TE Vwgh Erkenntnis 1999/1/28 96/19/3609

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Veröffentlicht am 28.01.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3 Abs1 Z1 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des 1968 geborenen Y H in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. November 1996, Zl. 105.036/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist nach seinen Behauptungen im Verwaltungsverfahren seit 24. März 1993 mit einer Österreicherin verheiratet. Er verfügte über einen von der österreichischen Botschaft in Kairo ausgestellten gewöhnlichen Sichtvermerk mit Geltungsdauer vom 27. Juli 1990 bis 29. August 1990.

Am 25. Jänner 1994 beantragte der Beschwerdeführer beim Landeshauptmann von Wien die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, wobei als Aufenthaltszweck die Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit angegeben wurde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. November 1996 wurde dieser Antrag gemäß § 6 Abs. 2 AufG iVm § 5 Abs. 1 AufG sowie § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß in formeller Hinsicht für den Fall des Beschwerdeführers bezüglich der Antragstellung die Vorschrift des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gelte, wonach der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen sei. Dies werde auch durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und Verfassungsgerichtshofes eindeutig bestätigt. Eine Antragstellung aus dem Inland sei nur im Falle des Verlustes (Aberkennung) des Asyls oder in anderen gesetzlich exakt geregelten Fällen zulässig. Von diesen Fällen sei hier keiner anwendbar.

§ 5 Abs. 1 AufG besage, daß Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden dürfe, bei denen ein Grund für die Versagung eines Sichtvermerks gemäß § 10 Abs. 1 FrG vorliege, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG sei die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Im Fall des Beschwerdeführers sei neben diesem beachtlichen Formfehler auch die zeitliche Divergenz zwischen dem Ablauf des Sichtvermerkes und dem Antrag nach dem Aufenthaltsgesetz maßgeblich. Der Beschwerdeführer habe sich nämlich vor der Antragstellung nach seinen eigenen Angaben mehrere Jahre "illegal" in Österreich aufgehalten. Durch diesen jahrelangen "illegalen" Aufenthalt sei im Falle des Beschwerdeführers - dies habe die ständige Judikatur schlüssig festgelegt - diese Norm anzuwenden und somit ein Ausschließungsgrund im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, welcher durch § 5 Abs. 1 AufG direkte Anwendung finde, gegeben. Aus dem angeführten Sachverhalt und infolge der Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen und sei auf das Vorbringen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 AufG lauteten (auszugsweise):

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

§ 6. ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. ..."

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Zustellung am 25. November 1996) stand die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, in Geltung. § 4 Z. 2 dieser Verordnung lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

2. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992, BGBl. Nr. 838/1992, lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Der Beschwerdeführer verfügte weder über eine Aufenthaltsbewilligung noch über einen am 1. Juli 1993 gültigen gewöhnlichen Sichtvermerk. Ein Fall des § 113 Abs. 6 oder 7 FrG 1997 liegt nicht vor. Der angefochtene Bescheid blieb vom Inkrafttreten des FrG 1997 unberührt.

Für die Frage der Zulässigkeit der Inlandsantragstellung ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475).

Der Beschwerdeführer verweist auf die aktenkundige, am 24. März 1993 nach seinen Behauptungen mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossenen Ehe und bringt vor, er lebe seit 1990 in Österreich. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Als Ehegatte wäre der Beschwerdeführer Angehöriger einer österreichischen Staatsbürgerin im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG. Unter der Voraussetzung, daß der dem Beschwerdeführer erteilte gewöhnliche Sichtvermerk vor seiner (zuletzt erfolgten) Einreise ausgestellt wurde, wäre der Beschwerdeführer zur Stellung seines Antrages vom 25. Jänner 1994 im Inland berechtigt gewesen. Diese Voraussetzung erscheint hier keinesfalls ausgeschlossen. In Verkennung dieser Rechtslage unterließ es die belangte Behörde hiezu Feststellungen zu treffen, weshalb sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010).

Aber auch die Auffassung der belangten Behörde, der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Anschluß an den Ablauf einer Berechtigung zum Aufenthalt aufgrund eines gewöhnlichen Sichtvermerkes begründe den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, erweist sich aus den im hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0907, genannten Gründen als unzutreffend.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren war

abzuweisen, weil die Vorlage der Beschwerde in zweifacher Ausfertigung ausreichend gewesen wäre.

Wien, am 28. Jänner 1999

Schlagworte

Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996193609.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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