Entscheidungsdatum
01.04.2019Norm
AsylG 2005 §57Spruch
G314 2216104-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, kosovarischer Staatsangehöriger, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.11.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots:
A) Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene
Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wird.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (BF), der die albanische Sprache beherrscht, wurde am XXXX2018 im Bundesgebiet verhaftet und in die Justizanstalt XXXX eingeliefert. Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurden daraufhin Kopien aus seinem kosovarischen Reisepass und jeweils eine Kopie seines kosovarischen Personalausweises, einer bis XXXX2027 gültigen Aufenthaltserlaubnis der Tschechischen Republik und einer am XXXX2016 in XXXX (tschechisch: XXXX) ausgestellten tschechischen Lenkberechtigung übermittelt.
Mit dem als "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" bezeichneten Schreiben des BFA vom 31.07.2018 wurde der BF aufgefordert, ua zu der für den Fall seiner rechtskräftigen Verurteilung beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung, und eines Einreiseverbots Stellung zu nehmen und konkrete Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich und seinen privaten und familiären Anknüpfungen hier zu beantworten. Der BF reagierte auf diese Aufforderung nicht.
Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX2018, XXXX, wurde der BF wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch als Beitragstäter (§§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 StGB) zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ein Strafteil von 16 Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Es handelt sich um seine erste Verurteilung in Österreich. Bei der Strafzumessung wurden das Teilgeständnis als mildernd und die einschlägigen Vorstrafen in Ungarn und Tschechien sowie die zweifache Qualifikation als erschwerend berücksichtigt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX2017 und am XXXX2017 in XXXX aufgrund eines zuvor abgesprochenen Tatplans für den unmittelbaren Täter jeweils den Tatort absicherte und dadurch zu zwei Einbruchsdiebstählen (einen davon in eine Wohnstätte) beitrug, bei denen Bargeld und eine Tasche im Wert von insgesamt EUR 10.650 erbeutet wurden. Der BF verbüßte den unbedingten Strafteil, auf den die Vorhaft ab XXXX2018 angerechnet wurde, ab XXXX2018 in der Justizanstalt XXXX. Das urteilsmäßige Strafende war am XXXX2019.
Eine Ausfertigung des Protokollsvermerks und der gekürzten Urteilsausfertigung wurde dem BFA mit Schreiben vom 03.09.2018 übermittelt. In der aktenkundigen Vollzugsinformation vom 14.11.2018 scheint als letzter Aufenthalt und Entlassungsadresse des BF eine Anschrift in XXXX (Tschechien) auf.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), die Zulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo festgestellt (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein achtjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Dies wurde im Wesentlichen mit seinem infolge der Begehung strafbarer Handlungen nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, der strafgerichtlichen Verurteilung und den als Erschwerungsgrund gewerteten Vorstrafen in Ungarn und Tschechien, seinem im Kosovo gelegenen Lebensmittelpunkt und dem Fehlen familiärer und beruflicher Bindungen zu Österreich begründet. Feststellungen zu den Taten, die den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF zugrunde lagen, und zu seinem tschechischen Aufenthaltstitel wurden nicht getroffen. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde lapidar mit dem Hinweis auf das "zitierte Gesamtfehlverhalten" des BF, "insbesondere im Hinblick auf [seine] rechtskräftige Verurteilung" begründet, was seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich mache. Darüber hinaus besteht die Begründung für diesen Spruchpunkt lediglich aus Textbausteinen ohne Bezug zum konkreten Fall.
Das BFA führte keine Ermittlungen zum Privat- und Familienleben des BF in anderen Staaten als Österreich und zu seinen Vorstrafen in Ungarn und Tschechien, insbesondere zu den dort verwirklichten Delikten, den Tatzeiten, den verhängten Sanktionen und deren allfälligen Vollzug, durch. Es erhob auch nicht, ob der tschechische Aufenthaltstitel des BF aufrecht ist, obwohl dort offenbar ungetilgte strafgerichtliche Verurteilungen bestehen.
