Entscheidungsdatum
28.02.2019Norm
AVG §59 Abs1Spruch
I406 2210340-1/6Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX (festgestelltes Geburtsdatum), alias XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides Folge gegeben und dieser gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 5 BFA-VG ersatzlos behoben.
Der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid kommt somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zu.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag brachte er als Fluchtgrund vor, aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Ouzu ausgegrenzt zu werden. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, erschossen zu werden.
3. Da Zweifel an der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers bestanden, wurde eine Altersfeststellung eingeleitet. Ein medizinisches Sachverständigengutachten vom 13.02.2017 ergab, dass der Beschwerdeführer laut fiktivem, errechnetem Geburtsdatum spätestens am XXXX2017 die Volljährigkeit erreichen werde. Da somit eine Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zum gegebenen Zeitpunkt nicht völlig ausgeschlossen werden konnte, wurde das Asylverfahren in Österreich zugelassen.
4. Bei seiner am 04.12.2017 erfolgten Einvernahme durch die belangte Behörde erklärte er hinsichtlich seiner Fluchtmotive, bei seiner Erstbefragung grundsätzlich die Wahrheit gesagt, jedoch nicht erwähnt zu haben, homosexuell zu sein. Er habe zunächst nicht gewusst, ob dies auch in Österreich ein Problem darstelle und diesen Umstand aus Angst verschwiegen. In seinem Heimatdorf in Nigeria habe es Übergriffe gegen den Beschwerdeführer gegeben. Der Beschwerdeführer habe im Alter von 13 Jahren einen 14-jährigen Freund gehabt. Nachdem eine Person aus dem Dorf ihn und seinen Freund beim Küssen gesehen habe, sei es zu einer Auseinandersetzung mit mehreren Dorfbewohnern gekommen. Sein Freund sei dabei erstochen worden. Der Beschwerdeführer habe daraufhin die Flucht ergriffen. Der Beschwerdeführer lebe seine Homosexualität auch in Österreich aus.
5. Am 10.07.2018 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde im Verfahren des N.A. (Zl. XXXX) als Zeuge niederschriftlich einvernommen. Im Anschluss an die Befragung fand auch eine Befragung des Beschwerdeführers als Partei zu seinem Privatleben statt.
6. Mit Urgenz vom 22.08.2018 wies die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers auf die Überschreitung der Entscheidungsfrist hin. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Fluchtgeschichte, der langen Verfahrensdauer und der damit einhergehenden Perspektivenlosigkeit in psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlung stehe.
7. Mit Bescheid vom 22.11.2018, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 22.12.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.), gewährte gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.) und erkannte einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Ziffer 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.).
8. Mit Schreiben vom 18.12.2018 übermittelte der MigrantInnenverein St. Marx die ihm vom Beschwerdeführer erteilte Vertretungs- sowie Zustellvollmacht und erhob gegen den vorangeführten Bescheid der belangten Behörde vollumfänglich Beschwerde.
9. Mit Schriftsatz vom 19.12.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 27.12.2018, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,
2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,
3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,
4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,
5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,
6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder
7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen (§ 18 Abs. 6 BFA-VG).
Die belangte Behörde stützt im gegenständlichen Verfahren die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf § 18 Abs 1 Z 3 BFA-VG.
Im vorliegenden Fall kann ohne nähere Prüfung des Sachverhaltes nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine reale Gefahr einer Verletzung der durch die EMRK garantierten Rechte bedeuten würde. Gegebenenfalls ist zur Klärung des Sachverhaltes auch die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und somit die Anwesenheit des Beschwerdeführers notwendig.
Da eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Sinne des § 18 Abs. 5 BFA-VG wegen Homosexualität derzeit nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit von vornherein auszuschließen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.
Ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG war zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt VII. spruchreif war und die Trennung - auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen - auch zweckmäßig erscheint.
Über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides wird gesondert entschieden werden.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylverfahren, aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I406.2210340.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.07.2019