TE OGH 2019/5/21 5Ob58/19v

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.05.2019
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerinnen 1. F***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, 2. T***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Gartner und Mag. Daniel Karandi, Rechtsanwälte in Wien, gegen die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****, als Antragsgegner, darunter 1. Mag. G*****, 2. Mag. E*****, beide vertreten durch die Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, 3. Mag. S*****, 4. Mag. M*****, 5. T*****, 7. B*****, 8. Dr. K*****, 9. Dr. E*****, beide *****, 10. B*****, und 11. M*****, wegen Unterfertigung von Einreichplänen (§ 52 Abs 1 Z 3 WEG), über den Revisionsrekurs des Erstantragsgegners und der Zweitantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Jänner 2019, GZ 39 R 176/18y-102, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 26. April 2018, GZ 9 Msch 22/14v-95, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss insgesamt lautet:

„1. Der Antrag a) die Antragsgegner sind schuldig, die Einreichpläne des Planverfassers Dipl.-Ing. L*****, Architekt und Ziviltechniker, vom 16. 11. 2017 (Parie A-C) betreffend die Liegenschaft EZ ***** (Beilage I) zu unterfertigen, b) diese Unterschriften werden durch den rechtskräftigen Sachbeschluss ersetzt, wird abgewiesen.

2. Die Erstantragstellerin ist schuldig, den Erst- und Zweitantragsgegnern die mit 8.658,68 EUR (darin enthalten 656,05 EUR USt und 4.722,40 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller Instanzen zu ersetzen.“

Text

Begründung:

Die Parteien sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft in Wien. Rechtsvorgänger der Erstantragstellerin im Eigentum war der ursprüngliche Alleineigentümer Mag. S*****. Die Zweitantragsgegnerin war aufgrund eines am 20. 12. 1979 auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrags Mieterin der Wohnung Top 18. 1985 wurde an dieser Liegenschaft Wohnungseigentum auf Basis des Wohnungseigentumsvertrags vom 16. 11. 1984 zwischen Mag. S***** und einem Ehepaar begründet. Mehrheitseigentümer blieb Mag. S*****. Das Ehepaar erwarb mit Kaufvertrag vom 25. 5. 1983 jene Miteigentumsanteile, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung Top 17 verbunden wurde. Dieses Objekt grenzt unmittelbar an die Wohnung Top 18 an. Die Käufer erklärten im Kaufvertrag ihre Zustimmung für den Fall, dass der Verkäufer die Liegenschaft (insbesondere das Dach- und Kellergeschoß) aus- oder umbaut oder umwidmet, und verpflichteten sich, die dafür erforderlichen Erklärungen abzugeben.

Mit Kaufvertrag vom 2. 4. 1991 erwarb die Zweitantragsgegnerin die Miteigentumsanteile des Ehepaares. Der Kaufvertrag erwähnte den Dachboden nicht. Im Herbst 1991 ließen Erst- und Zweitantragsgegner mit Zustimmung des Mehrheitseigentümers einen Durchbruch zwischen der Mietwohnung Top 18 und der im Wohnungseigentum der Zweitantragsgegnerin stehenden Wohnung Top 17 herstellen.

Der Mehrheitseigentümer verkaufte die Miteigentumsanteile, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung Top 8 verbunden war, mit Kaufvertrag vom 10. 7. 1995. Am selben Tag unterschrieben der Käufer und der Mehrheitseigentümer eine Vereinbarung, in der sich der Mehrheitseigentümer die ausschließliche Benützung und Verwertung des Dachbodens im Haus vorbehielt. Die Zweitantragsgegnerin unterzeichnete die Vereinbarung erst im September 1996. Weiters vereinbarten die Parteien für sich und ihre Rechtsnachfolger unwiderruflich, im Haus einen Lift zu errichten sowie sonstige Baumaßnahmen (etwa Dachgeschoßausbau) im Haus durchzuführen, wobei Zeitpunkt, Art und Ort der Baumaßnahmen im ausschließlichen Belieben des Mehrheitseigentümers stehen sollten. Der Mehrheitseigentümer räumte der Zweitantragsgegnerin in der Vereinbarung das Vorkaufsrecht an einer im Dachgeschoß von ihm zu errichtenden Wohnung ein. Diese Benützungsregelungsvereinbarung wurde gemäß § 15 WEG 1975 im Grundbuch eingetragen. Anschließend wurde der Lift errichtet. Sämtliche Miteigentümer beteiligten sich an den Errichtungskosten.

