TE Vwgh Erkenntnis 1999/1/27 98/04/0218

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Veröffentlicht am 27.01.1999
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Index

50/04 Berufsausbildung;

Norm

BAG 1969 §4 Abs4 litd;
BAG 1969 §4 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark in Graz, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. Oktober 1998, Zl. 04-23/25-98/8, betreffend Verfahren gemäß § 4 Abs. 4 BAG (mitbeteiligte Partei: KS in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. Oktober 1998 wurden gemäß § 4 Abs. 4 lit. d in Verbindung mit § 4 Abs. 10 BAG die Anträge der Wirtschaftskammer Steiermark, Lehrlingsstelle, und der Beschwerdeführerin auf Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen wegen Nichtvorliegens einer gröblichen Pflichtverletzung der mitbeteiligten Partei als Lehrberechtigten abgewiesen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, der erstbehördliche Bescheid, mit dem bereits die verfahrensgegenständlichen Anträge abgewiesen worden seien, sei damit begründet worden, der Lehrberechtigte habe während der letzten Monate seine Verpflichtungen voll erfüllt bzw. sei besonders bemüht gewesen, eine qualitätsvolle Lehrlingsausbildung zu vermitteln. Eine gröbliche, also erhebliche bzw. ins Gewicht fallende Verletzung der Ausbildungspflichten des Lehrberechtigten könne bei der vorliegenden Sachlage in keinem Fall erwiesen werden. Vielmehr sei davon auszugehen, daß die Lehrlinge aufgrund der vom Ausbildungsberechtigten glaubwürdig angegebenen geringen Gesamtanzahl der spezifischen Reparaturarbeiten naturgemäß oft nur in geringem Ausmaß mit diesen Arbeiten hätten betraut werden können. Bei der Beiziehung zu den in Rede stehenden Tätigkeiten hätten das persönliche Interesse und die Bemühungen der Lehrlinge wohl eine Rolle gespielt. Aufgrund der überwiegenden Angaben und der Gesamtbetrachtung der Ergebnisse der Lehrabschlußprüfungen sei jedoch davon auszugehen, daß die Lehrlingsausbildung geeignet gewesen sei, allen Lehrlingen ausreichende Fachkenntnisse und Fertigkeiten im Lehrberuf "Kraftfahrzeugmechaniker" zu vermitteln und daß die Lehrlinge in ihrer einschlägigen Ausbildung somit nicht durch überwiegende Betrauung mit Hilfsverrichtungen verkürzt worden seien. Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin Berufung erhoben. Laut der im Berufungsverfahren eingeholten Stellungnahme der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer Steiermark vom 24. August 1998 habe aufgrund eines am 20. August 1998 bei der mitbeteiligten Partei durchgeführten Betriebsbesuches festgestellt werden können, daß sich die Lehrlingssituation verbessert bzw. stabilisiert habe. Bei einer an Ort und Stelle im Beisein eines Vertreters der Beschwerdeführerin durchgeführten Befragung hätten drei Lehrlinge angegeben, daß sie bis dato gemäß dem Berufsbild für Kraftfahrzeugmechaniker ausgebildet würden. Weiters habe der Mitbeteiligte angegeben, er führe mit den Lehrlingen zusätzlich eine betriebsinterne Aus- und Weiterbildung in Theorie und Praxis durch. Abschließend werde noch festgehalten, daß sowohl der Vertreter der Beschwerdeführerin als auch die Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer Steiermark selbst den Eindruck vermittelt bekommen hätten, daß sich die Situation gegenüber dem letzen Betriebsbesuch verbessert habe. In ihrer dazu eingeholten Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin erklärt, die am 20. August 1998 von der Lehrlingsstelle erhobenen Ausbildungsbedingungen seien ohne Relevanz für die Entscheidungsfindung, weil andernfalls jede auch noch so grobe rechtswidrige Vorgangsweise des Lehrberechtigten nachträglich durch die tatsächliche oder auch nur angekündigte Besserung des Ausbildungsverhaltens saniert werden könnte. Ausgehend von den