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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AufG 1992 §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des 1970 geborenen MD in Wien, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. April 1996, Zl. 118.875/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 20. Oktober 1995 im Weg über die österreichische Botschaft in Budapest die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab als Aufenthaltszweck den des Studiums bzw. der Schulausbildung an. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 31. Jänner 1996 den (bei ihm am 30. Oktober 1995 eingelangten) Antrag gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. April 1996 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AufG ab. Begründend führte sie nach Wiedergabe des Wortlautes des § 4 Abs. 1 AufG aus, die Beachtung der gemäß § 2 AufG erlassenen Verordnung bedeute, daß die Behörde bei der Erteilung von Erstbewilligungen nicht nur die ihr für das betreffende Jahr eingeräumte Quote nicht überschreiten dürfe, sondern derart zu verwalten habe, daß darin solche Fälle einer Aufenthaltsnahme ihre Deckung fänden, die im Sinne des Gesetzes als vorrangig zu betrachten seien. Demnach seien primär Fälle von Familienzusammenführungen bei Vorliegen eines Rechtsanspruches gemäß § 3 AufG sowie Fälle, wo eine Einzelsicherungsbescheinigung, Beschäftigungsbewilligung bzw. Arbeitserlaubnis bestehe, vorrangig zu genehmigen.
Was die Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse im Lande Wien betreffe, sei festzuhalten, daß Wien eines der Bundesländer mit dem höchsten Ausländeranteil sei, was insbesondere auf dem Arbeits- und auf dem Wohnungsmarkt zu wachsenden Problemen führe. Unter diesen Gesichtspunkten habe sich die Behörde nicht entschließen können, den vorliegenden Antrag, auf den keines der oben angeführten Kriterien für eine Bevorzugung zugetroffen habe, zu genehmigen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer verfügte noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung, weshalb auf den vorliegenden Beschwerdefall die Bestimmung des § 113 Abs. 6 oder 7 Fremdengesetz 1997 keine Anwendung findet.
§ 4 Abs. 1 AufG lautete:
"§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Beachtung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Auf die Verlängerung von Bewilligungen finden die gemäß § 2 erlassenen Verordnungen keine Anwendung."
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt dargelegt, daß die belangte Behörde sowohl nach der Rechtslage vor, als auch nach Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, bei der Reihenfolge der Vergabe offener Quotenplätze gehalten ist, nach pflichtgebundenem Ermessen vorzugehen und daß eine der dabei zu beachtenden Ermessensdeterminanten der Zeitpunkt der Antragstellung ist. Damit ist aber auch ausgesagt, daß die Behörde auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 3 Abs. 5 AufG, welcher dies für Ansprüche gemäß § 3 AufG ausdrücklich vorsieht, im Rahmen der jeweiligen Quote Bewilligungswerber bevorzugt zu berücksichtigen hatte, bei denen die Erteilung einer Bewilligung besonders dringlich erschien (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1998, Zl. 97/19/1564).
Die belangte Behörde nannte als Gründe für eine "Bevorzugung" Fremder innerhalb einer Quote das Vorliegen von Familienzusammenführung sowie Fälle, in denen eine ausländerbeschäftigungsrechtliche Bewilligung vorläge. Im Fall des Beschwerdeführers meinte die belangte Behörde, auf den vorliegenden Antrag fände keines der obgenannten Kriterien seinen Niederschlag, weshalb sie sich zu einer positiven Ermessensübung nicht "entschließen habe können". Unter welche der Quoten der Antrag des Beschwerdeführers subsumiert wird, geht aus dem angefochtenen Bescheid allerdings nicht hervor.
Die in der wiedergegebenen Bescheidbegründung zum Ausdruck gebrachte Ansicht, wonach bereits das Vorliegen anderer Anträge, die den genannten Kriterien (eher) entsprächen, zur Abweisung des Antrages führen müsse, erweist sich aber als inhaltlich rechtswidrig. Der Verwaltungsgerichtshof hat im obzitierten Erkenntnis vom 16. Oktober 1998, ausgehend von der zu § 3 Abs. 5 AufG entwickelten Rechtsprechung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zlen. 95/19/0629 bis 0631), zum Ausdruck gebracht, daß im Rahmen der Bewirtschaftung sämtlicher Quoten (somit auch für die hier in Frage kommenden Quoten nach der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 für Studierende bzw. für Erwerbstätige, Schüler, Pensionisten und privat Aufhältige) das Vorhandensein dringlicherer Anträge nicht zur Abweisung des weniger dringlicheren Antrages, sondern lediglich zur Hintanreihung seiner Behandlung führt.
Eine abweisliche Ermessensentscheidung wäre im vorliegenden Fall somit allenfalls rechtmäßig gewesen, wenn sich die belangte Behörde auf andere Gründe als jenen gestützt hätte, daß dringendere andere Anträge vorlägen. Dabei wären die im hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 95/19/0338, erstellten Grundsätze (Gegenüberstellung der persönlichen Verhältnisse und dadurch begründeten Interesse des Fremden an der Erteilung der Bewilligung und der sich aus den in § 2 Abs. 1 AufG umschriebenen besonderen Verhältnissen im Land des beabsichtigten Aufenthaltes ergebenden öffentlichen Interessen) für eine derartige Ermessensentscheidung zu beachten gewesen. Auf dieses Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Der angefochtene Bescheid enthält aber hinsichtlich der Ermessensübung keine diesen Voraussetzungen entsprechende Begründung, weshalb er sich als inhaltlich rechtswidrig erweist.
Er war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. Jänner 1999
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997190077.X00Im RIS seit
02.05.2001