TE Vwgh Erkenntnis 1999/1/28 97/19/0789

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Veröffentlicht am 28.01.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §1 Abs3 Z1 idF 1995/351;
AufG 1992 §2 Abs3 Z4 idF 1995/351;
AufG 1992 §3 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
B-VG Art140 Abs1;
MRK Art8 Abs1;
MRK Art8;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der 1971 geborenen C P, vertreten durch Dr. G und Dr. T, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. November 1996, Zl. 120.484/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin brachte auf dem Postweg bei der österreichischen Botschaft in Preßburg einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem österreichischen Vater ein, der bei dieser am 20. März 1996 und beim Magistrat der Stadt Wien am 26. März 1996 einlangte. Auf dem Briefkuvert, in dem der Antrag übermittelt wurde, scheint ein Poststempel aus Preßburg vom 14. März 1996 sowie eine Adresse der Beschwerdeführerin in einem Hotel in Preßburg auf.

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 25. Juni 1996 gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 4. November 1996 gemäß § 6 Abs. 2 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe am 20. März 1996 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Es stehe fest, daß sie nach Österreich eingereist sei und seit dem 18. Dezember 1995 aufrecht an einer Adresse im 3. Wiener Gemeindebezirk gemeldet und aufhältig sei. Zwischenzeitlich habe sie am 20. März 1996 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung gestellt. Derzeit befinde sie sich aufgrund der Aktenlage im Bundesgebiet bei ihrem Vater und ihrem Bruder. Die Fortsetzung des Aufenthaltes im Bundesgebiet im Anschluß an eine sichtvermerksfreie Einreise bzw. an einen Touristensichtvermerk sei nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht möglich. Sichtvermerkspflichtige Fremde hätten sich gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG, wenn sie, wie im Falle der Beschwerdeführerin, für einen längeren Aufenthalt nach Österreich einreisen wollten, bereits in ihrem Aufenthaltsstaat zu dieser Absicht zu bekennen und eine entsprechende Berechtigung zu beantragen. Die bloße Eingabe des Antrages bei einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland sei hiefür keinesfalls ausreichend. Die Vorgangsweise der Beschwerdeführerin widerspreche auch dem in § 6 Abs. 2 AufG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, daß Fremde die Entscheidung über ihren Antrag vom Ausland aus grundsätzlich abzuwarten hätten. Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei zu sagen, daß durch den Aufenthalt ihres Vaters sowie ihres Bruders im Bundesgebiet zwar nicht absprechbare Beziehungen zur Republik Österreich bestünden, diese aber gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Versagung einer Aufenthaltsbewilligung hintanzustellen seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluß vom 24. Februar 1997, B 5054/96-4, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie von der Beschwerdeführerin ergänzt. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Die belangte Behörde verkenne die Rechtslage, weil sie den Antrag abgewiesen habe, obwohl die Beschwerdeführerin, die über einen Touristensichtvermerk, gültig bis zum 15. April 1996, verfügt habe, ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "richtigerweise" im Ausland, somit § 6 Abs. 2 AufG entsprechend, eingebracht habe. Es sei nicht unmöglich, während eines gültigen Touristensichtvermerkes oder nach Ablauf desselben in Entsprechung des § 6 Abs. 2 AufG im Ausland einen Antrag zu stellen, der meritorisch positiv erledigt werden könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 15. November 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.

§ 6 Abs. 2 lautete:

"§ 6 ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszweckes kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

Weder nach der Aktenlage noch nach dem Beschwerdevorbringen verfügte die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Die belangte Behörde wertete den Antrag daher zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. ua. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN.).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann es im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin, wie sie behauptet, ihren Antrag selbst im Ausland bei der österreichischen Botschaft in Preßburg eingebracht hat. Nach dem ua. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nämlich nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN.). Das im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten, sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010 sowie Zl. 95/19/0895).

Die Beschwerdeführerin verkennt die Begründung der belangten Behörde, wenn sie dieser die Rechtsauffassung unterstellt, ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der während der Gültigkeit eines Touristensichtvermerkes vom Ausland aus gestellt wird, sei im Sinne des § 6 Abs. 2 sowie des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht bewilligungsfähig. Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides nämlich klar zeigt, geht die belangte Behörde selbst davon aus, daß die Beschwerdeführerin bei der österreichischen Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung gestellt hat, sich (gleichwohl) "derzeit" - d.h. im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - im Bundesgebiet aufhalte. Träfe diese Feststellung zu, so erwiese sich die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin gemäß § 6 Abs. 2 AufG ungeachtet einer allenfalls in Preßburg, somit im Ausland, erfolgten Antragstellung durch die Beschwerdeführerin als rechtmäßig.

Vom Erfordernis, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über diesen Antrag vom Ausland aus abzuwarten, durfte die belangte Behörde nur dann absehen, wenn die Beschwerdeführerin zu jenem Personenkreis zählte, der aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung berechtigt war. Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich jedoch Hinweise darauf, daß die Beschwerdeführerin zu diesem Personenkreis zählt. Die belangte Behörde hatte den Antrag der Beschwerdeführerin daher an § 6 Abs. 2 erster Satz AufG zu messen.

Der ausdrücklichen Feststellung im angefochtenen Bescheid, die Beschwerdeführerin halte sich "derzeit", somit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, im Bundesgebiet auf, tritt die Beschwerdeführerin nicht entgegen; vielmehr läßt sich aus der Beschwerde entnehmen, daß die Beschwerdeführerin einräumt, sich hier aufzuhalten. Auf der Grundlage dieser unbestritten gebliebenen Bescheidfeststellung kann jedoch die Schlußfolgerung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe die Entscheidung über ihren Antrag nicht entsprechend § 6 Abs. 2 erster Satz AufG vom Ausland aus abgewartet, weshalb mangels Erfüllung dieser Erfolgsvoraussetzung die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu versagen war, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Dagegen bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK keine Bedenken, weil der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie der darin enthaltenen und von der Bundesregierung genützten Verordnungsermächtigung, jedenfalls in Ansehung von Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern oder Fremden, auf die durch Art. 8 MRK geschützten Rechtsgüter Bedacht genommen hat. Eine weitere Bedachtnahme auf Art. 8 MRK durch die Behörde, wie dies die Beschwerdeführerin anscheinend für geboten hält, kommt daher nicht in Betracht. Bedenken, daß die Umschreibung des durch diese Vorschriften erfaßten Personenkreises, für den auch eine Antragstellung im Inland in Frage kommt, zu eng wäre und Art. 8 MRK nicht entspräche, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch im vorliegenden Fall nicht entstanden. Der Fall der Beschwerdeführerin, die nach der Aktenlage noch niemals über eine Aufenthaltsbewilligung, sondern nur über einen Touristensichtvermerk verfügt hatte, ist auch nicht vergleichbar mit jenen Fällen, in denen nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts aufgrund einer verfassungskonformen Interpretation des § 6 Abs. 2 AufG eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen geboten wäre (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, sowie das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf die Frage einzugehen war, ob die belangte Behörde ihren Bescheid zurecht auch auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützt hat.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Jänner 1999

Schlagworte

Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997190789.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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