Gbk 2019/3/5 GBK I/762/17

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Veröffentlicht am 05.03.2019
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sexuelle Belästigung durch den/die Arbeitgeber/in

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 5. März 2019 über den am 2. Mai 2017 eingelangten Antrag von Frau A, BSc (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 34/2015; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) und durch eine sexuelle Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG durch die Firma X (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/762/17, zu folgendem

Prüfungsergebnis:

1.   Frau A, BSc ist aufgrund des Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG durch die Firma X diskriminiert worden.

2.   Frau A, BSc ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG durch die Firma X diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und von Herrn B (als informierten Vertreter der Antragsgegnerin) vom 5. März 2019. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf das Kündigungsschreiben vom 27. Februar 2017, die Interventionsschreiben der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) vom 23. Februar und 6. April 2017, die Stellungnahme der Antragsgegnerin an die GAW vom 13. März und 18. April 2017 sowie die Benachrichtigung der/des Beschuldigten von der Einstellung des Verfahrens zu GZ … vom ...

Vorbringen

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei von 5. Oktober 2016 bis 10. März 2017 bei der Antragsgegnerin in Teilzeit als Arbeiterin beschäftigt gewesen.

Die Antragstellerin studiere Agrar- und Ernährungswirtschaft und habe mit dem Dienstverhältnis bei der Antragsgegnerin mit 20 Wochenstunden ihr Studium finanzieren sowie Einblicke in die betriebliche Praxis einer …brauerei erhalten wollen, was für sie auch fachlich relevant sei.

Es habe ein lockeres Arbeitsklima geherrscht, in dem auch Witze gemacht worden seien, was sie als angenehm erlebt habe. Ihr sei allerdings unangenehm aufgefallen, dass ausschließlich ihr Chef, Herr B, immer wieder unangebrachte Bemerkungen in ihre Richtung gemacht habe, die die Grenze einer professionellen Arbeitsbeziehung überschritten haben. So sei er einmal in einen Raum gekommen, den die Antragstellerin gerade geputzt habe und habe zu ihr gesagt, dass sie „heute sehr hübsch“ aussehe. Im Winter, als sie die Produkte der Antragsgegnerin bei einem Stand … verkauft habe, habe er sie mehrfach darauf angesprochen, ob sie warm genug angezogen sei und sie gefragt, ob „ich nicht nachschauen soll“. Die Antragstellerin habe dies zunächst nicht ernst genommen, habe diese Bemerkungen „überhört" oder habe sie mit einem Scherz abgetan. Sie habe sich dabei jedoch von Anfang an unwohl gefühlt.

Am 8. Februar 2017 habe sie Herr B unvermittelt gefragt, ob sie an diesem Abend Zeit hätte und mit ihm zu „seinem Saunaabend“ mitkommen wolle. Die Antragstellerin sei perplex gewesen und habe dies sofort abgelehnt. Sie habe mit Herrn B an diesem Tag aber noch einige berufliche Dinge in Bezug auf ein Praktikum besprechen wollen. Dieses Gespräch habe er nach kurzem mit der Bemerkung unterbrochen: „Weißt du was, reden wir oben darüber, bei einem Glaserl Wein!“. Mit „oben“ habe Herr B seine Wohnung gemeint, die direkt über den Unternehmensräumen liege, was der Antragstellerin auch bekannt gewesen sei. Sie habe sich zunächst nichts weiter dabei gedacht und zugesagt.

In der Wohnung habe Herr B dann eine Flasche Champagner geöffnet und das Gespräch mit sehr privaten Fragen und Bemerkungen begonnen. So habe er sie gefragt, wieso sie keinen Freund habe und dass er das nicht verstehen würde; er habe zu ihr gesagt, dass sie eine hübsche Frau sei; er habe erwähnt, dass die „heutigen Männer" ohnehin nur ewig lange bemuttert werden und die heutige Erziehung „total verweichlicht“ sei. Für die Antragstellerin seien diese Themen sehr unangenehm gewesen und sie habe einsilbig geantwortet. Später sei ihr noch aufgefallen, dass Herr B seiner Frau, mit der er während des Treffens mit der Antragstellerin telefoniert habe, nichts davon erzählt habe, dass er mit ihr zusammensitze. Er habe der Antragstellerin dann auch noch, dass er früher der volle „Checker“ gewesen sei und „alle Frauen bekommen“ hätte, auch wenn er sich „noch so mies“ verhalten hätte.