Bestimmungen des § 4 Abs. 4 lit. d und des § 4 Abs. 5 BAG gelangte der Landeshauptmann sodann aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens zu dem Ergebnis, da sich die Lehrlingssituation im Betrieb der mitbeteiligten Partei nunmehr stabilisiert habe, könne angenommen werden, daß der Betrieb und die Werkstätte so eingerichtet seien und so geführt würden, daß den Lehrlingen die für die praktische Erlernung im Lehrberuf "Kraftfahrzeugmechaniker" nötigen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden könnten. Es sei daher von einem Verbot der Lehrlingsausbildung abzusehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird in der Beschwerde im wesentlichen geltend gemacht, um beurteilen zu können, ob dem Lehrberechtigten eine gröbliche Verletzung seiner Pflichten zur Last liege, sei es erforderlich, konkrete Feststellungen über jedes einzelne als solche Pflichtverletzung angesehene Verhalten des Lehrberechtigten zu treffen. Als Pflichtverletzungen im Sinn des § 4 Abs. 4 lit. d BAG seien Zuwiderhandlungen insbesondere gegen die in § 9 BAG getroffenen gesetzlichen Anordnungen zu verstehen, demnach vor allem gegen die Ausbildungsverpflichtungen gemäß den Berufsbildinhalten. Solche erforderliche konkrete Feststellungen enthalte der bekämpfte Bescheid überhaupt nicht, obwohl die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung genau aufgelistet habe, welche in diese Richtung weisende (in der Beschwerde im einzelnen wiederholte) Ermittlungsergebnisse vorlägen. Diese Ergebnisse ließen konkrete Umstände über gröbste Pflichtverletzungen des Lehrberechtigten im Sinne des § 4 Abs. 4 lit. d BAG erkennen. Die einzige aus der Bescheidbegründung zu konkretisierende Feststellung, die Lehrlingssituation habe sich verbessert bzw. stabilisiert und drei Lehrlinge hätten nunmehr angegeben, daß sie bis dato dem Berufsbild für Kraftfahrzeugmechaniker entsprechend ausgebildet würden, sei rechtlich ohne Relevanz. Der Versuch des Lehrberechtigten, nach jahrelangen gröblichsten Pflichtverletzungen im allerletzen Moment vor der Behördenentscheidung einen Rettungsversuch zu unternehmen und den Verpflichtungen des Lehrberechtigten nachzukommen, sei nicht geeignet, den bereits erfüllten Tatbestand des § 4 Abs. 4 lit. d BAG ungeschehen zu machen. Es sei vielmehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, daß der Lehrberechtigte auch künftig - wie schon durch Jahre vorher - diese Pflichten gröblich verletzen werde. Dabei sei der belangten Behörde vorzuwerfen, daß sie auch zur angeblichen Verbesserung bzw. Stabilisierung der Lehrlingssituation keinerlei konkrete Tatsachenfeststellungen treffe, sondern sich lediglich damit zufrieden gebe, subjektive Werturteile von drei befragten Lehrlingen als gegebene Tatsachen hinzunehmen. Obwohl nach Meinung der Beschwerdeführerin rechtlich nicht erheblich, hätte es zumindest dazu konkreter Feststellungen bedurft, ob und in welchem Umfang zuvor gesetzte grobe Pflichtverletzungen nun unterblieben und welchen Verpflichtungen an deren Stelle der Lehrberechtigte nun nachkomme. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt die Beschwerdeführerin vor, nach dem klaren Wortlaut des § 4 Abs. 4 lit. d BAG bilde die erfolgte gröbliche Verletzung der Verpflichtungen des Lehrberechtigten die rechtliche Voraussetzung für die Entziehung der Ausbildungsbefugnis. Dies könne nur bedeuten, daß die Behörde bei einer erfolgten Pflichtverletzung die Befugnis zu entziehen habe. Ein Ermessensspielraum sei der Behörde gesetzlich nicht eingeräumt. Selbst wenn der Lehrberechtigte nach gröblicher Pflichtverletzung eine Verbesserung bzw. Stabilisierung der Lehrlingssituation vornehme, sei es der Behörde verwehrt, von der gesetzlich zwingend vorgesehenen Maßnahme der Entziehung der Ausbildungsberechtigung abzusehen.

Gemäß § 4 Abs. 4 BAG hat die Bezirksverwaltungsbehörde einem Lehrberechtigten nach Anhörung der für ihn zuständigen Fachgruppe (Fachvertretung, Kammer der gewerblichen Wirtschaft-Sektion Handel) und der Kammer für Arbeiter und Angestelle die Ausbildung von Lehrlingen zu untersagen,

........

d) wenn der Lehrberechtigte oder der Ausbilder die Pflichten gegenüber seinem Lehrling gröblich verletzt, insbesondere wenn eine dieser Personen an dem nicht entsprechenden Ergebnis einer Lehrabschlußprüfung Schuld trägt, Vereinbarungen betreffend eine Ausbildung im Rahmen eines Ausbildungsverbundes nicht einhält oder diese Personen bzw. die verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Personen wiederholt gemäß § 32 Abs. 1 bestraft wurden und dennoch diesen Pflichten nicht nachgekommen sind.

Nach dem Abs. 5 dieser Gesetzesstelle kann die Ausbildung von Lehrlingen für immer oder auch, je nach Art des Grundes, aus dem die Nichteignung des Lehrberechtigten oder des Ausbilders anzunehmen ist, für eine angemessene Zeit untersagt werden. Ist eine gerichtliche Untersuchung der Grund der Maßnahme, so ist auszusprechen, daß das Verbot mit der Einstellung des Strafverfahrens oder dem rechtskräftigen Freispruch endet. Ist die Nichteignung des Ausbilders (Abs. 4 lit. a bis d) oder des Betriebes oder der Werkstätte (Abs. 4 lit. e) der Grund der Maßnahme, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde von dem Verbot abzusehen oder ein bereits erlassenes Verbot aufzuheben, wenn ein geeigneter Ausbilder mit der Ausbildung betraut wurde oder der Lehrberechtigte selbst die Ausbildung übernimmt, bzw. wenn der Betrieb oder die Werkstätte nunmehr den Anforderungen des § 2 Abs. 6 entspricht.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich zunächst nicht der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin anzuschließen, eine einmal erfolgte gröbliche Verletzung der Verpflichtungen des Lehrberechtigten habe ohne Rücksicht auf die weitere Entwicklung der Ausbildungssituation im Betrieb jedenfalls zu einer Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen nach § 4 Abs. 4 lit. d BAG zu führen. Die in dieser Gesetzesstelle vorgesehene Maßnahme ist, wie sich sowohl aus der Formulierung dieser Norm als auch aus dem systematischen Zusammenhang, insbesondere aus der Regelung des § 4 Abs. 5 leg. cit. ergibt, nicht als Sanktionierung eines in der Vergangenheit gelegenen Fehlverhaltens des Lehrberechtigten oder des Ausbilders zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um eine Sicherungsmaßnahme im Interesse der Lehrlinge, mit dem Ziel, Lehrlinge vor ungeeigneten Lehrberechtigten oder Ausbildern zu schützen. § 4 Abs. 4 lit. d BAG knüpft entgegen dem Beschwerdevorbringen als Tatbestandsvoraussetzung nicht an eine in der Vergangenheit erfolgte Pflichtverletzung durch den Lehrberechtigten oder den Ausbilder an, sondern, wie sich aus der Verwendung der in diesem Text gesetzten Zeitworte in der Gegenwart ergibt, an einen in der Gegenwart, also im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides durch die Behörde gegebenen Zustand. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Bestimmung des § 4 Abs. 5 letzter Satz BAG gestützt, aus dem die Absicht des Gesetzgebers zu erkennen ist, von einer Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen abzusehen, wenn trotz Verwirklichung eines Tatbestandes im Sinne des § 4 Abs. 4 lit. d leg. cit. in der Vergangenheit nunmehr dieser Mißstand weggefallen ist.

Von dieser Rechtslage ausgehend vermag der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit den von der belangten Behörde getroffenen und in ihrer Richtigkeit von der Beschwerdeführerin auch nicht bekämpften Feststellungen in der Rechtsansicht der belangten Behörde, es seien in dem allein maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 4 lit. d BAG für eine Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen durch die mitbeteiligte Partei nicht mehr gegeben, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erkennen. Für die in der Beschwerde enthaltene Behauptung, es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, der Lehrberechtigte werde auch künftig diese Pflichten verletzen, bieten weder die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen einen Anhaltspunkt noch wird in der Beschwerde ausgeführt, worauf die Beschwerdeführerin diese Annahme gründet.

Der Beschwerdeführerin ist in diesem Zusammenhang zwar zuzugestehen, daß sich die belangte Behörde, was den maßgeblichen Sachverhalt anbelangt, auf die Wiedergabe der Aussage von drei im Betrieb beschäftigten Lehrlingen sowie der mitbeteiligten Partei beschränkt hat. Die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid lassen allerdings mit ausreichender Deutlichkeit erkennen, daß die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung diesen Aussagen folgt und den damit bezeugten Sachverhalt als erwiesen annimmt. Bei einem solchen Verständnis der Ausführungen im angefochtenen Bescheid kann aber entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht gesagt werden, die belangte Behörde habe zu der von ihr angenommenen Verbesserung bzw. Stabilisierung der Lehrlingssituation keine konkreten Feststellungen darüber getroffen, ob und in welchem Umfang zuvor gesetzte grobe Pflichtverletzungen nun unterbleiben und welchen Pflichten an deren Stelle die mitbeteiligte Partei nun nachkomme.

Aus den dargelegten Gründe war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. Jänner 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998040218.X00

Im RIS seit

21.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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