TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/1 W170 2198431-1

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Veröffentlicht am 01.02.2019
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Entscheidungsdatum

01.02.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
GOG §16 Abs3 Z2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2198431-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts Leoben vom 07.05.2018, 1 JV 781/18 a-39, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, und § 16 Abs. 3 Z 2 Gerichts-organisationsgesetz, RGBl. Nr. 217/1896 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch des Bescheides zu lauten hat:

"Gemäß § 16 Abs. 3 Z 2 Gerichtsorganisationsgesetz, RGBl. Nr. 217/1896 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, wird XXXX , XXXX .1981 geb., der Zugang zum Gebäude des Justizzentrums Leoben, Dr. Hanns Groß-Straße 7, verboten."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgegenstand:

Verfahrensgegenständlich ist die Frage, ob die mit im Spruch bezeichneten Bescheid erfolgte Aussprache eines Hausverbotes in Bezug auf das Justizzentrum Leoben gegen XXXX (in Folge auch: Beschwerdeführerin) rechtmäßig oder der dagegen erhobenen Beschwerde Folge zu geben und das Hausverbot aufzuheben ist.

Im Bescheid wurde die Verhängung des Hausverbotes im Wesentlichen mit Äußerungen der Beschwerdeführerin, die in einem Telefonat mit der Justizombudsstelle des Oberlandesgerichtes Graz gefallen seien ("Dr. XXXX [Anmerkung: in einem Verfahren für eine den Sohn der Beschwerdeführerin betreffende Rechtssache zuständiger Richter] sei ein steirisches Arschloch und sie verstehe, wenn Leute im Gericht Amok laufen"), begründet während die Beschwerdeführerin im gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid ergriffenen Rechtsmittel im Wesentlichen vorbrachte, dass die vorgeworfenen Äußerungen böswillige Unterstellungen und nicht in der Absicht der Beschwerdeführerin gelegen seien und man diese völlig aus dem Zusammenhang gerissen habe. Es habe sich hierbei lediglich um eine emotional-verbale Entgleisung bzw. eine kulturelle und milieubedingte Unmutsäußerung aufgrund der Vorfälle in einer den Sohn der Beschwerdeführerin betreffenden Rechtssache gehandelt.

Die Beschwerde wurde am 18.06.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, welches am 10.01.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX , deren unmündiger Sohn Partei in einem Verfahren vor dem Bezirksgericht und - als Rechtsmittelgericht - Landesgericht Leoben war und von XXXX vertreten wurde, hat zwischen dem 10.04.2018 und dem 20.04.2018 mehrmals im Präsidium des Landesgerichts Leoben angerufen und dort mit der Mitarbeiterin XXXX telefoniert, da sie von dem die Rechtsmittelentscheidung zeichnenden Richter einen Rückruf erhalten wollte, damit dieser ihr die Rechtsmittelentscheidung erklärt. Während dieser Telefonate hat XXXX diesen Richter gegenüber XXXX als "steirisches Arschloch" und (nur) "Arschloch" bezeichnet, eine mit der Sache ebenfalls betraute Notarin als "depperte Fut", XXXX war während der Telefonate hysterisch und ausfallend, sodass die Auskunftserteilung durch XXXX unnötig erschwert wurde.

1.2. XXXX hat sich am 20.04.2018 in einem Telefonat mit der in der Justizombudsstelle des Oberlandesgerichtes Graz verwendeten Richteramtsanwärterin XXXX über den unter 1.1. bezeichneten Richter des Landesgerichts Leoben beschwert, weil sie dieser trotz mehrfacher telefonischer Anrufe mit dem Ersuchen, ihr eine von ihm genehmigte Rechtsmittelentscheidung zu erklären, nicht bei XXXX gemeldet hat. Im Rahmen dieses Telefonats wurde XXXX emotional, laut und ausfallend, sie verwendete insbesondere die Worte "steirisches Arschloch", um den betreffenden Richter zu bezeichnen und gab an, zu verstehen, wenn "Leute im Gericht Amok laufen" würden. Während des Telefonats kam es zu einer etwa fünfminütigen Schimpftirade durch XXXX , in der neben den genannten Äußerungen auch die Worte "alles Scheiße" fielen. XXXX musste das Telefonat beenden, weil XXXX am Telefon nur noch hysterisch schrie und offenbar weinte.

Durch das Verhalten der XXXX wurde die Erledigung der Angelegenheit - nämlich die Entgegennahme einer Beschwerde und die Auskunft zu einem Verfahren - erheblich erschwert und unnötig in die Länge gezogen.

