TE Vwgh Erkenntnis 1999/1/27 98/04/0183

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Veröffentlicht am 27.01.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des Dr. J und der S in G, beide vertreten durch Mag. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 9. Juli 1998, Zl. Ge-44268/6-1998/Bi/G, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: LH, vertreten durch Dr. O), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 28. November 1997 wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die "Änderung und den Betrieb" ihrer Mühle durch die Aufstellung anderer und zusätzlicher Anlageneinrichtungen, den Ausbau der Produktionskapazitäten und die Errichtung zweier Lagerhallen an einem näher bezeichneten Standort nach Maßgabe der im Detail angeführten Projektsunterlagen und unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen gemäß den §§ 74, 77, 81 und 359 GewO 1994 und § 93 Abs. 2 ASchG unter Beifügung einer Betriebsbeschreibung erteilt. Zur Begründung wurde, soweit dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist, ausgeführt, die an dem fraglichen Standort seit ca. 340 Jahren betriebene Mühle sei als Betriebsanlage erstmals mit Bescheid vom 28. September 1993 gewerbebehördlich genehmigt worden. In den Folgejahren sei die Mühle stufenweise ausgebaut worden. Der gewerbetechnische Amtssachverständige habe zu Belangen der Lärmemissionen ausgeführt, es liege eine von der mitbeteiligten Partei vorgelegte umfassende lärmtechnische Erhebung der Gesamtsituation rund um den Betrieb vor, die an verschiedensten Meßpunkten mit und ohne Betrieb durchgeführt worden sei. Darüber hinaus sei durch das BBA Wels eine zusätzliche Erhebung der Situation mit und ohne Betrieb durchgeführt worden. Zum einen habe eine Messung am 19. April 1996 in der Zeit von 21.40 Uhr bis 0.10 Uhr stattgefunden, wobei zunächst die Anlage in Betrieb gewesen sei und dann anschließend Betriebsstillstand geherrscht habe. Das Ein- und Ausschalten des Betriebes sei durch den Amtssachverständigen persönlich überwacht worden. Es sei auch sichergestellt gewesen, daß die Anlage in dieser Nacht bis zum Abschaltzeitpunkt voll in Betrieb gestanden sei. Auf Grund neuerlicher Beschwerden seitens der Nachbarschaft einerseits und angekündigter Sanierungsmaßnahmen des Betriebes andererseits sei in der Nacht vom 1. zum 2. März 1997 im Zeitraum von 22.39 Uhr bis 02.40 Uhr früh eine Messung der Ist-Situation bei abgeschaltetem Betrieb durchgeführt worden. Eine Woche später sei in der Nacht vom

