TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/21 W169 2198666-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.05.2019
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Entscheidungsdatum

21.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2198666-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.05.2018, Zl. 1189915002-180424055, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.05.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.05.2018 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprache Punjabi spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. In Indien habe er zehn Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als selbstständiger Unternehmer gearbeitet. Er sei ledig und kinderlos. In Indien würden die Eltern des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass die heiligen Bücher der Sikhs im Jahr 2016 in mehreren Städten zerrissen und entweiht worden seien. Aus diesem Grund hätten seine Glaubensbrüder und er mehrmals dagegen demonstriert. Die Polizei hätte den Beschwerdeführer zwei Mal festgenommen, und zwar am 05.12.2016 und am 25.12.2016. Er sei ohne Verfahren festgenommen und in der Haft von der Polizei misshandelt worden. Nach seiner zweiten Entlassung sei er gleich im Jänner 2017 in eine andere Stadt gezogen und habe im August 2017 die Flucht nach Europa ergriffen. Der Beschwerdeführer und seine Glaubensbrüder würden ein freies Khalistan anstreben und würde die Regierung dieses Ansinnen mit allen Mitteln unterbinden.

2. Mit Parteiengehör des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, zu den ihm persönlich ausgefolgten Länderberichten zur Lage im Herkunftsstaat Stellung zu nehmen.

3. Am 08.05.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme, wo er gemeinsam mit seinen Eltern gelebt habe. Sein Vater habe eine Steinfliesen-Fabrik, die auf den Namen des Beschwerdeführers registriert sei, ein Grundstück sowie LKWs. Der Beschwerdeführer habe die Fabrik seines Vaters geleitet und nebenbei in der Landwirtschaft gearbeitet. Der Beschwerdeführer sei gesund.

Zu den Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer insbesondere Folgendes vor (A: nunmehriger Beschwerdeführer; F: Leiter der Amtshandlung):

"(...)

F: Hatten Sie jemals persönlich Probleme in Indien?

A: Ja.

F: Schildern Sie diese bitte.

A: Die Hindus haben das heilige Buch von Guru Grant mehrere Male zerrissen und auf den Straßen verteilt, also diese auf die Straße geworfen. Wir Sikhs haben dagegen demonstriert, wir haben eine Straße gesperrt und sind darauf gesessen, bis die Regierung etwas dagegen unternimmt. Deswegen habe ich auch Probleme bekommen.

F: Wann und wo genau fand diese Demonstration statt?

A: Wir haben an verschiedenen Orten Straßensperren veranlasst und jeweils für sechs bis sieben Tage aufrechterhalten. Ich war in XXXX , XXXX und XXXX . Das sind verschiedene Dörfer im Punjab. Die Demonstrationen fanden Ende Oktober 2015 statt, wir haben das alles an demselben Tag veranlasst und sechs bis sieben Tage jeweils aufrecht-erhalten.

F: Wie viele Leute haben an diesen Demonstrationen teilgenommen?

A: Es waren sehr viele, ich habe sie nicht gezählt und man könnte sie auch nicht zählen.

F: Sie gaben an, deshalb Probleme bekommen zu haben. Inwiefern?

A: Ich weiß nicht, wie sie mich gefunden haben. Ich habe eine Gruppe geführt und war in der ersten Reihe. Kann sein, dass sie mich auf Überwachungsvideos bemerkt haben. Blasphemie unseres heiligen Buches war nicht das erste und letzte Mal im Jahr 2015. Im Jahr 2016 gab es wieder so einen Vorfall. Da haben wir wieder demonstriert und im Dezember 2016 war ich eines Tages auf dem Weg zum Sportplatz und wurde von der Polizei festgenommen und mitgenommen. Ich war ca. fünf Tage bei der Polizei. Ich fragte den Polizisten, warum sie mich mitgenommen hätten und er sagte darauf, dass sie wüssten, dass ich Khalistan begründen wollte, dies aber nie geschehen würde. Ich wurde von der Polizei geschlagen und brutal behandelt. Ich fragte, ob gegen mich Anzeige erstattet wurde und es ein Verfahren gegen mich geben würde, sie sagten, dass es weder eine Anzeige noch ein Verfahren geben würde und sie den Befehl von oben bekommen hätten. Wenn es gegen mich eine Anzeige gibt, wird es auch eine Gerichtsverhandlung geben. So könnte es dann sein, dass ich über die Medien bekannter und populärer würde. Nach fünf Tagen haben sie mich entlassen, ich durfte wieder nach Hause gehen. Sie haben mich aber stark geschlagen und brutal behandelt. Am 25.12.2016 bin ich wieder aus unserem Haus gegangen, da kamen wieder Personen, die mich mitgenommen haben. Diesmal haben sie mich für drei Tage bei sich behalten und ich wurde wieder geschlagen und brutal behandelt. Ich weiß nicht, wer diese Leute waren. Wenn es die Polizei war, war es eine andere Polizei. Ich kann nicht genau sagen, wer sie waren.