Das diesbezüglich geführte staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen XXXX wegen des Verdachts der gefährlichen Drohung wurde mit Verfügung vom 21.06.2018 gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt.

1.3. XXXX ist auch ansonsten unbescholten und scheinen auch im Bereich der Landespolizeidirektionen Wien und Steiermark, des Magistrats der Stadt Wien und der Bezirkshauptmannschaft Leoben keine verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen auf.

1.4. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht verwendete XXXX zum Teil eine vulgäre Sprache ("auf den Kopf scheißen", "angepisst", "verarscht", "Schass"), hat den die Verhandlung führenden Richter mehrmals unterbrochen und musste dieser eine Ordnungsstrafe angedroht werden.

Der erkennende Richter hat in dieser Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass XXXX , wenn sie vermeint ungerecht behandelt zu werden, ausfallend und beleidigend wird und selbst vor Gericht nicht in der Lage ist, sich eines angemessenen, sachlichen Tons zu bedienen und eine Amtshandlung nicht zu stören bzw. unnötig in die Länge zu ziehen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu 1.1. ergeben sich aus dem Gedächtnisprotokoll der XXXX dem die Beschwerdeführerin nach Verlesung in der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten ist, sondern vielmehr eingestanden hat, dass die vorgelegte Gesprächsnotiz im Wesentlichen den Tatsachen entspreche. Trotz entsprechender Rechtsbelehrung hat die Beschwerdeführerin auf eine zeugenschaftliche Einvernahme der XXXX verzichtet, eine solche war auf Grund des Eingeständnisses der Beschwerdeführerin, dass die vorgelegte Gesprächsnotiz im Wesentlichen den Tatsachen entspreche, auch nicht notwendig.

Die Feststellungen zu 1.2. ergeben sich aus der zeugenschaftlichen Einvernahme der XXXX sowie aus dem von dieser vorgelegten Aktenvermerk. Auch ist die Beschwerdeführerin den Ausführungen nicht konkret entgegengetreten, sie halte diese für möglich, auch wenn sie sich nicht mehr an den konkreten Wortlaut erinnern könne. Daher kommt dem unmittelbar nach dem Telefonat angelegten Aktenvermerk, dessen Inhalt die genannte Zeugin auch im Zeugenstand unter Strafandrohung bestätigt hat, volle Beweiskraft zu und ist dieser der Sachverhaltsfeststellung zu unterstellen.

Die Feststellungen zu 1.3. ergeben sich aus den in der Verhandlung in das Verfahren eingeführten diesbezüglichen Beweismitteln, jene zu

1.4. aus dem Eindruck des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung und dem Verhandlungsprotokoll.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Aus einer Zusammenschau der §§ 1 bis 16 Gerichtsorganisationsgesetz, RGBl. Nr. 217/1896 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018 (in Folge: GOG), ergibt sich, dass es jedermann grundsätzlich gestattet ist, ein Gerichtsgebäude bzw. dessen öffentlichen Teil während der Parteienverkehrszeiten unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere hinsichtlich des Verbots der Mitnahme einer Waffe und der Bereitschaft, sich einer Sicherheitskontrolle zu unterziehen, zu betreten.

Gemäß § 16 Abs 3 Z 2 1. Fall GOG kann die Dienststellenleitung - hier die Präsidentin des Landesgerichts Leoben - aus besonderem Anlass weitergehende Sicherheitsmaßnahmen anordnen, wie insbesondere Verbote des Zugangs bestimmter Personen in das Gebäude des Gerichts bzw. der Staatsanwaltschaft.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe VwGH 26.02.2016, Ro 2016/03/0001) handelt es sich bei einem Hausverbot nach § 16 Abs 3 Z 2 GOG um eine "Sicherheitsmaßnahme", die aus "besonderem Anlass" getroffen werden kann. Daher setzt deren Verhängung konkrete Sicherheitsbedenken voraus, die nicht nur allgemeiner Natur sind, sondern sich aus besonderem Anlass ergeben und denen mit dem Hausverbot in verhältnismäßiger Art und Weise begegnet werden kann. Hiezu reicht es jedenfalls aus, wenn eine Person wiederholt und öfters - auch ohne sachlich begründeten Anlass - den Amtstag an einem Gericht aufgesucht und dort Richterinnen und Richter sowie andere Gerichtsbedienstete lautstark beschimpft und beleidigt, etwa indem diese unter anderem geäußert hat, sie werde im betreffenden Gericht "aufräumen" bzw. sie habe dort bereits "aufgeräumt". Dieses aggressive und drohende Verhalten der Person war geeignet, Sicherheitsbedenken im Sinne des zuvor Gesagten zu erwecken, die ein Hausverbot rechtfertigen konnten.

