Entscheidungsdatum
30.01.2019Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L516 2109084-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.06.2015, Zahl 830018302-150501592, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 7 Abs 1 Z 2 AsylG stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, stellte am 05.01.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt (BAA) gab diesem Antrag mit Bescheid vom 20.08.2013 statt, erkannte der Beschwerdeführerin den Status der Asylberechtigten zu und stellte fest, dass der Beschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme (AS 293). Der Bescheid erwuchs mit 22.08.2013 in Rechtskraft (AS 311).
2. Am 12.02.2015 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom Polizeikooperationszentrum XXXX (PKZ) von der Einreise der Beschwerdeführerin in den Iran in Kenntnis gesetzt (AS 347).
2.1. Dazu wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.
2.2. Zu ihren Iranreisen befragt gab die Beschwerdeführerin an, sie sei im Jahr 2014 zwei Mal - im März und im September 2014 - in den Iran eingereist und sie habe Anfang des Jahres 2015 etwa zwei Monate im Iran bei ihrer Familie verbracht.
3. Das BFA erkannte der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 02.06.2015 den Status des Asylberechtigten "gemäß § 7 Abs 1 Ziffer 2 AsylG 2005" ab, stellte gemäß § 7 Abs 4 AsylG fest, dass der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I) und erkannte der Beschwerdeführerin den Status einer subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II). Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 3 FPG, stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin vom BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.
4. Die Beschwerdeführerin hat gegen den ihr am 05.06.2015 zugestellten Bescheid des BFA am 17.06.2015 Beschwerde erhoben und diesen zur Gänze angefochten.
5. Nach Aufforderungen durch das Bundesverwaltungsgericht äußerte sich die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 29.03.2016 und 24.04.2017 (OZ 9 und 12) zu ihren Glaubensaktivitäten seit ihrer Einreise in Österreich und brachte Bescheinigungen über ihre Teilnahme an religiösen Zeremonien und ihrer aktiven Beteiligung am kirchlichen Gemeindeleben in Vorlage.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhaltsfeststellungen
1.1. Das Bundesasylamt hatte der Beschwerdeführerin, einer iranischen Staatsangehörigen, mit Bescheid vom 20.08.2013 aufgrund deren Konversion zum Christentum den Status der Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass der Beschwerdeführerin kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
1.2. Die Beschwerdeführerin lebt seit ihrer Antragstellung im Jahr 2013 in Österreich. Die Beschwerdeführerin war ursprünglich muslimischen Glaubens und wurde am 28.07.2013 in der Freikirche Österreich ( XXXX ) getauft. Die Beschwerdeführerin besucht in Österreich regelmäßig die Gottesdienste der Baptistengemeinde XXXX und der Freikirche " XXXX " teil und nimmt aktiv an deren kirchlichen Gemeindeleben teil.
1.3. Die Beschwerdeführerin unterzog sich in Österreich im August 2013 aufgrund einer Brustkrebserkrankung einer Tumorentfernung, einer anschließenden Strahlentherapie und im Frühjahr 2014 weiteren Nachsorgeuntersuchungen. Zudem litt die Beschwerdeführerin in Österreich an einer Depression und wurde deshalb psychotherapeutisch behandelt.
1.4. Die Beschwerdeführerin reiste im März 2014 und im September 2014 mit ihrem am 23.05.2012 ausgestellten iranischen Reisepass (AS 355) für längstens einen Monat in den Iran ein und kehrte zudem am 10.02.2015 von einem etwa zweimonatigen Aufenthalt aus dem Iran zurück (AS 327). Sie unternahm diese Reisen, da sie aufgrund ihrer Erkrankung und Depression die Nähe ihrer Familie gesucht hat, da sie ihre Scheidung und Probleme mit ihrem Ex-Ehemann regeln wollte und da sie im Jahr 2015 ihre schwer kranke Mutter gepflegt hat. (AS 381 ff).
1.5. Das BFA begründete die Aberkennung - zusammengefasst - damit, dass sich die Beschwerdeführerin wiederholt in den Iran legal ein- und wieder ausgereist sei und sie deshalb keine staatliche Verfolgung zu befürchten habe. Offensichtlich sei das wirkliche Ziel ihrer damaligen Ausreise gewesen sich in Österreich einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Ob sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung tatsächlich Christ gewesen sei, erscheine zweifelhaft und es sei naheliegend, dass ihre Konversion lediglich für Zwecke des Asylverfahrens erfolge. Es sei auch im Verfahren nicht hervorgekommen, dass sie jemals missionarisch tätig gewesen sei und es sei auch nicht davon auszugehen, dass die "Konversion" im Heimatland öffentlich in Erscheinung getreten wäre. Die Behauptung, dass wegen der Konversion ein Haftbefehl bestehe, sei aufgrund der mehrmaligen Ein- und Ausreise sowie den Behördenkontakten im Zuge der Scheidung als nicht glaubhaft zu werten (Bescheid, S 48 f).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Asylgewährung (oben 1.1.) beruhen auf den diesbezüglich im Verwaltungsverfahrensakt des BFA einliegenden Unterlagen (Bescheid des Bundesasylamtes, AS 293 ff).