Bezüglich des von der Antragstellerin gewünschten Praktikums habe er ihr eine Zusage gemacht. Nachdem sie die Flasche Champagner ausgetrunken gehabt haben, habe die Antragstellerin zu Herrn B gesagt, dass sie nun gehen würde. Beim Verabschieden an der Eingangstüre habe er plötzlich gesagt: „Das muss ich mir schon den ganzen Tag anschauen, das muss ich jetzt einfach einmal tun!“, habe ihr mit der rechten Hand auf das Gesäß gefasst und fest zugedrückt. Sie habe nicht gewusst, wie ihr geschehe, sie sei völlig perplex gewesen. Danach habe er sich wie immer mit Bussi links und rechts von ihr verabschiedet. Sie habe sich dann nochmals umgedreht und Herrn B gefragt, ob er wüsste, dass „dies anzeigefähig ist“. Lachend habe er entgegenet: „Versuchs doch mal!“

Die Antragstellerin sei am nächsten Tag in Krankenstand gegangen, da sie nach diesem Vorfall Herrn B nicht mehr begegnen habe wollen. Ca. zehn Tage später habe sie die Kündigung erhalten.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der Antragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 29. Mai 2017 verwies diese auf die Stellungnahme an die GAW vom 13. März 2017.

In der Stellungnahme an die GAW erklärte die Antragsgegnerin im Wesentlichen, dass das Aufgabengebiet der Antragstellerin in der Firma darin bestanden habe, die fünf … Gästezimmer zu betreuen. Die Aufgabe habe unter anderem darin bestanden, die Zimmer und sanitären Einrichtungen sauber zu halten, im Bedarfsfall Bettwäsche und Handtücher zu wechseln, die dazu gehörige Schwimmhalle und Sauna sauber zu halten und den Gästen Frühstück zuzubereiten. Im Dezember 2016 sei die Antragstellerin nach Absprache auch einige Tage auf dem Christkindlmarkt … am Stand der Antragsgegnerin im Verkauf tätig gewesen.

Die von der GAW erwähnten Bemerkungen und Scherze seien in der Firma unter allen Mitarbeitern nicht selten und werden solange als akzeptabel angesehen, solange diese auch mit entsprechendem Humor erwidert werden, was auch bei der Antragstellerin der Fall gewesen sei.

Aus Rücksicht auf ihr Studium habe die Antragsgegnerin Frau A im Jänner d. Jahres freigegeben, um sich auf Ihre Prüfungen konzentrieren zu können. Nach ihrer Rückkehr habe sie Herrn B gebeten, sich mehr im Unternehmen einbringen zu wollen (…-, …- und …erzeugung), da sie unsere Themen in die Abschlussarbeit integrieren habe wollen.

Herr B habe ihr ein Gespräch in der Wohnung der Familie B angeboten, die sich über der Firma im zweiten Stock befinde, nachdem er sie noch in eine zusätzliche Reinigung in der Schwimmhalle eingewiesen habe. Den von ihr erwähnten Mitarbeiter, der im Erdgeschoß arbeite, habe Herr B nicht nach Hause geschickt, er habe ohnehin um 17:30 Uhr Dienstschluss gehabt. Es sei nicht unüblich, dass sich Mitarbeiter in ihrer Wohnung einfinden, um gemeinsam zu essen, zu trinken und zu diskutieren.

Bei einer Flasche Champagner, einfache Marke aus dem Diskonter, hätten Herr B und die Antragstellerin anfangs Small Talk geführt, der auch privaten Inhalt gehabt habe, wobei er bei seiner Gesprächspartnerin nicht erkennen habe können, dass die Situation für sie unangenehm gewesen sei. Auf beruflicher Ebene habe er ihr vorgeschlagen, Erfahrungen im Kundenkontakt und Produktkenntnisse zu gewinnen, indem sie sich auf dem Naschmarkt im Verkauf einbringe, danach die Verfahrenstechniken in der Produktion erlerne und seine Unterstützung bei ihrer Arbeit für das Studium.

Das Wort „Checker“ befinde sich nicht in seinem Sprachgebrauch.

Herr B habe sich von der Antragstellerin außerhalb der Wohnung mit einem Busserl links und rechts verabschiedet, was nicht das erste Mal gewesen sei. Da er die Wohnung ebenso verlassen habe wollen, habe er in der einen Hand den Wohnungsschlüssel und in der anderen das Telefon gehabt. Er habe sie definitiv nicht am Gesäß berührt. Nach der Verabschiedung habe sie noch gescherzt, dass sie das Bussi „anzeigen“ könne, worauf er geantwortet habe: „Kann man das heutzutage auch schon anzeigen?“ Die Antragstellerin sei die Stufen abwärtsgegangen, er sei in die Wohnung zurückgekehrt, um die Lichter abzudrehen. Danach sei er aus dem Haus gegangen, die Antragstellerin habe er nicht mehr gesehen.

Herr B weise sohin die Behauptungen der Antragstellerin als unberechtigt zurück.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes auch vor, wenn eine Person vom/von der ArbeitgeberIn selbst sexuell belästigt wird.

Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.

Der Begriff „ArbeitgeberIn“ ist im Arbeitsrecht kaum determiniert, auch nicht im GlBG. Nach dem hier durch die Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis zu Grunde zu legenden arbeitsvertraglichen ArbeitgeberInnen-Begriff ist als ArbeitgeberIn jede Person anzusehen, die im Rahmen des Arbeitsvertrags über die Arbeitskraft einer anderen Person verfügt. Ist der/die ArbeitgeberIn eine juristische Person, ist dieser das Verhalten ihrer vertretungsbefugten Organe (Vorstandsmitglieder, GeschäftsführerIn, etc.) unmittelbar zuzurechnen.2

Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise unsittliche Redensarten3, anzügliche – sei es auch in „Komplimente“ verpackte –Bemerkungen über die Figur oder „Begrapschen“ bzw. Po-Kneifen4.

Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.5

Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.

Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Allerdings kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.6

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf §§ 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, ihr Vorgesetzter habe die Grenzen einer professionellen Arbeitsbeziehung überschritten, u.a. habe er angemerkt, dass sie „heute sehr hübsch“ sei; als sie im Winter Produkte der Antragsgegnerin bei einem Stand … verkauft habe, habe er sie mehrmals darauf angesprochen, ob sie warm genug angezogen sei und gefragt, ob er nachschauen solle; er habe sie gefragt, ob sie zu einem Saunaabend mitkommen wolle; im Zuge einer Besprechung über ihre berufliche Zukunft habe er private Fragen gestellt, private Bemerkungen gemacht und ihr bei der Verabschiedung ans Gesäß gefasst und zugedrückt, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren ergab, dass die Antragstellerin seit 5. Oktober 2016 bei der Antragsgegnerin als Arbeiterin im Verkauf und im Bereich der Zimmervermietung beschäftigt war. Im Zuge ihres Arbeitsverhältnisses bei der Antragsgegnerin kam es zu Bemerkungen ihres Vorgesetzten, Herrn B, in ihre Richtung, beispielsweise, dass sie „heute sehr hübsch“ aussehe. Im Winter, als sie die Produkte der Antragsgegnerin bei einem Stand … verkaufte, sprach Herr B die Antragstellerin mehrfach darauf an, ob sie warm genug angezogen sei, und fragte sie, ob er nicht nachschauen solle. Am 8. Februar 2017 fragte er sie, ob sie zu seinem Saunaabend mitkommen wolle, was die Antragstellerin ablehnte. Am selben Tag suchte sie Herrn B auf, da sie berufliche Dinge in Bezug auf ein Praktikum besprechen wollte. Auf Vorschlag von Herrn B fand das Gespräch nach Dienstschluss in seiner Wohnung, die direkt über den Betriebsräumlichkeiten liegt, statt. Herr B begann das Gespräch mit privaten Fragen und Bemerkungen, beispielsweise, wieso die Antragstellerin keinen Freund habe und dass er das nicht verstehe; er sagte zu ihr, dass sie eine hübsche Frau sei; er erwähnte, dass die „heutigen Männer“ ohnehin nur ewig lange bemuttert werden und die heutige Erziehung „total verweichlicht“ sei. Er erzählte der Antragstellerin weiters, dass er früher der volle „Checker“ gewesen sei und „alle Frauen bekommen“ hätte, auch wenn er sich „noch so mies“ verhalten hätte. Bezüglich des gewünschten Praktikums machte Herr B der Antragstellerin eine Zusage. Beim Verabschieden an der Eingangstüre sagte er „Das muss ich mir schon den ganzen Tag anschauen, das muss ich jetzt einfach einmal tun“, fasste der Antragstellerin mit der rechten Hand auf das Gesäß und drückte fest zu.

