisch und Deutsch mit pädagogischem Schwerpunkt) in Moldawien besucht. Die Universität hat sie jedoch nicht abgeschlossen. Die BF1 war in Moldawien als private Dolmetscherin tätig, hat etwa sechs Monate in der US-Botschaft als Security-Mitarbeiterin gearbeitet, hat Kindern Privatunterricht in Englisch gegeben und hat zudem als Babysitterin gearbeitet.

Im Jahr 2013 wurde die BF1 aufgrund einer Meningitis (Hirnhautentzündung) bzw. einer Wasseransammlung im Gehirn im Spital in Chisinau operiert und hat danach eine Art Physiotherapie zur Rehabilitation gemacht. Aktuell benötigt die BF1 keine fachärztliche Betreuung.

Die BF1 verließ ihren Herkunftsstaat im Jahr 2016 legal mit dem Ziel, in Deutschland als Au Pair Mädchen zu arbeiten. Nach etwa einem Monat Aufenthalt in Deutschland reiste sie weiter nach Holland, um dort eine Stelle als Au Pair Mädchen zu bekommen. In Holland stellte die BF1 dann einen Asylantrag und lernte einen libanesischen Asylwerber kennen, mit welchem sie in weiterer Folge in den Libanon ging und ihn dort heiratete. Den Asylantrag in Holland zog sie zurück. Nach etwa zweimonatigem Aufenthalt im Libanon reiste die BF1 alleine in ihren Herkunftsstaat Moldawien zurück, wo sie etwa 10 Tage lang aufhältig gewesen ist, bevor sie ihren Herkunftsstaat neuerlich verließ, über Rumänien und Ungarn nach Österreich reiste und hier schließlich am 18.04.2017 einen Asylantrag stellte.

Der Ehemann der BF1 hält sich laut ihrer letzten Information nach wie vor im Libanon auf. Drei Halbbrüder der BF1 sind bei einer Pflegefamilie aufgewachsen und leben in Moldawien. Zu diesen besteht nur selten Kontakt. Ihren Vater hat die BF1 nie richtig kennengelernt, sie weiß auch nicht, wo dieser aufhältig ist. Zu ihrer Mutter hat die BF1 seit ihrem 14. Lebensjahr keinen Kontakt mehr.

Der BF2 wurde im österreichischen Bundesgebiet geboren und wurde für diesen am 29.09.2017 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der BF2 wurde in Österreich getauft (römisch-katholisch), seine Volksgruppenzugehörigkeit kann nicht festgestellt werden.

Die BF1 ist strafrechtlich unbescholten, der BF2 ist strafunmündig.

1.2. Zum Gesundheitszustand des BF2 und zur medizinischen Versorgung in Moldawien:

Der BF2 wurde am XXXX im österreichischen Bundesgebiet geboren (Frühgeburt) und hat dabei eine schwere pertinatale Asphyxie (Pulslosigkeit) sowie Krampfanfälle erlitten.

Zudem leidet er an spastischer Tetraparese, einer Entwicklungsverzögerung, einer ausgeprägten Gedeihstörung bei Laryngomalzie, einer Schluckstörung bei Aspirationsgefahr, einer Delayed visual maturation sowie einer Eisenmangelanämie.

Er war in Österreich mehrmals stationär in Krankenhäusern aufhältig und wurde ihm im Juli 2018 aufgrund der Schluckstörung eine PEG-Sonde implantiert, über welche er dauerhaft ernährt wird. Der BF2 ist auf wöchentliche (kinder-) ärztliche sowie physiotherapeutische- und logopädische Behandlungen angewiesen. Er ist intensiv pflegebedürftig und benötigt spezielle Nahrung (Nutrini-Energy), welche ihm seine Mutter durch die Sonde mittels einer Spritze verabreicht. Auch Trinkwasser wird dem BF2 durch die Sonde verabreicht. Seine Mutter führt zudem täglich diverse Übungen (Gymnastikübungen, logopädische Übungen, Mundmassagen etc.) bei ihm durch. Die PEG-Sonde des BF2 muss regelmäßig im Spital gewartet werden.

