TE Vwgh Beschluss 2019/6/6 Ra 2019/02/0037

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Veröffentlicht am 06.06.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13 Abs2
AVG §13 Abs5
VStG §24
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §7 Abs4
VwRallg

Betreff

? Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des C in F, vertreten durch Dr. Alexandra Sedelmayer-Pammesberger, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Marxergasse 29/11, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 19. Dezember 2018, Zl. LVwG-S-619/001-2018, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde wegen Verspätung iA Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Amstetten), den Beschluss

Spruch

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom 9. Jänner 2018 legte die belangte Behörde dem Revisionswerber eine Übertretung der StVO zur Last und verhängte über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 350,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 161 Stunden).

2 Dieses Straferkenntnis wurde dem Revisionswerber am Donnerstag, dem 1. Februar 2018, zugestellt.

3 Seine dagegen erhobene Beschwerde gelangte am Donnerstag, dem 1. März 2018, um 15.31 Uhr mittels Telefax in den elektronischen Verfügungsbereich der belangten Behörde. 4 Die zu diesem Zeitpunkt auf der Homepage der belangten Behörde kundgemachten "Amtsstunden zur Entgegennahme schriftlicher Eingaben" lauteten wie folgt (Unterstreichungen nicht im Original):

"AMTSSTUNDEN zur Entgegennahme schriftlicher Eingaben

Montag, Mittwoch, Donnerstag

07:30 - 15:30 Uhr

Dienstag

07:30 - 19:00 Uhr

Freitag

07:30 - 13:00 Uhr"

5 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers als verspätet zurück und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. 6 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Beschwerde sei am letzten Tag der Beschwerdefrist um 15.31 Uhr mittels Telefax in den elektronischen Verfügungsbereich der belangten Behörde gelangt. An diesem Tag seien auf der Homepage der belangten Behörde "Amtsstunden zur Entgegennahme schriftlicher Eingaben" kundgemacht gewesen. Eine Einschränkung der Geltung dieser Amtsstunden für bestimmte Formen von schriftlichen Anbringen habe die belangte Behörde damals nicht vorgenommen, weshalb davon auch Eingaben per Telefax umfasst seien (Hinweis auf VwGH 28.6.2018, Ra 2018/02/0185). Laut der Kundmachung seien die "Amtsstunden zur Entgegennahme schriftlicher Eingaben" für einen Donnerstag von 7.30 Uhr bis 15.30 Uhr festgelegt. Die per Telefax außerhalb der kundgemachten Amtsstunden eingelangte Beschwerde habe daher erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht gegolten, weshalb sie als verspätet zurückzuweisen sei. 7 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

8 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahren zu fassen.

13 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision bringt der Revisionswerber vor, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "zur Rechtzeitigkeit einer (elektronisch als Telefax) eingebrachten Beschwerde" sei uneinheitlich. Überdies weiche der angefochtene Beschluss von der "zum Zeitpunkt der Entscheidung gültigen Rechtslage bzw. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes" ab. Nach der "zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde" geltenden Rechtsprechung reiche der bloße Hinweis auf Amtsstunden, sofern die Empfangsgeräte einsatzbereit gehalten würden, nicht aus, und gälten Eingaben daher als noch am selben Tag eingebracht (Hinweis auf VwGH 15.3.2018, Ra 2018/08/0021; 26.9.2017, Ra 2017/04/0086; 14.10.2015, Ra 2015/17/0039). Die belangte Behörde habe ihre Empfangseinrichtungen auch nach Ablauf der kundgemachten Amtsstunden empfangsbereit gehalten. Jedoch gebe es auf ihrer Homepage keinen Hinweis darauf, dass trotz Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen solche erst als mit Wiederbeginn der Amtsstunden eingebracht und eingelangt gälten. Gemäß der zitierten Rechtsprechung habe die Beschwerde daher als rechtzeitig eingebracht gegolten. Von dieser Rechtsansicht weiche das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ab (Hinweis auf VwGH 28.6.2018, Ra 2018/02/0185).

14 Die Revision ist nicht zulässig.

15 Gemäß § 13 Abs. 2 AVG können schriftliche Anbringen der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

16 Nach § 13 Abs. 5 AVG ist die Behörde nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

17 Gemäß der nach der AVG-Novelle, BGBl. I Nr. 5/2008, ergangenen und nach wie vor aufrechten hg. Rechtsprechung gelten Anbringen, sofern die Behörde auch außerhalb ihrer Amtsstunden Empfangsgeräte empfangsbereit hält, als noch am selben Tag eingebracht. Ausgenommen sind jene Fälle, in denen die Behörde ihre mangelnde Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Anbringen außerhalb der Amtsstunden durch entsprechende Erklärungen mit der Wirkung zum Ausdruck bringt, dass elektronische Anbringen auch dann, wenn sie bereits in ihren elektronischen Verfügungsbereich gelangt sind, erst zu einem späteren Zeitpunkt (mit Wiederbeginn der Amtsstunden) als eingebracht (und eingelangt) gelten (vgl. VwGH 14.10.2015, Ra 2015/17/0039 mit Hinweis auf VwGH 23.5.2012, 2012/08/0102, 0103 und 22.4.2009, 2008/04/0089). Solche Beschränkungen für außerhalb der Amtsstunden einlangende elektronische Anbringen sind als "organisatorische Beschränkungen" im Sinn des § 13 Abs. 2 letzter Satz AVG zu verstehen (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/04/0174, mwN).

