TE Vwgh Beschluss 2019/5/21 Ra 2019/03/0009

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Veröffentlicht am 21.05.2019
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Index

E3L E06202050
001 Verwaltungsrecht allgemein
16/02 Rundfunk
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
ORF-G 2001 §10
ORF-G 2001 §10 Abs12
ORF-G 2001 §3 Abs1
ORF-G 2001 §3 Abs8
ORF-G 2001 §38 Abs1
ORF-G 2001 §4e
ORF-G 2001 §4e Abs1
VStG §1 Abs2
VStG §19
VStG §19 Abs2
VStG §22
VStG §25 Abs2
VStG §44a Z1
VStG §5 Abs1
VStG §5 Abs1a
VStG §5 Abs1a idF 2018/I/057
VStG §5 idF 2018/I/057
VStG §9 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
32010L0013 audiovisuelle Mediendienste Art27

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/03/0010

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision

1.) des Dr. R F in W, vertreten durch Mag. Dr. Mathis Fister, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7/III, und 2.) des Österreichischen Rundfunks in Wien, vertreten durch Tschurtschenthaler Walder Fister Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Jänner 2018, Zl. W271 2141209- 1/14E und Zl. W271 2141209-2/14E, betreffend Übertretungen des ORF-Gesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kommunikationsbehörde Austria), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 I. Gegenstand

2 A. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht (KommAustria) vom 12. Oktober 2016 wurde der Erstrevisionswerber als verantwortlicher Beauftragter für den gesamten Bereich der zweitrevisionswerbenden Partei (ORF) gemäß § 9 Abs. 2 VStG wegen der Übertretung des § 38 Abs. 1 Z 1 ORF-G für schuldig erkannt, weil er es zu verantworten habe, dass in dem gemäß § 3 Abs. 5 Z 2 ORF-G bereitgestellten Online-Angebot TVthek.ORF.at vier näher bezeichnete Sendungen, die jeweils geeignet gewesen seien, die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen zu beeinträchtigen, jeweils ohne zeitliche Einschränkung und ohne Maßnahmen, die gewährleistet hätten, dass diese Sendungen von Minderjährigen üblicherweise nicht gesehen werden könnten, bereitgestellt worden seien. Der Erstrevisionswerber habe dadurch jeweils § 38 Abs. 1 Z 1 iVm § 10 Abs. 12 iVm § 18 Abs. 1 ORF-G iVm § 9 Abs. 2 VStG verletzt. Es wurden über den Erstrevisionswerber vier Geldstrafen in Höhe von insgesamt EUR 65.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von insgesamt 22 Tagen) verhängt (die höchste Geldstrafe betrug EUR 20.000,--). Gemäß § 9 Abs. 7 VStG hafte der ORF für die verhängten Geldstrafen sowie die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

3 B. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (VwG) die von den revisionswerbenden Parteien erhobene Beschwerde insoweit als unbegründet ab, als es die vier verhängten Geldstrafen (aufgrund der geänderten Einkommensverhältnisse des Erstrevisionswerbers) herabsetzte (die höchste Geldstrafe beläuft sich nunmehr auf EUR 12.000,--) und den im Spruch angeführten Zeitraum der Bereitstellung einer Sendung korrigierte. Weiters erachtete es eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof als unzulässig.

4 In der Begründung seiner Entscheidung führte das VwG zusammengefasst aus, dass eine Verwaltungsübertretung vorliege, weil bereits der Einleitungssatz des § 38 Abs. 1 ORF-G auch eine mögliche Strafbarkeit im Zusammenhang mit der Bereitstellung von "sonst einem Online-Angebot" vorsehe, wenn dabei die in § 38 Abs. 1 Z 1 bis Z 10 ORF-G aufgezählten verwiesenen Bestimmungen verletzt werden würden. Dies sei auch aus den Materialien zum ORF-G ersichtlich. Der im Straferkenntnis mitangeführte § 18 Abs. 1 ORF-G sei der gesetzliche Brückenschlag zur

uneingeschränkten Anwendbarkeit des ORF-G auch auf Online-Angebote im öffentlich-rechtlichen Auftrag, soweit es sich nicht um fernseh- oder radiospezifische Bestimmungen handle. Einen eigenen Tatbestand, gegen den verstoßen werden könnte, normiere § 18 Abs. 1 ORF-G erkennbar nicht. Auch wenn der hier maßgebliche § 10 Abs. 12 ORF-G lediglich "Hörfunk- und Fernsehsendungen" erwähne, könnten ohne Zweifel auch Online-Angebote die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen, weil es schließlich keinen Unterschied mache, ob ein Minderjähriger eine entwicklungsbeeinträchtigende Sendung über das Fernsehen oder über den Online-Zugang des ORF konsumiere. Weiters würden die hier relevanten Bestimmungen des ORF-G klar vorschreiben, dass Sendungen mit Entwicklungsbeeinträchtigungspoten zial für Minderjährige auch im Internet nicht unbeschränkt zur Verfügung gestellt werden dürften. An einer ausreichenden Klarheit mangle es diesen Bestimmungen entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht.