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Moldawien ist zur medizinischen Versorgung Folgendes zu entnehmen:

In Moldawien wurde im Jahr 2004 zwar landesweit eine verpflichtende Krankenversicherung eingeführt, dennoch ist die Zahl der "out-of-pocket-Zuzahlungen" (in Form von Direktzahlungen und informellen Zahlungen) nach wie vor hoch und sind die Zahlen bei Unversicherten noch höher. Rund 93 Prozent der Moldawier leisten informelle Zahlungen an Ärzte und anderes medizinisches Personal. Diese Zahlungen belaufen sich jährlich auf etwa 100 Millionen USD. Leistungen, die nicht unter die verpflichtende Krankenversicherung fallen, müssen direkt bezahlt werden. Von der obligatorischen Krankenversicherung werden rund 20 Prozent der Bevölkerung nicht abgedeckt. Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist nach wie vor extrem unterfinanziert und ist der Großteil der Bevölkerung gezwungen private Mittel zu verwenden, um angemessene Pflege zu erhalten.

Weiters ist Korruption im Gesundheitssektor weit verbreitet. Durch Abwanderung fehlt gut ausgebildetes medizinisches Personal. Die allgemeine Qualität der Gesundheitsdienstleistungen ist schlecht, es gibt keine Monitoring Mechanismen für öffentliche Gesundheitseinrichtungen. Unter anderem sind Roma, Behinderte und andere benachteiligte und marginalisierte Personen und Gruppen beim Zugang zur Gesundheitsversorgung diskriminiert. Es wurde zwar der Entwurf eines neuen Gesundheitsgesetztes erstellt, Berichten zufolge ist dieser aber für die derzeitigen Herausforderungen nicht ausreichend.

Vor allem in ländlichen Gebieten mangelt es an qualifiziertem Personal im Bereich der öffentlichen Gesundheit infolge des Exodus an Fachkräften und der unbefriedigenden Infrastruktur und des hygienischen Zustandes der Gesundheitseinrichtungen. Veraltete medizinische Geräte und unzureichende technische und materielle Ressourcen behindern den Zugang der Bevölkerung zu hochwertigen medizinischen Diensten und demotivieren medizinisches Personal. Da das medizinische Personal unter erschwerten Bedingungen und für wenig Geld arbeiten muss, verlassen viele das Gesundheitssystem. Die Beschaffung von Arzneimitteln in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen basiert auf dem niedrigsten Preis, der nicht immer die beste Qualität gewährleistet.

Gesundheitseinrichtungen, insbesondere in ländlichen Gebieten, fehlt es an ausreichender Ausrüstung und Medikamenten für hochwertige Hilfe. Dies führt zu einer vermeidbaren hohen Sterblichkeitsrate.

1.3. Zu den Fluchtmotiven und zur Rückkehrgefährdung der BF:

Nicht festgestellt werden kann, dass die BF zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt in Moldawien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wären.

Die BF1 verfügt - abgesehen von ihren drei Halbbrüdern (welche bei Pflegefamilien aufgewachsen sind) und ihrer Mutter (welche sie seit ihrem 14. Lebensjahr nicht mehr gesehen hat) und deren Aufenthaltsorte die BF1 nicht kennt - über keine familiären Anknüpfungspunkte in Moldawien.

Aufgrund der beim BF2 vorliegenden Erkrankungen, seiner intensiven Pflegebedürftigkeit und der Abhängigkeit von seiner Mutter (BF1) geht das Bundesverwaltungsgericht von einer starken Einschränkung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit der BF1 aus. Es ist ferner davon auszugehen, dass die BF1 aufgrund der fehlenden familiären Unterstützung Schwierigkeiten hätte, sich eine grundlegende Existenz zu sichern.

Der BF2 ist auf wöchentlich (kinder-) ärztliche sowie physiotherapeutische- und logopädische Behandlung sowie die intensive Pflege seiner Mutter angewiesen. Er benötigt zudem spezielle Nahrung (Nutrini-Energy), welche ihm seine Mutter durch die Sonde verabreicht.

Aus den obigen Länderfeststellungen, entnommen dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, ergibt sich, dass die medizinische Versorgungssituation in Moldawien angespannt bleibt und der Großteil der Bevölkerung gezwungen ist private Mittel zu verwenden, um eine angemessene Pflege zu bekommen.

