TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/8 W222 1304840-4

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Veröffentlicht am 08.05.2019
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Entscheidungsdatum

08.05.2019

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W222 1304840-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes angab, er heiße XXXX und sei am XXXX geboren. Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am XXXX brachte er vor, sein richtiger Name sei XXXX und sein Geburtsdatum sei der XXXX .

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , FZ. XXXX , wurde sein Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen. Ferner wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX , Zl. XXXX , gemäß §§ 3, 8 und 10 Asylgesetz 2005 (AsylG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF. BGBl. Nr. 135/2009 abgewiesen.

Am XXXX stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise des Beschwerdeführers wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , XXXX , als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung unter anderem aus, dass den Angaben des Beschwerdeführers aufgrund zahlreicher Widersprüche in wesentlichen Teilen seines Fluchtvorbringens die Glaubhaftigkeit abzusprechen gewesen sei und somit nicht davon ausgegangen werden könne, dass ihm asylrelevante Verfolgung in Indien drohe. Der Beschwerdeführer habe den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz gestellt, um in Österreich legal arbeiten zu können. Dies ergebe sich zum einen aus seiner Begründung des Antrags, da er einen Sachverhalt behauptet habe, von dem er aktuell tatsächlich nicht betroffen sei. Zum anderen habe er dies sowohl vor dem Bundesamt, als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht explizit geäußert. Die Feststellung zu seinen Sprachkenntnissen ergebe sich aus dem vorgelegten ÖSD-Zertifikat sowie des Umstandes, dass er sich auf Deutsch in der mündlichen Verhandlung verständigen habe können. Die Feststellungen zu seiner Lebenssituation in Österreich stützte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst auf die Angaben des Beschwerdeführers, die von ihm in Vorlage gebrachten Dokumente sowie auf einen Auszug aus dem zentralen Melderegister und einen Strafregisterauszug.

Rechtlich wurde zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. und IV. des angefochtenen Bescheides gefolgert, dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorliegen würden. Zur Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung wurde ferner ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Verwandten oder sonstige Angehörigen im Bundesgebiet habe und eine Rückkehrentscheidung sohin keinen Eingriff in sein Recht auf Familienleben begründe. Zum Eingriff in sein Recht auf Privatleben wurde unter Verweis auf die Judikatur des VwGH festgehalten, dass bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen sei, wenn dem Umstände entgegenstünden, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren würden. Der Beschwerdeführer halte sich seit zehneinhalb Jahren in Österreich auf. Die lange Aufenthaltsdauer werde dadurch relativiert, dass sich der Beschwerdeführer über die gegen ihn im August XXXX erlassene Rückkehrentscheidung hinweggesetzt und sich vier Jahre und zwei Monate unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dies stelle eine gravierende Missachtung des österreichischen Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts dar. Ferner habe er dadurch auch deutlich gemacht, dass er nicht bereit sei, gerichtliche Entscheidungen zu akzeptieren. Die Stellung des zweiten Antrags auf internationalen Schutz sei lediglich erfolgt, um in Österreich legal arbeiten zu können. Folglich habe er das Institut des Asyls für seine Zwecke gebraucht, um in Umgehung der sonst geltenden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zu einem Aufenthaltsrecht zu gelangen. Dieses (zweite) Verfahren habe zwei Jahre und sieben Monate gedauert. Insgesamt könne sohin nicht bereits aufgrund der langen Aufenthaltsdauer vom Überwiegen seiner Interessen am Verbleib im Bundesgebiet ausgegangen werden. Über relevante soziale Bindungen in Österreich verfüge er nicht. Er habe zwar Deutschkenntnisse auf Kompetenzstufe A2 erworben, allerdings beschränke sich sein Privatleben auf seine vormalige Arbeitstätigkeit. Konkret habe er selbstständig ein Imbiss-Lokal betrieben, als Zeitungszusteller gearbeitet und einen eigenen Gewerbebetrieb geführt. Derzeit gehe er keiner rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nach. Überdies wurde erwogen, dass ihm bei der Begründung seines Privatlebens die Unsicherheit seines Aufenthalts, welcher sich lediglich auf unbegründete Asylanträge gestützt habe, bewusst sein habe müssen, wobei ihm die Vorläufigkeit bereits durch das negative Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom XXXX verdeutlicht worden sei. Zusätzlich werde die Schutzwürdigkeit seines Privatlebens dadurch gemindert, dass er in Österreich unter verschiedenen Identitäten aufgetreten sei, sodass von einem bewussten Verschleiern seiner Identität auszugehen sei. Ferner sei ihm eine Missachtung melderechtlicher Vorschriften vorzuwerfen. Überdies habe er eingestanden, "Schwarzarbeit" zu verrichten, wodurch er gegen Verwaltungsvorschriften verstoße. Zur Verfahrensdauer wurde festgehalten, dass zwar eine raschere Entscheidung im Fall von ausreichenden Ressourcen möglich gewesen wäre, das Ergebnis der Prüfung eines möglichen Organisationsverschuldens aber nicht für sich alleine, sondern in einer Gesamtschau zu bewerten sei. In diesem Zusammenhang sei auch das Vorbringen sowie das Verhalten des Beschwerdeführers, insbesondere die Nennung falscher Identitätsdaten, zu berücksichtigen. Die zeitliche Komponente trete sohin nicht derart in den Vordergrund, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen privater Interessen auszugehen wäre. Ergänzend wurde auf die nach wie vor bestehende Bindung des Beschwerdeführers zum Herkunftsstaat verwiesen. Insgesamt würden sohin die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen und sei daher die Verfügung einer Rückkehrentscheidung dringend geboten. Die Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat sei auch zulässig, da keine Gründe iSd § 50 FPG vorlägen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung ergebe.

Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , XXXX , als unzulässig zurückgewiesen.

Am XXXX stellte der Beschwerdeführer den Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" ohne diesen Antrag zu begründen. Vorgelegt wurden unter anderem drei Unterstützungsschrieben sowie ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag, während die notwendigen Identitätsdokumente nicht in Vorlage gebracht wurden.

Mit Verbesserungsauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, binnen vier Wochen seinen Antrag in deutscher Sprache schriftlich zu begründen und ein gültiges Reisedokument sowie seine Geburtsurkunde jeweils in Original und Kopie samt Übersetzung vorzulegen. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise ein Antrag auf Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV eingebracht werden könne. Komme der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht nach § 58 Abs. 11 AsylG 2005 nicht nach, wäre sein Antrag gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückzuweisen.

In einer am XXXX eingelangten Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer im Wege seines ausgewiesenen Vertreters vor, er sei bereits seit über zehn Jahren im Bundesgebiet aufhältig. Seit Erlassung der Rückkehrentscheidung gegen ihn habe sich seine persönliche Situation maßgeblich verändert. Diese Änderungen würden sich aus dem Erwerb der deutschen Sprache, der Intensivierung seiner sozialen Integration sowie seiner beruflichen Integration in Österreich ergeben. Im Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels würde er aufgrund seiner Arbeitswilligkeit, seiner Arbeitsfähigkeit sowie seines sozialen Umfeldes, bestehend aus zahlreichen Freunden und Bekannten, keine Belastung für die Gebietskörperschaft darstellen. Infolge des langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet habe er mithilfe vieler Freunde eine große Bindung zu Österreich entwickelt. Unter Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wurde einerseits festgehalten, dass eine Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann zulässig sei, wenn im Hinblick auf das Antragsvorbringen eine Neubewertung hinsichtlich Art. 8 EMRK nicht erforderlich sei; andererseits wurde darauf hingewiesen, dass bei einem mehr als zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet auszugehen sei. Ausgenommen seien lediglich Fälle, in denen der Fremde die Zeit überhaupt nicht zur Integration genutzt habe. Ergänzend wurde vorgebracht, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht bloß auf Integrationsfortschritte seit der letzten Entscheidung abgestellt werden dürfe, sondern eine gesamtheitliche Betrachtung zu erfolgen habe. Gehe man lediglich von Änderungen der Intensität der Integration seit der letzten Entscheidung aus, könne es unter Umständen nie zu einer wesentlichen Änderung des Sachverhalts kommen, was im Ergebnis Art. 8 EMRK widersprechen würde. Betreffend die Vorlage der Geburtsurkunde sowie des Reisepasses werde um eine einwöchige Fristerstreckung ersucht, da sich die Geburtsurkunde noch auf dem Postweg von Indien nach Österreich befinde.