In den folgenden Jahren verkaufte der Mehrheitseigentümer jene Miteigentumsanteile, mit denen das Wohnungseigentum an Top 10 und Top 14 verbunden ist, an die ursprünglich als Sechstantragsgegnerin bezeichnete Zweitantragstellerin sowie jene Anteile, mit denen das Wohnungseigentum an Top 13 verbunden ist, an den Viertantragsgegner. Da die Erst- und Zweitantragsgegner die Wohnung Top 18 bereits zu einem früheren Zeitpunkt erwerben wollten, fragte der Mehrheitseigentümer mit Mail vom 25. 5. 2009 bei der Zweitantragsgegnerin an, ob sie noch Interesse am Kauf dieser Wohnung hätte. Am 6. 8. 2009 übermittelte der vom Mehrheitseigentümer mit der Errichtung und Abwicklung des Kaufvertrags beauftragte Rechtsanwalt den Erst- und Zweitantragsgegnern einen Kaufvertragsentwurf und den Entwurf für die Ergänzung zum Wohnungseigentumvertrag samt einer Benützungsregelungsvereinbarung. In seinem Antwortschreiben vom 14. 8. 2009 ersuchte der Erstantragsgegner den Vertragsverfasser um Änderung diverser Punkte im Kaufvertragsentwurf und in der Benützungsregelungsvereinbarung.

Mit Kaufvertrag vom 27. 8. 2009 veräußerte der Mehrheitseigentümer jene Miteigentumsanteile, mit denen das Wohnungseigentum an der von der Zweitantragsgegnerin angemieteten Wohnung Top 18 verbunden war, an die Erst- und Zweitantragsgegner. In diesem Vertrag wurde vereinbart, dass mit den vertragsgegenständlichen Miteigentumsanteilen eine Benützung des Dachbodens nicht verbunden, sondern vielmehr ausdrücklich ausgeschlossen war. Die Käufer erteilten ihre Zustimmung und verpflichteten sich gegenüber dem Verkäufer, einem Ausbau, Umbau und Zubau der Liegenschaft, insbesondere betreffend das Dach- oder das Kellergeschoß zuzustimmen und die hierfür erforderlichen Erklärungen abzugeben. Weiters heißt es: „Die kaufenden Parteien unterfertigen zu diesem Zweck die von der verkaufenden Partei erstellte Ergänzung zum Wohnungseigentumsvertrag und Benützungsregelungsvereinbarung in beglaubigter Form.“

Die Erst- und Zweitantragsgegner unterfertigten gleichzeitig eine Benützungsregelungsvereinbarung. Danach steht das ausschließliche Recht auf Benützung des Dachbodens dem Mehrheitseigentümer zu. Lediglich dieser ist berechtigt, den Dachboden zu benützen, ihn umzugestalten und auch zu Wohnzwecken auszubauen. Die Miteigentümer verpflichten sich, diesbezügliche Bauansuchen über Ersuchen des Mehrheitseigentümers oder seines Rechtsnachfolgers zu unterfertigen. Zum damaligen Zeitpunkt hatten lediglich der Mehrheitseigentümer und der Fünftantragsgegner die Vereinbarung unterschrieben. Der Drittantragsgegner unterfertigte die Benützungsregelungsvereinbarung am 8. 7. 2011, der Viertantragsgegner am 7. 10. 2011. Die Benützungsregelungsvereinbarung wurde gemäß § 17 WEG 2002 im Grundbuch ersichtlich gemacht.

Mit Kaufvertrag vom 12. 12. 2011 veräußerte der Mehrheitseigentümer sämtliche noch in seinem Miteigentum stehenden Anteile an die Erstantragstellerin. Diese beabsichtigt den Ausbau des Dachgeschoßes samt Aufzug gemäß den Einreichplänen vom 16. 11. 2017. Der Erstantragsgegner und die Zweitantragsgegnerin haben den Dachboden der Liegenschaft niemals benützt, auch nicht in der Zeit, als die Zweitantragsgegnerin noch Hauptmieterin war, obwohl sie über den Dachbodenschlüssel verfügten.

Mit dem ursprünglich als Klage eingebrachten Antrag begehrte die Erstantragstellerin auf Grundlage der Benützungsregelungsvereinbarungen aus den Jahren 1995/1996 und 2009 die Unterfertigung von Einreichplänen für den Dachgeschoßausbau bzw die Ersetzung der Unterschrift durch Rechtskraft des Sachbeschlusses.