18 Der vom Verwaltungsgericht herangezogene hg. Beschluss vom 28. Juni 2018, Ra 2018/02/0185, steht zu dieser Rechtsprechung nicht in Widerspruch, weil der Verwaltungsgerichtshof darin lediglich klargestellt hat, dass E-Mails zwar noch zusätzlichen Beschränkungen unterworfen werden dürfen, grundsätzlich aber im Sinn des § 13 AVG auch als schriftliche Anbringen zu verstehen sind. Davon ausgehend hat er ausgesprochen, dass die - mit dem vorliegenden Fall vergleichbare - Kundmachung über die Geltung der Amtsstunden für "schriftliche Eingaben" auch für E-Mails gilt bzw. die Behörde eine Einschränkung der Geltung dieser Amtsstunden für bestimmte Formen von schriftlichen Anbringen nicht vorgenommen hat, weshalb davon auch Anbringen per Telefax oder E-Mail umfasst sind.

19 Der vom Revisionswerber zitierte hg. Beschluss vom 15. März 2018, Ra 2018/08/0021, steht dazu nicht in Widerspruch. Abgesehen davon, dass der Verwaltungsgerichtshof mit dieser Entscheidung die Revision mangels Abweichens des Verwaltungsgerichts von der hg. Rechtsprechung zu § 13 AVG zurückgewiesen hat, hat er aufgrund der Kundmachung der Behörde betreffend außerhalb der Amtsstunden "elektronisch übermittelte(r) Anbringen" keine Aussage darüber getroffen, ob eine mittels Telefax eingebrachte Beschwerde (auch) als "schriftliches Anbringen" im Sinn des § 13 AVG zu verstehen ist. Aus diesem Grund ist der Sachverhalt der genannten Entscheidung nicht mit jenem des hg. Beschlusses vom 28. Juni 2018, Ra 2018/02/0185, vergleichbar. 20 Nach dem Sachverhalt des vom Revisionswerber zitierten hg. Erkenntnisses vom 26. September 2017, Ra 2017/04/0086, hat die belangte Behörde kundgemacht, dass ein außerhalb der Amtsstunden übermitteltes "Anbringen" erst als mit Wiederbeginn der Amtsstunden eingelangt gelte. Aus diesem Grund ist nicht erkennbar, inwiefern auch diese Entscheidung mit dem hg. Beschluss vom 28. Juni 2018, Ra 2018/02/0185, in Widerspruch stünde, hat der Verwaltungsgerichtshof doch die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass bereits die mangelnde Bereitschaft der Behörde zur Entgegenahme von Anbringen außerhalb der Amtsstunden als "wirksame Beschränkung des elektronischen Verkehrs im Sinn des § 13 Abs. 2 letzter Satz AVG zu qualifizieren" sei, durch Abweisung der dagegen erhobenen Revision bestätigt. 21 Auch aus dem vom Revisionswerber ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2015, Ra 2015/17/0039, ist kein Widerspruch zu erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof hat den in diesem Fall angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts nur deshalb aufgehoben, weil dieser keine Feststellungen, ob im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung überhaupt Beschränkungen für außerhalb der Amtsstunden einlangende elektronischen Anbringen auf der Homepage der Behörde kundgemacht waren, enthalten hat. 22 Letztlich ist den zitierten Entscheidungen auch nicht die Aussage, dass der bloße Hinweis auf Amtsstunden nicht ausreiche und in einem derartigen Fall Eingaben als noch am selben Tag eingebracht gälten, zu entnehmen. Dem Revisionswerber gelingt es somit nicht, damit die Uneinheitlichkeit der hg. Rechtsprechung zu § 13 AVG im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. 23 Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde zweifelsfrei ihre Empfangsgeräte zur Entgegennahme von Telefaxen auch außerhalb der kundgemachten Amtsstunden empfangsbereit gehalten. Durch die Kundmachung der "Amtsstunden für die Entgegennahme schriftlicher Eingaben" hat sie im Sinn des § 13 Abs. 2 und 5 AVG aber hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nur innerhalb dieser Amtsstunden bereit war, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen. Mittels Telefax übermittelte Anbringen sind als schriftliche Anbringen im elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten im Sinn des § 13 Abs. 2 AVG zu verstehen (vgl. abermals VwGH Ra 2018/04/0174). Da die belangte Behörde keine Einschränkung der Geltung der Amtsstunden auf bestimmte Formen von schriftlichen Anbringen vorgenommen hat, ist auch die gegenständliche mittels Telefax eingebrachte Beschwerde des Revisionswerbers von dieser Beschränkung umfasst und die vorliegende Kundmachung der belangten Behörde (auch) als organisatorische Beschränkung des elektronischen Verkehrs im Sinn des § 13 Abs. 2 AVG zu qualifizieren gewesen (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall VwGH 26.2.2015, Ra 2014/22/0092). 24 Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die am letzten Tag der Beschwerdefrist außerhalb der kundgemachten Amtsstunden mittels Telefax eingebrachte Beschwerde des Revisionswerbers als erst am nächsten Werktag eingebracht gegolten hat und somit verspätet war. Ihm ist somit auch kein Abweichen von der hg. Rechtsprechung vorzuwerfen. 25 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

26 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 6. Juni 2019

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020037.L00

Im RIS seit

10.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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