8. zum 9. März 1997 eine Messung bei denselben Punkten mit eingeschaltetem Betrieb durchgeführt worden. In dieser Nacht seien parallel zur normalen Dauerschall- und Grundgeräuschpegelmessung auch Frequenzanalysen der Betriebsgeräusche an verschiedenen Meßpunkten durchgeführt worden. In Ergänzung dieses Meßberichtes sei am 13. April 1997 seitens des BBA Wels eine Störlärmermittlung einerseits und ein Schaudiagramm im Hinblick auf die Wasserganglinie der Trattnach der Behörde zusätzlich übergeben worden. Die Ermittlung des Störlärms sei grundsätzlich aus der Differenz der jeweiligen Grundgeräuschpegel durchgeführt worden. Dies werde damit begründet, daß es sich bei dem Mühlengeräusch um ein gleichbleibendes Dauertongeräusch handle, welches bei einer normalen Schallpegelmessung bei der Erhebung des Grundgeräuschpegels nicht herausfilterbar sei. Das Geräusch sei während der jeweiligen Meßperioden als konstant gleichbleibend einzustufen gewesen. Es handle sich dabei weder um ein impulshaltiges noch um ein intermittierendes Geräusch, es seien auch keinerlei einzelne Schallpegelspitzen wahrnehmbar gewesen. Grundsätzlich könne ausgesagt werden, daß der Störlärm mit Ausnahme des Meßpunktes vor dem Haus W. in der Größenordnung von 33 bis 41 dB(A) je nach Abstand des Meßpunktes von der Betriebsanlage habe festgestellt werden können. Bei der Frequenzanalyse seien ebenfalls Messungen mit und ohne Betrieb durchgeführt worden, um eine Aussage im Hinblick auf mögliche Frequenzspitzen treffen zu können. Es sei eine sogenannte Terzbandanalyse durchgeführt worden. An keinem der Meßpunkte sei eine Tonkomponente deutlich hörbar gewesen. Insbesondere sei bei der Auswertung der 50 Hertzbereich (tieffrequenter Bereich) analyisiert worden. Bei der Wohnliegenschaft der Beschwerdeführer sei im Bereich der Grundgrenze eine Komponente im 50 Hertzbereich festgestellt worden, die mit 28 dB(A) in Relation zum gesamten Dauerschallpegel von 50 dB(A) als nicht maßgeblich einzustufen sei. Die während der einzelnen Meßperioden auftretenden Lärmspitzen seien ausschließlich durch den vorbeiführenden öffentlichen Verkehr bewirkt worden. Dies ergebe sich aus den Meßprotokollen bzw. den Aufzeichnungen ganz klar. In seinem Gutachten habe der gewerbetechnische Amtssachverständige dazu bezogen auf die Wohnliegenschaft der Beschwerdeführer (Meßpunkt S bzw. Meßpunkt Neu) ausgeführt, bei diesen beiden Meßpunkten seien die Messungen jeweils im Freien direkt an der Grundgrenze zum öffentlichen Gut vorgenommen worden. Es hätten dabei Störlärmpegel zwischen 39,7 und 41,1 dB(A) ermittelt werden können. Die Grundgeräuschpegel ohne Betrieb hätten 34,5 bzw. 35 dB(A) betragen. Die Dauerschallpegel seien jeweils mehr wie 10 dB(A) über den jeweiligen Grundgeräuschpegeln gelegen. Auch hier sei eine Anhebung des Grundgeräuschpegels meßbar gewesen. Auf den Dauerschallpegel habe der Betriebsstörlärm zumindest rechnerisch keinen Einfluß. Bezüglich der Frequenzanalyse sei eine 50 Hertz-Tonkomponente meßtechnisch ermittelt worden, diese habe jedoch auf den Gesamtdauerschallpegel keinen Einfluß. So sei z. B. der Dauerschallpegel mit Betrieb in der Größenordnung von 49,6 dB(A); ohne Betrieb bei 54 dB(A) gelegen. Damit sei eindeutig klargestellt, daß der Dauerschallpegel im wesentlichen nur von Verkehrsereignissen und sonstigen Lärmereignissen geprägt werde. Da die Tonkomponente, insbesondere im 50 Hertzbereich, zwar an mehreren Meßpunkten meßtechnisch feststellbar gewesen sei (Terzbandkriterium erfüllt), aber nicht wahrzunehmen gewesen sei, sei das Kriterium der ÖNORM S 5004 für die Vergebung eines Tonhaltigkeitszuschlages nicht gegeben. Es werde außerdem auf die Nähe der Trafostation verwiesen, wobei aus diversen Amtsmessungen bekannt sei, daß Anlagen in dieser Art im tieffrequenten Bereich deutliche Emissionen aufwiesen. Der medizinische Amtssachverständige habe ausgeführt, er habe in näher bezeichneten Zeiträumen einen Lokalaugenschein mit subjektiver Hörprobe durchgeführt. Diese seien beginnend vor der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, die Trattnach überquerend in der MGasse, am Oberen Stadtplatz, in der WStraße, dem Hochhaus neben dem Pfarrhof sowie entlang der Trattnach vor den einzelnen Siedlungshäusern Richtung Bezirkshauptmannschaft vorgenommen worden. Zur Abrundung der Gesamtsituation seien einige näher bezeichnete Wohnungen in der Nachbarschaft besucht worden. Dabei sei die Geräuschkulisse an allen Orten, an denen eine Hörprobe durchgeführt worden sei, durch ein andauerndes Geräusch geprägt gewesen, welches primär dem Wasserfall bei der Wehr oberhalb der Mühle der mitbeteiligten Partei habe zugeordnet werden können. Erst