Für das erkennende Gericht ist, ungeachtet der grundsätzlich im Moldawien, insbesondere in Chisinau (wo die BF1 auch gelebt hat), vorhandenen allgemeinen Existenzmöglichkeiten für Rückkehrer, eine allenfalls erzwungene Rückkehr der BF in die Heimat mittels Abschiebung angesichts der beim BF2 ärztlich diagnostizierten Erkrankungen, durch welche eine intensive Pflege und Betreuung durch die BF1 zwingend notwendig ist, in Verbindung mit der fehlenden familiären Anbindung bzw. Unterstützung, davon auszugehen, dass die BF in eine sehr unsichere wirtschaftliche Situation geraten würden, welche dem BF2 eine weitere Behandlung seiner Erkrankungen verunmöglichen würde. Diese Umstände fügen sich zu einem Bild zusammen, dass die BF1 derzeit im Falle einer Rückkehr nach Moldawien nicht in der Lage wäre, für sich selbst und den BF2 zu sorgen und eine - zumindest grundlegende - Existenz zu sichern.

1.3. Zur allgemeinen Situation in Moldawien:

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Moldawien ist insbesondere Folgendes zu entnehmen:

Politische Lage

Moldau hat annähernd 34.000 km² Fläche und ca. 2,9 Mio. Einwohner (ohne Transnistrien). Das Land ist eine parlamentarische Demokratie, Staatsoberhaupt ist seit 23. Dezember 2016 Präsident Igor Dodon (PSRM). Regierungschef ist seit 20. Januar 2016 Ministerpräsident Pavel Filip (PDM). Das moldauische Parlament hat eine Kammer mit 101 Sitzen. Die Regierungskoalition umfasst derzeit die Demokratische Partei (PDM - 42 Sitze), informell auch auf die Europäische Volksgruppe (GPPE, 9 Sitze). Zur parlamentarischen Opposition gehören die Partei der Kommunisten der Republik Moldau (PCRM - 6 Sitze), die Partei der Sozialisten der Republik Moldau (PSRM - 24 Sitze), die Liberal-Demokratische Partei (PLDM - 5 Sitze), die Liberale Partei (PL - 9 Sitze) und 6 Parteilose (AA 3.2018a).

Die Parlamentswahlen von 2014 genügten größtenteils den Vorgaben von OSZE, Europarat usw., obwohl lokale und internationale Beobachter Bedenken hinsichtlich der Zulassung bestimmter politischer Parteien zu den Wahlen äußerten. In Folge der Wahlen haben Parteiwechsel, begleitet von Vorwürfen betreffend politischen Druck und Bestechung, die Struktur des Parlaments und die parlamentarische Mehrheit erheblich verändert (USDOS 20.4.2018).

Das moldauische Parteiensystem umfasst eine Anzahl von Gruppierungen, die - zumindest nominell - eine ganze Reihe von politischen Ansichten repräsentieren. Doch das Parteiensystem Moldaus ist instrumentalisiert, nur mäßig stabil und hat nicht das Vertrauen der Bürger. Die überwiegende Mehrheit der moldauischen politischen Parteien sind auf einen charismatischen Parteichef ausgerichtet und funktionieren ohne innerparteiliche Demokratie. Die Themensetzung funktioniert hauptsächlich über geopolitische Bruchlinien (pro-europäisch gegen pro-russisch). Die moldauische Öffentlichkeit ist größtenteils tief von ihren demokratischen Institutionen enttäuscht (BS 2018).

Im März 2016 erklärte das moldauische Verfassungsgericht eine Regelung für verfassungswidrig, welche die Wahl des Staatspräsidenten durch das Parlament festgeschrieben hatte. Dadurch wurden die Präsidentschaftswahlen durch direkte und geheime Volksabstimmung wieder eingesetzt. Zwei Runden der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 führten zur Wahl von Igor Dodon zum Präsidenten der Republik Moldau. Laut Wahlbeobachtungsmission der OSZE waren beide Wahlgänge kompetitiv und respektierten die Grundfreiheiten. Internationale und nationale Beobachter stellten jedoch eine polarisierte und unausgewogene Medienberichterstattung, harte und intolerante Rhetorik, mangelnde Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung und Fälle von Missbrauch administrativer Ressourcen fest (USDOS 20.4.2018).

