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20/02 Familienrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des 1971 geborenen SJ in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. November 1996, Zl. 307.140/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der über einen vom 10. November 1995 bis 10. Mai 1996 reichenden Sichtvermerk gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) verfügte, beantragte am 29. März 1996 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Die Behörde erster Instanz führte am 13. Mai 1996 eine Einvernahme mit der österreichischen Ehegattin des Beschwerdeführers durch, bei welcher diese folgende Angaben machte:
"Die gegenständliche Ehe ist eine reine Scheinehe, die gegen ein Honorar von öS 20.000,-- geschlossen wurde. Welche Motive zu dieser Eheschließung Hr. SJ hatte, ist mir vollkommen unbekannt, meine Motive waren das versprochene und bezahlte Honorar. Diesbezüglich wurde ich von einem Zigeuner namens M. (näheres unbekannt) angesprochen und da ich seinerzeit heroinabhängig war, stimmte ich dem zu. Wir vereinbarten vorerst, daß die Ehe ein Jahr lang dauern sollte, wir aber zu keinem Zeitpunkt eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft begründen, welche in der Folge auch nicht erfolgte. Mit Hrn. J habe ich niemals Geschlechtsverkehr gehabt und mit ihm zusammengewohnt. Ich habe erst jetzt erfahren, daß ich an seiner Adresse mit Nebenwohnsitz gemeldet bin. Wer mich dort anmeldete, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich wohne schon seit 16.8.1993 ununterbrochen im Haus meines Großvaters an der obigen Adresse. Außer mir wohnt in diesem Haus nur mein Großvater, meine Großmutter und natürlich meine beiden Kinder. Vater meines Sohnes M ist unbekannt und von D Hr. M W. Hr. J ist ganz bestimmt von keinem der Kinder der Vater, da ich mit ihm niemals geschlechtlich verkehrte.
Nach Ablauf des vereinbarten Jahres wollte ich mich von Hrn. J scheiden lassen, er bat mich aber, damit noch zuzuwarten, da er noch keine Aufenthaltsbewilligung erteilt bekommen hatte. Dem stimmte ich nach einiger Überlegung zu.
Mir wird mitgeteilt, daß eine Anzeige bzgl. Ehenichtigkeit an die Staatsanwaltschaft Wien gemacht wird und stimme ich dem ebenfalls zu."
Der Landeshauptmann von Wien wies daraufhin mit Bescheid vom 22. August 1996 den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z 4 FrG wegen Eingehens einer Scheinehe ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er ausführte, eine Lebensgemeinschaft habe zunächst nicht aufgenommen werden können, weil er nur zu besuchsweisen Aufenthalten in Österreich berechtigt gewesen und in Ermangelung einer entsprechenden Aufenthaltsbewilligung eine tatsächliche Lebensgemeinschaft nicht möglich gewesen sei. Dennoch habe eine Lebensgemeinschaft ab Einreise des Berufungswerbers Ende November 1995 bestanden. Der Beschwerdeführer habe seine österreichische Ehegattin finanziell unterstützt und Unterhaltsleistungen, wie es auch dem Gesetz entspreche, erbracht. Die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin sei entgegen den Feststellungen der erkennenden Behörde vollzogen worden. Dem Beschwerdeführer sei keine Grundlage geboten worden, zu den behördlichen Feststellungen im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG Stellung zu nehmen. Nachdem er sich nicht von seiner Ehegattin scheiden lassen habe wollen, obwohl diese auf die Scheidung gedrängt habe, da ihr die Wartezeit auf die Aufenthaltsbewilligung nach über zweijähriger Ehe zu lange erschienen sei, habe offenbar die Ehegattin eine Nichtigkeitsvariante gewählt, um so die Ehe rasch zu einer möglichen Auflösung zu bringen. Tatsache sei, dass die Aussage der österreichischen Ehegattin, soweit es darum gehe, dass sie bestreite, dass eine Lebensgemeinschaft bestanden habe und dass die Ehe nur gegen Bezahlung eines Geldbetrages eingegangen worden sei, schlichtweg falsch und unrichtig sei. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, seine Ehegattin habe zwei Kinder, die ebenfalls den Namen J trügen und es sei somit dokumentiert, dass der Wille einer umfassenden Lebensgemeinschaft vorgelegen sei. Es könne nunmehr dem Berufungswerber nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn seine Ehegattin zum Zeitpunkt der Eheschließung einen inneren Vorhalt gemacht habe und die Ehe nur zwecks Ausbeutung eines Ausländers geschlossen habe. Für den Berufungswerber handle es sich jedenfalls um eine Liebesheirat. Von seiner Seite aus sei die Ehe nicht zu dem Zweck geschlossen worden, um fremdenrechtlich bedeutsame Vorteile zu erlangen. Zudem sei durch die Eheschließung die Erleichterung zum Zugang zum Arbeitsmarkt nicht erworben worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG sowie § 10 Abs. 1 Z 4 FrG abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, der Beschwerdeführer habe am 21. Juni 1994 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Die Ehegattin habe auf Befragung niederschriftlich angegeben, dass die Ehe mit dem Beschwerdeführer nur eingegangen worden sei, um diesem die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung zu vereinfachen und dass der Beschwerdeführer Geld dafür bezahlt habe. Es habe nie eine eheliche Gemeinschaft bestanden und die Ehe sei nie vollzogen worden. Für die Behörde stehe daher fest, dass der Beschwerdeführer diese Ehe nur geschlossen habe, um daraus fremdenrechtliche Vorteile zu ziehen. Der Oberste Gerichtshof gehe davon aus, dass auch die ausschließliche oder überwiegende Absicht, durch die Eheschließung nur die unbeschränkte Aufenthaltsmöglichkeit und/oder den ungehinderten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu erlangen, also auch ohne die Erfüllung der Voraussetzungen für die österreichische Staatsbürgerschaft anzustreben, für die Nichtigerklärung der Ehe ausreiche. Die Annahme, dass der Aufenthalt eines derartigen Fremden die öffentliche, Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, bestätige der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung. Zu den persönlichen Verhältnissen sei zu sagen, dass nur die dargestellten familiären Beziehungen zu Österreich bestünden. Auch in der Berufung habe der Beschwerdeführer keine Gründe vorbringen können, die eine Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers herbeigeführt hätte. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten im Sinne des Art. 8 MRK sei den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer verfügte noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung; sein einziger Aufenthaltstitel ist ein gewöhnlicher Sichtvermerk mit Gültigkeit vom 10. November 1995 bis 10. Mai 1996. Ein derartiger Sichtvermerk gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 FrG ist aber einer Verlängerung durch Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht zugänglich. Die Bestimmung des § 113 Abs. 6 und 7 des Fremdengesetzes 1997 war daher - entgegen der offenbaren Ansicht der Behörde erster Instanz - auf den gegenständlichen Fall nicht anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1998, Zl. 96/19/2504).
