TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/9 L529 2212130-1

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Veröffentlicht am 09.01.2019
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Entscheidungsdatum

09.01.2019

Norm

AVG §66 Abs4
BFA-VG §18 Abs1
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
MSchG §3
MSchG §5
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L529 2212127-1/2E

L529 2212130-1/2E

L529 2212131-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der Türkei, vertreten durch RA Mag. Hubert WAGNER LL.M, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde der mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die Mutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch RA Mag. Hubert WAGNER LL.M, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde der mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die Mutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch RA Mag. Hubert WAGNER LL.M, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BESCHLUSS

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der Türkei, vertreten durch RA Mag. Hubert WAGNER LL.M, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2018, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde der mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die Mutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch RA Mag. Hubert WAGNER LL.M, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2018, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde der mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die Mutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch RA Mag. Hubert WAGNER LL.M, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2018, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "BF 1" bezeichnet) ist Staatsbürgerin der Türkei. Sie ist die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerinnen "BF 2" und "BF 3".

Für die erstangeführte Beschwerdeführerin sind Aufenthaltstitel (Aufenthaltsbewilligung/Studierender) ab 04.03.2008 aktenkundig.

I.2. Mit Bescheid des BMI vom 07.07.2010, Zl.: 156.025/2-III/4/10, wurde eine Berufung der BF 1 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, MA 35 vom 24.03.2010, Zl.:

MA35-9/2747851-05-J, mit welchem der Verlängerungsantrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung - Studierender" mangels Studienerfolges abgewiesen wurde, gemäß § 64 Abs. 4 AVG iVm § 64 Abs. 1 und 3 NAG abgewiesen.

I.3. Die BF 1 stellte im Jahr 2010 erneut einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und verfügte vom 18.03.2011 bis 19.03.2013 und von 19.08.2014 bis 03.03.2016 über Aufenthaltsbewilligungen "Studierender" in Österreich. Ein weiterer Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Studierender" vom 29.02.2016 wurde mit Bescheid der MA 35, Amt der Wiener Landesregierung, vom 08.03.2017 abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs am 13.04.2017 in Rechtskraft.

I.4. Die BF 1 war von 20.02.2006 bis 29.05.2017 und von 07.08.2017 bis 07.05.2018 mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Ein neuerlicher Hauptwohnsitz der BF 1 besteht seit 04.10.2018 an der Adresse 2603 Felixdorf, Mühlstraße 1 DH 1/1.

Gegen die BF 1 wurde am 25.05.2017 eine Anzeige nach dem Meldegesetz erstattet, weil sie die Aufgabe ihres Wohnsitzes in Wien 15., XXXX , nicht gemeldet hatte. Strafverfahren wegen des unrechtmäßigen Aufenthaltes sind nicht aktenkundig.

I.5. Mit 23.11.2018 wurde von der bB für den 03.12.2018 ein Festnahmeauftrag hinsichtlich der BF 1 erlassen. An diesem Tag wurde die BF 1 niederschriftlich einvernommen und ihr der bekämpfte Bescheid ausgefolgt. Gleichzeitig erfolgte eine Übermittlung der bekämpften Bescheide in elektronischer Form an den rechtsfreundlichen Vertreter.

I.6. Mit Datum 09.10.2018 wurde von der BF 1 bei der BH Wiener Neustadt ein Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels eingebracht, für die beiden minderjährigen Kinder (BF 2 und BF 3) am 16.10.2018 (AS 343 - 347).

I.7.1. Mit den angefochtenen Bescheiden wurde den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 18 Abs. 2 Ziffer 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidungen die aufschiebende Wirkung aberkannt.

I.7.2. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, es sei davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung geboten sei, weil die BF 1 durch ihr Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Ihr Verhalten stelle zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, Ordnung und Sicherheit berühre.

Für die Behörde stehe fest, dass für die BF bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei. Es sei in ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei. § 18 Abs. 2 BFA-VG sehe bei Vorliegen des oben genannten Tatbestandes zwingend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung vor. Mangels Vorliegens einer realen menschenrechtsrelevanten Gefahr sei es den BF zumutbar, den Ausgang ihres Verfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten.

I.8. Gegen die genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die Behörde ein unzureichendes Verfahren geführt habe. Der Bescheid werde mit einem angelblich illegalen Aufenthalt seit 13.04.2017 nur scheinbar begründet, die BF habe aber bereits am 16.10.2018 bei der zuständigen Behörde einen weiteren Antrag auf einen Aufenthaltstitel gestellt. Bei der Erstbeschwerdeführerin liege eine Risikoschwangerschaft vor, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei bereits aus diesen gesundheitlichen Gründen nicht gerechtfertigt.