Im vorliegenden Fall gab es – mit Ausnahme der Aussage bezüglich des Weihnachtsmarktes – außer der Antragstellerin und Herrn B keine Person, die die Vorfälle unmittelbar wahrgenommen hat. Dem Senat kam die Aufgabe zu, die Glaubwürdigkeit der beteiligten Personen zu beurteilen. Der mündlichen Befragung der Beteiligten und dem Eindruck, den der erkennende Senat von ihnen gewinnt, kommt eine Schlüsselrolle bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens zu.

Die Antragstellerin wiederholte im mündlichen Vorbringen die erhobenen Vorwürfe gegen Herrn B ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag und konnte somit die Vorwürfe der sexuellen Belästigung glaubhaft machen. Zudem erschien die Antragstellerin dem Senat in der Befragung als authentisch und persönlich betroffen. Die subjektive Betroffenheit der Antragstellerin war auch nach der langen Zeit, die seit dem Einbringen des Antrages verstrichen ist, für den Senat deutlich wahrnehmbar.

Als einer der maßgeblichen Faktoren für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Herrn B wurden dessen Aussagen vom Senat auf Widersprüche überprüft:

Ein eklatanter Widerspruch ergab sich für den Senat, dass Herr B zum Vorwurf, er habe zur Antragstellerin gesagt, dass sie heute sehr hübsch sei, aussagte, dass es durchaus sein könne, dass er das einmal gesagt habe, und ergänzend hinzufügte „Ich finde, wenn jemand gut aussieht und wir haben Gäste, dann ist das eigentlich sehr positiv und für mich auch eine Art von Motivation.“ Hingegen darauf angesprochen, dass er im Zuge des Gesprächs am 8. Februar 2017 zur Antragstellerin gesagt haben solle, dass sie schön sei, schloss er aus, diese Aussage getroffen zu haben: „Das sie schön ist, ich ihr ein Kompliment gemacht hätte, das ist unmöglich. Also das kann ich mir nicht vorstellen.“ Es war für den Senat nicht nachvollziehbar, wieso es in einer Situation durchaus der Fall gewesen sein kann, dass er sich zum Aussehen der Antragstellerin geäußert hat, in einer anderen Situation jedoch nicht.