5 Ob ein Online-Inhalt gegen § 10 Abs. 12 ORF-G verstoße, erfordere eine Prüfung, ob eine Sendung ein Beeinträchtigungspotenzial aufweise und ob durch die Wahl der Sendezeit oder durch eine sonstige Maßnahme dafür gesorgt worden sei, dass Minderjährige diese Sendung üblicherweise nicht sehen könnten. Aus den Bestimmungen des ORF-G ergebe sich, dass den Bereichen Pornografie und Gewalt ex lege ein bestimmtes Beeinträchtigungspotenzial für die Entwicklung Minderjähriger zuerkannt worden sei. § 10 Abs. 12 ORF-G umfasse Sendungen, deren Inhalte bloß grundsätzliches Gefährdungspotenzial für Minderjährige aufwiesen, und es reiche damit die bloße Möglichkeit einer Entwicklungsbeeinträchtigung von Minderjährigen aus, um den Tatbestand des § 10 Abs. 12 ORF-G zu erfüllen. Weise eine Sendung für Kinder von 0 bis 6 Jahren ein Entwicklungsbeeinträchtigungspote nzial auf, sei nach § 10 Abs. 12 ORF-G bereits dafür zu sorgen, dass diese Sendung üblicherweise nicht von Minderjährigen gesehen oder gehört werde. Somit sei auch eine schrankenlose Verfügbarkeit von Sendungen "ab 12 Jahren" nicht zulässig, da jüngere Kinder sehr wohl durch eine solche Sendung beeinträchtigt werden könnten. Die inkriminierten Sendungen würden in vielfachen Darstellungsvarianten Gewalt und deren Folgen zeigen, die einen Rückschluss auf eine Gewalteinwirkung zuließen. In jeder inkriminierten Sendung würden klar erkennbar physische Gewalt, die Tötung, und bzw. oder das Sterben von Personen sowie oftmals die blutigen Folgen von Gewalttaten szenisch dargestellt. Beispielsweise werde in den drei Tatort-Sendungen gezeigt, wie ein Mann mit einem Plastiksack erstickt werde, wobei dessen Todeskampf über eine halbe Minute lang zu sehen sei; ferner, wie ein Mann mit mehreren Brustschüssen getötet werde; weiters, wie ein Mann röchelnd einer Sturzverletzung erliege, während sich Blut um seinen Kopf ausbreite; schließlich, wie ein Mann ein Messer in der Brust stecken habe und röchelnd sterbe. Auch würden Leichenteile (Kopf, Fuß, Hand) gezeigt werden. Demgegenüber zeige die vierte inkriminierte Sendung "Die unlösbaren Fälle des Herrn Sand" die Morde etwas subtiler. So sehe man eine geknebelte sowie gefesselte Frau, die angstvolle Laute von sich gibt, ein Messer in der Hand des Mörders und anschließend viel Blut unterhalb des Halses der nunmehr reglosen Frau. Es sei auch für wenig seherfahrene Personen ersichtlich, dass diesem blutigen Ergebnis eine Gewalttat vorausgegangen sein müsse. Diesen Zusammenhang der gezeigten Auswirkungen einer Gewalttat und der vorangegangen nicht gezeigten Gewalttat könnten auch Kinder herstellen. Dass die gezeigten Szenen geeignet seien, die körperliche, geistige, oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen zu beeinträchtigen, ergebe sich bereits aus der allgemeinen Lebenserfahrung und erfordere in der Regel keine sachverständige Prüfung. Im vorliegenden Fall könne auf das menschliche Erfahrungsgut zurückgegriffen werden, weil das Beeinträchtigungspotenzial der inkriminierten Sendungen durch die dort gezeigten Gewalteinwirkungen und deren Folgen offenkundig sei. Die tatgegenständlichen Sendungen seien unbestritten zeitlich unbeschränkt in der ORF-TVthek zur Verfügung gestellt worden. Auch sonst seien im Tatzeitraum keine Maßnahmen getroffen worden, um zu verhindern, dass Minderjährige diese Sendungen üblicherweise sehen könnten. Die ORF-TVthek-Seiten mit Programm für Kinder (okidoki.ORF) seien lediglich Subdomains der Domain TVthek.ORF.at, wo gleichermaßen Erwachsenensendungen angeboten würden. In dieser Angebotsstruktur liege aber klar erkennbar keine technische Maßnahme, mit der dafür gesorgt werde, dass Minderjährige die inkriminierten Sendungen nicht hätten sehen können. Hinsichtlich aller vier Sendungen sei daher der objektive Tatbestand des § 10 Abs. 12 ORF-G erfüllt worden. Entgegen der Beschwerde liege auch kein entschuldbarer Rechtsirrtum vor, weil es der Erstrevisionswerber verabsäumt habe, sich an geeigneter Stelle zu erkundigen. Das Vorliegen eines das Verschulden ausschließenden Kontrollsystems sei von den revisionswerbenden Parteien gar nicht vorgebracht worden, weshalb gemäß § 5 Abs. 2 VStG ohne weiteres von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen sei. Bei den vier tatgegenständlichen Sendungen handle es sich um vier selbständige Übertretungen iSd § 22 Abs. 2 VStG, für welche nebeneinander Strafen zu verhängen seien. Weder liege ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vor, noch sei von einer tatbestandlichen Handlungseinheit auszugehen, welche die Verhängung bloß einer Strafe geboten hätte.

6 Hinsichtlich der Strafbemessung führte das VwG aus, dass die drei Tatort-Sendungen hinsichtlich ihres Beeinträchtigungspotenzial s insgesamt als vergleichbar zu bewerten seien und daher für jede Sendung eine Strafe in gleicher Höhe zu verhängen sei. Demgegenüber werde das Entwicklungsbeeinträchtigungspotenzial der Sendung "Die unlösbaren Fälle des Herrn Sand" höher bewertet, weil ein engerer Bezug zum typischen Lebens- und Erfahrungsumfeld von Kindern und unmündigen Minderjährigen hergestellt werde, indem die dargestellten Morde in einem Kinderzimmer, auf einem Spielplatz und in einem Kindergarten stattfänden. Zudem werde den Opfern jeweils ein zum Teil blutüberströmter Teddybär auf den Schoß gesetzt. Es sei somit für diese Sendung eine höhere Strafe zu verhängen. Erschwerungs- oder Milderungsgründe lägen keine vor. 7 C. Gegen diese Entscheidung richteten die revisionswerbenden Parteien zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die dieser nach Ablehnung ihrer Behandlung (VfGH 26.11.2018, E 811/2018-8) dem Verwaltungsgerichtshof nach Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat (VfGH 14.12.2018, E 811/2018-10). 8 Der Verfassungsgerichtshof hielt in seinem Beschluss vom 26. November 2018 eine Verletzung der revisionswerbenden Parteien in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht für so wenig wahrscheinlich, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe, und führte aus, dass insbesondere im Hinblick auf Art. 7 EMRK keine Bedenken ob der Verfassungskonformität des § 38 Abs. 1 Z 1 (iVm § 10 Abs. 2 iVm § 18 Abs. 1) ORF-G bestünden. Im Einleitungssatz der Strafbestimmung werde der Online-Bereich ausdrücklich erwähnt, und auch die Erläuterungen zur maßgeblichen Novelle würden nicht daran zweifeln lassen, dass der Gesetzgeber nicht nur die inhaltlichen Grundsätze des § 10 Abs. 2 ORF-G auf den Online-Bereich erstrecken, sondern auch deren Verletzung mit Verwaltungsstrafe bedrohen wollte.

9 D. Daraufhin wurde die vorliegende Revision insbesondere mit dem Begehren eingebracht, die Entscheidung des VwG wegen Unzuständigkeit des VwG, in eventu wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

10 Die KommAustria sah von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung ab.

11 II. Rechtslage

12 A. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen, wobei diese gesondert darzustellen sind (vgl. etwa VwGH 6.3.2019, Ra 2018/03/0138). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt dann nicht vor, wenn die Rechtslage völlig klar und eindeutig ist (vgl. aus der gefestigten Rechtsprechung etwa VwGH 5.9.2018, Ra 2018/03/0027, und VwGH 29.1.2015, Ra 2014/03/0061, beide mwH). 13 B. Art. 27 der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), ABl. L 95 vom 15. April 2010, Seite 1 (im Folgenden: AVMD-RL), lautet:

"KAPITEL VIII

SCHUTZ MINDERJÄHRIGER BEI FERNSEHPROGRAMMEN

Artikel 27

(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen angemessene Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Sendungen von Fernsehveranstaltern, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, keinerlei Programme enthalten, die die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen ernsthaft beeinträchtigen können, insbesondere solche, die Pornographie oder grundlose Gewalttätigkeiten zeigen.

(2) Die Maßnahmen gemäß Absatz 1 gelten auch für andere Programme, die die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, es sei denn, es wird durch die Wahl der Sendezeit oder durch sonstige technische Maßnahmen dafür gesorgt, dass diese Sendungen von Minderjährigen im Sendebereich üblicherweise nicht gesehen oder gehört werden.

(3) Werden derartige Programme in unverschlüsselter Form gesendet, so sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass ihre Ausstrahlung durch akustische Zeichen angekündigt oder durch optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich gemacht wird."

14 C. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des ORF-G, BGBl. Nr. 379/1984 idF BGBl. I Nr. 15/2012, lauten auszugsweise wie folgt:

"Besonderer Auftrag für ein Online-Angebot

§ 4e. (1) Der Österreichische Rundfunk hat zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags (§ 4) auch ein Online-Angebot bereitzustellen, das insbesondere sendungsbegleitende und in direktem Zusammenhang mit seinen Rundfunkprogrammen stehende Inhalte zu umfassen hat. Dieses Online-Angebot hat nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Tragbarkeit zu beinhalten:

...

4. einen Abrufdienst für die in den Programmen nach § 3 Abs. 1 und 8 ausgestrahlten Sendungen (Abs. 4).

...