Unter anderem wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

Die BF 1 heißt XXXX , ist am XXXX geboren und türkische Staatsangehörige. Die BF 2 und BF 3 sind die mj. Töchter der BF 1 (BF 2: XXXX geb., türk. StA.; BF 3: XXXX , XXXX geb., türk. StA.).

Bei der BF 1 besteht zum Zeitpunkt dieser Entscheidung eine Schwangerschaft im 6. Monat. Dem Akteninhalt nach ist von einer Risikoschwangerschaft auszugehen.

II.2. Beweiswürdigung

Mit Blick auf die verkürzte Entscheidungsfrist werden die relevanten Aktenteile wie folgt gewürdigt:

II.2.1. Gemäß dem E-Mail der BH-Wiener Neustadt vom 08.10.2018 gibt die BF 1 an, dass bei ihr eine Problemschwangerschaft im 3. Monat bestehe (AS 105, 106).

II.2.2. Gemäß dem fachärztlichen Befundbericht vom 08.10.2018 eines Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe liegt bei der BF 1 eine Schwangerschaft von 12 Wochen vor.

"St.p. 1 Partus in der 36. SSW; bei der 2. Grav bestand eine Frühgeburtlichkeitsneigung." (AS 125).

II.2.3. Der fachärztliche Befundbericht vom 12.10.2018 eines Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe lautet:

"Dg: intakte Grav SSW 13

St.p: Frühgeburt

Diagnose: anhaltende Schmerzen im UB und Rücken, Verd. vorz. Wehen

Therapie: körperliche Schonung; Mg per os

Von einer Flugreise wird derzeit abgeraten." (AS 127)

II.2.4. Das E-Mail einer Sachbearbeiterin des BMI vom 13.11.2018 lautet: "Nach Durchsicht der Befunde von unserer Chefärztin Dr. XXXX ist eine Überstellung ohne medizinischer Begleitung möglich." (AS 147)

II.2.5. Die unter 2.4. angeführte Aussage ist einer Sachbearbeiterin des BMI zuzuordnen. Ein direkter Befund/Gutachten einer medizinischen Sachverständigen liegt nicht vor. Die Aussage kann daher fachärztliche Befunde nicht entkräften.

II.2.6. Schließlich geht die belangte Behörde selbst von Fluguntauglichkeit der BF 1 aus (vgl. AS 285) und tritt das BVwG dieser Annahme bei.

II.3. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

II.3.1.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft und hat das ho. Gericht im gegenständlichen Fall gem. § 17 leg. cit das AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

II.3.1.4. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A)

II.3.1.5.1. § 18 BFA-VG lautet:

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) ...

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

....

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar."

II.3.1.5.2. Liegt einer der Gründe des § 18 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BFA-VG vor, wäre im Rahmen der vorzunehmenden Prüfungsschritte festzustellen, ob mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der BF in den Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen und keine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würde. Kann diese Prognoseentscheidung nicht getroffen werden, ist gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG vorzugehen.

II.3.1.5.3. Gem. § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG ist das ho. Gericht berechtigt, die Entscheidung der belangten Behörde durch Erkenntnis zu beheben (vgl. Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 17 zu § 28 VwGVG). Die Behörden sind in diesem Fall verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Aus den genannten Rechtsvorschriften ergibt sich, dass das BFA-VG und das VwGVG grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung stellen, um zu erreichen, dass einer Beschwerde, der das Bundesamt die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 BFA-VG aberkannt hat, dennoch aufschiebende Wirkung zukommt:

Das kann einerseits gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuerkennen; es kann aber andererseits auch auf Grund einer Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung - im vorliegenden Verfahren also gegen Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides - diesen Teil des Bescheides aufheben.

Die Voraussetzungen für die amtswegige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sind in § 18 Abs. 5 BFA-VG umschrieben. Die Voraussetzungen dafür hingegen, einen Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 BFA-VG aufgrund der Beschwerde gegen diese Aberkennung gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG- aufzuheben, liegen dann vor, wenn die Voraussetzungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach Ansicht des ho. Gerichts per se schon nicht vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn keiner der in § 18 Abs. 1 und Abs. 2 BFA-VG aufgezählten Tatbestände erfüllt ist.

§ 18 Abs. 1 BFA-VG kommt hier nicht zur Anwendung, weil im angefochtenen Bescheid nicht über einen Antrag auf internationalen Schutz (meritorisch) entscheiden wurde und ist zunächst zu prüfen, ob überhaupt ein Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG erfüllt ist und muss hierzu festgehalten werden, dass sich die Begründung der bB dazu im angefochtenen Bescheid als verkürzt darstellt.