F: Wann und wo genau war im Jahr 2016 eine Demonstration?

A: Es war im Juni 2016 in der Stadt Taran-Taran.

F: Wie viele Leute haben an diesen Demonstrationen teilgenommen?

A: Da waren auch tausende Teilnehmer.

F: Und Sie wurden erst nach dieser zweiten Demonstration festgenommen?

A: Ja.

F: Wurden auch andere Personen festgenommen?

A: Das weiß ich nicht, aber ich weiß, dass sie mich mitgenommen hatten.

F: Warum wurden gerade Sie festgenommen? Können Sie sich das erklären?

A: Weil ich eine Gruppe geführt habe und als Führer haben sie mich identifiziert und deshalb mitgenommen.

F: Welche Gruppe war das? Wie viele Mitglieder und welche Mitglieder hatte diese Gruppe?

A: Da waren viele verschiedene Gruppen aus verschiedenen Dörfern. Ich habe eine Gruppe aus meinem Dorf und aus dem Nachbardorf gesammelt und ging zu dieser Demonstration. Ich meine also eine Gruppe, die mit mir zu dieser Demonstration gegangen ist, ich habe sie geführt.

F: Sind Sie zu beiden Demonstrationen mit einer Gruppe gekommen?

A: Ja.

F: Wie groß waren diese Gruppen jeweils?

A: Ca. 200 Personen habe ich mitgenommen. Nachgefragt gebe ich an, dass sie alle Sikh waren.

F: Handelte es sich um ganz normale Dorfbewohner oder spezielle Personen?

A: Ganz normale Dorfbewohner.

F: Waren Sie als Führer dieser Gruppe speziell gekennzeichnet?

A: Jeder Gruppenführer hat einen orangenen Schal um den Hals und einen Turban auf dem Kopf gehabt. Die Mitglieder, die hinter mir waren, hatten nur einen Turban auf.

F: Wurden Sie beide Male einfach so wieder freigelassen?

F: Ja.

F: Sie gaben an, geschlagen und brutal behandelt worden zu sein. Bitte schildern Sie dies näher!

A: Ich meine damit, sie haben mir Ohrfeigen gegeben, mein Turban wurde mir runtergerissen. Sie haben mich mit Holzstöcken geschlagen und ich wurde getreten und mit Schuhen geschlagen.

F: Sie gaben an, bei Ihrer zweiten Verhaftung nicht sicher zu sein, von wem Sie mitgenommen wurden. Es könnten also auch Privatpersonen gewesen sein. Haben Sie versucht, Anzeige bei der Polizei zu erstatten?

A: Die Personen sind in Privatkleidung gewesen, aber sie kamen mit dem Polizeiauto und haben mich auch zum Kommissariat mitgenommen. Ich kann aber nicht sagen, ob sie tatsächlich Polizisten waren.

F: Wo wurden Sie jeweils festgehalten?

A: Das erste Mal war ich auf dem Weg zum Sportplatz und da haben sie mich festgehalten und mitgenommen. Das zweite Mal habe ich noch die alten Verletzungen gehabt und bin ein bisschen vor unserem Haus spaziert, damit ich wieder gesund werde, da haben sie mich dann mitgenommen.

F: Wohin wurden Sie mitgenommen?

A: Beide Male zu einer Polizeidienststelle, doch ich weiß nicht, welche Dienststelle es war.

F: Wurden Sie in ein anderes Dorf gebracht oder wie lange sind Sie gefahren?

A: Ich glaube, das erste Mal dauerte die Fahrt ca. zwei Stunden und das zweite Mal ca. 1,5 Stunden. Es war nicht in unserem Dorf, aber ich weiß nicht, wohin wir gefahren sind.

F: Wie viele Personen haben Sie jeweils festgenommen und hatten diese spezielle Merkmale oder können Sie diese einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zuordnen?

A: Ich wurde beide Male von Hindus mitgenommen, ich bin mir sicher. Ich habe keinen gesehen, der einen Armreifen, den wir Sikhs immer tragen, getragen hätte. Nochmals nachgefragt gebe ich an, dass es beim ersten Mal sieben Personen und beim zweiten Mal neun Personen waren.