nach längerer Verweildauer habe jeweils ein zweites monotones Geräusch wahrgenommen werden können, welches dem gegenständlichen Betrieb zuzuordnen gewesen sei. Dieses Geräusch habe die Konversation am Ort der Hörprobe in keiner Weise gestört und keinen Informationsgehalt aufgewiesen. Diese Lärmsituation sei durch Verkehrslärm (vorbeifahrende Fahrzeuge, Verkehrslärm auf der Bundesstraße und ÖBB) unterbrochen worden. Auch bei gezielter Aufmerksamkeit habe ein vorrangiges Dauergeräusch aus Richtung der in Rede stehenden Betriebsanlage, welches mit einem nennenswerten Informationsgehalt bzw. einer Tonhaltigkeit verbunden gewesen sei, nicht festgestellt werden können. Eine Ausnahme von der Gesamtsituation sei im Bereich des Grundstückes der Beschwerdeführer gegeben. Hier sei im Bereich des Meßpunktes neu (8) ein brummendes Geräusch wahrzunehmen, welches vom Gutachter nicht klar einer ausgehenden Quelle zuzuordnen gewesen sei. Hiezu seien die Feststellungen des technischen Sachverständigen zu berücksichtigen. Das Hör-Sinnessystem sei eine natürliche Alarmanlage, über die Signale dem ganzen Organismus zugeleitet würden. Sie sei sowohl im Wachen als auch im Schlaf unabschaltbar in Bereitschaft. Auswirkungen durch langandauernde Schallexpositionen seien stark von Adaptions- und Habituationsprozessen beeinflußt und hingen von situativen Faktoren und Persönlichkeitsmerkmalen der Betroffenen ab. Bei epidemiologischer Betrachtungsweise könnten auch geringe Änderungen physiologischer Größen eine Erhöhung des Risikos für die Gesundheit bedeuten. Nach F. Wagner müsse man, um der Forderung der Beurteilung nach dem Maßstab des gesunden normal empfindenden Menschen einigermaßen gerecht zu werden, sich der Statistik bedienen, wobei die Reaktion eines Gesamtkollektivs auf Lärm bestimmter Intensität erhoben werde. Aus derartigen Erhebungen ergäbe sich, daß in Wohngebieten, wo der tagsüber gemessene Lärmpegel unter 55 dB(A) läge, nur wenige Personen ernsthaft über Lärmbelästigungen klagten. Nach Jansen und Klosterkötter läge der Schwellbereich für Bevölkerungsreaktionen bei Lm (außen) = 45 bis 55 dB(A). Nach Koller et al. stimmte der für den Einsatz spontaner und objektiv nachweisbarer physiologischer Reaktionen angegebene Pegelwert von 55 bis 65 dB(A) gut mit dem durch soziologische und epidemiologische Untersuchungen mehrfach bestätigten Wert von LA, eq 55 dB überein, welcher in Wohngebieten tags im Freien keinesfalls überschritten werden sollte. Im Entwurf zur ÖAL-Richtlinie 6/18 werde als Zielwert des vorbeugenden Gesundheitsschutzes ein wirkungsbezogener Immissionsgrenzwert von LA, eq = 55 dB angegeben. Bei 60 bis 65 dB (LA, eq) stiegen demnach die Belästigungsreaktionen stark an. Von der Weltgesundheitsorganisation werde ein Wert von LA, eq 55 dB tags im Freien als Grenzwert für Gebiete mit ständiger Wohnnutzung vorgeschlagen. In mehreren Untersuchungen fände sich eine weitgehende Übereinstimmung jenes Pegelbereiches, welcher zur Vermeidung gravierender Schlafstörungen eingehalten werden sollte; für den äquivalenten Dauerschallpegel erstrecke sich dieser Bereich von 35 bis 45 dB am Ohr des Schläfers. Die WHO (1980) gebe zur Sicherung eines erholsamen Schlafes einen äquivalenten Dauerschallpegel von LA, eq 35 dB im Raum an. Im Bereich von LA, eq 45 bis 70 dB (im Freien) habe sich ein linearer Zusammenhang zwischen dem Prozentsatz gestörter Personen und dem erhobenen äquivalenten Dauerschallpegel ergeben: Der Anteil wesentlich gestörter Personen steige dabei um etwa 2,5 % pro dB an. Bei einer Studie komme B. Greifahn zu einem Wert von 40 dB (Leq) im Raum, durch den Verkehrslärm den Schlaf noch nicht beeinträchtige. Auf Grund der Literatur wäre eine zusätzliche Belastung gegeben, wenn der Maximalpegel eine Differenz um 10 dB(A) und mehr zum äquivalenten Dauerschallpegel aufweise. Als gesundheitsgefährdend gelte eine Einwirkung (Immission), durch die nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft die Möglichkeit bestehe, daß Krankheitszustände, Organschäden oder unerwünschte organische oder funktionelle Veränderungen, die die situationsgemäße Variationsbreite von Körper- und Organformen bzw. -funktionen signifikant überschritten, entweder bei der Allgemeinbevölkerung oder auch nur bei bestimmten Bevölkerungsgruppen bzw. auch Einzelpersonen eintreten könnten. Unzumutbar sei eine Belästigung, wenn sie zu erheblichen Störungen des Wohlbefindens, zu psychosomatischen Beschwerden bzw. zu funktionellen oder organischen Veränderungen führen könne oder über das ortsübliche Ausmaß hinausgehe, wobei in diesem Fall auch die für die Widmung von Liegenschaften maßgebenden Vorschriften zu berücksichtigen seien.

