Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der C C Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch K & D, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. August 1998, Zl. MA 63-F 219/98, betreffend Untersagung der Gewerbeausübung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zu den Verfahrensvorgängen bis zur Aufhebung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 2. November 1995 durch das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1998, Zl. 98/04/0112, wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in diesem Erkenntnis verwiesen.
Mit dem als Ersatzbescheid für den mit diesem Erkenntnis aufgehobenen Bescheid vom 2. November 1995 ergangenen nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. August 1998 wurde neuerlich gemäß § 340 Abs. 7 GewO 1994 festgestellt, daß die Voraussetzungen für die Ausübung des von der Beschwerdeführerin (noch unter der Bezeichnung F I Gesellschaft m.b.H.) am 7. Juli 1995 angemeldeten Gewerbes "Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen (Servicestation) unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit" an einem näher bezeichneten Standort nicht vorlägen und die Ausübung des Gewerbes untersagt. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung am 7. Juli 1995 habe der gewerberechtliche Geschäftsführer keinen Wohnsitz im Inland gehabt, sondern sei in Berlin wohnhaft gewesen. Wenn auch die Bestimmung des § 39 Abs. 2 GewO 1994, soweit darin das Erfordernis eines inländischen Wohnsitzes des bestellten Geschäftsführers normiert werde, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße und daher im vorliegenden Fall nicht anzuwenden sei, sei doch zu prüfen, ob der bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung in der Lage gewesen sei, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen. Die große Entfernung seines Wohnsitzes (Berlin) vom Standort des Unternehmens (Wien) lasse ohne jeden Zweifel den Schluß zu, daß eine entsprechende (regelmäßige) Betätigung und damit notwendige Anwesenheit des gewerberechtlichen Geschäftsführers im Betrieb der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung bzw. der Anzeige der Geschäftsführerbestellung (7. Juli 1995) gar nicht möglich gewesen sei, zumal auch in diesem Zeitpunkt keine andere Wohnmöglichkeit in Wien nachgewiesen und auch nicht behauptet worden sei. Darüber hinaus seien zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung die gesetzlichen Voraussetzungen auch deswegen nicht gegeben gewesen, weil die erforderliche Betriebsanlagengenehmigung (durch die automatische Waschstraße mit Kfz-Innenreinigungsboxen sei eine Belästigung der Nachbarn nicht auszuschließen) noch nicht vorgelegen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt sie im wesentlichen vor, bereits aus den Ausführungen ihrer Gewerbeanmeldung ergebe sich, daß sich der gewerberechtliche Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Einbringung dieser Anmeldung in Wien aufgehalten habe. Es sei dort dargestellt worden, daß er sich gegenwärtig bemühe, eine Wohnung anzumieten. Die Suche nach einer Wohnung bedürfe der ständigen Präsenz, weil angebotene Objekte besichtigt werden müßten, um eine Entscheidung über die Anmietung treffen zu können. Im übrigen entspreche es der Lebenserfahrung, daß sich ein Dienstnehmer, der eine Wohnung für einen neuen Arbeitsplatz suche, dafür einen Platz auswähle, von dem aus er unnötig lange Anfahrtszeiten vermeide. Im übrigen sei das neuerliche Abstellen auf den Wohnort des gewerberechtlichen Geschäftsführers wiederum gemeinschaftsrechtswidrig, weil damit mittelbar wieder auf die Staatsangehörigkeit abgestellt werde. Es liege in der Natur der Sache und in der Kleinheit des österreichischen Staatsgebietes begründet, daß mit zunehmender Distanz zwischen dem Wohnort und dem Betriebsort die Wahrscheinlichkeit