Entscheidungsdatum
18.03.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G303 2186221-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 15.01.2018, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung", zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 42 Abs. 1 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), idgF, sowie § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 27.11.2017 über die Zentrale Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Dem Antrag waren medizinische Beweismittel und ein Personalausweis angeschlossen.
Da der BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" war, wurde dieser Antrag gemäß dem Antragsformular der belangten Behörde auch als Antrag auf Vornahme dieser Zusatzeintragung gewertet.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin, vom 09.01.2018, wurden, unter Einbeziehung des Vorgutachtens von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin vom September 2014, und nach erfolgter persönlicher Untersuchung des BF am 05.01.2018, zusammengefasst folgende Funktionseinschränkungen festgehalten:
* Dialysepflichtige Niereninsuffizienz wegen polyzystischen Nieren beidseits seit 2012
* Herzschwäche mit mittelgradig eingeschränkter Herzleistung (EF 38%), keine Entwässerungstherapie notwendig
* Degenerative Wirbelsäulen- und Gelenksveränderungen, geringe Funktionseinschränkungen
* Schwerhörigkeit beidseits, Hörgeräte beidseits
* Reaktive Verstimmung, noch ohne Therapie
Hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung wurde zusammengefasst ausgeführt, dass beim BF noch eine ausreichende kardiopulmonale Leistungsfähigkeit bestehe und eine koronare Herzkrankheit ausgeschlossen worden sei. Eine wesentliche Gangstörung bzw. eine Störung der Greif- und Haltefunktion bestehe nicht. An den Tagen der Dialyse könne der BF mit dem Krankentransport zu den Dialysen gebracht werden. Die Kosten würden vom KV-Träger übernommen werden. Es bestehe daher keine Funktionsbeeinträchtigung, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würde. Es wurde auch das Bestehen einer schweren Erkrankung des Immunsystems verneint.
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15.01.2018 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Danach würden die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen. Das oben angeführte ärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt. In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, zitiert. Des Weiteren wurden die maßgeblichen Kriterien, welche entsprechend der VwGH-Judikatur für die gegenständliche Zusatzeintragung relevant sind, angeführt.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom 07.02.2018 bei der belangten Behörde fristgerecht Beschwerde und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge aussprechen, dass dem BF aufgrund seiner massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar sei und daher ein entsprechender Zusatzeintrag vorzunehmen sei. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass seine Gesundheit durch eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz wegen polyzystischen Nieren beidseits seit 2012 sowie durch eine Herzschwäche mit mittelgradig eingeschränkter Herzleistung massiv beeinträchtigt sei. Zudem gerate er sehr rasch in Atemnot. Ebenso leide der BF unter degenerativen Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule und der Gelenke. Selbst bei der geringsten körperlichen Belastung trete eine Schmerzverstärkung ein, insbesondere habe der BF massive Abnützungen im Bereich der LWS und der Kniegelenke. Des Weiteren beeinträchtige ihn eine Schwerhörigkeit beidseits und sei der BF auf ein Hörgerät angewiesen. Außerdem belaste ihn eine reaktive Verstimmung sowie wetterbedingte Kopfschmerzen.
Es wurde zu Beweiszwecken die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Orthopädie und Inneren Medizin beantragt.
5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 13.02.2018 vorgelegt.
6. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.
6.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von XXXX vom 14.11.2018 wird im zusammengefassten Ergebnis aufgrund der Aktenlage folgendes festgehalten:
* Dialysepflichtige Niereninsuffizienz wegen polyzystischen Nieren beidseits seit 2012 und Nierenentfernung beidseits
* Herzschwäche mit mittelgradig eingeschränkter Herzleistung (EF 38%), keine Entwässerungstherapie notwendig
* Degenerative Wirbelsäulen- und Gelenksveränderungen, geringe Funktionseinschränkungen
* Schwerhörigkeit beidseits, Hörgeräte beidseits
* Reaktive Verstimmung, noch ohne Therapie
Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt, dass aufgrund der Befunde und Vorgutachten zwar eine etwa 50%ige Herzschwäche, und zusätzlich zum Zeitpunkt der Dialyse ein Umstand der Schwäche bestehe, diese würde jedoch nicht dauernd bestehen, wobei laut Eigenangabe eine relevante Wegstrecke als auch Niveauunterschiede überwunden werden könnten. Die Beschwerden von Seiten des Stütz- und Bewegungsapparates würden keine Funktionsbeeinträchtigung bedingen, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würden.
Bei dem BF würden keine direkten, erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, keine erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen oder schwere, anhaltende Erkrankungen des Immunsystems vorliegen. Es würde keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit bestehen.
7. Das Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 21.11.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
8. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung wurde dazu seitens der Verfahrensparteien nicht übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist am XXXX geboren und ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 80 von Hundert.
Der BF leidet an folgenden Gesundheitsschädigungen:
* Dialysepflichtige Niereninsuffizienz wegen polyzystischen Nieren beidseits seit 2012 und Nierenentfernung beidseits
* Herzschwäche mit mittelgradig eingeschränkter Herzleistung (EF 38%)
* Degenerative Wirbelsäulen- und Gelenksveränderungen
* Schwerhörigkeit beidseits mit Hörgeräteversorgung
* Reaktive Verstimmung
Im Vordergrund des Gesamtleidenszustandes des BF steht die dialysepflichtige Niereninsuffizienz, wobei die Dialyse dreimal wöchentlich durchgeführt wird.