Die gegen diesen Bescheid erhobenen Berufungen u. a. der Beschwerdeführer wies der Landeshauptmann von Oberösterreich mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 9. Juli 1998 als unbegründet ab. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges aus, im erstinstanzlichen Bescheid seien die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens umfassend festgehalten worden, weshalb - um Wiederholungen zu vermeiden - auf diese sowohl in lärmtechnischer als auch in medizinischer Hinsicht verwiesen werde. Ergänzend zum erstinstanzlichen Verfahren sei im Berufungsverfahren eine weitere gutachterliche Stellungnahme nach Durchführung eines Ortsaugenscheines eingeholt worden. Darin habe der medizinische Amtssachverständige ausgeführt, im Zuge des von ihm vorgenommenen Ortsaugenscheins habe ein persönlicher Eindruck über die Mühlenanlage selbst und in der Umgebung gewonnen werden können.

Dabei habe sich folgender Höreindruck gezeigt: Im Inneren der Mühle (Bereich Mühle und Verpackung) seien laute Maschinengeräusche wahrnehmbar. Der Charakter dieser Geräusche sei von Interesse, weil in der näheren Umgebung bei der Begehung dann insbesondere auf Geräusche dieser Art geachtet worden sei. Die Umgebungsgeräuschsituation sei auf der einen Seite des Betriebes eindeutig von den hier stattfindenden Verkehrsbewegungen geprägt (dauernder, nahezu nicht abbrechender innerstädtischer Kfz-Verkehr). An der der Trattnach zugewandten Betriebsseite sei die Geräuschsituation durch die Wehranlage geprägt. Es handle sich dabei um die Regulierung eines Flusses und wegen des langen Bestandzeitraumes sei das Rauschen des überfallenden Wassers als ortsüblich und der Umgebungsgeräuschsituation zugehörig zu bezeichnen. Von der Trattnach werde eine bestimmte Wassermenge der Werksturbine zugeleitet. In unmittelbarer Gebäudenähe (ca. 2 m) sei mit gespannter Aufmerksamkeit die Turbine wahrnehmbar, bei weiterer Entfernung sei dieses Geräusch jedenfalls von allen Umgebungsgeräuschen überdeckt worden. Im Bereich der W. Straße sei die Umgebungsgeräuschsituation wiederum von den Kfz-Bewegungen des Oberen Stadtplatzes und der M. Straße geprägt gewesen. Zusammenfassend könne der Höreindruck so beschrieben werden, daß die Umgebungsgeräuschsituation auf der einen Seite des Betriebes durch die Wehranlage der Trattnach geprägt sei. Spezifische Betriebsgeräusche, wie sie in den Produktionsräumen wahrgenommen worden seien, seien im Freien - wenn überhaupt - nur in unmittelbarer Nähe des Gebäudes wahrnehmbar gewesen. Schon mit geringster Entfernung vom Betrieb sei die Geräuschwahrnehmung von anderen (Verkehr, Wind, Fluß) Geräuschen geprägt gewesen. In den bisherigen medizinischen Beurteilungen im erstinstanzlichen Verfahren seien eingehend die Wirkungen und auch pegelspezifische Wirkungen beschrieben worden. Diesen Ausführungen gebe es aus fachlicher Sicht nichts hinzuzufügen. Aus den ausführlichen Unterlagen werde auch ersichtlich, daß, wie in den medizinischen Ausführungen des erstinstanzlichen Verfahrens ausgeführt worden sei, keine Pegelbereiche durch betriebsspezifischen Störlärm erreicht würden, aus denen auf Gesundheitsgefährdungen oder erhebliche Belästigungen zu schließen sei. Von diesem Sachverhalt ausgehend gelangte der Landeshauptmann zu dem Ergebnis, daß aus den lärmtechnischen und medizinischen Gutachten eindeutig hervorgehe, daß durch die beantragten Änderungen des Mühlenbetriebes eine unzumutbare Belästigung für die Beschwerdeführer nicht zu erwarten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit einem gleichartigen Antrag.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf Schutz vor unzumutbaren und über das örtlich übliche Maß hinausgehenden Immissionen durch Lärm aus der gegenständlichen Mühle verletzt.