ansteige, daß der Wohnort und der Ort des Gewerbebetriebes nicht beide in der Republik Österreich gelegen seien. Da mit zunehmender Distanz zum österreichischen Staatsgebiet, in dem die Gewerbeberechtigung beantragt werde, überwiegend nur Nicht-Österreicher lebten, seien auch nur diese davon benachteiligt, wenn ihnen ein Wohnsitz am Ort des österreichischen Gewerbebetriebes abverlangt werde. Wenn eine Behörde einem Gewerbetreibenden nur dann die Gewerbeberechtigung erteile, wenn dieser seinen Wohnsitz in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Gewerbebetrieb nehme, sei das eine Benachteiligung für alle EU-Bürger, die nicht in Österreich oder in unmittelbarer Nähe zu Österreich lebten und trotzdem in Österreich gewerberechtlich tätig sein wollten. Gründe, die eine derartige Benachteiligung europarechtlich zulässig erscheinen ließen, lägen nicht vor. Der Landeshauptmann von Wien habe aber auch zu Unrecht die fehlende Betriebsanlagengenehmigung als einen Grund für die Untersagung der Gewerbeausübung herangezogen. Die Beschwerdeführerin habe das Gewerbe der Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen (Servicestation) unter Ausschluß jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit angemeldet. Diese Tätigkeit könne sie auch ohne Waschstraße oder Kfz-Innenreinigungsboxen ausüben. Es gebe eine Reihe (näher bezeichneter) Tätigkeiten, die im Rahmen des angemeldeten Gewerbes auch ohne eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ausgeübt werden könnten. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, die notwendigen Sachverhaltserhebungen zur Beurteilung der ausreichenden Betätigungsmöglichkeit des namhaft gemachten gewerberechtlichen Geschäftsführers durchzuführen. Die Beschwerdeführerin hätte dazu gerne beigetragen und es wäre dabei herausgekommen, daß der gewerberechtliche Geschäftsführer auf Grund zahlreicher Flüge und auch auf Grund seiner Wohnungssuche in Wien regelmäßig im Betrieb anwesend gewesen sei und sich auch ausreichend im Betrieb habe betätigen können. Auch habe es die belangte Behörde unterlassen, der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu geben, entsprechende Unterlagen zum Nachweis dafür beizubringen, daß sie im Rahmen ihres angemeldeten Gewerbes auch ohne genehmigungspflichtige Betriebsanlage tätig sein könne.
Gemäß § 339 Abs. 1 GewO 1994 hat, wer ein Gewerbe ausüben will, soweit es sich nicht um ein bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe handelt, die Gewerbeanmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten.
Nach § 340 Abs. 1 leg. cit. hat die Bezirksverwaltungsbehörde auf Grund der Anmeldung des Gewerbes zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen. Liegen sie nicht vor, so hat sie nach dem Abs. 7 dieser Gesetzesstelle - unbeschadet eines Verfahrens nach § 366 Abs. 1 Z. 1 - dies mit Bescheid festzustellen und die Ausübung des Gewerbes zu untersagen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist wegen des konstitutiven Charakters der Gewerbeanmeldung bei der der Behörde nach § 340 GewO 1994 aufgetragenen Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Gewerbeanmeldung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen. Im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 GewO 1994 müssen die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen im Sinne des § 340 Abs. 1 leg. cit. auch in Ansehung des bestellten Geschäftsführers in diesem Zeitpunkt gegeben sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 6. November 1995, Zl. 94/04/0057).
Gemäß § 39 Abs. 2 GewO 1994 in der nach der soeben dargestellten Rechtslage hier maßgebenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1996 muß der Geschäftsführer den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen und unter anderem in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen.
Bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes der "entsprechenden" Betätigungsmöglichkeit eines Geschäftsführers im Sinne dieser Gesetzesstelle ist in erster Linie auf die Bestimmungen der Abs. 1 und 5 leg. cit. Bedacht zu nehmen, aus denen hervorgeht, daß der bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer der Behörde gegenüber anstelle des Gewerbeinhabers für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist. Daraus ergibt sich im Zusammenhang mit der Art der von dem jeweils in Betracht kommenden Gewerbe umfaßten Tätigkeit auch das Ausmaß des erforderlichen Betätigungsumfanges des Geschäftsführers. Eine entsprechende Betätigung kann danach nur angenommen werden, wenn durch sie eine gesetzmäßige Gewerbeausübung sichergestellt und somit unter Bedachtnahme auf die im Einzelfall in Betracht zu ziehende gewerberechtliche Betätigung die bloße Scheinerfüllung dieses Erfordernisses ausgeschlossen wird. Es muß somit unter Bedachtnahme auf die Art oder auf den Umfang des Gewerbebetriebes und auf die Lebensumstände des Geschäftsführers die Beurteilung gerechtfertigt sein, daß der Geschäftsführer zu einer derartigen Betätigung in der Lage ist (vgl. ebenfalls das hg. Erkenntnis vom 6. November 1995, Zl. 94/04/0057).
Der Verwaltungsgerichtshof vermag zunächst die Ansicht der belangten Behörde nicht zu teilen, allein die große Entfernung zwischen dem Wohnsitz des in Aussicht genommenen gewerberechtlichen Geschäftsführers und dem Standort des Unternehmens schließe die Möglichkeit einer entsprechenden Betätigungsmöglichkeit im Sinne des § 39 Abs. 2 GewO 1994 jedenfalls aus, ist doch schon auf Grund der allgemein bekannten Verkehrsverhältnisse etwa ein wöchentliches Pendeln zwischen den beiden betroffenen Städten durchaus denkbar. Unter den gegebenen Umständen wäre es daher Aufgabe der belangten Behörde gewesen, im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht, die Beschwerdeführerin zur Erstattung eines geeigneten Vorbringens über die entsprechende Betätigungsmöglichkeit ihres in Aussicht genommenen gewerberechtlichen Geschäftsführers und zur Bekanntgabe entsprechender Beweismittel aufzufordern.
Ähnliches gilt für die Annahme der belangten Behörde, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewerbeausübung seien auch deswegen nicht gegeben, weil die erforderliche Betriebsanlagengenehmigung im Anmeldungszeitpunkt noch nicht vorgelegen sei.
Gemäß § 15 GewO 1994 darf eine gewerbliche Tätigkeit nicht ausgeübt werden, wenn Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der hierauf gegründeten Verordnungen dieser Tätigkeit entgegenstehen; die etwa erforderliche Genehmigung der Betriebsanlage (§ 74) muß bei der Anmeldung des Gewerbes oder der Erteilung der Bewilligung aber noch nicht vorliegen, sofern das Gewerbe wenigstens zum Teil auch ohne den Betrieb dieser Anlage ausgeübt werden kann.
Um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen des zweiten Halbsatzes dieser Gesetzesstelle gegeben sind oder nicht, wäre es im vorliegenden Fall notwendig gewesen, jene Tätigkeiten festzustellen, die im Rahmen des angemeldeten Gewerbes ausgeübt werden können, um so beurteilen zu können, ob nicht wenigstens ein Teil dieser Tätigkeiten auch ohne eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ausgeübt werden kann. Daß die Beschwerdeführerin die Errichtung einer automatischen Waschstraße mit Kfz-Innenreinigungsboxen plante, schließt keineswegs aus, daß das angemeldete Gewerbe wenigstens zum Teil auch ohne eine solche Betriebsanlage ausgeübt werden kann.
Da es somit die belangte Behörde unterließ, den für eine abschließende Beurteilung der vorliegenden Rechtsfrage erforderlichen Sachverhalt umfassend zu erheben, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das den Zuspruch von Umsatzsteuer zum Schriftsatzaufwand betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die Pauschalierung dieses Aufwandersatzes in der genannten Verordnung, die auch die Umsatzsteuer umfaßt, abzuweisen.
Wien, am 27. Jänner 1999
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998040189.X00Im RIS seit
20.11.2000