Im Juli 2017 hat das Parlament der Republik Moldau mit den Stimmen der Regierungspartei PDM (Demokratische Partei) von Vlad Plahotniuc und der pro-russisch ausgerichteten PSRM (Partei der Sozialisten) von Präsident Igor Dodon, eine umstrittene Wahlrechtsreform beschlossen, trotz starker nationaler und internationaler Einwände. Die Reform ersetzt das bisher für Parlamentswahlen geltende Verhältniswahlrecht mit Parteilisten durch ein gemischtes System, durch das künftig 50 von 101 Abgeordneten direkt in einzelnen Wahlkreisen mit einfacher Mehrheit gewählt werden. Die Venedig-Kommission warnt davor, dass unter den politischen Verhältnissen in der Moldau vorgeblich unabhängige Kandidaten tatsächlich unter den Einfluss von Geschäftsleuten und ihrer speziellen Interessen geraten können. Das kann als Hinweis auf Vlad Plahotniuc gelesen werden, den mit Abstand vermögendsten Geschäftsmann in der Moldau. Die pro-europäische Opposition, aber auch große Teile der Zivilgesellschaft lehnen die Reform strikt ab, weil sie darin nur ein Instrument zum Machterhalt der PDM sehen. Tatsächlich hat die PDM ein Legitimitätsproblem. Bei der letzten Parlamentswahl erhielt sie lediglich 16 Prozent der Stimmen. Die Regierungsmehrheit kam nur durch 30 Überläufer aus Oppositionsparteien zustande. In Umfragen liegt die PDM seither stets bei deutlich unter 10 Prozent. Die Wahlrechtsreform geht vor allem zulasten der pro-europäischen Opposition (KAS 7.2017; vgl. FH 11.4.2018).

Ende 2017 urteilte das Verfassungsgericht, dass der Präsident suspendiert werden kann, wenn er sich weigert Neuernennungen von Regierungsmitgliedern vorzunehmen. Die Ernennung kann dann vom Parlamentspräsidenten vorgenommen werden (KAS 20.12.2017). Dodon weigerte sich in der Folge tatsächlich mehrmals neue Regierungsmitglieder zu ernennen und wurde mehrmals temporär suspendiert (BI 10.1.2018).

Die Republik Moldau erlebte im Jahr 2017 deutliche Anzeichen eines demokratischen Rückschritts und kam internationalen und nationalen Verpflichtungen bzw. Reformvorhaben nur zum Schein nach. Die Zeiten, in denen Moldau als Erfolgsgeschichte der europäischen Integration galt, sind vorbei. Das Verschwinden von einer Milliarde Dollar aus dem nationalen Bankensystem (2014) und die erbitterte Auflösung der Regierungskoalition, die dem Bankenskandal folgte, zerstörten viel von dem positiven Bild, das Moldau seit 2009 von sich aufzubauen verstanden hatte. Gerade die Rolle der Demokratischen Partei (PDM) wird in diesem Zusammenhang sehr kritisiert. Deren Vorsitzender, der Oligarch Vlad Plahotniuc, hatte es nach 2014 geschickt verstanden, seine Partei trotz einer bescheidenen demokratischen Legitimation von 16% bei den Parlamentswahlen 2014 zur wichtigsten politischen Kraft des Landes zu machen und diese Macht zu festigen, nicht zuletzt auch durch Einführung eines neuen Wahlsystems (JF 10.1.2018).

Demokratisch gewählte politische Vertreter haben in der Republik Moldau nur eine begrenzte Entscheidungsgewalt. Politische und wirtschaftliche Interessengruppen spielen eine große, wenn nicht eine entscheidende Rolle in Gesetzgebung und staatlichen Entscheidungsprozessen. Bestimmte politische Vertreter auf lokaler und zentraler Ebene neigen dazu, ihre politischen Ämter zu missbrauchen, um ihre Geschäftsinteressen zu schützen. Auf der anderen Seite gibt es Gruppen, die de facto die Politik des Landes mit wenig Legitimität beherrschen. Zum Beispiel, der Oligarch und Parteichef Vlad Plahotniuc. Premierminister Pavel Filip ist ein langjähriger Geschäftspartner von Plahotniuc und verdankt ihm die Position als Ministerpräsident. Plahotniuc ist der Hauptsponsor und Chef der Demokratischen Partei und hat ein Reihe anderer Abgeordneter dazu gebracht zu ihm überzulaufen, was ihm eine parlamentarische Mehrheit gibt. Andere moldauische Politiker scheinen unter dem Einfluss externer Akteure zu stehen, so hat Russlands Einfluss auf Präsident Igor Dodon zugenommen (BS 2018). Manche NGOs bezeichnen Moldau daher als "captured state", nicht zuletzt, weil Vladimir Plahotniuc auch einen Großteil der moldauischen Medien besitzt. Es wird angenommen, dass Plahotniuc, der keine öffentlic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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