Mit Straferkenntnis der LPD XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , wurde über den Beschwerdeführer eine Verwaltungsstrafe wegen der Verletzung von §§ 4 Abs. 1 lit b und lit c, 4 Abs. 5, 99 Abs. 2 lit e iVm 31 Abs. 1 StVO sowie § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG verhängt.

Am XXXX langten das ÖSD Zertifikat A2 sowie die Geburtsurkunde des Beschwerdeführers samt deutscher Übersetzung jeweils in Kopie beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 idgF zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht habe mit Erkenntnis vom XXXX festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit seinem Antrag auf internationalen Schutz lediglich bezweckt habe, einer legalen Beschäftigung nachgehen zu können. Er habe zu diesem Zeitpunkt weder über Familienangehörige, noch über engere soziale Bindungen im Bundesgebiet verfügt. Die Dauer seines Aufenthalts sei zwar berücksichtigt worden, allerdings habe ihm sein unsicherer Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Zudem sei er unter abweichenden Identitäten aufgetreten, sodass von einer bewussten Verschleierung seiner Identität ausgegangen werden habe müssen. Das Bundesverwaltungsgericht sei in seiner Entscheidung sohin davon ausgegangen, dass die öffentlichen Interessen seine Interessen am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden. Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision sei vom Verwaltungsgerichtshof am XXXX zurückgewiesen worden. Eine Veränderung des Privatlebens seit dieser Entscheidung habe nicht festgestellt werden können. Seine Sprachkenntnisse hätten sich nicht verbessert. Der Freundeskreis beschränke sich vorwiegend auf drei Personen mit indischen Wurzeln. In einem Verein engagiere er sich nicht und er übernehme auch keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Die einzige Veränderung bestehe darin, dass er nunmehr seit dem XXXX seinen Lebensunterhalt durch Leistungen aus der Grundversorgung bestreite und er keiner unrechtmäßigen Erwerbstätigkeit nachgehe. Zwischen dem Zeitpunkt der Bescheiderlassung und der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung liege nur ein relativ kurzer Zeitraum, sodass sich auch der Inlandsaufenthalt nicht wesentlich verlängert habe. Abschließend wurde festgehalten, dass die Zurückweisung auch auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützt werden hätte können, da die erforderlichen Dokumente zur Feststellung seiner Identität nicht vorgebracht worden seien. Die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung sei gemäß § 59 Abs. 5 FPG nicht erforderlich gewesen, zumal weiterhin eine aufrechte Rückkehrentscheidung gegen ihn vorliege.

Mit Schreiben vom XXXX übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Auszug aus seinem Reisepass, ausgestellt am XXXX mit Gültigkeit bis zum XXXX , welchem der Name XXXX zu entnehmen ist.

Gegen den Bescheid vom XXXX richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, worin die wesentlichen Punkte der Stellungnahme vom XXXX wiederholt wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 (in Folge: VwGVG), hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über die zugrundeliegenden Anträge würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens ist daher auf Grund der zurückweisenden Entscheidung in dem im Spruch bezeichneten Bescheid nur, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgte.

Gemäß § 55 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: AsylG), ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK ("Aufenthaltsberechtigung plus" oder "Aufenthaltsberechtigung") zu erteilen, wenn dies zumindest gemäß § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: BFA-VG), zur Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 leg. cit. als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; der Grad der Integration; die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; VwGH 05.05.2015, Ra 2014/22/0115) liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr läge ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Im gegenständlichen Fall hat sich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 58 Abs. 10 AsylG als Grundlage für die Zurückweisung bezogen. Das Bundesverwaltungsgericht war im gegenständlichen Fall dazu berufen, die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung zu prüfen. Es liegt mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor, wobei aus den rechtlichen Erwägungen hervorgeht, dass im Fall des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Entscheidung eine gewisse Integrationsverfestigung vorlag, zumal er Sprachkenntnisse erworben hatte, sich bereits zehneinhalb Jahre im Bundesgebiet aufhielt und in diesem Zeitraum auch erwerbstätig gewesen war. Dem Vorliegen dieser integrationsbegründenden Aspekte stand jedoch der Umstand entgegen, dass der Beschwerdeführer die erste rechtskräftig gegen ihn ergangene Rückkehrentscheidung missachtete, sich vier Jahre und zwei Monate unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt und seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz stellte, um in Umgehung der der sonst geltenden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zu einem Aufenthaltsrecht zu gelangen, wodurch er seinen Aufenthalt um weitere zwei Jahre und sieben Monate verlängerte. Neben der gravierenden Missachtung des österreichischen Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts wurde bei der Interessensabwägung auch berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer unter verschiedenen Identitäten in Österreich aufgetreten war, melderechtliche Vorschriften missachtet und durch die von ihm verrichtete "Schwarzarbeit" gegen weitere Verwaltungsvorschriften verstoßen hatte.

Seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , in dem von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet ausgegangen wurde, ist keine Veränderung in Bezug auf die Integration des Beschwerdeführers eingetreten, die einer Zurückweisung des gegenständlichen Antrags gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 entgegenstünde.

So ging der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom XXXX , Ra 2014/22/0094 davon aus, dass weder ein Zeitablauf von ca. zwei Jahren zwischen der rechtskräftigen Ausweisung und dem Zurückweisungsbeschluss der Behörde, noch verbesserte Deutschkenntnisse und Arbeitsplatzzusagen eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b NAG 2005 idF vor 2012/I/097 darstelle. Die Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG entspricht im Wesentlichen dem § 44b NAG idF BGBl I Nr. 38/2011, weshalb die in Bezug auf die genannte Vorgängerbestimmung ergangene höchstgerichtliche Judikatur auch im gegenständlichen Fall anzuwenden ist (vgl. Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht, §58 E11; mwN).

Im Lichte dieser Judikatur ist gegenständlich sohin weder der Zeitablauf von einem Jahr und neun Monaten seit Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung, noch der vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachte arbeitsrechtliche Vorvertrag geeignet, eine maßgebliche Sachverhaltsänderung zu begründen. Das vorgelegte ÖSD Zertifikat A2 fand überdies bereits in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX Berücksichtigung, sodass von einer Verbesserung der Sprachkenntnisse nicht auszugehen ist. Die vorgelegten Unterstützungsschreiben sind ebenso wenig geeignet, eine wesentliche Sachverhaltsänderung aufzuzeigen, zumal aus deren Inhalt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger sozialer Bindungen oder das Bestehen allfälliger Abhängigkeitsverhältnisse hervorgehen. Änderungen hinsichtlich der beruflichen Integration des Beschwerdeführers oder hinsichtlich seiner Bindung zum Herkunftsstaat wurden nicht vorgebracht. Auch in Bezug auf die Länderfeststellungen hat sich keine wesentliche Änderung ergeben, wobei dies im gegenständlichen Verfahren zu keinem Zeitpunkt behauptet wurde.

Überdies stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag, nachdem seine Beschwerde gegen die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassene Rückkehrentscheidung lediglich zwei Monate zuvor mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX abgewiesen worden war. Die Entscheidung über die von ihm dagegen erhobene außerordentliche Revision wartete er hierbei nicht ab. Hinzu tritt, dass über den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom XXXX eine Verwaltungsstrafe wegen verschiedener Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung sowie gegen das Führerscheingesetz verhängt wurde. Es ist daher nicht anzunehmen, dass sich seine Einstellung hinsichtlich der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung und der Respektierung fremdenrechtlicher Anordnungen sowie gerichtlicher Entscheidungen seit Erlassung der letzten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung verändert hat.

Wenn in der Beschwerde moniert wird, dass bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Art. 8 EMRK gegeben sind, nicht nur Änderungen seit der letzten Rückkehrentscheidung zu berücksichtigen seien, sondern von einer ganzheitlichen Betrachtungsweise auszugehen sei, ist festzuhalten, dass diese Argumentation auf eine inhaltliche Erledigung des verfahrensgegenständlichen Antrags abstellt. Dabei wird verkannt, dass Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens lediglich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des verfahrensgegenständlichen Antrags ist und eine (neuerliche) inhaltliche Entscheidung schon aus diesem Grund unzulässig wäre.

Da aufgrund der obigen Erwägungen nicht von einem geänderten Sachverhalt auszugehen ist, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, war die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochene Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nicht zu beanstanden.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung reicht aber bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzung des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht aus, um eine Verhandlungspflicht zu begründen (vgl. VwGH 22.11.2006, Zl. 2005/20/0406 und viele andere).

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, Folgeantrag,
Identität, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,
Rückkehrentscheidung, Verwaltungsübertretung, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W222.1304840.4.00

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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