Erst- und Zweitantragsgegner beriefen sich auf die Unwirksamkeit dieser Vereinbarungen nach § 38 Abs 1 WEG 2002. Dritt- und Viertantragsgegner stimmten dem Begehren zu. Die ursprünglich als Sechstantragsgegnerin geführte Wohnungseigentümerin hat sich dem Antrag in erster Instanz ausdrücklich angeschlossen (ON 31 S3) und wird daher als Zweitantragstellerin bezeichnet. Die übrigen Wohnungseigentümer beteiligten sich nicht am Verfahren

Das angerufene Prozessgericht erklärte mit dem – unbekämpft – in Rechtskraft erwachsenen Beschluss den streitigen Rechtsweg für unzulässig und das bisherige Verfahren seit Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes für nichtig. Die Rechtssache wurde zur Einleitung eines Außerstreitverfahrens (§ 838a ABGB) an das Erstgericht überwiesen.

Das Erstgericht gab dem modifizierten Antrag auf Unterfertigung der Einreichpläne vom 16. 11. 2017 bzw Ersetzung der Unterschrift mit Rechtskraft der Gerichtsentscheidung statt. Rechtlich qualifizierte es den Mehrheitseigentümer in den Jahren 1996 und 2009 als Wohnungseigentumsorganisator nach § 2 Abs 6 Satz 2 WEG 2002, den Nutzungsvorbehalt am Dachboden (allgemeiner Teil der Liegenschaft) zu seinen Gunsten jedoch deshalb nicht als unwirksam im Sinn des § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002, weil er Nutzungs- oder Verwertungssrechte der Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer nicht unbillig beschränke. Der Erwerb der Mindestanteile sei mit den Benützungsregelungsvereinbarungen in keinem Zusammenhang gestanden. Eine Drucksituation der betroffenen Wohnungseigentümer habe das Beweisverfahren nicht ergeben. Der Zweitantragsgegnerin sei ein Vorkaufsrecht eingeräumt worden. Der Dachgeschoßausbau sollte auf Kosten des Mehrheitseigentümers erfolgen, was für die anderen Wohnungseigentümer eine nicht unbeträchtliche Kostenersparnis für zukünftig notwendige Erhaltungsarbeiten bedeutet habe. Erst- und Zweitantragsgegner hätten den Dachboden niemals benutzt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Im Fall eines sukzessiven Abverkaufs von Wohnungseigentumsobjekten in Altbauten komme der in den §§ 37 f WEG 2002 normierte Erwerbsschutz noch zum Tragen. Von einer „Übermacht“ des Wohnungseigentumsorganisators sei jedenfalls dann auszugehen, wenn dieser zum Zeitpunkt des Abverkaufs einer Wohnung noch Mehrheitseigentümer sei. Zum Zeitpunkt des Verkaufs von Miteigentumsanteilen verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung Top 18 an die Erst- und Zweitantragsgegner sei der ursprüngliche Alleineigentümer und Verkäufer noch Mehrheitseigentümer gewesen. Die einem Wohnungseigentumsorganisator vorbehaltene Möglichkeit des späteren Ausbaus des Dachbodens, der im „Allgemeinen Eigentum“ der Miteigentümer stehe, sei eine rechtsunwirksame Vereinbarung nach § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002. Der aus einer solchen Vereinbarung begünstigte Wohnungseigentumsorganisator (hier die Antragstellerin als dessen Rechtsnachfolgerin) müsse beweisen, dass diese Vereinbarung die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer nicht unzulässig beschränke. In der dasselbe Haus betreffenden Entscheidung 5 Ob 26/17k sei der Oberste Gerichtshof, ausgehend von den dort zugrundeliegenden Feststellungen, zum Ergebnis gelangt, der Umstand, dass das Erstgericht einen Verkauf des Wohnungseigentumsobjekts Top 18 an die Erst- und Zweitantragsgegner ohne Unterzeichnung der Benützungsvereinbarung 2009 nicht feststellen konnte, lege den Schluss nahe, der Beklagte habe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei Abschluss der Benützungsvereinbarung noch seine Vertragsübermacht ausgenützt. Eine Bindung an dieses Ergebnis bestehe nicht, weil Parteien und Sachverhaltsgrundlage nicht identisch und auch andere rechtliche Aspekte beleuchtet worden seien. § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002 sei im Sinn der zutreffenden Lehrmeinung Vonkilchs (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 38 Rz 4, 17 und 18) bei der nachträglichen Wohnungseigentumsbegründung in einem schon bezogenen Haus einschränkend auszulegen. Erst- und Zweitantragsgegner hätten den unmittelbar über ihren beiden Wohnungen befindlichen Dachboden niemals benützt und behaupteten keine Nutzungsrechte daran. Ihr Ziel bestehe schlicht darin, den Dachbodenausbau zu verhindern, weil sie vor allem durch die Bauarbeiten eine Beeinträchtigung ihrer Wohnsituation befürchten. Dies rechtfertige die Anwendung der Erwerberschutzbestimmung des § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002 nicht. Fraglich sei, ob im Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnung Top 18 überhaupt die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Übermacht des Wohnungseigentumsorganisators vorgelegen habe. Erst- und Zweitantragsgegner hätten zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines unbefristeten Hauptmietvertrags bereits 29 Jahre in der Wohnung Top 18 gewohnt. Ihre Rechtsstellung sei in Bezug auf die Nutzung dieser Wohnung in keiner Hinsicht gefährdet gewesen. Es dürfe als notorisch vorausgesetzt werden, dass eine Veräußerung einer unbefristet vermieteten Eigentumswohnung keinen besonders hohen Verkaufserlös erziele. Ein höherer Verkaufserlös werde in der Regel dann erzielt, wenn der verkaufswillige Vermieter auf einen kaufwilligen Mieter treffe, wie in diesem Fall. Diese Konstellation diene beiden Seiten: Der Vermieter erziele grundsätzlich einen höheren Kaufpreis als bei Veräußerung an Dritte, der Mieter wiederum erwerbe günstig Wohnungseigentum, was ihm nicht nur ermögliche, die Wohnung zu veräußern oder zu vermieten, sondern auch ohne die Beschränkungen der §§ 12 und 14 MRG an Kinder weiterzugeben. In einer solchen Konstellation sei nicht von einer Übermacht des Wohnungseigentumsorganisators auszugehen, weshalb die Erwerberschutzbestimmung des § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002 nicht anzuwenden sei.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs im Hinblick auf eine mögliche Divergenz zu 5 Ob 26/17k zu.

