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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AußStrG §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des Dr. XY in S, vertreten durch Dr. Udo Kaiser, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Weimarer Straße 100, gegen den Bescheid des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 10. März 1994, Zl. K2/92, betreffend Berufsunfähigkeitspension, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der beschwerdeführenden Partei, Rechtsanwalt Dr. Udo Kaiser, und des Vertreters der belangten Behörde, Dr. Harald Burmann, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 29, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Tiroler Rechtsanwaltskammer ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 27.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 1. Juli 1992 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm die Berufsunfähigkeitspension "gemäß § 6 der Satzung der Versorgungseinrichtung" zuzuerkennen; er sei derzeit psychisch und physisch nicht in der Lage, den verantwortungsvollen Beruf eines Rechtsanwaltes auszuüben und befinde sich bei zwei Fachärzten aus dem Gebiet der Neurologie und der internen Medizin in Behandlung. Er erklärte unter einem, auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft zu verzichten.
Mit dem als Beschluß bezeichneten Bescheid des Kuratoriums der Versorgungseinrichtung der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 24. Juni 1993 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension abgewiesen. Das Kuratorium folgte dabei insbesondere dem Gutachten des von ihm bestellten Sachverständigen Primarius Dr. W.S., Facharzt für Neurologie und Psychatrie, und gelangte zu dem Schluß, daß der Beschwerdeführer in der Lage sei, seinen Beruf als Rechtsanwalt (wieder) auszuüben.
Über Antrag des Beschwerdeführers vom 21. Juli 1992 war bereits mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 30. Juli 1992 ein Rechtsanwalt zum einstweiligen Sachwalter für den Beschwerdeführer bestellt worden, u.a. zur Abklärung pensionsrechtlicher Ansprüche des Betroffenen (des nunmehrigen Beschwerdeführers).
In der Folge wurde in der Tagsatzung vom 17. November 1993 in Anwesenheit des Betroffenen und des einstweiligen Sachwalters mit mündlich verkündetem Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck das Verfahren für die Bestellung eines Sachwalters gemäß § 243 Außerstreitgesetz eingestellt und der einstweilige und dringende Sachwalter seines Amtes enthoben. Die schriftliche Ausfertigung dieses Beschlusses wurde dem einstweiligen Sachwalter am 9. Dezember 1993 zugestellt. Gegen den erwähnten Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck, der dem Beschwerdeführer am 12. Jänner 1994 zukam, erhob dieser Rekurs, welcher am 21. Jänner 1994 beim Bezirksgericht Innsbruck einlangte und dem das Rekursgericht mit Beschluß vom 25. Februar 1994 keine Folge gab. Diese Rekursentscheidung wurde dem Rechtsanwalt, der zum einstweiligen Sachwalter bestellt worden war, am 24. Mai 1994, dem Beschwerdeführer am 26. Mai 1994 zugestellt. Der vom Beschwerdeführer erhobene außerordentliche Revisionsrekurs wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 29. August 1994 zurückgewiesen.
Aus den Akten, insbesondere auch aus dem vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Sachwalterschaftsakt des Bezirksgerichtes Innsbruck ergibt sich, daß gegen den Beschwerdeführer beim LG Innsbruck ein Strafverfahren wegen des Verdachtes des Verbrechens der Veruntreuung und - gleichfalls bei diesem Gericht - über das Vermögen des Beschwerdeführers ein Konkursverfahren anhängig war bzw. ist.
Mit dem bekämpften Bescheid vom 10. März 1994 wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid als unbegründet ab.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. In dieser führe er - unter einem mit dem Antrag auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof - bereits die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde aus. Dieser Schriftsatz ist von dem als einstweiligem Sachwalter bestellten Rechtsanwalt unterschrieben, mit 16. Mai 1994 datiert, wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 17. Mai 1994 "sachwalterschaftsgerichtlich" genehmigt und am 18. Mai 1994 zur Post gegeben.
Mit Erkenntnis vom 25. September 1995, B 1030/94-16, V 126/94-16, wies der Verfassungsgerichtshof die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 10. März 1994 erhobene Beschwerde ab, stellte fest, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden sei, wies einen Antrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG auf Aufhebung der §§ 4, 5 und 18a der Satzung der Versorgungseinrichtung der Tiroler Rechtsanwaltskammer zurück und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.
Dieser hat über Antrag des Beschwerdeführers eine Verhandlung durchgeführt und danach erwogen:
1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Beschlüsse vom 11. Februar 1987, Slg. Nr. 12.396/A, und vom 22. Februar 1994, Zl. 91/17/0144, mwN) hat der Verwaltungsgerichtshof auch bei Vorliegen einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes selbständig die Prozeßvoraussetzungen für das Verfahren über eine abgetretene Beschwerde zu prüfen.
