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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z1Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der Y M D in S, vertreten durch Mag.a Veronika Sengmüller, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Bergstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. März 2019, G301 2190844-1/20E, betreffend insbesondere Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine 1983 geborene kubanische Staatsangehörige, die sich bereits im Jahr 2013 aufgrund eines entsprechenden Visums etwa drei Monate in Österreich aufgehalten hatte, reiste (über München) am 27. Juni 2017 mit einem bis 25. September 2017 gültigen Schengen-Visum neuerlich nach Österreich ein. In der Folge wohnte sie bei ihrer Cousine, einer mit einem österreichischen Staatsbürger verheirateten kubanischen Staatsangehörigen, in Salzburg.
2 Vor Ablauf der Gültigkeit des Visums stellte die Revisionswerberin am 2. September 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 7. März 2018 zur Gänze abwies (Spruchpunkte I. und II.). Unter einem sprach das BFA (von Amts wegen) aus, dass der Revisionswerberin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.). Des Weiteren erließ das BFA gegen die Revisionswerberin gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung nach Kuba zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich setzte das BFA die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).
3 Die dagegen erhobene Beschwerde zog die Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 11. Juli 2018 in Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. wieder zurück. Betreffend den übrigen, aufrecht erhaltenen Teil der Beschwerde erkannte das BVwG mit dem am Ende dieser Verhandlung verkündeten und sodann am 1. August 2018 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis dahin, dass der Beschwerde "hinsichtlich der Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides" stattgegeben und gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt werde, eine Rückkehrentscheidung sei auf Dauer unzulässig. Demzufolge wurde des Weiteren ausgesprochen, dass der Revisionswerberin gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werde. 4 Infolge der dagegen vom BFA eingebrachten Amtsrevision hob der Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung mit Erkenntnis vom 24. Jänner 2019, Ra 2018/21/0191, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
5 In Anknüpfung an ein näher dargestelltes Judikat zu einer Dauer des Inlandsaufenthalts eines Fremden von knapp unter drei Jahren (VwGH 30.7.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058) verwies der Verwaltungsgerichtshof in seiner Begründung dann auf die damit im Einklang stehende Entscheidung VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0143 bis 0147, Rn. 7, in der er zu einem dort gegebenen Inlandsaufenthalt von eineinhalb Jahren meinte, es könne von einer ins Gewicht fallenden Aufenthaltsdauer im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG keine Rede sein und somit könnte ein mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung verbundener Eingriff in das Privatleben nur unter außergewöhnlichen Umständen die Unzulässigkeit dieser Maßnahme bewirken. Das müsse - so begründete der Verwaltungsgerichtshof dann fallbezogen - umso mehr für einen erst rund ein Jahr dauernden Aufenthalt, wie ihn die Mitbeteiligte (nunmehr: Revisionswerberin) aufweise, gelten, zumal auch bei ihr nur ein Eingriff in das Privatleben und nicht auch in ein Familienleben zur Debatte stehe. Nun werde nicht verkannt, dass die unbescholtene Mitbeteiligte (nunmehr: Revisionswerberin) - wie das BVwG ins Treffen führte - besondere Bemühungen bei der Erlangung von Deutschkenntnissen und einer Beschäftigung zeigte, bisher keine staatlichen Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen musste und Anstrengungen zur sozialen Integration unternommen habe. Allerdings bestehe insgesamt trotzdem keine derartige Verdichtung ihrer persönlichen Interessen, dass von "außergewöhnlichen Umständen" gesprochen werden könne, und ihr allein deshalb unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste. Das BVwG habe sich daher insgesamt bei seiner Entscheidung nicht innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof zu der bei einer Rückkehrentscheidung vorzunehmenden Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG entwickelten Grundsätze bewegt, weshalb eine Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG vorzunehmen gewesen sei. 6 Im hierauf fortgesetzten Verfahren erließ das BVwG das nunmehr angefochtene Erkenntnis vom 4. März 2019, mit dem die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des Bescheides des BFA vom 7. März 2018 als unbegründet abgewiesen wurde. Unter einem sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 7 Im Rahmen der Begründung der Rückkehrentscheidung legte das BVwG dar, der (in Rn. 4 wiedergegebenen) Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes folgend führe die neuerlich vorzunehmende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG dazu, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts der Revisionswerberin deren persönliches Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiege, sodass die Rückkehrentscheidung keine Verletzung des Art. 8 EMRK bewirke. Auch sonst seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung (auf Dauer oder vorübergehend) unzulässig erscheinen ließen.
8 Gegen dieses Erkenntnis, ihrem Inhalt nach aber nur gegen die Bestätigung der Rückkehrentscheidung (und damit auch gegen die darauf aufbauenden Aussprüche), richtet sich die vorliegende Revision, über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11 Unter diesem Gesichtspunkt bemängelt die Revisionswerberin, aus der bekämpften Entscheidung gehe nicht hervor, warum das BVwG nunmehr "diametral anders" entschieden habe als im ersten Rechtsgang. Diese Entscheidung sei nur formal und nicht inhaltlich begründet worden, indem das BVwG lediglich dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 2019 zu Ra 2018/21/0191 folge, wobei sich die Revisionswerberin dabei auf die in Rn. 6 wiedergegebene Begründung des BVwG bezieht.
12 Diese Vorgangsweise des BVwG war aber nicht rechtswidrig, sondern damit wurde nur der sich aus § 63 Abs. 1 VwGG ergebenden Bindungswirkung (siehe dazu etwa VwGH 12.9.2013, 2013/21/0118) Rechnung getragen. Durch die im Vorerkenntnis vom Verwaltungsgerichtshof geäußerte Rechtsanschauung war klargestellt, dass die Interessenabwägung - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des BVwG-Erkenntnisses am 11. Juli 2018 - zu Lasten der Revisionswerberin hätte ausgehen müssen. Ihr anschließender Aufenthalt war aber (weiterhin) nur auf den - zurückgezogenen - Antrag auf internationalen Schutz gegründet und erreichte bis zur Erlassung des vorliegend bekämpften Erkenntnisses insgesamt nur eine Dauer von etwa einem Jahr und acht Monaten. Dabei handelt es sich aber nach der schon dem Vorerkenntnis zugrunde gelegten Judikatur um keine ins Gewicht fallende Aufenthaltsdauer im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, sodass es nach wie vor außergewöhnlicher Umstände bedurft hätte, um der Revisionswerberin ein aus Art. 8 EMRK ableitbares Bleiberecht zuzugestehen.
13 Das Vorliegen von Anhaltspunkten für derartige außergewöhnliche Umstände durfte das BVwG aber - auch bezogen auf seinen nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt - auf Basis der Aktenlage weiterhin verneinen. In diesem Zusammenhang rügt die Revision zwar die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung, in der sie hätte vorbringen können, dass sie "sich seit geraumer Zeit in einer, wenn auch nicht durch eine Ehe legitimierten, dennoch festen Beziehung mit einem in Österreich aufenthaltsverfestigten kubanischen Staatsbürger" befinde. Diesem nicht weiter konkretisierten Einwand fehlt aber schon die Relevanz, weil auch die zusätzliche Berücksichtigung einer solchen "Liebesbeziehung" (so die Revision an anderer Stelle) im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen hätte können.
14 Soweit die Revisionswerberin die Durchführung einer Verhandlung auch noch zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks für erforderlich hält, ist ihr zu entgegnen, dass es dazu bereits in der vom selben Richter des BVwG durchgeführten Verhandlung am 11. Juli 2018 gekommen ist. Im Übrigen liegt hier ein eindeutiger Fall vor, der es dem BVwG ungeachtet eines in der Beschwerde diesbezüglich gestellten Antrags erlaubte, ohne Verhandlung zu entscheiden (vgl. etwa VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316, Rn. 7, mwN).
15 Der Revision gelingt es somit nicht, eine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.
Wien, am 16. Mai 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210110.L00Im RIS seit
04.09.2019Zuletzt aktualisiert am
04.09.2019