In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes tragen sie vor, die Behörde erster Instanz habe im Bereich der Wohnliegenschaft der Beschwerdeführer eine Überschreitung der Lärmspitzen meßtechnisch ermittelt. Aus den Meßprotokollen sei nachvollziehbar, daß diese entgegen der Bescheidbegründung nicht durch Lärm von Kraftfahrzeugen auf der vorbeiführenden Straße verursacht würden. Der von der Behörde erster Instanz beigezogene medizinische Amtssachverständige habe die übermäßig deutlich wahrnehmbaren Lärmimmissionen nicht entsprechend dem Stand der medizinischen Wissenschaften beurteilt. Eine Befundung der Immissionen während der Abend- und Wochenendruhe sei unterblieben. Eine lärmtechnische Nachbetrachtung unter Beiziehung eines lärmtechnischen Amtssachverständigen sei ebenfalls unterblieben. Der von der Behörde zweiter Instanz beigezogene medizinische Amtssachverständige habe die maßgeblichen Immissionspunkte der Beschwerdeführer nicht einmal besichtigt, sondern solche in die Ermittlungen einbezogen, wo dort wohnende Nachbarn zwar Beschwerden, nicht jedoch eine Berufung erhoben hätten. Die tagsüber während der üblichen Wochenarbeitszeit durchgeführten Erhebungen seien in der entgegengesetzten Himmelsrichtung erfolgt, wobei zu beachten sei, daß Beschwerden nur wegen Beeinträchtigung während der Abend- und Nachtstunden sowie während der Wochenendzeit eingebracht worden seien. Die Behörde habe von der Möglichkeit einer Messung am entscheidenden Immissionspunkt in untauglicher Weise Gebrauch gemacht, indem die Immissionen nur entlang der nicht im Einflußbereich der Beschwerdeführer liegenden Stauwehr der Trattnach in die Erhebungen aufgenommen worden seien. Die bei den Beschwerdeführern auftretenden Immissionen durch den von der in Rede stehenden Mühle verursachten Dauerlärm seien für den menschlichen Organismus unzumutbar. Sie überschritten das bisher örtlich übliche Maß erheblich. Über Jahre hinweg würden "diese Immissionen die Gesundheit zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung führen". Die Einwendungen wegen einer unzumutbaren Belästigung durch Lärm und einer eingehenden Gefährdung der Gesundheit seien im durchgeführten Verfahren der Behörde erster und zweiter Instanz unter Hinweis auf die Bestimmung des § 77 GewO 1994 "nur unzureichend und unvollständig in Beweis gestellt worden". Das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer und die Stellungnahme zu dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigenbeweis sei unzureichend gewürdigt würden. Das medizinische Gutachten erfülle in keiner Weise die Anforderungen an einen Sachverständigenbeweis durch Erstellung eines Befundes "und darauf aufbauende den zu ziehenden gutächtlichen Schlußfolgerungen". Eine lärmtechnische Nachprüfung des Gutachtens der ersten Instanz durch einen technischen Amtssachverständigen sei trotz zahlreicher Einwendungen vieler Nachbarn, daß diese unzureichend durchgeführt worden seien, unterblieben. Den Ermittlungen der Berufungsbehörde könne bestenfalls Alibicharakter beigemessen werden.