II.3.1.5.4. Ohne auf die Frage einzugehen, ob ein Verhalten, wie jenes der BF 1, die Ausreise eines Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit grundsätzlich erforderlich macht, ist vorweg die Frage zu prüfen, ob die Umstände des konkreten Einzelfalles die sofortige Ausreise unumgänglich erscheinen lassen.

II.3.1.5.5. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in seiner ständigen Rechtsprechung, dass bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Bei dieser Abwägung kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, dass eine medizinische Behandlung in Österreich vorgenommen wird, die im Einzelfall zu einer maßgeblichen Verstärkung des persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich führen kann (vgl. etwa VwGH vom 29. Februar 2012, 2010/21/0310 bis 0314 und 2010/21/0366, mwN). Im vorliegenden Fall hätte das BVwG unter der Annahme, dass bei der Zweitrevisionswerberin tatsächlich eine Risikoschwangerschaft vorlag, die eine jederzeitige medizinische Behandlung erforderlich und einen Transport in den Herkunftsstaat für Mutter und Ungeborenes gesundheits- oder lebensgefährdend machen konnte, dieses besondere private Interesse am vorübergehenden Verbleib in Österreich gegen das öffentliche Interesse an einer sofortigen Beendigung des Aufenthalts der Zweitrevisionswerberin im Bundesgebiet abwägen müssen. Dabei wäre zwar zu beachten gewesen, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in seinem aktuellen Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet (vgl. etwa VwGH vom 29. April 2010, 2009/21/0055, mit Hinweisen auf die einschlägige Rechtsprechung des EGMR). Das schließt aber nicht aus, dass im Falle einer Schwangerschaft, die sich während des Aufenthalts in Österreich medizinisch problematisch entwickelt, ein beachtenswertes privates Interesse der Schwangeren (auch) im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, den Aufenthalt vorübergehend zu verlängern (VwGH vom 28.04.2015, Ra 2014/18/0146).

II.3.1.5.6. In den §§ 3 und 5 Mutterschutzgesetz, BGBl. Nr. 221/1979 idgF (MSchG) wird für Frauen grundsätzlich ein Beschäftigungsverbot von acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung (in bestimmten Fällen auch länger) bis acht Wochen nach der Entbindung normiert (Mutterschutz). Die hinter dieser Bestimmung liegende generelle Wertung, dass schwangere Frauen in diesem Zeitraum einer körperlichen Schonung bedürfen, kann auch auf Ausweisungen/Außerlandesbringungen im Asylrecht übertragen werden. Für den gegenständlichen Fall ist anzunehmen, dass der Beginn der Schutzfrist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung bereits eingetreten ist.

II.3.1.5.7. Der hier gegenständliche Fall ist mit jenem, der der Entscheidung Ra 2014/18/0146 zugrunde lag, vergleichbar. Dass es öffentliche Interessen gegenständlich erfordert hätten, den Aufenthalt der BF 1 in Österreich unter Außerachtlassen ihrer gegenteiligen privaten Interessen unverzüglich zu beenden, wurde von der bB im angefochtenen Bescheid zwar behauptet, aber nicht näher ausgeführt und ist der Aktenlage nach jedenfalls nicht klar ersichtlich. Die Abwägung der Interessen der BF 1 gegen das öffentliche Interesse an einer sofortigen Beendigung des Aufenthaltes der BF 1 hätte daher zu Gunsten der BF 1 ausgehen müssen.

Daher erweist sich unter der getroffenen Annahme des Bestehens einer Risikoschwangerschaft vor dem Hintergrund des konkreten Falles die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wegen eines drohenden Verstoßes gegen das durch Art. 8 EMRK geschützte Privatleben der BF 1 als rechtswidrig.

II.3.1.5.8. Ein weiteres Eingehen auf mögliche Beeinträchtigungen im Hinblick auf Art. 3 EMRK bzw. die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 2 Ziffer 1 BFA-VG erweist sich daher als obsolet.

