TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/8 W222 2214475-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

08.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52

Spruch

W222 2214475-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG

2005, § 9 BFA-VG, §§ 46 und 52 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am XXXX durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Zu seiner Person gab er an, er gehöre der Volksgruppe der Punjabi sowie der Religionsgemeinschaft der Sikhs an und stamme aus dem Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der indischen Provinz Punjab. In Indien habe er zehn Jahre die Grundschule und zwei Jahre eine AHS besucht. Im Dezember XXXX habe er den Entschluss gefasst, seinen Herkunftsstaat zu verlassen. Von seinem Wohnort aus sei er mit dem Zug nach XXXX gereist sei. Am XXXX sei er mit einem Flugzeug nach Malaysia gereist. Von dort sei er in ein ihm unbekanntes Land geflogen, wo er mehrere Monate in einem Schlepperquartier verbracht habe. Mit dem Flugzeug sei er weitergereist. Er vermute, dass das Flugzeug in Polen gelandet sei. Von dort sei er von einem weiteren Schlepper mit einem Fahrzeug nach Österreich gebracht worden. Sein Onkel habe für ihn die Reise organisiert und Kontakt mit einem Schlepper aufgenommen.

Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, er sei täglich dieselbe Route mit seinem Motorrad gefahren. Ein Passant habe ihn eines Tages aufgehalten und habe ihm erklärt, er solle nicht weiterfahren, da sich auf der Strecke eine Polizeibarrikade befinde. Der Beschwerdeführer habe jedoch diesbezüglich keine Bedenken gehabt, da er nichts zu verbergen gehabt und die Strecke gekannt habe. Auf Bitte des Mannes habe er ihn auf seinem Motorrad mitgenommen. Die Polizisten hätten den Beschwerdeführer passieren lassen, da sie ihn schon gekannt hätten. Als er den Mann nach drei bis vier Tagen wieder getroffen habe, habe dieser eine Tasche bei sich gehabt und sei erneut mit ihm mitgefahren, woraufhin sie sich angefreundet und in weiterer Folge gemeinsam ein Auto gekauft hätten. Schließlich habe der Mann Waffen, Drogen und Geld in den Kofferraum gelegt. Dies habe der Beschwerdeführer allerdings erst später bemerkt. Daraufhin habe ihm der Mann angeboten, so viel Geld zu nehmen, wie er wolle, wenn er als Gegenleistung die Sachen im Kofferraum an einen bestimmten Ort transportiere. Der Beschwerdeführer habe allerdings abgelehnt und seine Route gewechselt, damit ihn der Mann nicht finde. Eines Tages habe dieser jedoch auf ihn geschossen, als er am Motorrad seines Bruders unterwegs gewesen sei. Diese Bande habe in seiner Gegend bereits zwei Menschen getötet. Aus Angst vor der Bande habe er das Land verlassen.

Die Ladung zur Einvernahme am XXXX konnte dem Beschwerdeführer an seiner laut ZMR-Auskunft als Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetztes gültigen Kontaktstelle nicht zugestellt werden.

Mit Ladung vom XXXX wurde er neuerlich zu einer Einvernahme am XXXX geladen.

Am XXXX erfolgte seine Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Zu seiner Person gab der Beschwerdeführer an, er gehöre der Volksgruppe der Jat sowie der Religion der Sikhs an, sei gesund, ledig und habe keine Kinder. Im Herkunftsstaat habe er von seiner Geburt bis zu seiner Ausreise im Dorf XXXX im Haus seiner Familie gemeinsam mit seinen Eltern, seiner Großmutter und seinem jüngeren Bruder gelebt. Insgesamt habe er zwölf Jahre die Grundschule besucht und spreche Punjabi. Seinen Lebensunterhalt habe er durch seine Arbeit als Kabelmonteur sowie durch die eigene Landwirtschaft bestritten. Einen bestimmten Beruf habe er aber nicht erlernt. Seine finanzielle Situation sei mittelmäßig gewesen.