(4) Der Abrufdienst gemäß Abs. 1 Z 4 umfasst nur Sendungen (einschließlich Hörfunk), die vom Österreichischen Rundfunk selbst oder in seinem Auftrag, sei es auch in Zusammenarbeit mit Dritten, hergestellt wurden. Für eine entsprechende Indexierung ist zu sorgen. Die Bereitstellung zum Abruf hat ohne Speichermöglichkeit (ausgenommen Podcasts) und für einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen nach Ausstrahlung, im Fall von Sportbewerben im Sinne von § 4b Abs. 4 bis zu 24 Stunden nach Ausstrahlung zu erfolgen. Archive mit zeit- und kulturgeschichtlichen Inhalten dürfen nach Maßgabe des Angebotskonzeptes (Abs. 5) auch zeitlich unbefristet zum Abruf bereitgestellt werden. Vorankündigungen von Sendungen im Rahmen des Abrufdiensts sind innerhalb eines angemessenen Zeitraums vor Ausstrahlung in den Programmen nach § 3 Abs. 1 und 8 zulässig.

...

Inhaltliche Grundsätze

§ 10.

...

(12) Bei Hörfunk- und Fernsehsendungen, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, ist durch die Wahl der Sendezeit oder sonstige Maßnahmen dafür zu sorgen, dass diese Sendungen von Minderjährigen üblicherweise nicht gesehen oder gehört werden.

...

Anforderungen an Teletext und Online-Angebote

§ 18. (1) Auf die Veranstaltung von Teletext und die Bereitstellung von Online-Angeboten im öffentlich-rechtlichen Auftrag finden die Regelungen dieses Bundesgesetzes uneingeschränkt Anwendung. Die Einnahmen des Österreichischen Rundfunks aus kommerzieller Kommunikation in seinen Online-Angeboten im öffentlich-rechtlichen Auftrag dürfen in jedem Geschäftsjahr die Höhe von 3 vH, ab 1. Jänner 2013 4 vH und ab 1. Jänner 2016 5 vH der Einnahmen des im vorangegangenen Kalenderjahr im Weg von § 31 Abs. 1 eingehobenen Programmentgelts nicht übersteigen.

(2) Auf die Veranstaltung von Teletext und die Bereitstellung von Online-Angeboten im Rahmen der kommerziellen Tätigkeiten (§ 8a) finden in inhaltlicher Hinsicht §§ 10 und 13 bis 17 Anwendung, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Der Anteil kommerzieller Kommunikation in diesen Angeboten wird durch Beschluss des Stiftungsrates festgelegt.

...

Verwaltungsstrafen

§ 38. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 58 000 Euro zu bestrafen, wer - soweit die nachfolgend genannten Bestimmungen auf seine Tätigkeit Anwendung finden - nach diesem Bundesgesetz ein Programm veranstaltet, einen Abrufdienst anbietet oder sonst ein Online-Angebot bereitstellt und dabei

1. die Programmgrundsätze des § 10 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 11 bis 13 verletzt;

..."

15 D. Die vorliegend relevanten Bestimmungen des VStG (bzw. §§ 5 und 69 idF BGBl. I Nr. 57/2018) lauten auszugsweise wie folgt:

"Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit

§ 1. (1) Als Verwaltungsübertretung kann eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.

(2) Die Strafe richtet sich nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre.

...

Schuld

§ 5. (1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

(1a) Abs. 1 zweiter Satz gilt nicht, wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über 50 000 Euro bedroht ist.

...

Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

...

§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

...

Inkrafttreten

§ 69.

...

(20) Für das Inkrafttreten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 57/2018 geänderten oder eingefügten Bestimmungen und für das Außerkrafttreten der durch das genannte Bundesgesetz aufgehobenen Bestimmungen sowie für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt Folgendes:

1.

...

2.

§ 5 Abs. 1a, (...) treten mit 1. Jänner 2019 in Kraft. ...

..."

16 III. Würdigung

17 A. Ausgehend von dieser Rechtslage ist es den

revisionswerbenden Parteien nicht gelungen, die Zulässigkeit ihrer Revision aufzuzeigen:

18 B. In der Zulässigkeitsbegründung der gegenständlichen Revision wird zunächst die Unzuständigkeit des VwG geltend gemacht, da ein Zuwiderhandeln gegen § 18 ORF-G keine Verwaltungsübertretung iSd § 38 Abs. 1 ORF-G bilde, weil ein Verstoß gegen diese Vorschrift in § 38 Abs. 1 Z 1 ORF-G nicht zur Verwaltungsübertretung erklärt worden sei. Das VwG habe demnach eine ihm nicht zustehende Zuständigkeit in Anspruch genommen. 19 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass der gegenständlich zu beurteilende Straftatbestand, wonach bei Hörfunk- und Fernsehsendungen, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, durch die Wahl der Sendezeit oder sonstige Maßnahmen dafür zu sorgen ist, dass diese Sendungen von Minderjährigen üblicherweise nicht gesehen oder gehört werden, in § 10 Abs. 12 ORF-G normiert ist. Ein Verstoß gegen diese Norm stellt gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 ORF-G eine Verwaltungsübertretung dar. Die zusätzliche Anführung des § 18 ORF-G als verletzte Verwaltungsbestimmung im Straferkenntnis der KommAustria dient offensichtlich lediglich der Klarstellung, dass die in § 10 leg. cit. normierten Grundsätze für das Teletext- und Online-Angebot im Rahmen der kommerziellen Tätigkeiten ebenso zur Anwendung kommen. Entgegen dem Revisionsvorbringen ergibt sich die Anwendbarkeit des hier maßgeblichen Verwaltungsstraftatbestande s des § 10 Abs. 12 ORF-G auf Online-Angebote bereits klar aus der Bestimmung des § 38 Abs. 1 ORF-G selbst, als diese Bestimmung auf Abrufdienste wie die gegenständliche ORF-TVthek oder die Bereitstellung eines sonstigen Online-Angebots abstellt. 20 Ebenso lassen die Gesetzesmaterialien zur maßgeblichen Novelle keinen Zweifel diesbezüglich offen, zumal dort klargestellt wird, dass die Änderungen die begriffliche Klarstellung bezwecken, dass sich die inhaltlichen Grundsätze des § 10 ORF-G nicht nur auf Radio und Fernsehen, sondern auch auf das Online-Angebot beziehen (vgl. ErläutRV 611 BlgNR, 24. GP, S 43). Gemäß § 4e Abs. 1 ORF-G hat der ORF zur Erfüllung des öffentlichrechtlichen Kernauftrags auch ein Online-Angebot bereitzustellen, welches unter anderem nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Tragbarkeit einen Abrufdienst für die in den Programmen nach § 3 Abs. 1 und 8 ORF-G ausgestrahlten Sendungen zu beinhalten hat. Vor diesem gesetzlichen Hintergrund lässt sich der Abrufdienst ORF-TVThek als Online-Angebot iSd § 4e ORF-G qualifizieren, auf welchen die Bestimmung des § 10 Abs. 12 ORF-G Anwendung findet. Aufgrund der dargestellten Rechtslage vermögen die revisionswerbenden Parteien auch mit ihrem Vorbringen, die Strafnorm des § 38 Abs. 1 Z 1 ORF-G iVm § 18 Abs. 1 ORF-G iVm § 10 Abs. 12 ORF-G sei nicht hinreichend klar gefasst, nichts zu gewinnen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Ablehnungsbeschluss vom 26. November 2018, E 811/2018-8, hinzuweisen. Diese im Ergebnis auch der vorliegend bekämpften Entscheidung zu Grunde gelegte Rechtslage erweist sich somit insofern als klar und eindeutig, weshalb die revisionswerbenden Parteien diesbezüglich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen vermögen. 21 C. Auf Grundlage dieser Ausführungen geht auch das Zulässigkeitsvorbringen, das VwG sei von der Rechtsprechung des VwGH abgewichen, indem es das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums der revisionswerbenden Parteien verneint habe, obwohl im ORF-G eine Strafbarkeit eines Verstoßes gegen § 18 Abs. 1 ORF-G nicht ansatzweise zum Ausdruck komme und einschlägige Rechtsprechung nicht existiere, fehl. Wie bereits ausgeführt, ist nicht § 18 Abs. 1 ORF-G, sondern § 10 Abs. 12 ORF-G iVm § 38 Abs. 1 Z 1 leg. cit. die hier zu beurteilende und auch im Spruch des Straferkenntnisses angeführte Verwaltungsstrafbestimmung, weshalb ein (allfällig) entschuldbarer Rechtsirrtum auch nur hinsichtlich dieser Bestimmungen vorliegen könnte. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass der Erstrevisionswerber zur Einhaltung der ihm als einer am Wirtschaftsleben teilnehmenden Person obliegenden Sorgfaltspflicht zur Objektivierung seiner Rechtsauffassung bezüglich des Inhaltes der übertretenen Rechtsvorschriften - wozu er nach seiner eigenen Darstellung offenbar rechtlichen Rates bedurfte - bei der zuständigen Behörde eine entsprechende Auskunft einzuholen gehabt hätte. Nach der unbestritten gebliebenen Feststellung des VwG hat der Erstrevisionswerber keine Erkundigungen bei der belangten Behörde eingeholt, weshalb ihm entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Parteien ein entschuldbarer Rechtsirrtum nicht zu Gute kommen kann (vgl. VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092, und VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0052, jeweils mwH). Mit dem Hinweis auf die Entscheidung des VwGH vom 21. Juni 2017, Ro 2016/03/0011, wonach ein entschuldbarer Rechtsirrtum auch dann vorliege, wenn die Auslegung der betreffenden Bestimmung des ORF-G nicht zweifelhaft sei und dazu keine Rechtsprechung vorliege, vermögen die revisionswerbenden Parteien nichts zu gewinnen, als im Revisionsfall - anders als in der dort zu beurteilenden Rechtssache - ein unionsrechtlich gebotenes einschränkendes Verständnis der hier relevanten gesetzlichen Bestimmung nicht geboten ist.

22 D. Weiters bringen die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem Begriff der "sonstigen technischen Maßnahme" iSd § 10 Abs. 12 ORF-G. Der ORF habe mit okidoki.ORF.at eine eigene Internetseite für Kinder bereitgestellt, eine solche Trennung von Online-Angeboten für Kinder von sonstigen Angeboten sei als "sonstige Maßnahme" im Sinne des § 10 Abs. 12 ORF-G zu qualifizieren.