§ 5 Abs. 1 AufG lautete (auszugsweise):
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."
§ 10 Abs. 1 Z 4 FrG lautete:
§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen,
wenn
...
(4) der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Missachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 FrG gefährden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/1601, m.w.N.). Voraussetzung für die Annahme dieser fremdenrechtlichen Konsequenz ist allerdings die eindeutige und - was für die vorliegende Beschwerdesache von Bedeutung ist - mängelfreie Feststellung, dass die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist für die Entscheidung der Aufenthaltsbehörde über das Vorliegen des dargestellten Grundes für die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung die Frage, ob ein derartiges Verhalten eines Fremden vorliegt, als Vorfrage zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 96/19/1651).
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.
Der belangten Behörde, welche nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten kein eigenes Ermittlungsverfahren durchführte, lag als Beweismittel (nur) die Aussage der Gattin der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren vor. Der Beschwerdeführer wandte sich gegen den Inhalt dieser Aussage und stellte in seiner Berufung ausdrücklich in Abrede, dass es sich um eine Scheinehe gehandelt habe, die er nur eingegangen sei, um fremdenrechtlich bedeutsame Vorteile zu erwirken. Im angefochtenen Bescheid stützte sich die belangte Behörde lediglich auf den Inhalt der Zeugenaussage der Gattin des Beschwerdeführers und machte diese zur Grundlage ihrer entscheidungswesentlichen Feststellungen. Die belangte Behörde setzte sich weder mit dem Berufungsvorbringen auseinander, noch befaßte sie sich in beweiswürdigender Weise mit den einander widersprechenden Behauptungen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin. Welche Überlegungen die belangte Behörde dazu veranlasst haben, den Aussagen der Gattin des Beschwerdeführers höhere Glaubwürdigkeit zuzubilligen als der Darstellung des Beschwerdeführers, geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor und entzieht sich daher einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof.
Soweit die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides schließlich feststellt, die Ehegattin des Beschwerdeführers habe auf Befragung niederschriftlich angegeben, die Ehe mit dem Beschwerdeführer sei nur eingegangen worden, um diesem die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung zu vereinfachen, ist ihr im Hinblick auf das oben wiedergegebene Vorbringen der Ehegattin des Beschwerdeführers anläßlich ihrer Einvernahme am 13. Mai 1996 (eine andere Einvernahme ist aus dem Akt nicht ersichtlich) überdies eine Aktenwidrigkeit unterlaufen. Die Gattin des Beschwerdeführers gab nämlich hinsichtlich der Motive des Beschwerdeführers zur Eheschließung an, es sei ihr "vollkommen unbekannt, welche Motive der Beschwerdeführer zu dieser Eheschließung gehabt" habe. Als Grund für die weitere Aufrechterhaltung der Ehe (nicht aber für deren Abschluß) gab sie an, sie habe sich deshalb zum Zuwarten bewegen lassen, weil der Beschwerdeführer "noch keine Aufenthaltsbewilligung erteilt bekommen" habe. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Zeugenaussage der Gattin des Beschwerdeführers dahingehend zitiert, dass diese angegeben habe, "dass die Ehe mit Ihnen (dem Beschwerdeführer) nur eingegangen wurde, um Ihnen die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung zu vereinfachen", so entspricht diese auf den Zeitpunkt des Eheabschlusses abgestellte Formulierung nicht dem Inhalt der Aussage der Ehegattin des Beschwerdeführers.
Zur Klarstellung sei allerdings gesagt, dass es der belangten Behörde - unabhängig von der erwähnten Akenwidrigkeit - unbenommen geblieben wäre, im Rahmen der Beweiswürdigung auch Schlüsse über das beim Beschwerdeführer vorhandene Motiv für die Eheschließung (selbst wenn dieses seiner Ehegattin nicht bekannt gewesen sein sollte) zu ziehen.
Der angefochtene Bescheid, der zum einen jegliche Beweiswürdigung und Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren vermissen lässt und zum anderen auf einer aktenwidrigen Feststellung aufbaut, entspricht somit nicht den obgenannten Erfordernissen einer Bescheidbegründung. Da, wie auch das Beschwerdevorbringen zeigt, nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung ihres Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid gelangt wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer, deren Ersatz neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes nicht zugesprochen werden kann.
Wien, am 28. Jänner 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997190176.X00Im RIS seit
02.05.2001