TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/15 W222 2149758-1

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Veröffentlicht am 15.05.2019
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Entscheidungsdatum

15.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W222 2149758-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Zu seiner Person gab er an, er stamme aus XXXX , Distrikt XXXX , Bundesstaat Punjab, in Indien. Er gehöre der Glaubensgemeinschaft des Sikhismus sowie der Volksgruppe der Punjabi an. Die Grundschule habe er von XXXX bis XXXX besucht. Neben Punjabi spreche er auch Hindi. Er habe den Herkunftsstaat am XXXX auf dem Luftweg verlassen. In Begleitung eines Schleppers sei er von einem ihm unbekannten Flughafen in Indien mit einer ihm unbekannten Fluglinie an einen ihm unbekannten Ort geflogen. Dort habe ihn der Schlepper in einen Zug gesetzt, mit welchen er vier bis fünf Stunden in eine ihm unbekannte Stadt gefahren sei. Am Vortag habe er erfahren, dass er sich in XXXX befinde, habe eine Nacht am Bahnhof verbracht und sei an diesem Tag nach XXXX gefahren.

Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, es habe zwischen seiner Familie und einem Politiker von XXXX einen Grundstücksstreit gegeben. Dieser habe ihnen ihr Land wegnehmen wollen. Da sich seine Eltern geweigert hätten, seien der Beschwerdeführer und sein Vater mehrmals angegriffen sowie geschlagen worden. Im Jänner seien seine Eltern ermordet worden.

Mit Schreiben vom XXXX brachte der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertreterin eine Bestätigung über die Teilnahme an der Clearingphase "Start- XXXX - Jugendcollege" in Vorlage.

Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX brachte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Teilnahmebestätigungen in Vorlage und gab im Wesentlichen zu Protokoll, er sei gesund, befinde sich nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente. Zu seiner Person gab er ferner an, er habe in Indien in einem Haus gelebt. Der Beschwerdeführer sei Einzelkind, seine Eltern seien bereits verstorben und er habe sonst niemanden im Herkunftsstaat. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs sowie der Volksgruppe der Sidhu an. Neben Punjabi spreche er Hindi, Englisch und Deutsch. Zu seinem Familienstand gab er zu Protokoll, er sei ledig und habe keine Kinder. In Österreich habe er keine Familienangehörigen. Betreffend die Finanzierung seines Lebensunterhaltes im Herkunftsstaat erklärte er, sein Vater habe zunächst bei der indischen Armee gearbeitet, sei dann pensioniert worden und sei zuhause als Landwirtschaftsarbeiter tätig gewesen. In Österreich gehe er ins College und treffe sich dann mit Freunden.

Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, seine Familie habe ein gutes Leben gehabt und habe am "Highway" ein wertvolles Grundstück besessen. Der Bürgermeister habe seinen Vater aufgefordert, ihm das Grundstück zu übergeben, da er es für sich beanspruchen habe wollen. Es seien daraufhin immer wieder Leute des Bürgermeisters zu seiner Familie gekommen. Sie hätten ihnen gedroht, sollten sie das Grundstück nicht bekommen, würden sie die Familie schlagen und umbringen. Dies habe ein bis zwei Monate angehalten. Dann hätten seine Mutter und sein Vater nach XXXX fahren wollen, um eine Arbeit zu erledigen. Die Leute des Bürgermeisters hätten allerdings deren Auto am Weg vorsätzlich beschädigt, sodass seine Eltern im Auto gestorben seien. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer im Haus eines Freundes seines Vaters gewesen, da sein Vater nicht gewollt habe, dass ihm etwas passiere. Dort habe er Ende Jänner erfahren, dass der Lastwagenfahrer ein Mann vom Bürgermeister gewesen sei. Dann habe ihm der Onkel gesagt, dass er hierbleiben solle. Mit "Onkel" habe der Beschwerdeführer den Freund seines Vaters gemeint. Dieser habe ihm gesagt, er solle nicht nachhause gehen, da ihm sonst etwas zustoßen würde. Dann sei die ganze Familie tot und dadurch würde das ganze Eigentum an den Staat gelangen und der Bürgermeister sei vom Staat. Der Beschwerdeführer habe bei diesem Onkel gelebt und habe dann die Schule beendet. Er habe ein College besuchen wollen, was nicht gegangen sei. Der Onkel habe gesagt, der Beschwerdeführer müsse um sein Leben fürchten. Auch in das Haus des Onkels seien die Leute immer wieder gekommen und hätten nach ihm gesucht. Der Onkel habe Angst gehabt, dass man auch ihn selbst noch umbringen werde. Er habe dem Beschwerdeführer gesagt, dass dessen Leben in Gefahr sei. Daraufhin habe der Onkel Kontakt mit einem Schlepper aufgenommen. In weiterer Folge sei der Beschwerdeführer nach XXXX gegangen, wo er eine Nacht verbracht habe und anschließend weggeflogen sei. In Österreich habe er jemanden aus dem Punjab getroffen, der Zeitungsarbeiten gemacht habe. Diesen habe er um Rat gebeten, da ihm der Schlepper seinen Reisepass weggenommen habe. Er habe ihm empfohlen, eine Nacht in der Station zu übernachten. In der Früh sei der Mann gekommen, habe ihm Essen sowie € 10 gegeben und habe ihm ein Taxi bestellt. Er habe ihm gesagt, er solle nach XXXX fahren, dort werde man sich schon kümmern. Dies sei das erste Mal, dass er von Indien weggegangen sei.

Auf nähere Nachfrage gab er an, das Grundstück habe seinem Vater gehört, sei ein Kila groß gewesen und habe einen Wert von ein oder zwei Millionen gehabt. Dokumente, in welchen das Eigentum am Grundstück geregelt sei, habe er nicht, da sich diese Indien befänden. Auf Nachfrage, inwieweit er persönlich in den Grundstücksstreit involviert gewesen sei, gab er an, es sei in Indien so, dass nach den Eltern die Kinder das Eigentum bekommen. Wenn eine ganze Familie das Erbe nicht mehr annehmen könne, würde es der Staat bekommen. Zur Person des Bürgermeisters führte er aus, er habe gehört, dass er irgendwie " XXXX " heiße und viel Schwarzgeld habe. Der Bürgermeister habe viele Verbrecher und Gauner um sich gehabt. Viele, mit denen sie Kontakt gehabt hätten, hätten aus Angst den Kontakt zur Familie abgebrochen, weil er viel zu mächtig gewesen sei. Die Bekannten hätten nicht verstanden, warum seine Familie mit dem Bürgermeister gestritten habe. Er denke, " XXXX " gehöre der Akali Partei an. Er selbst sei kein Anhänger einer indischen Partei gewesen. Auf Nachfrage gab er ergänzend zur Funktion des Bürgermeisters zu Protokoll, er glaube, diese Person habe sich in der Stadt um die Verwaltung gekümmert. Auf die Frage, ob es ihm nicht möglich gewesen wäre, beim Onkel bzw. beim Freund seines Vaters zu bleiben oder woanders Schutz zu suchen, antwortete er, wenn jemand in Indien so mächtig sei, sei das Problem, dass man ihn überall suchen könne. Abgesehen von dem beschriebenen Vorfall sei er nicht persönlich bedroht oder verfolgt worden. In Indien habe er noch nie eine Polizeistation von sich aus aufgesucht und habe dort auch nicht hinmüssen. Er hätte dort nicht Schutz suchen können, da die Polizei für die Regierung arbeite. Der Onkel bzw. der Freund seines Vaters lebe in XXXX in XXXX . Es gebe dort einen Markt, dessen Name ihm nicht einfalle. Seit der Beschwerdeführer hier hergekommen sei, habe er keinen Kontakt mehr zu ihm. An einem anderen Ort in Indien könne er sich nicht niederlassen, da "er" Politiker sei und er ihn überall suchen würde. Mit Geld könne jeder alles möglich machen.

Erneut zum Grundstück befragt, fertigte der Beschwerdeführer eine Skizze an und führte aus, es habe den Highway mit ihrem Grundstück gegeben. Daneben sei ein kleiner Gehweg und hinter dem Grundstück sei ein Feld gewesen, wo man beispielsweise Kartoffeln anbauen habe können. Auf der anderen Seite sei es genauso gewesen. Der Bürgermeister habe das Grundstück unbedingt haben wollen, da er ein Projekt am Highway starten habe wollen. Um welches Projekt es sich gehandelt habe, wisse er nicht, aber sie seien immer wieder zu ihnen nachhause gekommen und hätten gesagt, dass sie das Projekt starten wollen und ihnen auch Geld geben würden. Sein Vater habe abgelehnt. Zu den Personen gab der Beschwerdeführer auf Nachfrage an, er denke, dass die Leute mit dem Bürgermeister zusammengearbeitet hätten und Bodyguards gewesen seien. Erneut befragt, inwiefern er selbst einer Verfolgung ausgesetzt sei, antwortete er, es hänge alles von ihm ab. Wenn ihm etwas passiere, bekomme der Bürgermeister das Grundstück. Wenn er zurückkehren würde, würden sie ihn umbringen.

Zu seinem Aufenthalt in Österreich gab er an, er lebe weder in einer Familiengemeinschaft, noch in einer familienähnlichen Gemeinschaft, es liege aber eine Patenschaft vor. Manchmal komme ihn diese Person besuchen oder er komme zu ihr zu Besuch. Eine Bestätigung liege bei seinem Paten auf, dieser sei jedoch aktuell auf Urlaub. Er könne es der Behörde zukommen lassen. Über Connecting People habe er ihn kennengelernt. Er habe auch noch weitere Freunde. In Österreich lerne er Deutsch und gehe mit seinem Paten ins Museum, um mehr über die österreichische Kultur zu erfahren. Er habe den A2/2 Kurs absolviert. Die Bestätigung habe er nicht, da sie derzeit auf Urlaub seien. Letztes Jahr habe er am Hauptbahnhof bei einer Einrichtung der XXXX geholfen.

Mit Schreiben vom XXXX wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer das freie Gewerbe "Werbemittelverteiler" angemeldet hat.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für seine freiwillige Ausreise eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes unter anderem aus, dass das Vorbringen betreffend den Grundstücksstreit sowie die daraus resultierende Verfolgung nicht glaubhaft sei. Nach Aufforderung, das besagte Grundstück zu beschreiben, habe der Beschwerdeführer weder konkrete Angaben, noch Details nennen können und habe auch kein entsprechendes Dokument zum Nachweis der Eigentumsverhältnisse vorlegen können. Ferner habe der Grundstücksstreit seine Eltern und den Bürgermeister betroffen. Der Beschwerdeführer habe hingegen nicht darlegen können, inwiefern der Konflikt mit seiner Person zu tun gehabt hätte. Er habe hierzu keine konkreten persönlichen Details oder Gründe genannt, sondern nur behauptet, dass er als Erbe das Eigentum seiner Eltern erhalten habe, weshalb er bedroht gewesen sei. Eine konkrete seine Person betreffende Gefahr habe der Beschwerdeführer nicht nennen können, sondern habe er lediglich angegeben, aufgrund des Grundstücksstreits seiner Eltern nach deren Tod in Gefahr gewesen zu sein.

Auch zur Person des Bürgermeisters habe er nur vage Angaben gemacht. So gab er lediglich an, davon gehört zu haben, dass dieser " XXXX " heiße, viele Verbrecher um sich habe und viel Schwarzgeld besitze. Die Leute hätten zudem den Kontakt zu seiner Familie abgebrochen, da der Bürgermeister so mächtig gewesen wäre. Auf die Frage nach der Partei dieser Person, äußerte der Beschwerdeführer lediglich eine Vermutung, während er konkrete Details nicht nennen habe können und nur angeführt habe, er kümmere sich um die Verwaltung der Stadt. Überdies habe er auf die Frage, warum er nicht weiterhin bei seinem "Onkel" leben habe können, pauschal geantwortet, eine mächtige Person in Indien habe großen Einfluss und man könne jemanden überall suchen und auch finden, wenn man dies nur wolle. Unter der Annahme, der Beschwerdeführer sei nach dem Tod seiner Eltern beim "Onkel" geblieben, habe für einige Zeit bei ihm gelebt und habe auch die Schule abgeschlossen, sei es jedoch nicht nachvollziehbar, wie es seinem Onkel möglich sei, nach wie vor dort zu leben, wenn der Beschwerdeführer bereits aufgrund seiner bloßen Anwesenheit automatisch durch " XXXX " bedroht gewesen wäre. Hinzu trete, dass er die Frage, ob er jemals persönlich verfolgt oder bedroht worden sei, verneint habe. Nach eigenen Angaben sei er auch nie festgenommen, verurteilt oder inhaftiert worden. Auf die Frage nach dem Wohnort seines Onkels habe er den Ort XXXX in XXXX genannt und erwähnt, dass es einen Markt gebe, dessen Namen er allerdings nicht mehr wisse. Der Kontakt zum Onkel sei seinen Ausführungen nach abgebrochen.

