Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz-Hummel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Korner als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des David W***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 27. Februar 2019, GZ 21 Hv 112/18s-32, sowie über dessen Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die verbleibende Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde David W***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er unter dem Einfluss einer hirnorganischen Schädigung (F 99.0) mit leichter bis mittelgradiger Intelligenzminderung (F 71.) sowie epileptischem Anfallsleiden (G 40.9) mit ausgeprägter Wesensänderung, sohin eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, am 4. Februar 2018 in B***** Martin H***** eine schwere Körperverletzung zuzufügen versuchte, indem er mit einem Buttermesser in dessen Gesicht und linken Fuß schnitt, sohin eine Tat beging, die als Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, wobei nach seiner Person, seinem Zustand und der Art der Tat zu befürchten ist, dass er ohne Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 9 lit a StPO gestützte „Berufung wegen Nichtigkeit“ (falsa demonstratio non nocet – RIS-Justiz RS0099067) des Betroffenen.
Die Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft die Verwertung des Berichts des Landeskrankenhauses R*****über das Verhalten des Betroffenen („Gewaltdokumentation“ ON 29) im Beweisverfahren (ON 31 S 8) und im Urteil (US 5, 7). Dass in der Hauptverhandlung ein darauf bezogener Antrag gestellt worden wäre, wird vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet, weshalb die Rüge schon aus diesem Grund nicht erfolgreich sein kann (RIS-Justiz RS0099099).
Insoweit das Vorbringen, die Verteidigung habe sich mangels früheren Vorliegens dieser Unterlagen nicht ausreichend auf die Hauptverhandlung vorbereiten können, als Behauptung eines Verstoßes gegen § 221 Abs 2 StPO intendiert wäre (Z 3), ist daran zu erinnern, dass nur die nicht rechtzeitige Vorladung des Angeklagten (bzw Betroffenen) zur Hauptverhandlung unter Nichtigkeitssanktion steht. Ein Recht des Genannten darauf, dass ein bei Gericht eingelangtes Beweismittel diesem (oder seinem Verteidiger) vor der Hauptverhandlung zuzustellen ist, ergibt sich daraus nicht (RIS-Justiz RS0124393).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bekämpft mit ihrem Einwand, ein Buttermesser sei grundsätzlich nicht dazu geeignet, (schwere) Verletzungen zuzufügen, weshalb die subjektive Tatseite zu verneinen sei, den festgestellten bedingten Vorsatz in Bezug auf eine schwere Körperverletzung (US 4). Sie verfehlt mangels Orientierung am Urteilssachverhalt den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte – gemäß § 285d Abs 1 StPO, die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung wegen „des Ausspruchs über die Schuld“ (vgl ON 44 S 2) als unzulässig (§§ 296 Abs 2, 294 Abs 4 StPO) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über Berufung und Beschwerde (gegen den Widerruf einer früher bedingt gewährten Nachsicht der Einweisung nach § 21 StGB) folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 vierter Satz StPO).
Textnummer
E125371European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00056.19Y.0528.000Im RIS seit
02.07.2019Zuletzt aktualisiert am
02.07.2019