23 Wie erwähnt ist gemäß § 10 Abs. 12 ORF-G bei Sendungen mit Entwicklungsbeeinträchtigungspotenzial durch die Wahl der Sendezeit oder sonstige Maßnahmen dafür zu sorgen, dass diese Sendungen von Minderjährigen üblicherweise nicht gesehen oder gehört werden. Nach den unbestrittenen Feststellungen des VwG wurden die gegenständlichen Sendungen zeitlich unbeschränkt in der ORF-TVthek zur Verfügung gestellt. Um Zugang zu den Inhalten der ORF-TVthek zu erlangen, ist es nicht erforderlich sich anzumelden, zu registrieren oder sich zu identifizieren. In der ORF-TVthek konnten im Tatzeitraum gleichermaßen Kinder- wie auch Erwachsenensendungen abgerufen werden, darunter auch die inkriminierten Sendungen. Auf Basis dieser Feststellung gelingt es den revisionswerbenden Parteien nicht, mit Erfolg der rechtlichen Beurteilung des VwG entgegenzutreten, dass nämlich keine Maßnahmen getroffen wurden, um dafür zu sorgen, dass diese Sendungen von Minderjährigen üblicherweise nicht gesehen oder gehört werden. Auch das Vorliegen einer eigenen Internetseite für Kinder kann daran nichts ändern, zumal ein Zugang über die ORF-TVthek den Feststellungen nach unbeschränkt und altersunabhängig möglich ist und damit jedenfalls auch "Minderjährigen" offensteht, unabhängig davon, welche Altersgruppe dazu zählt. Vor diesem Hintergrund ist die von den revisionswerbenden Parteien behauptete Notwendigkeit einer Vorlage zur Auslegung des Begriffes der "sonstigen Maßnahme" iSd AVMD-RL an den EuGH nicht gegeben. Gleiches gilt für die angeregte Vorlage zur Auslegung des Begriffes "minderjährig" iS der AVMD-RL. Zum Hinweis der Revision auf § 5 Abs. 5 des zwischen Ländern der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ist schließlich anzumerken, dass eine Rechtsvorschrift, wie sie in § 5 Abs. 5 leg. cit. enthalten ist, weder in der österreichischen Rechtsordnung vorgesehen noch in dieser Form ausdrücklich von Art. 27 der AVMD-RL verlangt wird.

24 E. Ferner bringen die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung vor, dass am 1. Jänner 2019 die Bestimmung des § 5 Abs. 1a VStG idF BGBl I 57/2018 in Kraft getreten sei, wonach die Vermutung fahrlässigen Verhaltens bei Ungehorsamsdelikten nicht gelte, wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über EUR 50.000,-- bedroht sei. Dies treffe im vorliegenden Fall zu. Diese begünstigende Rechtsänderung sei auch noch im Revisionsverfahren und zwar im Wege der Sachentscheidungskompetenz des VwGH wahrzunehmen.

25 Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich nach § 1 Abs. 2 VStG im Lichte seines von § 38 VwGVG geforderten Verständnisses die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht richtet, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung der verwaltungsbehördlichen Entscheidung geltende Recht günstiger wäre. Das "Günstigkeitsprinzip" des § 1 Abs. 2 VStG bezieht sich damit auf die die Strafe betreffenden Bestimmungen, es kommt auch dann zur Anwendung, wenn die Strafbarkeit eines Verwaltungsstraftatbestands nach dem Zeitpunkt der Begehung zur Gänze weggefallen ist. Rechtsänderungen nach abgeschlossener Tat berühren demnach - (wie vorliegend) bei Fehlen besonderer gegenteiliger Übergangsbestimmungen - eine bereits eingetretene Strafbarkeit nicht und haben, wenn Taten der gleichen Art auch weiterhin strafbar bleiben, nach § 1 Abs. 2 VStG nur hinsichtlich der Strafe zur Folge, dass bis zur Fällung der verwaltungsbehördlichen Entscheidung iSd § 1 Abs. 2 leg. cit. ein für den Täter günstigeres Recht zur Anwendung zu kommen hat. Im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingetretene Änderungen der Rechtslage sind im Bereich des Verwaltungsstrafrechts aber nicht erheblich (vgl. VwGH 13.9.2016, Ra 2016/03/0083, mwH). Da die gegenständlich zu beurteilende Rechtsänderung in § 5 VStG keine Änderung hinsichtlich der Strafe bewirkt, unterliegt sie - entgegen der Revision - auch nicht dem Günstigkeitsprinzip des § 1 Abs. 2 VStG (vgl. idS VwGH 13.9.2016, Ra 2016/03/0083; VwGH 23.9.2014, Ro 2014/11/0083; VwGH 24.4.2003, 2000/09/0083).