Hinsichtlich des Grundstücks habe der Beschwerdeführer ebenso nur allgemeine Angaben gemacht. Auf die Frage, warum der Bürgermeister unbedingt das Grundstück seiner Eltern in Besitz nehmen habe wollen, habe er angegeben, es sei um den Highway gegangen, da dort ein Projekt gestartet werden solle. Genaue Angaben zum Projekt habe er hingegen nicht erstatten können. Ausgehend von den Angaben des Beschwerdeführers, wonach das Grundstück für den Bürgermeister große Bedeutung gehabt habe, hätte dieser nunmehr die Möglichkeit, das Grundstück frei zu verwalten und besitzen, da der Beschwerdeführer nicht mehr in Indien sei.

Ferner wäre es dem Beschwerdeführer bei Wahrunterstellung seines Fluchtvorbringens auch möglich gewesen, sich an einem anderen Ort in Indien niederzulassen, da kein Meldesystem in Indien existiere und der Beschwerdeführer, als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann in der Lage sei, sich durch Gelegenheitsjobs seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Abschließend wurde festgehalten, dass im Rahmen der amtswegigen Prüfung keine Gefahr einer systematischen, landesweiten, staatlichen geduldeten Verfolgung aufgrund seiner Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit festgestellt werden habe können.

Rechtlich hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen fest, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung bzw. die Furcht davor nicht glaubhaft dargelegt worden sei, sodass ihm der Status des Asylberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen sei.

Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass er eine aktuelle Gefährdung seiner Person nicht glaubhaft dargelegt habe. Es sei nicht ersichtlich, dass er im Fall einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein werde. Auch aus der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat bzw. der zu erwartenden Rückkehrsituation lasse sich eine solche Gefahr nicht ableiten. Da der Beschwerdeführer gesund und erwachsen sei, könne davon ausgegangen werden, dass er in der Lage sei, sich im Herkunftsstaat eine Existenz aufzubauen. Aus der allgemeinen Situation in Indien könne überdies keine Gefährdung für ihn abgeleitet werden.

Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Er befinde sich erst seit Kurzem in Österreich, spreche nicht Deutsch und habe keinen Nachweis über seine Integration vorlegen können. Seine Angehörigen befänden sich im Herkunftsstaat, wo er den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht habe. Gemäß § 9 BFA-VG sei eine Rückkehrentscheidung daher zulässig.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, der Bescheid werde vollinhaltlich wegen unrichtiger Tatsachenfeststelllungen, unrichtiger Beweiswürdigung sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit in Folge unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Begründend wurde nach Darstellung des Sachverhalts vorgebracht, der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme konkret und nachvollziehbar seine im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention asylrelevanten Fluchtgründe dargelegt. Die Ausführungen des Bundesamtes, welches seinem Vorbringen generell keine Glaubwürdigkeit zugemessen habe, seien sohin nicht nachvollziehbar. Auch die Verfolgung durch Privatpersonen sei asylrelevant, wenn der Staat nicht gewillt oder in der Lage sei, diese Verfolgungshandlungen zu unterbinden. Ferner sei die allgemeine Situation im Herkunftsstaat weiterhin massiv instabil, weshalb eine Abschiebung unverantwortlich sei. Eine konkrete Untersuchung der Situation des Beschwerdeführers habe nicht stattgefunden. Der Beschwerdeführer habe Angaben gemacht, die zumindest bei Wahrunterstellung jedenfalls eine Verletzung seiner gemäß Art. 2 EMKR, Art. 3 EMRK und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte indizieren würden. Das Bundesamt habe keinen Versuch unternommen, diese Angaben in irgendeiner Weise zu widerlegen. Ferner werde in der Beweiswürdigung ein positiveres Bild der allgemeinen Lage in Indien gezeichnet, als dies aus den Länderberichten tatsächlich hervorgehe.