Trotz bestehender Herzschwäche ist die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit nicht derart eingeschränkt, dass eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit besteht.
An der Wirbelsäule und an den Gelenken zeigen sich nur geringe Funktionseinschränkungen.
Die Funktionen der unteren Extremitäten des BF sind nicht höhergradig eingeschränkt. Es besteht keine wesentliche Gangstörung und die Greif- und Haltefunktion ist gegeben. Der BF ist in der Lage eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) selbstständig zurückzulegen.
Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied seitens des BF aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe geleistet werden. Der sichere Transport des BF in öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.
Auch konnten keine erheblichen Einschränkungen der psychologischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems beim BF festgestellt werden. Es besteht keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen zum Geburtsdatum und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX vom 14.11.2018, ist vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ergeben sich daraus.
Gutachterlich konnte daraus zweifelsfrei festgestellt werden, dass beim BF keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche in der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, genannt sind, insbesondere keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, vorliegen.
Im Ergebnis wurde damit das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin, vom 09.01.2018, welches von der belangten Behörde eingeholt wurde und dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegt, bestätigt.
Die Feststellung, dass der BF in der Lage ist, eine kurze Wegstrecke zurückzulegen, ergibt sich aus den eigenen Angaben des BF gegenüber dem Amtssachverständigen Dr. XXXX, wonach der BF ausführte, dass er kurze Strecken bis zu 15 Minuten spazieren gehe. Es wurde von Dr. XXXX auch keine Gangstörung oder sonstige Mobilitätsstörung festgestellt.
Sowohl im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX als auch im Sachverständigengutachten von XXXX wurde festgehalten, dass der BF an keinen Funktionsbeeinträchtigungen leidet, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen in bzw. aus öffentlichen Verkehrsmitteln sowie den sicheren Transport darin nicht zulässt.
Es konnten auch seitens des erkennenden Gerichtes keine Anhaltspunkte festgestellt werden, dass insgesamt ein sicherer Transport des BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich wäre, insbesondere konnte festgestellt werden, dass die Halte- und Greiffunktion nicht beeinträchtigt ist. Es bestehen auch keine Hinweise für eine erhebliche Sturz- bzw. Stolpergefahr.
Der Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens von XXXX wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder vom BF noch von der belangten Behörde erstattet. Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.
Die oben angeführten schlüssigen Sachverständigengutachten von XXXX und Dr. XXXX werden der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte) entgegenstehen.
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens von XXXX wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.
Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint und unstrittig ist, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.
Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, bildet Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung des BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; VwGH 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Es konnten beim BF nach Durchführung eines medizinischen Beweisverfahrens keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche im § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen für die beantragte Zusatzeintragung genannt sind, im geforderten Ausmaße, nämlich in erheblichem beziehungsweise hochgradigem Ausmaß, festgestellt werden.
Der BF besitzt auch die konkrete Fähigkeit ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Insbesondere konnte festgestellt werden, dass die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke für den BF selbstständig möglich ist. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens des BF geleistet werden. Der sichere Transport im Fahrzeug ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.
Zum Beschwerdevorbringen des BF, dass er durch Fachärzte aus den Fachbereichen der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, der Orthopädie und der Inneren Medizin untersucht werden möchte, ist folgendes festzuhalten:
Das in der gegenständlichen Rechtssache anzuwendende Bundesbehindertengesetz enthält keine Regelung, aus der geschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde.
Der BF hat demnach keinen Anspruch auf die Beiziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit des eingeholten Gutachtens an (VwGH Zl. 396/80; VwGH 24.06.1996, Zl. 96/08/0014). Dieses Erfordernis erfüllt das Sachverständigengutachten von XXXX im vollsten Ausmaß. Auch konnte das fachärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegt, der Schlüssigkeitsprüfung durch das erkennende Gericht vollkommen entsprechen.
Es wurde in der Beschwerde weder ausgeführt, zu welchem konkreten Beweisthema die fachärztlichen Sachverständigen beigezogen werden sollten, noch wurde das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX substantiiert bekämpft.
Dem BF wäre es frei gestanden, durch die Beibringung eines aktuellen Gutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl, das Gutachten von Dr. XXXX zu entkräften (vgl. VwGH 22.12.2013, Zl. 2011/11/0209). Ein solches wurde seitens des BF nicht in Vorlage gebracht. Es wurden der Beschwerde auch keine weiteren medizinischen Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Leiden des BF nicht in Einklang stehen.
Auch blieb das aktuelle Sachverständigengutachten von XXXX im Beschwerdeverfahren unbeeinsprucht.
Was schließlich den verfahrenseinleitenden Antrag des BF betrifft, ihm einen Parkausweis nach § 29b StVO auszustellen, so ist diesbezüglich festzuhalten, dass die belangte Behörde über diesen Antrag ausdrücklich bescheidmäßig nicht abgesprochen hat.
Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Bundesverwaltungsgerichtes ist die "Sache" des bekämpften Bescheides (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/04/0012; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077). Daher ist der Antrag des BF auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich. Vollständigkeit halber ist jedoch anzumerken, dass gegenständlich die grundsätzliche Voraussetzung dafür, nämlich der Besitz eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, der über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügt, fehlt.
Die Voraussetzungen für die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung", in den Behindertenpass liegen zum Entscheidungszeitpunkt nicht vor.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2186221.1.00Zuletzt aktualisiert am
01.07.2019