Gegen den angeführten Bescheid richtet sich die am XXXX2018 beim BFA eingebrachte Beschwerde mit den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und auf Durchführung einer Beschwerdeverhandlung. Der BF strebt damit die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids, hilfsweise die Aufhebung bzw. Verkürzung des Einreiseverbots sowie dessen Beschränkung auf Österreich an. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er seit 17 Jahren in Tschechien lebe und sich davor neun Jahre lang in Ungarn aufgehalten habe. Das BFA habe sein Familienleben in Tschechien und Ungarn nicht berücksichtigt und sei zu Unrecht von einem Lebensmittelpunkt im Kosovo ausgegangen. Er habe keine Bindungen mehr zu seinem Herkunftsstaat. Seine Eltern würden in Belgien leben, seine Lebensgefährtin und die beiden gemeinsamen, 2010 und 2012 geborenen Töchter in Tschechien, sein volljähriger Sohn in Ungarn. Für die Zeit nach der Entlassung aus der Haft läge die Einstellungszusage eines potentiellen Arbeitgebers in XXXX vor.
Das BFA legte die Verwaltungsakten und die Beschwerde dem BVwG vor, wo diese erst am 28.03.2019 einlangten.
Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor, sodass sich eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.
Albanischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft plausibel und können festgestellt werden, weil eine Verständigung mit dem Dolmetscher für diese Sprache im Strafverfahren offenbar problemlos möglich war.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über die hier vorliegende Bescheidbeschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder dessen Feststellung durch das Gericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, hat das Gericht gemäß § 28 Abs 3 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückverweisen, die dann an die rechtliche Beurteilung, von der das Gericht ausgegangen ist, gebunden ist.
Von der Möglichkeit einer Zurückverweisung kann nur bei besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 28 VwGVG Anm 13). Solche krassen Ermittlungsmängel liegen hier vor.
Dabei ist von folgender rechtlicher Beurteilung auszugehen: Zwar ist weder im FPG noch in der Rückführungsrichtlinie vorgesehen, dass die Mitgliedsstaaten bei der Erlassung eines Einreiseverbots dessen Geltung für ein bestimmtes Gebiet der Union aussetzen könnten, sodass dem darauf gerichteten Beschwerdeantrag nicht Folge zu geben ist. Die bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu beurteilende Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des BF darf aber nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, sondern es ist auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten in den Blick zu nehmen (vgl. VwGH 28.05.2015, Ra 2014/22/0037; 30.06.2015, Ra 2015/21/0002; 03.07.2018, Ro 2018/21/0007). Das BFA hätte daher das in Tschechien und allenfalls auch in Ungarn geführte Privat- und Familienleben des BF und die allenfalls gelockerten Bindungen zum Kosovo beachten müssen, auch wenn das Einreiseverbot die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung durch einen anderen Mitgliedstaat nicht absolut ausschließt (vgl. insbesondere Art 11 Abs 4 der Rückführungsrichtlinie [RL 2008/115/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger]).
Wenn sich im fortzusetzenden Verfahren herausstellt, dass der tschechische Aufenthaltstitel des BF noch aufrecht ist, kommt die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot gegen ihn nur nach Maßgabe des § 52 Abs 6 FPG, der Art 6 Abs 2 der Rückführungsrichtlinie umsetzt, in Frage (vgl VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0060). Nach dieser Bestimmung hat sich ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger, der im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates ist, nachweislich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Nur, wenn er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt oder wenn seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG zu erlassen (siehe z.B. Gachowetz/Schmidt/Simma/Urban, Asyl- und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BFA, 270). Dabei kommt es nicht schlichtweg auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an, sondern darauf, ob angesichts einer solchen Gefährdung die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen aus dem Bundesgebiet erforderlich ist (VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen hier die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das Gericht nicht vor, weil es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung führt, wenn das BVwG die notwendigen Erhebungen selbst vornimmt, zumal zu den tragenden Sachverhaltselementen überhaupt keine Ermittlungsergebnisse vorliegen. So wurden weder zum Privat- und Familienleben und zur Erwerbstätigkeit des BF in anderen Mitgliedstaaten Ermittlungen vorgenommen noch zur Gültigkeit des tschechischen Aufenthaltstitels. Das BFA wird im fortgesetzten Verfahren außerdem nähere Informationen zu den Vorstrafen des BF einzuholen haben, und zwar durch Einsicht in die von Strafgericht dazu erhobenen Beweisergebnisse, durch die Einholung von ECRIS-Auszügen und allenfalls durch Abklärung der näheren Umstände der Vorverurteilungen mit den ungarischen bzw. tschechischen Behörden. Gegebenenfalls sind auch der Hintergrund der in der EDE ersichtlichen erkennungsdienstlichen Behandlung des BF in Slowenien sowie die Fragen, ob gegen ihn in anderen Mitgliedstaaten bereits aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet oder gesetzt wurden und ob er in Brünn tatsächlich einen konkreten Arbeitsplatz in Aussicht hat, zu klären.
Diese Ermittlungen sind für die Vornahme einer mangelfreien Interessenabwägung iSd § 9 BFA-VG sowie zur Beurteilung der Voraussetzungen für eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot, insbesondere für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose, notwendig. Ergänzende Ermittlungen zur Intensität der Beziehung zwischen dem BF und seinen angeblich in Tschechien, Ungarn und Belgien lebenden Verwandten sind insbesondere deshalb geboten, weil das Familienleben und das Wohl minderjähriger Kinder im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung maßgeblich zu berücksichtigen sind.
Anschließend hat das BFA auf der solcherart erweiterten Grundlage eine mangelfrei begründete Sachentscheidung zu treffen. Dabei wird insbesondere darauf einzugehen sein, welche konkreten Taten den strafrechtlichen Verurteilungen des BF zugrunde lagen, welche Sanktionen verhängt wurden und ob und gegebenenfalls welche Wohlverhaltenszeiträume vorlagen. Es werden konkrete Feststellungen zu Anwendbarkeit und Erfüllung des Tatbestands des § 52 Abs 6 FPG und zu den Bindungen des BF zu anderen Staaten sowie zu seinem Herkunftsstaat zu treffen sein.
Angeregt wird in diesem Zusammenhang, das Schreiben "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" des BFA zur Vermeidung von Verfahrensmängeln in Fällen wie diesem, insbesondere bei aktenkundigen Hinweisen auf konkrete Anknüpfungen betroffener Drittstaatsangehöriger in anderen Mitgliedstaaten, anzupassen und um entsprechende Fragestellungen zu ergänzen. Das hier verwendete Formblatt kann beim Empfänger den (unrichtigen) Eindruck erwecken, es käme ausschließlich auf den Aufenthalt und die Bindungen im Bundesgebiet an.
Die noch fehlenden Ermittlungen erreichen einen Umfang, der trotz der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungskompetenz des BVwG eine Behebung und Zurückverweisung erlaubt. Da das BFA trotz der Information über den tschechischen Aufenthaltstitel des BF keinerlei Erhebungen zu seinen Anknüpfungen dort vornahm, obwohl diese im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots eine zentrale Bedeutung haben können, wurden diese (grenzüberschreitenden und damit unter Umständen aufwändigen) Ermittlungen möglicherweise bewusst unterlassen, damit sie durch das BVwG vorgenommen werden. Angesichts der vorliegenden groben Ermittlungsmängel kommt die vom BF primär angestrebte meritorische Entscheidung durch das Gericht nicht in Betracht. Der angefochtene Bescheid ist aber gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.
Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass Bescheide gemäß § 58 Abs 2 AVG zu begründen sind, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff).
Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie kann nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erfüllt sind oder dass der BF gegen Gesetze verstoßen hat. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus seine sofortige Ausreise geboten ist.
Das BFA begründete hier die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht fallspezifisch, sondern begnügte sich mit allgemein gehaltenen Textbausteinen, ohne auf den vorliegenden Einzelfall Bezug zu nehmen. Der Verweis auf das "Gesamtfehlverhalten" des BF reicht für eine mangelfreie Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung schon deshalb nicht aus, weil zu den konkreten Straftaten gar keine Feststellungen getroffen wurden. Der Beschwerde wurde daher die aufschiebende Wirkung zu Unrecht aberkannt; der betreffende Spruchteil hätte jedenfalls (unabhängig von der Entscheidung über die anderen Spruchpunkte) aufgehoben werden müssen.
Unverständlich ist, dass das BFA die Beschwerde dem BVwG ohne Begründung oder Erklärung erst mehrere Monate nach ihrer Einbringung vorlegte, obwohl aufgrund der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und dem absehbaren Strafende eine dringliche Angelegenheit vorlag.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 08.11.2018, Ra 2018/22/0232).
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2216104.1.00Zuletzt aktualisiert am
01.07.2019