26 Ungeachtet dessen ist in diesem Zusammenhang noch anzumerken, dass auch nach der Rechtslage vor der maßgeblichen Novelle BGBl. I Nr. 57/2018 zum VStG die Beweislast dahin, ob eine beschuldigte Person den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt hat, das Verwaltungsgericht (bzw. davor die Verwaltungsbehörde) trifft; eine Umkehrung tritt erst dann in den Blick, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht und lediglich das Vorliegen eines Verschuldens in Abrede gestellt wird. Das Verwaltungsgericht (bzw. davor die Verwaltungsbehörde) hat bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die am Verschulden des Beschuldigten zweifeln lassen, (unabhängig von der Höhe der Strafdrohung iSd § 5 Abs. 1a leg. cit.) auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären. Die Regelung des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG befreit derart angesichts des § 25 Abs. 2 VStG das Verwaltungsgericht bzw. die Verwaltungsbehörde nicht von der Verpflichtung, von sich aus Umstände zu berücksichtigen, von denen sie etwa bereits bei der Ermittlung des äußeren Tatbestandes Kenntnis erlangt hat (vgl. VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092, mwH auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes). Da das Verwaltungsgericht demnach auch schon bisher eine amtswegige Ermittlungspflicht hinsichtlich des Vorliegens einer allfälligen Sorgfaltswidrigkeit trifft, stellt sich die aufgrund der zitierten VStG-Novelle geänderte Rechtslage im Hinblick auf § 5 VStG insoweit nicht als günstiger dar.

27 Weiters soll nach der lediglich in den Gesetzesmaterialien zu § 5 Abs. 1a VStG zum Ausdruck gebrachten Auffassung mit Blick auf § 9 Abs. 1 VStG ein Verschulden dann nicht anzunehmen sein, wenn der Verantwortliche nachweist, dass er eine qualitätsgesicherte Organisation eingerichtet und geführt hat, die durch externe Prüfung oder durch interne Überwachung (z.B. durch Betrauung geeigneter Mitarbeiter mit Kontrollaufgaben, fortlaufende Schulungen, den Einsatz automatisierter Überwachungsinstrumente etc.) regelmäßig kontrolliert wird (vgl. ErläutRV 193 BlgNR 26. GP, S 5; zum Fehlen einer selbständigen normativen Kraft von Gesetzesmaterialen vgl. im Übrigen aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 11.8.2017, Ra 2016/10/0090; VwGH 23.1.2018, Ra 2017/05/0090, und VwGH 27.2.2019, Ro 2018/15/0022). Dass im gegenständlichen Fall eine solche qualitätsgesicherte Organisation eingerichtet worden wäre, wurde von den revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aber ohnehin nicht dargestellt, weshalb die Revision insofern nichts zu gewinnen vermag (vgl. § 28 Abs. 3 VwGG). Der Vollständigkeit halber ist noch anzumerken, dass die nach den Gesetzesmaterialien im Rahmen einer qualitätsgesicherten Organisation einzurichtenden (regelmäßigen) Kontrollen der Organisation samt deren Tätigkeit - somit unter Einschluss präventiver Kontrollmaßnahmen - mit gutem Grund erwarten lassen müssen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Rechtsvorschriften gewährleistet ist.

28 F. Ferner meinen die revisionswerbenden Parteien, das VwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es die angeführten Tathandlungen als fortgesetztes Delikt hätte qualifizieren müssen. Die Tatvorwürfe lauteten jeweils auf gleichartige Einzelhandlungen sowie auf fahrlässige Verstöße gegen dieselben Rechtsvorschriften, es liege auch die geforderte zeitliche Kontinuität zwischen den Einzelverstößen vor. Das VwG ging demgegenüber von einer fahrlässigen Begehung mehrerer Taten durch den Erstrevisionswerber gemäß § 5 Abs. 1 VStG aus.

29 Der Verwaltungsgerichtshof kam in seinem Erkenntnis vom 3. Mai 2017, Ra 2016/03/0108, zum Ergebnis, dass im Verwaltungsstrafrecht im Bereich der Fahrlässigkeitsdelinquenz - nach Maßgabe der jeweiligen Eigenart des betroffenen Deliktes - sowohl die einfache Tatbestandsverwirklichung (also die Erfüllung der Mindestvoraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands, insbesondere bei mehraktigen Delikten und Dauerdelikten) als auch die wiederholte Verwirklichung des gleichen Tatbestands im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs (also die nur quantitative Steigerung (einheitliches Unrecht) bei einheitlicher Motivationslage (einheitliche Schuld), auch wenn höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden), sowie schließlich die fortlaufende Tatbestandsverwirklichung (also die Annäherung an den tatbestandsmäßigen Erfolg durch mehrere Einzelakte im Fall einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage) als tatbestandliche Handlungseinheit beurteilt werden kann (vgl. auch VwGH 29.1.2019, Ro 2018/03/0012; VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0052). Der hier zweitgenannte Fall der wiederholten Tatbestandsverwirklichung liegt dann vor, wenn eine Reihe von rechtswidrigen Einzelhandlungen aufgrund der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs sowie einer diesbezüglichen gesamtheitlichen Sorgfaltswidrigkeit des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Das Vorliegen einer tatbestandlichen Handlungseinheit hat zur Folge, dass der Täter nur eine Tat verwirklicht hat und für diese auch nur einmal zu bestrafen ist. Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einer tatbestandlichen Handlungseinheit sprechen zu können, ist von Delikt zu Delikt verschieden und hängt weiters im besonderen Maß von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. nochmals VwGH 20.12.2017, Ra 2017/03/0052; VwGH 30.1.2019,

Ro 2018/03/0053).

