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10/07 VerfassungsgerichtshofNorm
ABGB §1332Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des B S in W, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Franz Josefs Kai 5/10, betreffend 1. Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. Juni 2018, W220 2196811-1/2E, in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG, und 2. die Revision gegen das genannte Erkenntnis (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Republik Indien, stellte am 26. Februar 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Revisionswerbers mit Bescheid vom 26. April 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Es erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Indien zulässig sei. Es wurde keine Frist zur freiwilligen Ausreise festgesetzt und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
3 Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit Erkenntnis vom 1. Juni 2018 ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Mit hg. Beschluss vom 8. August 2018 wurde dem Revisionswerber Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision zuerkannt und unter anderem die Beigebung eines Rechtsanwaltes gewährt. Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien bestellte mit Bescheid vom 16. August 2018 einen Verfahrenshelfer. Der Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien wurde dem bestellten Verfahrenshelfer am 22. August 2018 zugestellt. Der Verfahrenshelfer erteilte der einschreitenden Rechtsanwältin eine ständige Substitutionsvollmacht.
5 In weiterer Folge brachte der Revisionswerber, vertreten durch die Substitutin des Verfahrenshelfers, am 3. Oktober 2018 um 17:14:52 Uhr beim Bundesverwaltungsgericht im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) die außerordentliche Revision ein.
6 Auf Vorhalt durch den Verwaltungsgerichtshof, dass die Revision nach der Aktenlage außerhalb der in § 20 Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts (GO-BVwG) kundgemachten Amtsstunden eingebracht worden sei und somit verspätet scheine, brachte der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2018 eine Stellungnahme verbunden mit dem gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Erhebung der Revision ein.
Zur Rechtzeitigkeit der Revision:
7 Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61 VwGG), so beginnt gemäß § 26 Abs. 3 VwGG für sie die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwalts an diesen. 8 Im vorliegenden Fall wurde der Bestellungsbescheid dem Verfahrenshelfer am 22. August 2018 postalisch zugestellt. Damit begann die Revisionsfrist gemäß § 26 Abs. 3 VwGG zu laufen, sodass diese am 3. Oktober 2018 endete.
9 Eine am letzten Tag der Revisionsfrist im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs beim Bundesverwaltungsgericht nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG für die Zeit von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr festgesetzten Amtsstunden eingebrachte Revision gilt gemäß § 20 Abs. 6 GO-BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht (vgl. grundlegend VwGH 17.11.2015, Ra 2014/01/0198; sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 5.4.2018, Ra 2017/19/0557). 10 Damit erweist sich die vorliegende im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am 3. Oktober 2018, um 17:14 Uhr - sohin am letzten Tag der Revisionsfrist nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden - beim Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Revision als verspätet.
Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
11 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht. 12 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ebenso trifft die Partei ein Verschulden eines mit gleichen Rechten und Pflichten wie der Vertreter der Partei ausgestatteten Substituten (vgl. VwGH 28.3.2008, 2008/12/0031).
Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. VwGH 2.8.2018, Ra 2018/19/0147).
13 Nach dem Vorbringen des Revisionswerbers im Wiedereinsetzungsantrag legte die substituierende Rechtsanwältin ihrer Kanzleibediensteten am vorletzten Tag der Revisionsfrist ein mit der Zahl "1" gekennzeichnetes Tonband auf den Tisch, das die Kanzleibedienstete am nächsten Tag in der Früh, somit am letzten Tag der Frist, vorgefunden habe. Grundsätzlich sei es in der Kanzlei so, dass die Tonbänder nach Dringlichkeit nummeriert würden. Die zuständige Rechtsanwältin sei sehr ungehalten gewesen, als sie um 13.30 Uhr in die Kanzlei gekommen und das Band mit der Nummerierung "1" noch nicht geschrieben gewesen sei. Die Kanzleikraft habe sofort begonnen, das Band zu schreiben. Es seien noch kleine Ergänzungen eingefügt worden. Die einschreitende Rechtsanwältin habe die Kanzleibedienstete schon mehrmals darauf hingewiesen, dass bezüglich Eingaben an den Verwaltungsgerichtshof eine andere Regelung betreffend den Ablauf von Fristen gelte und eben elektronische Eingaben an den Verwaltungsgerichtshof während der Kanzleizeiten des Gerichtes eingebracht werden müssten. Die Rechtsanwältin habe die vollständige Eingabe dann vor der Wahrnehmung eines Auswärtstermins noch kontrolliert und die Kanzleibedienstete zur sofortigen Einbringung aufgefordert. Diese habe in weiterer Folge mit Schwierigkeiten mit dem ERV zu kämpfen gehabt. Es seien die Bestätigungen sehr lange nicht erteilt worden. Auch habe es länger gedauert, in das "Advokat" einzusteigen. Zudem sei die Kanzleibedienstete davon ausgegangen, dass bei ERV-Zustellungen ohnehin noch ein Tag in jedem Fall hinzuzurechnen sei. Erst im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass der Bestellungsbescheid gegen jegliche Übung der Rechtsanwaltskammer Wien per Post geschickt worden sei. Die einschreitende Rechtsanwältin habe sich am gleichen Tag noch telefonisch bei der Kanzleibediensteten nach der rechtzeitigen Übermittlung der Revision erkundigt, was diese ihr unter der Annahme, die Absendung und Bestätigung per 3. Oktober 2018 sei rechtzeitig, bestätigt habe.