F: Haben Ihnen diese Personen jeweils aufgelauert oder sind sie nach Ihnen zu den jeweiligen Orten der Mitnahme gekommen?

A: Das erste Mal war ich im Laufschritt unterwegs zum Sportplatz. Plötzlich kam ein Auto von hinten, das vor mir angehalten hat. Sie haben mich hineingezogen und mitgenommen. Das zweite Mal bin ich in den Feldern spaziert und sie sind auch mit dem Auto gekommen und haben mich mitgenommen.

F: Welches Auto war es jeweils? Können Sie dieses beschreiben?

A: Es waren beide Male schwarze Trucks, die eine offene Ladefläche hatten. Es war beide Male nur ein Truck.

F: Besteht ein Haftbefehl gegen Sie oder werden Sie offiziell gesucht?

A: Nein, offiziell gibt es keinen Haftbefehl gegen mich und ich werde auch in Papieren nicht gesucht. Aber inoffiziell kommen sie zu uns nach Hause und fragen über mich nach.

F: Wann sind Sie aus Ihrem Heimatdorf ausgereist und wann haben Sie dann Indien verlassen?

A: Im Jänner 2017 habe ich mein Heimatdorf verlassen und im August 2017 habe ich das Land Indien verlassen?

F: Wo hielten Sie sich von Jänner bis August 2017 auf?

A: Im Tempel XXXX , welcher sich in der Stadt Nadir im Bundesland Maharastr befindet.

F: Dort kam es zu keinen weiteren Vorfällen?

A: Nein.

F: Können Sie Ihren Fluchtgrund beweisen?

A: XXXX ist eine Person, er ist der Führer von der Gründung Khalistans. Er kann eine Bestätigung ausstellen, dass ich tatsächlich in Indien Probleme habe. Beweise von den Demonstrationen und dass mich die Polizei zwei Mal mitgenommen hat, habe ich keine.

F: Haben Sie nach Ihren Freilassungen einen Arzt oder ein Krankenhaus aufgesucht?

A: Ich war in keinem Krankenhaus, bei uns in der Umgebung gibt es Apotheken. Mein Vater nahm mich mit und wir kauften von dort Medizin und Verbände.

F: Warum sind Sie nicht in Maharastr geblieben?

A: Unser Führer, der Gründer der Khalistan-Bewegung sagte zu mir, ich solle nach Kanada reisen, dort würde mein Leben nicht in Gefahr sein. Andere Brüder der Khalistan-Bewegung wären bereits in Kanada und könnten mir helfen. Im Jahr 2020 kommen Wahlen, dann könne ich wieder zurückkommen mit dem Segen unseres Gurus. Wir würden dann unser eigenes Khalistan bekommen.

F: Wie erklären Sie, dass Ihre Familie noch in Indien leben kann, Sie selbst aber ausreisen mussten?

A: Hindus sagen uns immer wieder, dass sie unseren Eltern nichts tun werden. Wenn sie unsere junge Generation getötet haben, werden die Alten mit der Trauer um die Jungen von selbst sterben.

(...)"

Zu den ihm am 04.05.2018 persönlich ausgefolgten Länderberichten zur Lage im Herkunftsstaat befragt gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass die allgemeine Lage in Indien sehr schlecht sei und es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Sikhs komme, wobei erstere von der Regierung unterstützt werden und das ganze Land dominieren würden.

Im Herkunftsstaat würden auch weiterhin die Eltern des Beschwerdeführers, sowie zwei Onkel mütterlicherseits und Cousins leben. Auch habe er einen Onkel väterlicherseits. Der Beschwerdeführer habe telefonischen Kontakt zu seinem Vater und würde seine Familie auch weiterhin den Lebensunterhalt durch die Fabrik, das Grundstück und die LKWs bestreiten.

4. Am 24.05.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er die Sprache Punjabi spreche und im Herkunftsstaat zehn Jahre die Pflichtschule und sodann zwei Jahre lang das College besucht habe. Er habe die familieneigene Fabrik geleitet.

Danach gefragt, ob er mittlerweile Beweismittel zum Fluchtvorbringen habe beschaffen können, gab er an, dass diese unterwegs und noch nicht angekommen seien. Er könne der Behörde auch keine Kopie der Bestätigung des Führers der Organisation, wonach der Beschwerdeführer Mitglied der Organisation zur Gründung von Khalistan sei, vorlegen, da sein Vater im Büro der Organisation gewesen sei und um Ausfertigung einer solchen Bestätigung angesucht habe, diese aber per Fax zugeschickt werde.