Eine Bestätigung der Vorwürfe der Antragstellerin sieht der Senat hingegen in der Aussage von Herrn B zur Frage, ob er die Antragstellerin Privates gefragt habe: „Es kann durchaus sein, dass ich privat hinterfragt habe. Das ist mir auch wichtig, wenn ich jemanden mehr [Anmerkung: gemeint für mehr Stunden] einstellen möchte, wie es mit dem privaten Hintergrund aussieht, ob sie liiert ist. Das ist für mich eigentlich sehr wichtig.“ Auf Nachfrage ergänzte er: „Ich glaube, dass es sehr, sehr wichtig ist für einen Arbeitgeber, die privaten Hintergründe zu wissen. Ich glaube, dass es schon eine Interaktion sein kann zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ich finde das sehr, sehr wichtig. Ich weiß, das ist heute nicht mehr gefragt, aber der private Hintergrund ist mir eigentlich sehr, sehr wichtig. Ich glaube, wenn Menschen ein geordnetes privates Feld haben, passen sie eigentlich ganz gut zu uns rein.“ Auch schloss Herr B nicht aus, schlecht über Männer gesprochen zu haben, er bestritt lediglich aus seiner Vergangenheit erzählt zu haben: „Es kann sicherlich sein, dass ich über die Männer schlecht gesprochen habe. Das ist auch meine Überzeugung, aber dass ich von meiner privaten Vergangenheit erzähle, also das sind Tabuthemen. Das kann einfach nicht sein.“ Nach Auffassung des Senates sind derart private Fragen und Äußerungen eines Vorgesetzten mehr als befremdlich.

Zum Vorwurf, er habe die Antragstellerin mehrfach darauf angesprochen, ob sie warm genug angezogen sei, und gefragt, ob er nicht nachschauen solle, führte Herr B aus: „Ich bin selbst am … gestanden. Das ist der Christkindlmarkt und da bläst der Wind verdammt kalt herein. Ich weiß, wie das ist. Ich habe sie sicher einmal gefragt: „Bist du warm genug angezogen?“ Nach Auffassung des Senates versuchte Herr B mit dieser Aussage den Vorwurf, eine anzügliche Bemerkung gemacht zu haben, zu relativieren. Der Senat wertet das Vorbringen von Herrn B als Schutzbehauptung und stützt sich dabei auf die glaubhafte Darstellung der Antragstellerin, wonach Herr B ein sehr Offener sei und gerne Witze mache. Die Darstellung der Antragstellerin wurde durch die Aussagen von Herrn B zu seinem – aus Sicht des Senates saloppen – Umgang mit MitarbeiterInnen (gemeinsame Essen in der privaten Wohnung, Fragen zum Privatleben, nicht unübliche Begrüßung bzw. Verabschiedung mit Bussi links Bussi rechts) untermauert. Herr B begründete die Begrüßung bzw. Verabschiedung mit Bussi links Bussi folgendermaßen: „Also Bussi links, Bussi rechts ist eine übliche Sache, eine Begrüßung und eine Verabschiedung bei uns – immer noch. Nachdem es bei uns sehr familiär ist.“ Zum laut der Stellungnahme der Antragsgegnerin nicht unüblichen gemeinsamen essen, trinken und diskutieren mit MitarbeiterInnen in der privaten Wohnung führte Herr B in der Befragung ergänzend aus: „Das kommt auch noch immer vor. Ja. Zur Erklärung: Wir kochen da gemeinsam etwas und trinken eine Flasche Wein gemeinsam und sprechen sowohl über private Dinge wie auch über die Firma, was mir am Allerwichtigsten ist. Wir sehen es als eine Art Motivation. Essen und Trinken hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert, privat wie auch beruflich und somit ist es ganz klar, dass wir die Mitarbeiter miteinbeziehen.“ Nach Auffassung des Senates zeichnet das Vorbringen von Herrn B ein klares Bild seines Verhaltens als Vorgesetzter und der fehlenden Distanz seinen ArbeitnehmerInnen gegenüber.

Herr B bestritt, die Einladung zum Saunaabend ausgesprochen zu haben, und der Antragstellerin aufs Gesäß gegriffen zu haben. Vor dem Hintergrund, dass Herr B – wie ausgeführt – die nötige Distanz zu seinen MitarbeiterInnen vermissen lässt, schenkt der Senat den glaubhaften Schilderungen der Antragstellerin Glauben, dass die Vorfälle in der von ihr vorgebrachten Weise stattgefunden haben.

Die von Herrn B getätigten Fragen und Bemerkungen sowie der Griff auf das Gesäß stellen eine der sexuellen Sphäre zugehörige Verhaltensweise dar. Die Verhaltensweisen haben die subjektive Grenze der Antragstellerin überschritten und waren für sie unerwünscht.