Dem Antrag wurde eine eidesstattliche Erklärung der Kanzleibediensteten B L angeschlossen, wonach sie von der einschreitenden Rechtsanwältin darauf hingewiesen worden sei, dass die Revision schon möglichst am frühen Nachmittag beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht werden sollte. Sie sei aber davon ausgegangen, dass bei Schriftsätzen, die innerhalb einer Frist einzubringen seien, bei ERV-Zustellung ohnehin noch ein Tag zur Frist hinzuzuzählen wäre. Auch habe sie an diesem Tag wider Erwarten nicht in das Programm "Advokat" einsteigen können, weshalb es zu Verzögerungen gekommen sei.
14 Dem Vorbringen im Antrag sowie der eidesstattlichen Erklärung zu Folge konnte die Kanzleibedienstete aus der Weisung der einschreitenden Rechtsanwältin nicht mit der erforderlichen Klarheit ableiten, dass damit eine Einbringung am selben Tag während der Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes von 08:00 bis 15:00 Uhr gemeint gewesen sein sollte. Es wird im vorliegenden Antrag auch gar nicht konkret behauptet, dass die Weisung in der bestimmten Situation auf Einbringung bis 15:00 Uhr lautete. Dass es eine solche Anordnung gegeben hätte, lässt sich ebenso wenig der vorgelegten eidesstaatlichen Erklärung der Kanzleibediensteten entnehmen.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in der Vergangenheit bereits mit vergleichbaren Vorbringen auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, dass - gerade unter Beachtung der gegenteiligen Rechtslage und Praxis in Zivil- und Strafverfahren vor den ordentlichen Gerichten - der Rechtsvertreter davon ausgehen muss, dass sein Auftrag so verstanden würde, dass auch eine Einbringung beim Bundesverwaltungsgericht im Laufe des Kalendertages ausreichend wäre. Die Frage, binnen welcher Frist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, bedarf jedenfalls einer Beurteilung durch den einschreitenden Rechtsanwalt selbst. Das Unterbleiben einer klarstellenden Anweisung an Kanzleimitarbeiter ist dem Rechtsvertreter demnach als eine einen minderen Grad des Versehens übersteigende Sorglosigkeit anzulasten (vgl. VwGH Ra 2018/19/0147). Das gilt auch im vorliegenden Fall, zumal der beauftragten Kanzleibediensteten das Erfordernis der Einbringung der Revision vor 15:00 Uhr offenbar nicht bewusst war. Es hätte daher einer entsprechenden Konkretisierung der Anweisung und einer entsprechenden Kontrolle des Zeitpunktes der Einbringung durch die Rechtsvertreterin bedurft.
16 Es entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass gerade in Fällen besonderer Dringlichkeit - die hier infolge der Niederschrift und Freigabe der Revision nur rund eineinhalb Stunden vor Ablauf der Frist gegeben war - das Fehlen, bzw. die Unzulänglichkeit eines Kontrollsystems nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten ist. Dies trifft gleichermaßen für die fristgerechte Abfertigung von Schriftstücken im elektronischen Rechtsverkehr zu (vgl. VwGH Ra 2018/19/0147).
17 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen und die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 21. Mai 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190406.L00Im RIS seit
26.07.2019Zuletzt aktualisiert am
26.07.2019