Zu den Lebensumständen in Österreich befragt gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er keine Verwandten im Bundesgebiet habe und auch mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft lebe. Er beziehe keine Leistungen aus der Grundversorgung und lebe privat bei einem Freund, der in einem Restaurant arbeite und ihn finanziell unterstütze. Der Beschwerdeführer sei nicht berufstätig und könne kein Deutsch. Er sei nicht Mitglied in Vereinen oder Organisationen und habe keine Kurse oder Ausbildungen absolviert.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.05.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Unabhängig davon würde dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Fall einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der sehr kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde und führte nach Wiederholung der Fluchtgründe aus, dass die Sicherheitslage im Herkunftsstaat miserabel und kritisch sei, was auch in den Länderberichten bestätigt werde. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass er für den Fall einer Rückkehr einer realen Gefahr einer Verletzung seines in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechts ausgesetzt wäre. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprache Punjabi. Im Herkunftsstaat lebte er gemeinsam mit seinen Eltern im Punjab, wo er zehn Jahre die Grundschule und zwei weitere Jahre ein College besuchte. Sein Vater besitzt ein Grundstück, eine Steinfliesen-Firma, die auf den Namen des Beschwerdeführers lautet, sowie LKWs. Der Beschwerdeführer führte in Indien die Firma des Vaters und war nebenbei in der Landwirtschaft tätig. Er ist ledig und kinderlos.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine innerstaatliche Schutz- bzw. Fluchtalternative offen. Der Beschwerdeführer lebte von Jänner 2017 bis August 2017 ohne Probleme im Bundesstaat Maharashtra und verließ am 17.08.2017 sein Heimatland.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich und lebt mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch, lebt privat bei einem Freund, der ihn finanziell unterstützt. Der Beschwerdeführer geht keiner Beschäftigung nach und kann kein Deutsch. Er ist im Bundesgebiet nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation und hat keine Kurse oder Ausbildungen absolviert. Im Herkunftsstaat leben nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers, die auch weiterhin von der Landwirtschaft, der Fabrik und den LKWs des Vaters leben. Der Beschwerdeführer steht im telefonischem Kontakt zu seinem Vater. Auch leben zwei Onkel mütterlicherseits, ein Onkel väterlicherseits und Cousins in Indien. Der unbescholtene Beschwerdeführer ist gesund und steht im erwerbsfähigen Alter.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

-

MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

-

NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Religionsfreiheit

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 10.8.2016). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 16.8.2016). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2016) und kaum eingeschränkt (AA 16.8.2016). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2016). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (zuletzt 2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 16.8.2016). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalisumus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 10.8.2016).

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3%) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 12.12.2016). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 16.8.2016). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.8.2016).

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2016). In sechs der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über Verhaftungen, jedoch nicht über Verurteilungen nach diesem Gesetz In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konvertierungsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missionsvisa" ("missionary visa") (USDOS 10.8.2016).

Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 10.8.2016). Religiöse Minderheiten, vor allem Muslime und Christen, werfen den Behörden vor, nicht genug zum Schutz ihrer Rechte zu tun (HRW 27.1.2016).

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamisches Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 10.8.2016). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 16.8.2016).

Der Wahlsieg der hindu-nationalen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 16.8.2016). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015). Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen im Jahr 2015 haben nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es rund 17% mehr Zwischenfälle (von 644 auf 751), mit insgesamt 97 Toten (95 in 2014). 2.264 Personen wurden bei derartigen Zwischenfällen verletzt (1.921 im Vorjahreszeitraum). Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 16.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (25.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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CIA - Central Intelligence Agency (12.12.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/327703/468368_de.html, Zugriff 21.12.2016

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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 21.12.2016

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/318378/457381_de.html, Zugriff 21.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Ethnische Minderheiten

Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert (ÖB 12.2016). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort. Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer Sprache und Kultur (AA 16.8.2016). Das Gesetz räumt dem Präsidenten auch die Befähigung ein, benachteiligte Kasten und Stämme für spezielle Quoten und Begünstigungen zu bestimmen (USDOS 13.4.2016). Gesetze setzen Quoten bei Bildungseinrichtungen und Regierungsanstellungen für sogenannte "registrierte" Kasten (Dalits) und Stämme, sowie einige andere sogenannte "benachteiligte Klassen", fest (FH 27.1.2016).