Gegen diese Entscheidung erhoben Erst- und Zweitantragsgegner einen Revisionsrekurs, der von den Antragstellern jeweils beantwortet wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Die Antragsteller stützen ihr Begehren auf die Benützungsregelungsvereinbarungen aus 1996 und 2009, nicht aber auf ein Änderungsrecht nach § 16 Abs 2 WEG 2002. Dessen Voraussetzungen sind für die Berechtigung des Antrags nicht relevant und werden auch nicht angesprochen. Es ist nur die Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarungen im Sinn des § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002, der nach der Übergangsregelung des § 56 Abs 13 WEG auch auf die „alte“ Benützungsregelungsvereinbarung aus dem Jahr 1996 anzuwenden ist (5 Ob 26/17k mwN), zu prüfen.

2.1 Nach § 38 Abs 1 WEG 2002 sind Vereinbarungen und Vorbehalte, die geeignet sind, die dem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte aufzuheben oder unbillig zu beschränken, rechtsunwirksam. Dazu zählen nach Z 1 von Wohnungseigentumsorganisatoren vereinbarte Mietverträge oder Nutzungsvorbehalte betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft.

2.1.1 Die dem Wohnungseigentumsorganisator vorbehaltene Möglichkeit des späteren Ausbaus eines Dachbodens, der nicht Zubehör eines dem Wohnungsorganisator verbleibenden Wohnungseigentumsobjekts, sondern allgemeiner Teil des Hauses ist, fällt nach Rechtsprechung und Lehre grundsätzlich unter § 38 Abs 1 Z 1 WEG (5 Ob 26/17k = wobl 2018/59, 163; vgl RIS-Justiz RS0082877 [T1]; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4, § 38 WEG Rz 12 ff; Gartner in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht4 § 38 WEG Rz 5; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 38 Rz 6).

2.1.2 Die Begründung von Zubehör-Wohnungseigentum am Dachboden zugunsten eines bestimmten Wohnungseigentumsobjekts des früheren Mehrheitseigentümers und Einzelrechtsvorgängers der Erstantragstellerin wurde weder behauptet noch festgestellt. Bei den Benützungsregelungsvereinbarungen handelt es sich – soferne der Rechtsvorgänger der Erstantragstellerin zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarungen noch als Wohnungseigentumsorganisator zu behandeln ist – um einen in § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002 aufgezählten „verdächtigen“ Vertragstyp, bei dem der Begünstigte beweisen muss, dass den Vereinbarungen im konkreten Fall keine Beschränkungseignung mehr zukommt (5 Ob 26/17k mwN).