Darüber hinaus weist der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung darauf hin, dass, wird ein Hausverbot gegen eine bestimmte Person aus diesen Gründen verhängt, ihr Zugang zum Gerichtsgebäude zwar eingeschränkt, aber nicht gänzlich unmöglich gemacht ist, sieht § 16 Abs 4 GOG doch vor, dass der Zugang einer mit einem Hausverbot belegten Person weiterhin ermöglicht werden muss, wenn dies zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unbedingt erforderlich ist. Schon deshalb steht der Verhängung eines Hausverbots Art 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention, BGBl. Nr. 210/1958 in der Fassung BGBl. III Nr. 139/2018 (in Folge: EMRK), der in seinem Anwendungsbereich das Recht auf effektiven Zugang zu einem Gericht gewährleistet und in Österreich im Verfassungsrang steht, nicht entgegen.

Aus der dargestellten Judikatur ist zu schließen, dass für die Verhängung eines Hausverbotes nach § 16 Abs. 3 Z 2 GOG zwar konkrete, mit einer bestimmten Person in Zusammenhang stehende Sicherheitsbedenken bestehen müssen, es jedoch nicht notwendig ist, dass diese die Schwelle einer verwaltungsrechtlich oder gerichtlich strafbaren Handlung erreichen.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet das, dass die Verhängung des Hausverbotes gegen die Beschwerdeführerin, die mehrmals aufbrausend, emotional und vor allem beleidigend mit Justizorganen interagiert hat, was zu einer zeitlichen Verzögerung und Erschwernis der jeweiligen Amtshandlung geführt hat, grundsätzlich gerechtfertigt ist.

Auch sich ungerecht behandelt fühlenden Parteien ist es zuzumuten, sich eines gesellschaftlich anerkannten Umgangstons zu bedienen und nicht die Ordnung in einem Gericht zu stören, indem diese auf ordinäre Weise herumschreien. Zwar tat dies die Beschwerdeführerin immer nur bei Telefongesprächen, aber ist - insbesondere auch auf Grund des Eindruckes des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung - davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nicht willens oder in der Lage ist, sich bei einer persönlichen Vorsprache im Bezirks- oder Landesgericht Leoben auf eine Art und Weise zu benehmen, die zu keiner Störung der Ordnung im Gerichtsgebäude, dessen Betreten für die Beschwerdeführerin auch weiterhin, wenn auch in Begleitung, möglich ist, führt. Daher ist das Hausverbot gerechtfertigt; da die Gefährdung der Ordnung im Gerichtsgebäude vom Benehmen der Beschwerdeführerin herrührt, dessen Änderung nicht zu sehen ist, ist dieses auch unbefristet auszusprechen.

Der zweite Spruchteil des bekämpften Bescheides ist - ebenso wie die Aufnahme eines Fotos der anders zu identifizierenden Beschwerdeführerin in den Spruch des Bescheides - jedenfalls unzulässig, da ersterer gegen § 16 Abs. 4 GOG bzw. Art 6 Abs. 1 EMRK verstößt. Dies, weil der beschwerdeführenden Partei dem Wortlaut dieses Spruchteiles nach das Betreten des Justizzentrums Leoben auch untersagt ist, wenn diese aus eigenem das Gebäude betreten will und dieses Betreten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unbedingt erforderlich ist, etwa um eine Klage einzubringen; diesfalls ist gemäß § 16 Abs. 4 GOG vorzugehen und hat die Behörde im Einzelfall zu entscheiden, ob die Beschwerdeführerin von einem oder mehreren Kontrollorganen oder einem oder mehreren Organen der Sicherheitsbehörde zu begleiten ist und das Erscheinen dieser Organe vor dem Betreten des Gerichts abzuwarten. Die Aufnahme von biometrischen Daten in den Spruch, die nicht notwendig sind, um die Beschwerdeführerin zu identifizieren, ist mangels Rechtsgrundlage nicht zulässig.

Dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung kommt kein Anwendungsbereich mehr zu, dieser kann daher entfallen.

Daher ist der Bescheid mit der im Spruch genannten Maßgabe (Änderung des Spruches) zu bestätigen, die Beschwerde abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl I Nr. 58/2018, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht kann im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine offene Rechtsfrage erkennen; mangels einer solchen ist die Revision unzulässig.

Schlagworte

Fotografie, Gerichtsgebäude, Hausverbot, sichernde Maßnahme,
Spruchpunktbehebung, ungebührliches Verhalten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W170.2198431.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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