Zu seiner Familie gab er an, er habe Geschwister, konkret einen Bruder und eine Schwester. Seine Angehörigen würden mit Ausnahme seiner verheirateten Schwester gemeinsam in seinem Elternhaus leben und ihren Lebensunterhalt durch die Landwirtschaft bestreiten. Er pflege ein gutes Verhältnis zu seiner Familie und habe über einen Freund auch nach wie vor Kontakt mit seinen Angehörigen.

Er sei nicht vorbestraft, habe keine Strafrechtsdelikte begangen und es bestehe in Indien kein offizieller Haftbefehl gegen ihn. Er sei nie politisch tätig gewesen und habe weder einer politischen Partei, noch einer bewaffneten Gruppierung angehört. Probleme mit den indischen Behörden habe er ebenso wenig gehabt.

Zu seiner Flucht führte er aus, sein Vater und sein Onkel hätten für ihn einen Schlepper organisiert. Den Entschluss zur Ausreise habe er im September oder Oktober XXXX gefasst, als ein zweiter Anschlag auf ihn ausgeübt worden sei. Er habe vor zwei Monaten den Herkunftsstaat verlassen. Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, neben seiner Tätigkeit in der Landwirtschaft auch als Kabelmonteur in XXXX und XXXX tätig gewesen zu sein. Er sei regelmäßig dorthin gefahren, um Arbeiten durchzuführen, und habe immer wieder einige Jungs gesehen. Ein junger Mann habe ihn angesprochen. Zunächst habe er gefragt, wohin der Beschwerdeführer fahre. Als er ihm erklärt habe, nach XXXX zu fahren, habe ihn der Mann gebeten, ihn mitzunehmen, was der Beschwerdeführer auch gemacht habe. Da die beiden Städte miteinander verbunden gewesen seien, habe es dort eine Polizeikontrolle gegeben. Der Beschwerdeführer sei bei der Polizei bereits bekannt gewesen, weil er regelmäßig vorbeigefahren sei. Daher sei er nicht mehr kontrolliert worden. Der Beschwerdeführer habe den Mann drei- bis viermal mitgenommen, da er ohnehin zu seinem Arbeitsplatz fahren habe müssen. Selbst mit Begleitperson sei er nicht kontrolliert worden. Als der Mann eines Tages eine Tasche bei sich getragen habe, habe der Beschwerdeführer nicht weiter nachgefragt und habe ihn erneut mitgenommen. Der Mann habe ihm in weiterer Folge ein Angebot gemacht. Er habe ihm vorgeschlagen, sein Motorrad zu verkaufen und stattdessen ein Auto anzuschaffen, wofür er ihm auch finanzielle Unterstützung angeboten habe. Das habe der Beschwerdeführer freundschaftlich verstanden. Am nächsten Tag habe er ihn an der gewohnten Stelle abgeholt. Dieses Mal seien die beiden Freunde des Mannes dabei gewesen und es seien auch alle drei Personen mitgefahren. Sie hätten erneut eine Tasche mitgehabt und hätten auf Nachfrage erklärt, in der Tasche sei nichts Schlimmes. Auf die Frage, ob sich etwas Verbotenes in der Tasche befinde, hätten sie dem Beschwerdeführer gesagt, er brauche nur das zu tun, was man ihm sage. Er solle sie absetzen und zu seiner Arbeit gehen. Der Mann habe ihm zudem gesagt, er brauche es nur sagen, wenn er Geld wolle. Die Summe sei egal, allerdings müsse er seine Zunge hüten. Das nächste Mal habe der Beschwerdeführer dem Mann erklärt, er wolle ihn nicht mehr mitnehmen, woraufhin es zu einem Streit gekommen sei. Am folgenden Tag habe er den Mann an derselben Stelle wiedergesehen, sei jedoch vorbeigefahren und habe in weiterer Folge in Absprache mit seinem Chef seine Route geändert. Eine Weile habe das funktioniert. Eines Tages hätten ihn der Mann und dessen Freunde auf seinem Arbeitsweg gesehen, woraufhin sie absichtlich in seinen Wagen hineingefahren seien. Als sich der Beschwerdeführer umgedreht und in den Spiegel geblickt habe, habe er sie sofort erkannt. Er habe versucht, schneller zu fahren um ihnen zu entkommen, woraufhin sie zweimal auf sein Auto geschossen hätten. Daraufhin habe der Beschwerdeführer den Vorfall seiner Familie erzählt, die ihm von einer Anzeige abgeraten habe, da der Mann viele Freunde habe und er dem Beschwerdeführer aus Wut und Rache noch Schlimmeres zufügen könne. Sein Vater und sein Onkel hätten daraufhin seine Flucht organisiert und finanziert. Auf Nachfrage gab er an, er habe sich nicht an die Behörden gewandt, da es nichts bringe, zumal nichts dagegen unternommen werde. Im Fall seiner Rückkehr wäre sein Leben in Gefahr.