2.1.3 Der Oberste Gerichtshof hat den Rechtsvorgänger der Erstantragstellerin (zum Zeitpunkt des Abschlusses der Benützungsregelungsvereinbarungen „Nochmehrheitseigentümer“) bereits als Wohnungseigentumsorganisator behandelt und die Schutzbestimmungen des § 37 Abs 4 WEG 2002 (6 Ob 56/16b = immolex 2016/71 zust Männl/Stockhammer = wobl 2016/140; 6 Ob 101/18y) sowie des § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002 (5 Ob 26/17k) im Fall des sukzessiven Abverkaufs von Wohnungen angewendet. Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlasst, von dieser Beurteilung abzugehen.

2.2 Das Rekursgericht verneint die Voraussetzung einer unbilligen Beeinträchtigung und verweist auf die Kommentierung Vonkilchs in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht4 § 38 WEG Rz 17 und 18 und die dort zitierten Gesetzesmaterialien zu § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002. Danach ist § 38 Abs 1 WEG 2002 besonders bei der nachträglichen Wohnungseigentumsbegründung in einem schon bezogenen Haus einschränkend auszulegen und die Zulässigkeit von Vereinbarungen anders zu beurteilen als bei der erstmaligen Wohnungseigentumsbegründung in einem neu errichteten Gebäude. Vereinbarungen, die nur schon zuvor existente Nutzungsrechte von Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten in entsprechende Rechte nach dem WEG 2002 umwandeln, sollen in aller Regel nicht nach § 38 Abs 1 WEG unwirksam sein.

2.2.1 Es geht hier aber nicht um die Wahrung oder Umwandlung von bereits existierenden Nutzungsrechten der Bewohner eines bereits errichteten Hauses (Mieter oder sonstige Nutzungsberechtigte) durch Vereinbarungen mit dem Wohnungseigentumsorganisator, sondern um einen klassischen, iSd § 38 Abs 1 Z 1 WEG „verdächtigen“ Nutzungsvorbehalt zugunsten des Wohnungseigentumsorganisators, der anlässlich des sukzessiven Abverkaufs seiner Mindestanteile Vereinbarungen mit den (zukünftigen) Wohnungseigentümern schließt, in denen er sich (den in der Regel lukrativen) Ausbau des Dachbodens als allgemeinen Teil der Liegenschaft vorbehält. Eine generalisierende Aussage, dass § 38 Abs 1 Z 1 WEG in „Althäusern“ immer einschränkend bzw im Ergebnis gar nicht (weil die Übermacht des Wohnungseigentumsorganisators allgemein nicht gegeben ist) anzuwenden ist, enthält die vom Rekursgericht zitierte Kommentarstelle nicht.

2.2.2 Es ist richtig, dass die Erst- und Zweitantragsgegner den Dachboden nie benutzten. § 38 Abs 1 Z 1 WEG verbietet allerdings auch eine unbillige Beschränkung der Verfügungsrechte und nicht nur der Nutzungsrechte von Wohnungseigentümern. Der Nutzungsvorbehalt zugunsten des Wohnungseigentumsorganisators entzog den Erst- und Zweitantragsgegnern jede Möglichkeit, von der Verwertung des Dachbodens durch Umwidmung, Ausbau, Schaffung von zusätzlichen Wohnungseigentumsobjekten und einem Verkauf zu profitieren.

2.2.3 Nach der vom Rekursgericht als unstrittig angesehenen (S 15 f) Tatsachengrundlage war der Mehrheitseigentümer mit dem Verkauf der Wohnung Top 8 im Jahr 1995 nur gegen Zustimmung des Käufers und der Zweitantragsgegnerin (damals nur Wohnungseigentümerin des Objekts Top 17) zu Ausbau und Verwertung des Dachgeschoßes sowie Einbau eines Lifts einverstanden. Das in der Benützungsregelungsvereinbarung 1996 vereinbarte Vorkaufsrecht wurde nur der Zweitantragsgegnerin eingeräumt und nicht dem Erstantragsgegner, der erst im Jahr 2009 gemeinsam mit der Zweitantragsgegnerin Wohnungseigentum am Objekt Top 18 erwarb. Die Initiative zum Abschluss dieses Kaufvertrags ging vom damaligen Mehrheitseigentümer aus. Der Kaufvertrag und die Benützungsregelungsvereinbarung, die vom Rechtsanwalt des Mehrheitseigentümers verfasst wurden, sind zeitlich und inhaltlich miteinander verknüpft. Bereits im Kaufvertrag verpflichten sich die Erst- und Zweitantragsgegner (Käufer des Objekts Top 18), einem Dachbodenausbau zuzustimmen und die mit dem Kaufvertragsentwurf übermittelte Benützungsregelungsvereinbarung zu unterfertigen.