Mit diesem Vorbringen vermögen die Beschwerdeführer, soweit damit der belangten Behörde die Unterlassung weiterer Ermittlungsschritte zur Last gelegt wird, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht darzutun, weil, wie sich aus § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ergibt, nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof zu führen hat, sondern nur eine solche, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ist dies nicht offenkundig, ist es Sache des Beschwerdeführers, diese Relevanz in der Beschwerde darzulegen, was im vorliegenden Fall nicht geschehen ist.

Als aktenwidrig erweist sich der Vorwurf, es sei eine Befundung der Emissionen während der Abend- und Wochenendruhe unterblieben. Wie sich aus der eingangs wiedergegebenen Begründung des erstbehördlichen Bescheides, die auch zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erhoben wurde, ergibt, wurden Lärmmessungen u. a. in der Nacht vom 1. zum 2. März 1997 in der Zeit zwischen 22.39 bis 02.40 Uhr durchgeführt. Es handelte sich dabei um die Nacht von einem Samstag auf einen Sonntag. Ebenso aktenwidrig ist der Vorwurf, die belangte Behörde habe keine Messungen an einem Immissionspunkt im Einflußbereich der Beschwerdeführer vorgenommen, ergibt sich doch aus den diesbezüglich von den Beschwerdeführern nicht bekämpften Ausführungen in der Begründung des erstbehördlichen Bescheides, daß zwei der Meßpunkte ("S" und "Neu") an der Grundgrenze der Wohnliegenschaft der Beschwerdeführer zum öffentlichen Grund gelegen sind. Daß aber eine vom medizinischen Amtssachverständigen vorgenommene Hörprobe zu diesen Zeiten und im Bereich der Wohnliegenschaft der Beschwerdeführer, was die Geräuschcharakteristik der von der in Rede stehenden Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen betrifft, ein anderes Ergebnis erbracht hätte als die tatsächlich von den beigezogenen Amtssachverständigen vorgenommenen Hörproben, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, das Gutachten des von der belangten Behörde beigezogenen medizinischen Amtssachverständigen erfülle nicht die Anforderungen an einen Sachverständigenbeweis. Aus den oben wiedergegebenen, in die Begründung des angefochtenen Bescheides aufgenommenen Ausführungen dieses Sachverständigen ergibt sich in eindeutiger Weise, daß er sich die diesbezüglichen Ausführungen des im erstbehördlichen Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen als den Gesetzmäßigkeiten seines Faches entsprechend zu eigen macht und darüber hinaus zu dem Ergebnis kommt, daß durch betriebsspezifischen Störlärm keine Pegelbereiche erreicht werden, aus denen auf Gesundheitsgefährdungen oder erhebliche Belästigungen zu schließen sei.

Sollte das Beschwerdevorbringen auch dahin zu verstehen sein, daß die Beschwerdeführer die fachliche Richtigkeit der eingeholten Gutachten in Zweifel ziehen, so sind sie auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die bloße Behauptung, das Gutachten stehe mit den Erfahrungen der in Betracht kommenden Wissenschaften im Widerspruch, nicht ausreicht, um ein solches Gutachten in Zweifel zu ziehen; eine derartige Behauptung ist vielmehr - tunlichst unter präziser Darstellung der gegen das Gutachten gerichteten sachlichen Einwände - durch das Gutachten eines anderen Sachverständigen unter Beweis zu stellen (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Aufl., S. 318, dargestellte hg. Judikatur).

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Jänner 1999

Schlagworte

Gutachten Parteiengehör Parteieneinwendungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998040183.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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