II.3.1.5.9. Wie bereits ausgeführt, ist gem. § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG das ho. Gericht berechtigt, die Entscheidung der belangten Behörde durch Erkenntnis zu beheben. Die Behörden sind in diesem Fall verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Bei einer Aufhebung gem. § 28 Abs. 1 iVm Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheids in Form eines Erkenntnisses. Die Behebungsgründe werden gesetzlich nicht genannt. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 66 Abs. 4 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Rz 17ff zu § 28); Hengstschläger/Leeb, AVG, Manz Kommentar, Rz 97 zu § 66 [Abs. 4], führen mwN auf die höchstgerichtliche Judikatur aus:

"Hätte der angefochtene Bescheid nicht ergehen dürfen, weil nach den maßgeblichen Verwaltungsvorschriften in der anhängigen Rechtssache die Erlassung eines Bescheides entweder im unterinstanzlichen Verfahren überhaupt unzulässig war oder während des Berufungsverfahren unzulässig geworden ist, oder hätte ihn die betroffene Behörde (mangels Zuständigkeit) nicht erlassen dürfen und kann der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch die Kassation des zu Unrecht ergangenen Bescheides hergestellt werden, hat die Rechtsmittelbehörde den Bescheid gem. § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos, dh ohne eine darüber hinausgehende Sachentscheidung, zu beheben".)

Da im gegenständlichen Fall der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG nicht erfüllt ist und das ho. Gericht auch keinen weiteren Tatbestand des Abs. 2 leg. cit. aufgrund der Aktenlage als erfüllt erachtet, war Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide ersatzlos zu beheben.

Die bB hat somit mit Erlassung des gegenständlichen Erkenntnisses für die BF jenen Rechtsbestand herzustellen, wie er bestanden hätte, wenn die Spruchpunkte IV. nicht erlassen worden wären.

II.3.1.5.10. Abschließend weist das ho. Gericht darauf hin, dass sich die Anwendung des § 18 BFA-VG nach dem Willen des Gesetzgebers auf klare Fälle beschränken soll, in denen das Rechtsschutzinteresse mangels echter Gefährdung des Antragstellers am geringsten ist. Es handelt sich bei dieser taxativen Aufzählung um Aspekte der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. RV 2144 XXIV GP). Schon hieraus ergibt sich, dass die Ausnahmeregelung zu § 13 (1) VwGVG in der Form des § 18 Abs. 1 und 2 BFA-VG - welcher übrigens im Sinne der Verfahrensrichtlinie richtlinienkonform zu interpretieren ist - beim "Durchschnittsfall", welcher die öffentliche Ordnung jedenfalls auch und unter Umständen auch die öffentliche Sicherheit tangiert, grundsätzlich nicht zur Anwendung kommt. Ein Außerachtlassen dieser Erwägungen im Sinne einer exzessiven und nicht nachvollziehbaren Interpretation der Bestimmungen des § 18 Abs. 1 und Abs. 2 BFA-VG führt letztlich zu einem erheblichen Quantum an vermeidbaren Arbeitsaufwendungen sowohl bei der bB als auch beim ho. Gericht und liegt auch nicht im Sinne des der Verwaltung zu Grunde liegenden Prinzips der Zweckmäßigkeit und Effizienz.

II.3.2. Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

Ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - wie er etwa in § 13 Abs. 3 und 4 und § 22 Abs. 1 und 3 VwGVG sowie § 30 Abs. 2 VwGG vorgesehen ist - ist in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG ist somit unzulässig (vgl. zum Ganzen den Beschluss des VwGH vom 13. September 2016, Fr 2016/01/0014, sowie dem folgend die Beschlüsse des VwGH vom 19. Juni 2017, Fr 2017/19/0023 und 0024, und vom 27. Juni 2017, Fr 2017/18/0022).

Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Hinblick auf die Anwendung des § 18 BFA-VG orientiert sich das ho. Gericht einerseits an der im ho. Erk. zitierten Judikatur des VwGH und auch an der Vorgängerbestimmung des § 38 AsylG aF, im Hinblick auf die Vorgangsweise der ersatzlosen Behebung an der hierzu bereits bestehenden einheitlichen Judikatur des VwGH, sowie an der Vorgängerjudikatur zu § 66 Abs. 4 AVG, soweit diese anwendbar erscheint.

Aus dem Umstand, dass sich mit 1.1.2014 die Behördenzuständigkeiten, sowie die asyl-und fremdenrechtliche Diktion änderte und das ho. Gericht seine Arbeit aufnahm, kann im gegenständlichen Fall noch kein unter Art. 133 Abs. 4 B-VG zu subsumierender Sachverhalt abgeleitet werden, weil sich im materiellen Kernbereich der hier anzuwendenden Bestimmungen keine substantielle Änderung ergab.

Schlagworte

Asylverfahren, Aufenthaltstitel, aufschiebende Wirkung,
aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der Entscheidung,
Einzelfallentscheidung, ersatzlose Behebung, Gesamtbetrachtung,
Interessenabwägung, Kassation, medizinische Versorgung, öffentliche
Interessen, öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit, Privat- und
Familienleben, private Interessen, Rückkehrentscheidung,
Schwangerschaft, Spruchpunktbehebung, Studienerfolg, Studierender,
Studium, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L529.2212130.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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