2.2.4 Der Mehrheitseigentümer verknüpfte sämtliche mit (künftigen) Wohnungseigentümern geschlossene Vereinbarungen mit deren Zustimmung zu Ausbau und Verwertung des Dachbodens. Auch die hier vorliegende Sachverhaltsgrundlage lässt (wie zu 5 Ob 26/17k) den Schluss zu, der Mehrheitseigentümer habe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei Abschluss der Benützungsvereinbarung noch seine Vertragsübermacht ausgenützt.

2.2.5 Die Erwägungen des Rekursgerichts zum Interessenausgleich beim Verkauf des bereits seit fast 30 Jahren unbefristet an die Zweitantragsgegnerin vermieteten Objekts Top 18 basieren auf Vermutungen, die im festgestellten Sachverhalt keine Deckung finden. Das Erstgericht stellte lediglich fest, dass sich das Mietverhältnis auf den Kaufpreis auswirkte, nicht aber in welche Richtung und um wieviel. Der Verkehrswert der Wohnung zum Zeitpunkt des Verkaufs steht nicht fest, sodass ein Vergleich mit dem vom Rekursgericht bezifferten Kaufpreis nicht möglich ist. Die Unterfertigung der Benützungsregelungsvereinbarung wirkte sich nach dem festgestellten Sachverhalt nicht auf den Kaufpreis aus. Ein für die Käufer günstiger Kaufpreis im Austausch gegen die Zustimmung zur Benützungsregelung taugt schon deshalb nicht als Argument für die Billigkeit des Nutzungsvorbehalts.

2.2.6 Den Gegenbeweis einer im konkreten Fall fehlenden Beschränkungseignung hat die durch den Benützungsvorbehalt begünstigte Erstantragstellerin nicht erbracht. Die Benützungsvereinbarungen sind nach § 38 Abs 1 Z 1 WEG 2002 unwirksam, weshalb die Erstantragstellerin daraus keine Verpflichtung der dem Dachbodenausbau widersprechenden Wohnungseigentümer ableiten kann, die vorgelegten Einreichpläne zu unterfertigen. Dies führt zur Abweisung des Sachantrags.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002. Die erfolglose Erstantragstellerin hat jenen Wohnungseigentümern, die sich am Verfahren auf der Gegenseite beteiligt haben, die zur Rechtsverteidigung notwendigen und zweckentsprechenden Kosten zu ersetzen. Dazu zählen aufgrund ihrer Erfolglosigkeit jedenfalls nicht: Der Antrag auf Protokollberichtigung (3. 5. 2015) und die (Rechtsmittel-)Schriftsätze im Zusammenhang mit dem (zu 5 Ob 147/16b abgewiesenen) Zwischenfeststellungsantrag. Die nach der ersten mündlichen Streitverhandlung in erster Instanz eingebrachten, großteils den bisherigen Rechtsstandpunkt der Erst- und Zweitantragsgegner wiederholenden vorbereitenden Schriftsätze vom 19. 1. 2016, 10. 3. 2017, 15. 5. 2017 sowie die Fristerstreckungsanträge sind als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Die Zweitantragstellerin (vormals: Sechstantragsgegnerin) hat durch ihre Beteiligung auf Seite der Erstantragstellerin, die sich auf die Teilnahme an Verhandlungen und die Erstattung von Rechtsmittelbeantwortungen beschränkte, keine besonderen Verfahrenskosten (für die Erst- und Zweitantragsgegner) verursacht. Ihre Kostenersatzpflicht würde dem Grundsatz der Billigkeit (§ 37 Abs 3 Z 17 MRG) widersprechen. Die Bemessungsgrundlage für dieses Verfahren beträgt nach § 10 Z 3 lit b sub lit bb RATG 2.500 EUR.

Textnummer

E125322

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00058.19V.0521.000

Im RIS seit

03.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten