TE Vwgh Beschluss 2019/6/5 Ra 2019/06/0052

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Veröffentlicht am 05.06.2019
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Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision 1. des K A, 2. der A A,

3. der S P, 4. des M P und 5. des Dr. H T, alle in S und alle vertreten durch Dr. Lorenz Edgar Riegler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 8. Februar 2019, LVwG 43.19-2472/2018-4, betreffend Parteistellung nach dem StVAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Murtal; mitbeteiligte Partei:

P GmbH & Co KG, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Zur Vorgeschichte wird auf den hg. Beschluss vom 28. Februar 2018, Ra 2018/06/0023, verwiesen. Damit wurde die Revision u.a. der nunmehr revisionswerbenden Parteien gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 19. Dezember 2017 betreffend Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) für geplante Änderungen (Erhöhung der Tagesbesucherzahl an einzelnen Tagen und die temporäre Errichtung von mobilen Tribünenanlagen) des mit Bescheid vom 12. September 2007 rechtskräftig genehmigten Vorhabens "S NEU" im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass gemäß § 3a UVP-G 2000 Änderungen von Vorhaben nur dann UVP-pflichtig seien, wenn eine bestimmte Kapazitätsausweitung des im Anhang 1 für das jeweilige Vorhaben festgelegten Schwellenwertes erfolge; für fallbezogen relevante ständige Renn- und Teststrecken für Kraftfahrzeuge (Anhang 1 Z 24 UVP-G 2000) sei dies das Längenkriterium von 2 km; da dieses Kriterium durch die geplanten Änderungen nicht berührt werde, sei dafür keine UVP durchzuführen.

5 Daraufhin erteilte die Bezirkshauptmannschaft Murtal (BH) der Mitbeteiligten mit Bescheid vom 3. April 2018 die Genehmigung für die Erhöhung der Tagesbesucherzahl an einzelnen Tagen und die temporäre Errichtung von mobilen Tribünenanlagen gemäß § 15 Abs. 1, 6, 7 und 8, § 16 Abs. 1 und 2, § 18 Abs. 1 und 2 sowie § 23 Abs. 1 Z 2 Steiermärkisches Veranstaltungsgesetz 2012 (StVAG). Dieser Bescheid wurde den revisionswerbenden Parteien nicht zugestellt.

6 Verfahrensgegenständlich ist nunmehr ein Antrag der revisionswerbenden Parteien auf Zustellung des Bescheides vom 3. April 2018. Diesen Antrag wies die BH mit Bescheid vom 18. Mai 2018 gemäß § 18 iVm § 25 StVAG mangels Legitimation als unzulässig zurück. Aufgrund einer Beschwerde der revisionswerbenden Parteien erließ die BH die Beschwerdevorentscheidung vom 16. August 2018, mit der die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde.

7 Aufgrund des Vorlageantrages der revisionswerbenden Parteien wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis die Beschwerde ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, Nachbarn komme gemäß § 25 StVAG in veranstaltungsrechtlichen Verfahren keine Parteistellung zu; zu dieser Regelung habe der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken geäußert (Hinweis auf VfGH 26.6.2014, B1536-1537/2013).

Eine Parteistellung der revisionswerbenden Parteien könne auch nicht aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 2015, Ro 2014/06/0078, abgeleitet werden. Der Sachverhalt sei insofern nicht vergleichbar, als im gegenständlich zu beurteilenden Verfahren mit Erkenntnis des BVwG vom 19. Dezember 2017 rechtskräftig festgestellt worden sei, dass für die von der Mitbeteiligten beantragten Änderungen keine UVP durchzuführen sei. Damit sei den Anforderungen, dass die revisionswerbenden Parteien als betroffene Öffentlichkeit Gelegenheit haben müssten, eine auf der Grundlage einer nationalen Regelung getroffene Verwaltungsentscheidung, dass keine UVP durchzuführen sei, im Rahmen eines gegen diese Entscheidung oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfes anfechten zu können, Genüge getan.

Auch aus der Aarhus-Konvention könne eine Parteistellung nicht abgeleitet werden. Einerseits sei diese Konvention nicht unmittelbar anwendbar (Hinweis auf VwGH 27.4.2012, 2009/02/0239), andererseits sei sie nur in Verbindung mit unionsrechtlichen umweltbezogenen Rechtsvorschriften anwendbar, nicht jedoch, soweit nationales Recht maßgeblich sei. Die in der Beschwerde zitierten Entscheidungen (EuGH 20.12.2017, C-664/15, Protect; VwGH 28.3.2018, Ra 2015/07/0055; LVwG Tirol 21.2.2018, LVwG- 2018/44/0055) seien Verfahren mit ausschließlich unionsrechtlichem Bezug in Umweltangelegenheiten (Wasserrahmenrichtlinie). Im vorliegenden Fall sei keine Verbindung mit unionsrechtlich umweltbezogenen Rechtsvorschriften gegeben.

8 In ihrer Zulässigkeitsbegründung rügt die Revision zunächst ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ohne dies näher auszuführen.

Weiter bringt die Revision vor, zu der Frage, ob den revisionswerbenden Parteien - etwa analog zu VwGH Ro 2014/06/0078 -

deshalb Parteistellung einzuräumen wäre, weil keine UVP-Pflicht für das Vorhaben vorliege, tatsächlich jedoch keine Veranstaltung, sondern eine Betriebserweiterung genehmigt werde, bestehe keine oberstgerichtliche Judikatur. Darüber hinaus fehle hg. Rechtsprechung zu der Frage, ob für die beantragte Betriebserweiterung ein Verfahren nach der Gewerbeordnung durchzuführen gewesen wäre.

Gleiches gelte für die Frage, ob aus der Aarhus-Konvention eine Parteistellung abgeleitet werden könne (Hinweis auf EuGH 20.12.2017, C-664/15, Protect). Mit den Richtlinien 2008/50/EG (Luftreinhalterichtlinie, gemeint wohl: Luftqualitätsrichtlinie) und 2002/49/EG (Umgebungslärmrichtlinie) seien unionsrechtliche Normen erlassen worden, die in Entsprechung des Urteils des EuGH vom 8. März 2011, C-240/09, Rn. 33, zu einer Anwendbarkeit der Aarhus-Konvention führten.

9 Soweit die revisionswerbenden Parteien ein Abgehen des LVwG von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behaupten, genügt ihr Vorbringen mangels näherer Konkretisierung den Anforderungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht, zumal nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - angegeben wird, von welcher hg. Judikatur das Verwaltungsgericht nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien abgewichen sein soll (vgl. dazu etwa VwGH 26.2.2019, Ra 2019/06/0010, Rn. 12, mwN).

Mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis Ro 2014/06/0078 ist ebenfalls nichts zu gewinnen, weil - wie das LVwG zutreffend ausführt - aufgrund einer Beschwerde der revisionswerbenden Parteien mit Bescheid des BVwG vom 19. Dezember 2017 gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 rechtskräftig festgestellt wurde, dass für das verfahrensgegenständliche Änderungsvorhaben keine UVP durchzuführen ist. Ein Rechtschutzdefizit, wie es im dem hg. Erkenntnis Ro 2014/06/0078 zugrunde liegenden Verfahren aufgezeigt wurde, liegt fallbezogen somit nicht vor, weil die revisionswerbenden Parteien im Feststellungsverfahren Gelegenheit hatten, ihre Interessen zu vertreten. Im Rahmen des anhängigen Verfahrens nach dem StVAG ist auch nicht zu beurteilen, ob die beantragten Änderungen allenfalls nach der Gewerbeordnung genehmigungspflichtig wären. Selbst wenn - wie die revisionswerbenden Parteien meinen - "keine Veranstaltung, sondern eine Betriebserweiterung genehmigt" würde, die allenfalls Bewilligungen nach anderen Rechtsmaterien bedürfte, ist nicht zu erkennen, inwiefern dies Auswirkungen auf eine allfällige Parteistellung im StVAG haben könnte. Mangels Entscheidungsrelevanz wurde damit keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.

Das LVwG führte auch zutreffend aus, dass sich die Richtlinien 2008/50/EG (Luftqualitätsrichtlinie) und 2002/49/EG (Umgebungslärmrichtlinie) jeweils an die Mitgliedstaaten richten. Es trifft zwar zu, dass Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen vor dem Hintergrund der Luftqualitätsrichtlinie ein Antragsrecht bzw. ein subjektiv-öffentliches Recht auf Erlassung einer Luftreinhalteverordnung zusteht (vgl. etwa VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0096; § 9a Abs. 11 bis 13 Immissionsschutzgesetz - Luft, BGBl. I Nr. 115/1997 idF BGBl. I Nr. 73/2018). Daraus lässt sich jedoch kein Recht Einzelner auf Anwendung der Richtlinienbestimmungen in einem Genehmigungsverfahren ableiten. Auch mit der Umgebungslärmrichtlinie werden keine unbedingten und hinreichend bestimmten Rechte Einzelner festgelegt (vgl. VwGH 4.5.2006, 2005/03/0250). Beide Richtlinien sind somit im Verfahren gemäß StVAG nicht anzuwenden. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt wesentlich von jenen, die den Urteilen des EuGH C- 240/09 und C-664/15 zugrunde lagen; in diesen Verfahren war die Anwendbarkeit der Richtlinie 92/43/EWG (Habitatrichtlinie) im Verfahren über die Genehmigung von Ausnahmen von der Schutzregelung für Braunbären bzw. der Richtlinie 2000/60 (Wasserrahmenrichtlinie) für eine Beschneiungsanlage und einen Speicherteich unstrittig. Die revisionswerbenden Parteien können allein aus dem Umstand der Existenz der Luftqualitätsrichtlinie und der Umgebungslärmrichtlinie auch im Weg über die Aarhus-Konvention keine Parteistellung im Verfahren gemäß StVAG ableiten.

 

10 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Mai 2019

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019060052.L00

Im RIS seit

03.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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