In Österreich lebe er manchmal im Sikh Tempel, manchmal bei einem Freund. Seine festgelegte Unterkunft habe er verlassen, da er als Vegetarier die Speisen dort nicht essen habe können und das Essen ohne Gewürze nicht gewohnt sei. Er habe in Österreich keine Verwandten und sei weder Mitglied in einem Verein, noch in einer Organisation. Auf die Frage, ob er Kurse oder Ausbildung absolviere, gab er an, er wolle einen Deutschkurs machen.

Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt wurde dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt Indien unter Einräumung einer einwöchigen Frist zur Stellungnahme ausgefolgt.

Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde der Beschwerdeführer gemäß § 15b AsylG 2005 aufgefordert, binnen drei Tagen in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen. Ferner wurde ihm das Mitteilungsblatt über die Folgen der Missachtung dieser Anordnung ausgehändigt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt VI.). Ferner wurde die Anordnung, gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005, in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen, wiederholt (Spruchpunkt VII.).

In der Beweiswürdigung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend die konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei. Begründend hielt das Bundesamt nach Zusammenfassung des wesentlichen Fluchtvorbringens zunächst fest, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer ohne ersichtlichen Grund eine fremde Person mitgenommen habe, ohne näher nachzufragen. Ferner sei unschlüssig, warum die Polizei diese Person nicht kontrolliert haben soll. Es könne zudem nicht nachvollzogen werden, warum der Beschwerdeführer die Person mehrmals mitgenommen habe. Wie und warum die vermeintlichen Angreifer den Beschwerdeführer auf der für diese Personen unbekannten Strecke abpassen hätten können, sei ebenso wenig nachvollziehbar. Im Übrigen sei auch nicht verständlich, aus welchem Grund sich der Beschwerdeführer nicht an die Polizei gewandt habe. Sein Vorbringen sei sohin nicht glaubhaft. Da der Beschwerdeführer auch keinerlei Probleme mit Behörden oder staatsähnlichen Institutionen im Herkunftsstaat gehabt habe, sei davon auszugehen, dass er vom Staat oder von Hilfseinrichtungen wirkungsvollen Schutz erhalten werde. Ein Zusammenhang zwischen den geschilderten Ereignissen und einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe sei im Übrigen nicht vorgebracht worden.