Historisch sind weite Teile der Gesellschaft in Kasten oder Clans organisiert (USDOS 13.4.2016) und Mitglieder unterer Kasten und Minderheiten sind weiterhin alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt (FH 27.1.2016). Die Kaste ist ein komplexes traditionelles Hierarchiesystem, das auf ritueller Reinheit und Berufsgruppen beruht. Obwohl mit der Verfassung von 1949 Kastendiskriminierung verboten wurde, bleibt die Registrierung zum Zwecke positiver Förderprogramme bestehen und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten zu stärken (USDOS 13.4.2016). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit, die in der Struktur der indischen Gesellschaft angelegt sind und auf sozialen und religiösen Traditionen fußen und vielfach implizit verlaufen, jedoch weit verbreitet (USDOS 13.4.2016).

Um Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und ihre Teilhabe zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung (sog. "Dalits" oder "Unberührbare") sowie die Adivasis eine positive Diskriminierung, deren Zulässigkeit in der Verfassung festgeschrieben ist. Im Bildungswesen (u.a. Studienplätze) und in der staatlichen Verwaltung (u.a. Stellenvergabe) sind Quoten von bis zu 49,5% für die sogenannten "Scheduled" Castes and "Scheduled" Tribes ("scheduled" = in der Verfassung erwähnte Kasten und Stämme) sowie für andere benachteiligte Gruppen, "Other Backward Castes", vorgesehen. Quoten werden auf zentralstaatlicher Ebene nur nach Kastenzugehörigkeit und sozialem Status, nicht aber nach Religion, zugeordnet. Allerdings gibt es in einigen Bundesstaaten Quotenregelungen für bestimmte religiöse Gemeinschaften, so z.B. in Tamil Nadu, Kerala und Andhra Pradesh für "rückständige" Christen und Muslime (AA 16.8.2016).

Trotz dieser umfangreichen positiven Förderprogramme, weitreichender gesetzlichen Schutzbestimmungen und verfassungsmäßigem Verbot von "Unberührbarkeit" (Artikel 17) werden Angehörige von niederen Kasten und Dalits in Indien noch immer massiv und systematisch diskriminiert, vor allem auch durch Polizei und Strafjustiz (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016).

Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Bei den Wahlen 2014 waren 84 Sitze für Kandidaten der geschützten Kasten und 47 für jene der geschützten Stämme reserviert, was insgesamt 24% der Sitze im Unterhaus ergab. Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 13.4.2016).

Englisch genießt den Status der sekundär offiziellen Sprache, ist aber die wichtigste Sprache für nationale, politische und wirtschaftliche Kommunikation. Hindi ist die am weitest verbreitet gesprochene Sprache und die Hauptsprache von 41% der Menschen. Es gibt 14 weitere offizielle Sprachen: Bengali, Telugu, Marathi, Tamil, Urdu, Gujarati, Malayalam, Kannada, Oriya, Punjabi, Assamese, Kashmiri, Sindhi, und Sanskrit. Hindustani ist eine populäre Variante des Hindi/Urdu und wird weitgehend im Norden Indiens gesprochen, ist aber gemäß Zensus aus dem Jahr 2001 keine offizielle Sprache (CIA Factbook 12.12.2016). Die nationale Volkszählung kategorisiert die Bevölkerung anhand der gesprochenen Sprachen, aber nicht nach rassischen oder ethnischen Gruppen (USDOS 13.4.2016).

Vor allem in Indiens abgelegenen Nordosten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Stämme und Ethnien. Ihr Verhältnis untereinander und gegenüber der Zentralregierung birgt großes

Konfliktpotential. Dieses beruht v.a. auf der Missachtung der großen ethnischen und kulturellen Vielfalt der dortigen Bevölkerungsgruppen, ihren Bestrebungen zur Wahrung ihrer kulturellen Identität sowie auf der wirtschaftlichen Vernachlässigung seitens der indischen Zentralregierung (AA 16.8.2016). Kinder aus vulnerablen Gemeinschaften sind Formen der Diskriminierung aufgrund ihrer Kasten- oder Religionszugehörigkeit sowie ihrer Ethnie ausgesetzt (HRW 27.1.2016).

Konfliktfördernd ist v.a. auch der als Bedrohung wahrgenommene, unkontrollierte Zustrom illegaler (muslimischer) Einwanderer, vor allem aus Bangladesch. Es gibt ca. 100 Rebellengruppen, deren Aktivitäten bis heute zehntausende Menschenleben gekostet haben. Aktionen von Polizei und Militär richten sich gegen diese militante Gewalt, nicht aber gegen bestimmte Ethnien (AA 16.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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CIA - Central Intelligence Agency (12.12.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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