Zunächst war zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche Auswirkungen das im Jahr 1992 eröffnete und noch andauernde Konkursverfahren auf das gegenständliche Beschwerdeverfahren hat bzw. auf das zugrundeliegende Verwaltungsverfahren hatte. So hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß als Partei des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach Konkurseröffnung und Bestellung eines Masseverwalters nur dieser, und zwar als gesetzlicher Vertreter jenes Gemeinschuldners, auf dessen der Exekution unterworfenes Vermögen sich das jeweilige Verwaltungsverfahren beziehe, in Betracht komme (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1995, Zl. 93/17/0387, mwN).
Gemäß § 1 Abs. 1 KO wird durch die Eröffnung des Konkurses das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen. Nach § 5 Abs. 1 KO ist dem Gemeinschuldner u.a. zu überlassen, was er durch eigene Tätigkeit erwirbt, soweit es zu einer bescheidenen Lebensführung für ihn und für diejenigen, die gegen ihn einen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt haben, unerläßlich ist. Was dem Gemeinschuldner durch Beschluß des Konkursgerichtes nach § 5 Abs. 1 KO überlassen wurde, scheidet aus der Konkursmasse aus und wird konkursfreies Vermögen. Allerdings geht § 1 KO der Regelung des § 5 KO vor, die voraussetzt, daß das Erwerbseinkommen überhaupt zur Konkursmasse gehört. Der unpfändbare Teil der Bezüge ist nicht der Exekution unterworfen und fällt daher schon gemäß § 1 Abs. 1 KO nicht in die Konkursmasse (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1997, Zl. 95/12/0234, mwN aus der Rechtsprechung des OGH).
§ 291a EO trifft nähere Bestimmungen hinsichtlich des unpfändbaren Freibetrages, des sogenannten Existenzminimums.
Vorliegendenfalls bedarf es keiner näheren Feststellungen über die konkrete Struktur des Einkommens des Beschwerdeführers:
Auszugehen ist davon, daß die begehrte Berufsunfähigkeitspension als solche jedenfalls nicht zur Gänze der Exekution unterworfen ist und daher auch nicht zur Gänze konkursverfangen sein könnte. Da somit jedenfalls zumindest ein Teil pfändungsfrei und damit dem Konkurs nicht unterworfen ist, ist die Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers als Gemeinschuldner insofern gegeben. Das bedeutet, daß - allenfalls auch - er Adressat des erstinstanzlichen Bescheides zu sein hatte und eine Rechtsverletzungsmöglichkeit durch den erstinstanzlichen Bescheid, aber auch durch den angefochtenen Bescheid aus dem Blickwinkel des Konkursverfahrens nicht zu verneinen ist. Ob und inwieweit die Sache allenfalls auch in den Wirkungsbereich des Masseverwalters fiel, ist in diesem Zusammenhang nicht zu untersuchen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1997, Zl. 95/12/0234; zur Frage der allfälligen Konkursunterworfenheit einer Berufsunfähigkeitspension vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1995, Zl. 94/08/0283).
Bei der Frage nach der ordnungsgemäßen Vertretung des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Beschwerde ist zunächst von § 238 Außerstreitgesetz auszugehen.
§ 238 Abs. 2 letzter Satz Außerstreitgesetz verweist (bloß) auf § 248 leg. cit. und erklärt, daß die zuletzt genannte Bestimmung "sinngemäß anzuwenden" ist. Diese gesetzliche Regelung (ausdrückliche Zitierung bloß des § 248 Außerstreitgesetz) führt dazu, daß das 5. Hauptstück des Außerstreitgesetzes im Fall der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters überhaupt nicht anzuwenden ist. § 247 Außerstreitgesetz bezieht sich schon nach seinem Wortlaut ("der Beschluß, mit dem der Sachwalter bestellt wird, wird mit dem Eintritt der Rechtskraft wirksam.") eindeutig nur auf solche Beschlüsse, mit denen ein Sachwalter bestellt wird und schiebt für diese die Wirksamkeit bis zum Eintritt der Rechtskraft auf (vgl. auch den hg. Beschluß vom 6. März 1987, Zl. 86/11/0121 = ZfVB 1987/6/2436). Dies bedeutet aber weiters, daß die Beendigung des Sachwalterverfahrens und die damit verbundene Enthebung des einstweiligen Sachwalters nach § 12 Außerstreitgesetz zu beurteilen war. Gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung können Verfügungen über nicht streitige Rechtsangelegenheiten, sofern keine gesetzlichen Ausnahmen festgesetzt sind, oder der Richter nicht aus besonderen Gründen die Rekursfrist abzuwarten notwendig findet, sogleich in Vollzug gesetzt werden. Nach § 12 Abs. 2 leg. cit. hat die Erstinstanz nach bereits angebrachtem Rekurse dem Vollzug nicht mehr stattzugeben und nur im Falle dringender Gefahr, die zur Sicherheit der Teilnehmenden notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Für rechtsgestaltende Verfügungen - wie im Beschwerdefall - ergibt sich aus dieser Rechtslage, daß der gerichtliche Enthebungsakt betreffend den einstweiligen Sachwalter im Grunde des § 12 Abs. 1 Außerstreitgesetz sofort wirksam gewesen wäre. Der Beschwerdeführer hat jedoch dagegen selbst ein Rechtsmittel ergriffen, dem - im Hinblick auf die anzunehmende Schutzwürdigkeit des Betroffenen - die Wirkungen des § 12 Abs. 2 Außerstreitgesetz zukamen. Dies bedeutet für den Beschwerdefall, daß jedenfalls bis zur Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichtes der Beschwerdeführer noch durch den als einstweiligen Sachwalter beigegebenen Rechtsanwalt vertreten war; der Beschwerdeführer war daher auch bei Einbringung der vorliegenden, zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Sukzessivbeschwerde wirksam vertreten.
2. Zur Sache selbst:
Der Beschwerdeführer bekämpft den Bescheid der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er erachtet sich in seinem Recht, eine Berufsunfähigkeitspension zu erhalten, verletzt.
Soweit der Beschwerde unter Berücksichtigung der allein vor dem Verfassungsgerichtshof erstatteten Vorbringen entnommen werden könnte, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Erlangung einer Alterspension bekämpft, ist dies nicht vom Beschwerdepunkt umfaßt und daher auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu berücksichtigen.
Die von der Vollversammlung der Tiroler Rechtsanwaltskammer am 19. Juni 1986 beschlossene "Satzung der Versorgungseinrichtung der Tiroler Rechtsanwaltskammer" wurde im Anwaltsblatt 1986, 582 ff, verlautbart. Die belangte Behörde hatte diese "Satzung" in der am 7. März 1991 beschlossenen (im Anwaltsblatt 1991, 448, verlautbarten) Fassung - als Verordnung - anzuwenden.
Nach § 1 der zitierten Satzung hat die Versorgungseinrichtung der Tiroler Rechtsanwaltskammer den Zweck, durch Gewährung der in § 2 der Satzung vorgesehenen Leistungen zur Versorgung alter oder berufsunfähiger Kammermitglieder, Hinterbliebener oder geschiedener Ehegatten und von Waisen nach Kammermitgliedern oder nach Beziehern einer Alters- oder Berufsunfähigkeitspension beizutragen (Abs. 1). Auf Gewährung der nach der Satzung vorgesehenen Leistungen besteht ein Rechtsanspruch (Abs. 2).
§ 2 leg. cit. zählt unter die Versorgungsleistungen, die nach den in der Satzung normierten allgemeinen und besonderen Voraussetzungen gebühren, auch die Berufsunfähigkeitspension (lit. b).
§ 6 der Satzung regelt diese näher. Die hier in Betracht kommenden Abs. 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:
"(1) Die Berufsunfähigkeitspension in der Höhe der Alterspension gebührt bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen jenen Rechtsanwälten, die das für den Anfall der Alterspension erforderliche Lebensalter noch nicht erreicht haben, jedoch infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unfähig sind und auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichten, in der Liste der Rechtsanwälte gelöscht sind und auch keine der in § 5 beschriebenen Tätigkeiten ausüben.
(2) Vor Beurteilung der Berufungsunfähigkeit durch das Kuratorium hat sich der Antragsteller, falls erforderlich, durch einen oder mehrere Sachverständige untersuchen zu lassen. Die Bestimmung des oder der Sachverständigen obliegt dem Kuratorium."
Die belangte Behörde hat im bekämpften Bescheid ausdrücklich die Feststellung getroffen, daß der Beschwerdeführer die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung der Berufsunfähigkeitspension erfüllt; auch hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Beschwerdeführer eine der in § 5 der Satzung beschriebenen Tätigkeiten weiterhin ausübe.
Strittig ist allein, ob der Beschwerdeführer "infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen" zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes unfähig sei.
Der Beschwerdeführer definiert den Begriff des "Gebrechens" dahin, daß dieser seinem Wesen nach ein nicht beeinflußbarer gänzlicher oder teilweiser Ausfall normaler Körperfunktionen sei, der durch ärztliche Behandlung nicht beseitigt werden könne oder zumindest bloß vorübergehender Dauer sei. Die (richtigerweise festzustellenden) "medizinischen Defizite" zusammen machten den Beschwerdeführer berufsunfähig.
Die belangte Behörde hat jedoch im bekämpften Bescheid ausdrücklich den Ausdruck "Gebrechen" als (zumindest auch) im Sinne des Beschwerdeführers auslegbar angesehen. Wenn sie diesen - im Einklang mit dem Wesen der Berufsunfähigkeitspension als einer Versorgung infolge dauernder Unfähigkeit zur Ausübung des Berufes - dahin versteht, daß der durch das "Gebrechen" eingetretene Zustand ein solcher sein muß, der durch ärztliche Behandlung nicht beseitigt werden könne und auch nicht von bloß vorübergehender Dauer sei, kann dem der Verwaltungsgerichtshof nicht entgegentreten.
Die belangte Behörde hat - gestützt auf das Gutachten des beigezogenen Sachverständigen Primarius Dr. W.S. - den Schluß gezogen, daß der beim Beschwerdeführer konstatierte Bluthochdruck durch Medikamente behandelt werden könne, sodaß es diesbezüglich am Wesensmerkmal der Unbeeinflußbarkeit mangle. Hinweise für ein organisches Psychosyndrom oder eine Hirnleistungsschwäche seien nicht gegeben, ebenso bestünden auch keine Anhaltspunkte für eine entsprechend massive psychische Störung. Ein "Gebrechen", das den Beschwerdeführer unfähig machen würde, den Rechtsanwaltsberuf weiterhin auszuüben, liege daher nicht vor.
Diesen Ausführungen kann nicht entnommen werden, daß die belangte Behörde - unzulässig - die Frage der Berufsunfähigkeit durch den Sachverständigen rechtlich beurteilen habe lassen.
Der Beschwerdeführer hat jedoch bereits in seinem oben erwähnten Antrag auf Zuerkennung der Berufsunfähigskeitspension darauf verwiesen, daß er "psychisch und physisch" nicht in der Lage sei, seinen Beruf auszuüben; er hat weiters ausgeführt, daß er sich bei Fachärzten aus dem Gebiet der Neurologie und der Internen Medizin in Behandlung befinde. Der im Rahmen des vorliegenden Verwaltungsverfahrens beigezogene Sachverständige aus dem Gebiet der Neurologie und Psychatrie, Primarius Dr. W.S., hat in seinem Gutachten vom 15. Jänner 1993 ausdrücklich ausgeführt, daß die Frage, ob eine durch die psychische Belastung möglicherweise hervorgerufene Blutdrucksteigerung eine ernste Gefährdung der somatischen Gesundheit des Beschwerdeführers bilden könne, von internistischer Seite begutachtet werden müßte. Der Beschwerdeführer hat in seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Vorstellung vom 26. Juli 1993 gerügt, daß dieses vom Sachverständigen angeregte internistische Gutachten nicht eingeholt wurde. Auch in seinem Ergänzungsgutachten vom 29. November 1993 verweist Dr. W.S. (Seite 4 des Gutachtens) darauf, daß er aus neurologisch-psychiatrischer Sicht keine Krankheit oder psychische Störung vom Krankheitswert einer Psychose finden konnte, die generell Berufsunfähigkeit attestieren ließe oder die den Beschwerdeführer unfähig erscheinen ließe, speziell auch den Beruf eines Rechtsanwaltes auszuüben. Daraus ergibt sich somit deutlich, daß die Aussagen des Sachverständigen sich nur auf sein Fachgebiet beziehen. Insbesondere wurden keine Aussagen zur möglichen somatischen Beeinträchtigung des Beschwerdeführers aus internistischer Sicht getroffen. Die Einholung eines diesbezüglichen Gutachtens wäre aber nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes unerläßlich gewesen. Es erscheint nämlich nicht ausgeschlossen, daß etwa auf Grund von Aufregungen im Zusammenhang mit der Ausübung des Rechtsanwaltsberufes der gesteigerte Bluthochdruck zu somatischen Schädigungen, Gefährdungen oder Beeinträchtigungen führen könnte, die so weit gingen, daß man von einer Berufsunfähigkeit im dargelegten Sinne sprechen müßte.
Die belangte Behörde hat im bekämpften Bescheid zwar ausgeführt, sie entnehme dem Arztbrief Dris. G., Facharzt für innere Medizin, vom 21. September 1992, daß der Beschwerdeführer an Hypertonie leide, die jedoch durch Medikamente bestens eingestellt sei, und daß eine entsprechende medikamentöse Betreuung erfolge. Abgesehen davon, daß sich dem erwähnten Schreiben Dris. G. nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die medikamentöse Behandlung des Bluthochdruckes, nicht aber konkrete Aussagen über den Erfolg dieser Behandlung entnehmen lassen, vermag dieses in anderem Zusammenhang erstattete Schreiben nicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den im vorliegenden Verfahren entscheidungswesentlichen Fragen aus internistischer Sicht zu ersetzen. Daß die Einholung eines derartigen Sachverständigengutachtens von den Verfahrensergebnissen her indiziert gewesen wäre, wurde bereits dargelegt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. Jänner 1999
Schlagworte
Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters Masseverwalter SachwalterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1995191145.X00Im RIS seit
20.11.2000