2.2. Die Feststellungen zur Konversion und den Glaubensaktivitäten der Beschwerdeführerin (oben 1.2.) waren aus den folgenden Gründen zu treffen: Den Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin seit ihrer Antragstellung in Österreich mit dem christlichen Glauben befasst hat und am 28.07.2013 in der Freikirche Österreich ( XXXX ) getauft worden ist, hat bereits das BAA seiner Entscheidung vom 20.08.2013 zugrunde gelegt und der Beschwerdeführerin den Status der Asylberechtigten zuerkannt. Dass sich die Beschwerdeführerin nach wie vor öffentlich mit dem christlichen Glauben befasst, regelmäßig an kirchlichen Gottesdiensten teilnimmt und sich aktiv am kirchlichen Gemeindeleben beteiligt, ergibt sich ua aus Bestätigungsschreiben kirchlicher Repräsentanten (Pastor XXXX und Obmann XXXX der Freikirchen in Österreich) und mehreren Fotos, die die Beschwerdeführerin im Rahmen von Feierlichkeiten der kirchlichen Gemeinde zu Ostern und zu Weihnachten zeigen (OZ 12). Es besteht für das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung, an diesen Zeugnissen zu zweifeln. Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin seit ihrer Antragstellung in Österreich und ihrer Konversion im Jahr 2013 nach wie vor den christlichen Glauben aktiv ausübt.
2.3. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin (oben 1.3.) beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführerin, die im Einklang mit den von ihr vorgebrachten ärztlichen Dokumenten stehen und bereits vom BFA im angefochtenen Bescheid als glaubhaft erachtet wurden (vgl Bescheid S 47).
2.4. Die Feststellungen zu den von der Beschwerdeführerin unternommenen Reisen in den Iran (oben 1.4.) ergeben sich aus dem polizeilichen Bericht der Bundespolizeidirektion München vom 10.02.2015 (AS 351), der Kopie des iranischen Reisepasses der Beschwerdeführerin samt Ein- und Ausreisevermerken (AS 327) und wurden bereits vom BFA seiner Entscheidung zu Grunde gelegt. Die Feststellungen zu den Gründen für diese Reisen beruhen auf den widerspruchsfreien und konsistenten Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem BFA, welche auch vom BFA nicht als unglaubhaft qualifiziert wurden.
2.5. Die Feststellungen zur Begründung der Aberkennung durch das BFA (oben 1.5.) ergeben sich aus dem angefochtenen Bescheid (AS 48 f).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids
Gesetzliche Grundlagen
3.1. Gemäß § 7 Abs 1 AsylG ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status des Asylberechtigten abzuerkennen, wenn 1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt; 2. einer der in Art 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder 3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
3.2. Gemäß Art 1 Abschnitt C Ziffer 1 der Genfer Flüchtlingskonvention fällt eine Person, auf die die Bestimmungen des Absatzes A zutrifft, nicht mehr unter dieses Abkommen, wenn sie sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, unterstellt.
Zum gegenständlichen Verfahren
3.3. Das BFA stützte die Aberkennung in Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides auf "§ 7 Abs 1 Ziffer 2 AsylG 2005" und begründete dies in der rechtlichen Beurteilung unter Heranziehung von Art 1 Abschnitt C Ziffer 1 GFK zunächst damit, dass sich die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer wiederholten Reisen in den Iran freiwillig unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt habe und es sei ihr deshalb der Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Abs 1 AsylG abzuerkennen (AS 530 f).
3.4. Dieser Beurteilung des BFA steht jedoch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen. Nach dieser ist eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme einer "Unterschutzstellung" das Erfordernis des Willens, die Beziehungen zum Herkunftsstaat zu normalisieren und sich wieder unter dessen Schutz zu stellen, woraus sich die Notwendigkeit einer gewissen Nachhaltigkeit der Zuwendung zum Heimatstaat ergibt. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof auch (zustimmend) auf die Ausführungen im UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Abs 125, hingewiesen, wonach der Besuch eines alten oder kranken Elternteiles, was das Verhältnis des Flüchtlings zu seinem früheren Heimatland anbelangt, in der Regel anders zu beurteilen sei, als etwa regelmäßige Ferienaufenthalte oder Besuche mit dem Ziel, Geschäftsverbindungen herzustellen (VwGH 28.01.2005, 2002/01/0354).
3.5. Fallbezogen sind die für die Erfüllung des von der belangten Behörde herangezogenen Tatbestandes des Art. 1 Abschnitt C Z 1 FlKonv notwendigen Voraussetzungen vom BFA daher zu Unrecht angenommen worden, da laut Sachverhalt die Beschwerdeführerin keinen Willen hatte, die Beziehungen zu ihrem Herkunftsstaat zu normalisieren und sich wieder unter dessen Schutz zu stellen.
3.6. Die Beschwerdeführerin hat auch nach ihrer Anerkennung als Flüchtling im Jahr 2013 ihren christlichen Glauben weiterhin in Österreich gelebt und lebt diesen auch nach wie vor öffentlich aus. Nach der Judikatur des EuGH ist es der Beschwerdeführerin nicht zuzumuten, bei einer Rückkehr in ihre Heimat auf diese religiöse Betätigung zu verzichten (vgl EuGH Urteil vom 05.09.2012, C-71/11 und C-99/11).
3.7. Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten erweist sich somit als unrechtmäßig. Es war daher Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufzuheben.
3.8. Aufgrund dieses Ergebnisses liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides mangels einer gesetzlichen Grundlage dafür nicht mehr vor, weshalb diese ebenso ersatzlos zu beheben waren.
Entfall der mündlichen Verhandlung
3.9. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B)
Revision
3.10. Da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, ist die Revision nicht zulässig.
3.11. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aberkennung des Status des Asylberechtigten, Aberkennungsverfahren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2109084.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.07.2019