Zur Unerwünschtheit brachte die Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme vor, dass Herr B bei seiner Gesprächspartnerin nicht erkennen konnte, dass die Situation [in der Wohnung] für sie unangenehm gewesen sei. Hierzu hält der Senat fest, dass die Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die Antragstellerin keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung ist. Die Reaktion der Antragstellerin, nach dem Gespräch am 8. Februar 2017 in Krankenstand zu gehen sowie in der Folge eine Anzeige zu erstatten und sich an die GAW zu wenden, zeigt jedoch, dass das von Herrn B gesetzte Verhalten von ihr eindeutig nicht erwünscht war.

Die Vorfälle waren zudem dazu geeignet, die Würde der Antragstellerin zu verletzen und für die Antragstellerin eine einschüchternde, feindselige bzw. demütigende Arbeitsumwelt zu schaffen.

Im vorliegenden Fall wurde das strafrechtliche Verfahren gegen Herrn B gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt, weil die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre. Die Antragsgegnerin informierte den Senat in ihrer Stellungnahme vom 29. Mai 2017 über diesen Umstand und versuchte damit augenscheinlich das Nichtvorliegen einer sexuellen Belästigung zu belegen. Dieser Versuch geht ins Leere. Aus der Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft … vom … geht klar hervor, dass allfällige zivilrechtliche Ansprüche von der Einstellung unberührt bleiben. Die Feststellung einer sexuellen Belästigung nach dem GlBG steht der Einstellung eines strafrechtlichen Verfahrens nicht entgegen. Für den Senat entstand der Eindruck, dass die Antragsgegnerin keine Kenntnisse über den Tatbestand der sexuellen Belästigung im GlBG hat, insbesondere nicht zur Unterscheidung desselben von strafrechtlich relevantem Verhalten.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihr vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG vor.

Gemäß § 3 Z 7 GlBG darf aufgrund des Geschlechtes im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Dem/Der Beklagten obliegt es bei Berufung auf §§ 3 oder 4 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder das andere Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 2 vorliegt.

Die Antragstellerin brachte weiters vor, dass sie als Reaktion darauf, dass sie das Verhalten von Herrn B zur Anzeige gebracht und sich an die GAW gewandt habe, die daraufhin ein Interventionsschreiben an die Antragsgegnerin übermittelt habe, gekündigt worden sei.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin bezugnehmend auf den Vorfall am 8. Februar 2017 Anzeige bei der Polizei erstattete und zur GAW in Beratung ging. Die GAW verfasste am 23. Februar 2017 ein Schreiben mit den Vorwürfen der Antragstellerin an die Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 27. Februar 2017 wurde die Antragstellerin per 3. März 2017 arbeitgeberseitig gekündigt.

Die Antragsgegnerin brachte als Grund für die Kündigung vor, dass sich die Antragstellerin nicht mehr gemeldet habe. Herrn B war in der mündlichen Befragung jedoch nicht erinnerlich, ob sich die Antragstellerin nach dem 8.  Februar 2017 krank gemeldet hat oder nicht.

Mangels Beweis des Gegenteils durch die Antragsgegnerin – Herr B bestätigte, von der Polizei einvernommen worden zu sein, wusste jedoch in der Befragung nicht, wann dies war – ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Kündigung am 27. Februar 2017 bereits Kenntnis von der Anzeige hatte. Zudem ist es aus Sicht des Senates hinsichtlich des Postlaufs nicht denkunmöglich, dass das Interventionsschreiben der GAW vom 23. Februar 2017 – einem Donnerstag – der Antragsgegnerin am 27. Februar 2017 – einem Montag – zugestellt wurde und das Kündigungsschreiben von der Antragsgegnerin am selben Tag als Reaktion auf die Anzeige und das Interventionsschreiben der GAW verfasst wurde.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive, hier das unentschuldigte Fernbleiben vom Arbeitsplatz, ausschlaggebend waren.

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG vor.

Vorschlag

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegnerin, Firma X, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.

Wien, 5. März 2019

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 7.

3  Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 76f.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 20.

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 12.

6  Vgl. ebd. § 6 Rz 28.

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2019
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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