30 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung gelingt es den revisionswerbenden Parteien nicht aufzuzeigen, inwiefern das VwG von den eben dargestellten Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wenn es unter Berücksichtigung der relevanten Umstände im konkreten Fall das Vorliegen einer gesamteinheitlichen Sorgfaltswidrigkeit mangels erkennbaren Gesamtkonzeptes zur Bereitstellung von Sendungen, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, verneinte, und vielmehr davon ausging, dass jede Bereitstellung der separat auf die Tatbestandsverwirklichung des § 38 Abs. 1 Z 1 iVm § 10 Abs. 12 ORF-G zu prüfenden Sendungen jeweils eine Verwaltungsübertretung darstellt.

31 G. Ebensowenig ist das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien zielführend, wonach der Spruch des Straferkenntnis nicht den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG entspreche, da dieser einen alternativen Tatvorwurf formuliert.

32 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann (vgl. etwa VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0316; VwGH 18.10.2018, Ra 2018/15/0065; VwGH 11.3.2019, Ra 2018/03/0113). Die revisionswerbenden Parteien verkennen jedoch, dass der im gegenständlichen Straferkenntnis formulierte Tatvorwurf "...Sendungen, die jeweils geeignet waren, die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen zu beeinträchtigen" die Entwicklungsbeeinträchtigung insgesamt beschreibt und dabei verschiedene Facetten dieser darstellt. § 10 Abs. 12 ORF-G trifft demnach eine Unterscheidung von mehreren Möglichkeiten der Entwicklungsbeeinträchtigung von Minderjährigen, die auch gleichzeitig eintreten können. Aufgrund dieses einschließenden Verständnisses des im Tatvorwurf enthaltenen "oder" liegt - anders als die revisionswerbenden Parteien vermeinen - kein alternativer Tatvorwurf vor, das VwG ist auch diesbezüglich nicht von den dargestellten Leitlinien der Rechtsprechung zu § 44a VStG abgewichen.

33 H. Mit dem Zulässigkeitsvorbringen, dass VwG habe gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen, indem es das Entwicklungsbeeinträchtigungspotenzial als straferhöhend gewertet habe, obwohl dieser Aspekt bereits im Tatbestand des § 10 Abs. 12 ORF-G mitbedacht sei, vermögen die revisionswerbenden Parteien ebenfalls keine Zulässigkeit der gegenständlichen Revision zu begründen.

34 Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Zusätzlich zu diesen objektiven Kriterien des § 19 Abs. 1 leg. cit. sind die subjektiven Kriterien des Schuldgehalts gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. in die Strafbemessung miteinzubeziehen. Darunter fallen unter anderem Erschwerungs- und Milderungsgründe. Das Doppelverwertungsverbot ergibt sich aus dem in § 19 Abs. 2 erster Satz VStG enthaltenen Gebot, die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen, als sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen. Die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevanten Umstände dürfen also nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden (vgl. VwGH 16.3.2018, Ra 2017/02/0265; VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0735, mwH). Vorliegend hat das VwG die Intensität des Entwicklungsbeeinträchtigungspotenzials der Sendung "Die unlösbaren Fälle des Herrn Sand" aufgrund der Nähe zur Lebenswelt Minderjähriger als höher bewertet. Es hat damit die genannte Sendung nach objektiven Kriterien gemäß § 19 Abs. VStG beurteilt und diese Beurteilung seiner Strafbemessung zugrunde gelegt. Eine Doppelverwertung im Sinne der dargestellten Rechtsprechung liegt nicht vor.

35 I. Weiters wenden die revisionswerbenden Parteien ein, das VwG habe den strittigen Sachverhalt nicht (hinreichend) geklärt. Ob eine bestimmte Sendung geeignet sei, die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen negativ zu beeinflussen, sei eine Tatfrage, deren Beantwortung ein besonderes Fachwissen erfordere, über welches nur Sachverständige verfügen würden. Eine Beiziehung eines Sachverständigen wäre daher iSd § 52 Abs. 1 AVG notwendig gewesen, das VwG sei daher von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermittlungspflicht abgewichen.

36 Hinsichtlich dieses Zulässigkeitsvorbringens sind die revisionswerbenden Parteien darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung, ob bzw. wie eine Beweisaufnahme im Einzelfall notwendig ist, grundsätzlich dem Verwaltungsgericht obliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge diesbezüglich nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. dazu VwGH 28.11.2018, Ra 2018/17/0164; VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0005; VwGH 20.12.2016,

Ra 2016/03/0112). Eine derart krasse Fehlbeurteilung wird von den revisionswerbenden Parteien aber nicht konkret aufgezeigt und ist angesichts der im Revisionsfall gegebenen Konstellation auch nicht ersichtlich.

37 IV. Ergebnis

38 A. In der Revision werden damit keine Rechtsfragen

aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher von einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 leg. cit. zurückzuweisen.

39 B. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 21. Mai 2019

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030009.L00

Im RIS seit

20.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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