Weiters bemühe sich der Beschwerdeführer um einen legalen Aufenthalt in Österreich, habe bisher mit den Behörden stets kooperiert, stehe zu den westlichen und demokratischen Werten und fühle sich in Österreich sehr wohl. Er habe Kontakte zu Österreichern geknüpft und pflege familienähnliche Bindungen zu ihnen. Zudem werde er von seinen Freunden unterstützt und bestehe ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. In Anbetracht der vollständigen Integration würde eine Ausweisung in seine privaten Belange eingreifen. Überdies sei er arbeitsfähig und arbeitswillig, weshalb er im Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Belastung für die Gebietskörperschaft darstellen würde.

Zum Bescheid des Bundesamtes wurde festgehalten, dass sich der Inhalt auf formelhafte Textbausteine ohne Begründungswert beschränken würde, ohne dass eine ordnungsgemäße Prüfung des Antrags stattgefunden habe. So habe es die belangte Behörde unterlassen, durch korrekte Fragestellung den richtigen Sachverhalt zu ermitteln und festzustellen. Auch die Ermittlungen zum Fluchtgrund seien unzureichend. Ferner lasse die allgemeine Sicherheitslage in Indien eine Rückkehr des Beschwerdeführers nicht zu.

Zur Rückkehrentscheidung wurde überdies ausgeführt, die Behörde habe keine ordnungsgemäße Interessensabwägung iSd Art. 8 EMRK durchgeführt. Wären richtige Tatsachenfeststellungen getroffen worden, wäre die Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen sei. Aufgrund der Verletzung von § 56 Abs. 3 AsylG liege ein Verfahrensmangel vor. Das Ermittlungsverfahren sei sohin mangelhaft. Mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers und der aktuellen Situation im Herkunftsstaat habe sich die Behörde nicht auseinandergesetzt. Abschließend wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer weder eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich darstelle, noch von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei.

Mit Ladung vom XXXX wurde der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertreterin zur mündlichen Beschwerdeverhandlung am XXXX geladen.

Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, welcher der Beschwerdeführer ohne Begründung fernblieb.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien, stammt aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Er verfügt über eine zehnjährige Schulbildung und spricht neben Punjabi auch Hindi und Englisch. In Indien lebt nach wie vor der Onkel des Beschwerdeführers. Am XXXX hat er im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei Familienangehörige. Er hat sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. Am XXXX hat er das freie Gewerbe "Werbemittelverteiler" angemeldet. Der Beschwerdeführer bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Zudem hat der Beschwerdeführer einen Deutschsprachkurs mit Sprachniveau A1 absolviert und verfügt daher über Grundkenntnisse der deutschen Sprache. In einer Kirche, einem Verein oder einer sonstigen Organisation engagiert er sich hingegen nicht. Er ist gesund und arbeitsfähig. In Österreich ist er unbescholten. Darüber hinaus liegen keine sonstigen Hinweise auf eine besonders ausgeprägte und verfestigte Integration hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich vor.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen, konkret aufgrund eines Grundstücksstreits seiner Familie mit dem Bürgermeister, verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

1. Politische Lage

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 23.1.2019; vgl. AA

18.9.2018) . Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Indien verfügt über 29 Bundesstaaten und sechs Unionsterritorien (AA 11.2018a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 20.4.2018). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 11.2018a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA

18.9.2018) , der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 11.2018a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 18.9.2018). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 3.2018a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2018a). Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 11.2018a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 20.4.2018). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 18.9.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 20.4.2018). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2017 ist Präsident Ram Nath Kovind indisches Staatsoberhaupt (AA 11.2018a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 3.2018a).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA

18.9.2018) . Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 3.2018a; vgl. FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 18.9.2018). Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis "National Democratic Alliance" (NDA) mit der "Bharatiya Janata Party" (BJP) als stärkste Partei (282 Sitze) die Kongress-Partei an der Regierung ab (AA

18.9.2018) . Die BJP holte sie nicht nur die absolute Mehrheit, sie ließ auch den bislang regierenden Indian National Congress (INC) weit hinter sich. Der INC kam nur noch auf 46 Sitze und erlitt die schlimmste Niederlage seit der Staatsgründung 1947. Wie es mit dem INC mit oder ohne die Familie Gandhi weitergeht, wird abzuwarten sein. Die Gewinne der Wahlen im Punjab, Goa und Manipur sowie das relativ gute Abschneiden in Gujarat sind jedenfalls Hoffnungsschimmer, dass die Zeit der Kongresspartei noch nicht vorbei ist (GIZ 13.2018a). Die Anti-Korruptionspartei (AAP), die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang 2014 landesweit nur vier Sitze (GIZ 3.2018; vgl. FAZ 16.5.2014). Der BJP- Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt und steht seither einem 26-köpfigen Kabinett (mit zusätzlichen 37 Staatsministern) vor (AA 18.9.2018).

In Indien wird im Zeitraum zwischen April und Mai 2019 wieder gewählt. Der genaue Zeitplan ist jedoch noch unklar. In den Umfragen liegt der hindu-nationalistische Premier Narendra Modi mit seiner BJP vorne (DS 1.1.2019).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 3.2018b).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktive Außenpolitik. Der außenpolitische Kernansatz der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" ergänzt. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als aufstrebende Gestaltungsmacht die zunehmende verantwortliche Mitgestaltung regelbasierter internationaler Ordnung (AA 11.2018b). Ein ständiger Sitz im UNSicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 3.2018a). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an, wobei nicht zuletzt Alternativkonzepte zur einseitig sino-zentrisch konzipierten "Neuen Seidenstraße" eine wichtige Rolle spielen. In der Region Südasien setzt Indien zudem zunehmend auf die Regionalorganisation BIMSTEC (Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation). Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft und Mitglied im "Regional Forum" (ARF). Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. Die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) hat Indien und Pakistan 2017 als Vollmitglieder aufgenommen. Der Gestaltungswille der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) schien zuletzt abzunehmen (AA 11.2018b).

In den Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich in den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst. Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmir-Problem (AA 11.2018b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 3.2018a).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handelsund Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 3.2018a).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Innenpolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206048.

Zugriff

23.1.2019

-

AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/ de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046. Zugriff 23.1.2019

-

CIA - Central Intelligence Agency (15.1.2019): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html. Zugriff 23.1.2019

-

DS - Der Standard (1.1.2019): Was 2019 außenpolitisch bringt. Die US-Demokraten übernehmen die Mehrheit im Repräsentantenhaus, Großbritannien plant den Brexit - und in Indien, der größten Demokratie der Welt, sind Wahlen, https://www.derstandard.de/story/2000094950433/was-2019-aussenpolitisch-bringt.

Zugriff 28.1.2019

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-

mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 11.10.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/, Zugriff 23.1.2019

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (3.2018b): Indien,

Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, https://www.liportal.de/indien/wirtschaft-

entwicklung/, Zugriff 23.1.2019

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights

Practices 2015 - India,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html. Zugriff

18.10.2018

2. Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).

Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 18.9.2018).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 898 Todesopfer durch terrorismus-relevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 803 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 wurden 935 Menschen durch Terrorakte getötet. Bis zum 13.1.2019 wurden 12 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.1.2019).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB

12.2018) Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 18.9.2018).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 11.2018b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BBC 23.1.2018).

Nach dem friedlichen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft zeigte bereits die blutige Teilung Britisch-Indiens, die mit einer Massenflucht, schweren Gewaltausbrüchen und Pogromen einherging, wie schwierig es sein wird, die ethnisch, religiös, sprachlich und sozioökonomisch extrem heterogene Gesellschaft in einem Nationalstaat zusammenzuhalten. Die inter-religiöse Gewalt setzte sich auch nach der Teilung zwischen Indien und Pakistan fort (BPB 12.12.2017).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und ein terroristischer Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs im September 2016 hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Gemäß Regierungserklärung reagierte Indien auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 11.2018b).

Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist 2016 zum Stillstand gekommen. Aktuell sind die Beziehungen auf sehr niedrigem Niveau stabil (AA 11.2018b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (11.2018b): Indien, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/ de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/206046. Zugriff 23.1.2019

-

BBC - British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384. Zugriff 29.1.2019

-

BPB - Bundeszentrale für Politische Bildung (12.12.2017):

Innerstaatliche Konflikte - Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien.

Zugriff 23.10.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2018a): Indien, https://www.liportal.de/indien/geschichte-staat/. Zugriff 11.10.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

-

SATP - South Asia Terrorism Portal (13.1.2019): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2019,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm.

Zugriff

23.1.2019

2.1. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2018)

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne des pakistanischen Geheimdienstes, Inter-Services-Intelligence (ISI) bekannt, welcher gemeinsam mit der in Indien verbotenen Sikh-Gruppierung Babbar Khalasa International (BKI) und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2018). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 20.4.2018; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2018).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2018).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar (USDOS 20.4.2018).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 10.2017).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 10.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394309.html. Zugriff 6.11.2018

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BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?, http://

www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463. Zugriff 18.10.2018

-

MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html. Zugriff 18.10.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights

Practices 2015 - India,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html. Zugriff

18.10.2018

USDOS - US Department of State (29.5.2018): 2015 Report on International Religious Freedom - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436757.html. Zugriff 23.10.2018

2.2. Naxaliten

Gewalttätige linksextremistische Gruppen (sog. "Naxaliten" oder "maoistische Guerilla") stellen weiter eine große innenpolitische Herausforderung für die indische Regierung dar. Sie operieren in weiten Teilen des östlichen Kernindiens, vor allem im ländlichen Raum (AA 18.09.2018).

Mit dem Zusammenschluss unterschiedlicher militanter Gruppen setzte 1998 erneut eine Intensivierung und Militarisierung des Konflikts ein, die ihren Höhepunkt zwischen 2005 und 2009 erreichte. Daraufhin beschloss die indische Zentralregierung einen nationalen sicherheits- und entwicklungspolitischen Aktionsplan zur Eindämmung der Gewalt. Zwar wurden die Naxaliten vielerorts zurückgedrängt und durch die Verhaftung, Tötung oder Kapitulation führender Kader erheblich geschwächt, die Ursachen des Konflikts wurden jedoch bislang nur unzureichend adressiert (BPB 12.12.2017).

Dem seit Jahrzehnten existierenden Phänomen des maoistischen (naxalitischen) Terrors wurde bislang nur mit geringem Erfolg mit polizeilichen Maßnahmen auf lokaler Ebene begegnet (ÖB 10.2017). Die Naxaliten verüben regelmäßig Anschläge auf Sicherheitskräfte, politische Gegner und die öffentliche Infrastruktur (BPB 12.12.2017; vgl. ÖB 10.2017). Sie operieren in weiten Teilen des östlichen Kernindiens, vor allem im ländlichen Raum. In Chhattisgarh, Jharkhand, Bihar, Madhya Pradesh, Westbengalen, Odisha und Andhra Pradesh ist es den Naxaliten in zahlreichen Distrikten gelungen, eigene Herrschaftsstrukturen zu errichten (AA 18.9.2018). Die maoistischen Naxaliten streben die gewaltsame Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung an. Ihre Guerillastrategie zielt auf die Kontrolle über die ländliche Bevölkerung und die Zerstörung der zentralen Institutionen des Staates (BPB 12.12.2017).

Die Naxaliten verfolgen eine Doppelstrategie: Auf der einen Seite stehen soziales Engagement, Arbeitsbeschaffung und die Verteidigung der Armen und Schwachen, auf der anderen Seite brutale Gewalt, Guerillaaktionen, Einschüchterung und Erpressung gegen echte und vermeintliche, auch zivile "Gegner". Mordkommandos gegen Polizeieinheiten sind nicht selten. Allerdings sind auch Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte in den Naxaliten-Gebieten dokumentiert. Die Zivilbevölkerung findet sich zwischen den Fronten wieder (AA 18.9.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):

Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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