Rechtlich führte das Bundesamt zu Spruchpunkt I. aus, dass eine Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat nicht festgestellt werden habe können. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt seiner Fluchtgründe komme seinem Vorbringen überdies keine Asylrelevanz zu, zumal er lediglich von Privatpersonen verfolgt worden sei. Anhaltspunkte für eine asylrelevante Verfolgung seien im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Zu Spruchpunkt II. hielt das Bundesamt fest, dass sich weder aus dem vom Beschwerdeführer dargelegten Fluchtvorbringen, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände ableiten ließe, welche die Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat in Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen ließe. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich jeder, der sich in Indien aufhalte, aufgrund der allgemeinen Situation einer extremen Gefährdung ausgesetzt wäre. Der Beschwerdeführer habe viele Jahre in Indien gelebt, sei mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut und könne sich dort auch sprachlich verständigen. Durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit, allenfalls als Tagelöhner, sei er in der Lage, sich eine ausreichende Lebensgrundlage zu sichern. Er verfüge über Sprachkenntnisse, Schulbildung und habe den Großteil seines Lebens in Indien verbracht. Zudem habe er auch familiäre Anknüpfungspunkte. Seine nahen Verwandten könnten ihn anfänglich durch die Bereitstellung von Wohnraum oder durch finanzielle Zuwendungen unterstützen. Hinweise auf eine Erkrankung würden nicht vorliegen. Es sei sohin nicht davon auszugehen, dass er im Fall seiner Rückkehr in eine hoffnungslose, existenzbedrohende Lage geraten würde. Eine reale Gefahr der Verletzung seiner in Art. 2 oder Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte bestehe nicht. Im Übrigen könne er Indien auch sicher mit dem Flugzeug erreichen, ohne Gebiete mit erhöhtem Gefahrenpotenzial durchqueren zu müssen.

Zu den Spruchpunkten III. bis V. wurde ausgeführt, die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 würden nicht vorliegen. Da keine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers festgestellt werden habe können und er in Österreich keine Angehörigen habe, überwiege das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung das Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet, weshalb die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG im konkreten Fall zulässig sei. Da keine Gründe iSd § 50 FPG vorlägen, sei die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat auch zulässig.

Mit Beschwerde vom XXXX wurde fristgerecht Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. bis V. dieses Bescheides erhoben und unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Begründend wurde ausgeführt, eine nähere Auseinandersetzung mit dem konkreten Vorbringen und der daraus erwachsenden Verfolgungssituation des Beschwerdeführers in Indien sei nicht erfolgt. Eine Prüfung und Bewertung der Frage eines tatsächlichen und effizienten Schutzes des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat habe nicht stattgefunden. Das Bundesamt wäre verpflichtet gewesen, im Rahmen der Beweiswürdigung Länderberichte zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers zur Plausibilitätskontrolle heranzuziehen. Konkret seien zur Beurteilung Berichte zur Bandenkriminalität im Punjab und deren Reichweite erforderlich gewesen. Ferner wurde hinsichtlich der Schutzfähigkeit des indischen Staates auf die Feststellungen im angefochtenen Bescheid verwiesen. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse hätte die Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr eine Verletzung seiner in Art. 2 EMRK oder Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte mit hoher Wahrscheinlichkeit drohe. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht. Im Übrigen sei es Aufgabe der Behörde, die Existenz einer solchen nach Durchführung entsprechender Ermittlungen aufzuzeigen.

Zur rechtlichen Beurteilung wurde festgehalten, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen sei, da er im Fall seiner Rückkehr von der Bande getötet oder zumindest schwer misshandelt werden würde. Aufgrund der dargelegten Erwägungen hinsichtlich der Gefahr für die körperliche Unversehrtheit liege in eventu auch jedenfalls ein Eingriff in Art. 8 EMRK vor, weshalb eine Abschiebung dauerhaft unzulässig sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs sowie der Volksgruppe der Jat an und spricht Punjabi. Er ist gesund, ledig und hat keine Kinder. Den überwiegenden Teil seines Lebens verbrachte er im Bundesstaat Punjab. In Indien besuchte er zwölf Jahre die Schule, arbeitete in der Landwirtschaft seiner Familie und war als Kabelmonteur tätig. Im Herkunftsstaat leben nach wie vor seine Eltern, sein Bruder, seine Schwester und seine Großmutter. Abgesehen von seiner Schwester leben alle Familienmitglieder gemeinsam in seinem Elternhaus. Die Familie bestreitet ihren Lebensunterhalt durch ihre eigene Landwirtschaft.

Nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im österreichischen Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen und er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Während seines bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet hat er gelegentlich im Sikh-Tempel, gelegentlich bei einem Freund gewohnt

Der Beschwerdeführer hat keinen Deutschkurs besucht und spricht nicht Deutsch. Auch an anderen Integrationskursen oder Ausbildungen hat er nicht teilgenommen. Er ist gesund, arbeitsfähig und in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Einer Erwerbstätigkeit geht er in Österreich nicht nach und ist sohin nicht selbsterhaltungsfähig.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen - konkret aufgrund der Bedrohung durch eine kriminelle Bande infolge der Verweigerung seiner Unterstützung bei kriminellen Aktivitäten - verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt: Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 11.4.2017: Acht Tote und über 200 Verletzten bei Demonstrationen bei Wahl in Srinagar, Kaschmir (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3.1)

Im Zuge einer Nachwahl zur Besetzung eines freien Sitzes im indischen Unterhaus, kam es am Sonntag, dem 9.4.2017, in Srinagar, Kaschmir, zu Zusammenstößen zwischen separatistischen, die Wahl boykottierenden Demonstranten und den indischen Sicherheitskräften. Während des Konflikts wurden acht Demonstranten getötet und über 200 Personen, Demonstranten und Sicherheitsbeamte, verletzt (Reuters 10.4.2017).

Am Montag den 10.4.2017 verhängte die indische Polizei eine Ausgangssperre für die Bevölkerung mehrerer Gebiete Kaschmirs, errichtete Straßensperren und schränkte den Verkehr ein (Reuters 10.4.2017).

Die Wahlbeteiligung lag bei nur 7% (Times of India 11.4.2017). Eine zweite Nachwahl, ursprünglich geplant für den 12.4.2017 in Anantnag, wurde in Anbetracht der aktuellen Lage auf den 25.5.2017 verschoben (Reuters 10.4.2017).

Indien beschuldigt Pakistan die Separatisten zu unterstützen, was in Islamabad bestritten wird (Reuters 10.4.2017).

Bei einem weiteren Vorfall am Montag sind vier mutmaßliche Kämpfer erschossen worden, als sie versuchten die umstrittene Grenze von Pakistan kommend, in der Nähe des Keran-Sektors zu infiltrieren (Reuters 10.4.2017).

Da sich seit der Tötung des einflussreichen Separatistenkämpfers Burhan Wani im Juli 2016, die Spannungen in der Region erhöht haben (BBC 10.4.2017), und es seither in Kaschmir wiederholt zu gewalttätigen Protesten kam, in deren Verlauf bisher 84 Zivilisten getötet und über 12.000 Zivilisten und Sicherheitskräfte verletzt wurden (Reuters 10.4.2017), sind vorsorglich etwa 20.000 zusätzliche indische Truppen in die Region entsandt worden (BBC 10.4.2017).

Quellen:

-

BBC (10.4.2017): Kashmir violence: Eight killed in clashes during by-election, http://bbc.in/2oo04gV, Zugriff 11.4.2017

-

Reuters (10.4.2017): India clamps down on Kashmir transport after poll violence kills 8,

http://in.reuters.com/article/india-kashmir-idINKBN17B06F, Zugriff 11.4.2017

-

Times of India (11.4.2017): Lack of pre-emptive policing led to low voter turnout in Kashmir

http://timesofindia.indiatimes.com/india/lack-of-pre-emptive-policing-led-to-low-voter-turnout-in-kashmir/articleshow/58118340.cms, Zugriff 11.4.2017

a. Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

-

CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017

a.1. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

-

MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

b. Rechtsschutz/Justizwesen

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.8.2016; vgl. auch:

USDOS 13.4.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.4.2015).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2016). Das Justizsystem gliedert sich in den Supr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten