TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/15 G311 2190033-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.04.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §66 Abs1

Spruch

G311 2190033-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Rumänien, vertreten durch: ARGE Rechtsberatung, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.02.2018, Zahl XXXX, betreffend Aufenthaltsverbot, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30.11.2018, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass hinsichtlich der Erlassung des Aufenthaltsverbotes § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG iVm. Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG anzuwenden ist.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.02.2018 wurde gegen den sich im Stande der Strafhaft befindenden Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf acht Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen auf die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers verwiesen. Er halte sich seit dem Jahr 2008 und somit seit fast zehn Jahren im Bundesgebiet, sei jedoch bereits vor Erreichen eines zehn Jahre andauernden Aufenthalts zweimal strafgerichtlich verurteilt worden. Es würden jedenfalls die Eltern und der volljährige Zwillingsbruder des Beschwerdeführers im Bundesgebiet leben. Eine über eine familiäre Bindung hinausgehende Abhängigkeit zu den Eltern oder dem Bruder habe der Beschwerdeführer nicht geltend machen können. Er habe weiters keine beruflichen Bindungen im Bundesgebiet. Aufgrund des langjährigen Aufenthalts in Österreich bestehe ein schützenswertes Privatleben des Beschwerdeführers, dass der Beschwerdeführer jedoch durch die von ihm begangenen Straftaten bewusst gefährdet habe. Nach der ersten Verurteilung des Beschwerdeführers sei seitens des Bundesamtes eine schriftliche Ermahnung ausgesprochen worden. Auch diese habe den Beschwerdeführer nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten können. Durch die in Rumänien lebende Großmutter habe der Beschwerdeführer jedenfalls noch Bindungen zu Rumänien. Die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung würden die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen. Es hätten sich trotz der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährlichkeit keine Hinweise auf die Notwendigkeit der Aberkennung des Durchsetzungsaufschubes ergeben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 20.03.2018, beim Bundesamt am 21.03.2018 einlangend, das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid beheben und eine mündliche Verhandlung durchführen; in eventu das auf acht Jahre befristete Aufenthaltsverbot auf eine angemessene Dauer herabsetzen, sowie die ordentliche Revision zulassen; in eventu den Bescheid zur Gänze beheben und zur neuerlichen Durchführung eines Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverweisen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer seit 17.07.2008 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Er habe keine Verwandten oder sozialen Kontakte mehr in Rumänien bis auf seine Großmutter, welche nunmehr aufgrund ihrer Erkrankung ebenfalls in Österreich lebe. Alle nahen Angehörigen des Beschwerdeführers (Eltern und Geschwister), würden ebenfalls in Österreich leben. Aufgrund der vorliegenden strafgerichtlichen Verurteilungen befinde sich der Beschwerdeführer in Strafhaft. Er beabsichtige dort eine Schlosser-Lehre zu absolvieren. Die gesamte Familie engagiere sich in der Pfingstkirche. Der Unfalltod des älteren Bruders habe den Beschwerdeführer schwer getroffen und zu seinem kriminellen Verhalten geführt. Dem Beschwerdeführer hätte bereits die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können. Es läge daher eine Aufenthaltsverfestigung iSd § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG vor und erweise sich das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot schon deswegen als unzulässig. Die belangte Behörde habe keine nachvollziehbare Gefährdungsprognose durchgeführt.

Der Beschwerde waren ein Unterstützungsschreiben des Diakons der evangelischen Glaubensgemeinschaft und eine Meldebestätigung der Schwester des Beschwerdeführers beigefügt.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten dort am 22.03.2018 ein.

Das Bundesamt führte in einer im Rahmen der Beschwerdevorlage beigefügten schriftlichen Stellungnahme vom 21.03.2018 aus, dass sich aufgrund der nunmehr vorgelegten Meldebestätigung ergebe, dass auch die Schwester des Beschwerdeführers in Österreich lebe. Ein besonderes Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis lasse sich dennoch nicht ableiten. Ob die Großmutter sich nunmehr tatsächlich in Österreich oder in Rumänien aufhalte, hätte mangels Meldung nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner Einvernahme keine Reue hinsichtlich der von ihm verübten Straftaten gezeigt. Er sei weiters nach einem Vorfall mit einem afghanischen Häftling in der Justizanstalt abgemahnt worden und werde seither streng von afghanischen Häftlingen getrennt. Der Tod des Bruders stelle eine familiäre Tragödie dar, sei jedoch für das fremdenrechtliche Verfahren unerheblich. Alle bisher begonnenen Ausbildungen oder Kurse habe der Beschwerdeführer entweder wegen Desinteresses oder Konflikten mit den Ausbildern abgebrochen. Entgegen der Ansicht in der Beschwerde sei hinsichtlich des Beschwerdeführers sehr wohl eine Gefährdungsprognose erstellt worden. Die positiven Aussagen des Diakons zum Beschwerdeführer könnten sein delinquentes Verhalten nicht aufwiegen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.11.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Die Verhandlung wurde ohne Dolmetscher durchgeführt.

Der Beschwerdeführer gab auf Befragen zusammengefasst an, er sei in Rumänien geboren und habe dort bis zu seinem elften Lebensjahr dort gelebt und die Volksschule besucht. Als der Beschwerdeführer und sein Zwillingsbruder 2008 nach Österreich gekommen seien, hätten die Eltern bereits in Österreich gearbeitet. Er habe die Hauptschule in Österreich positiv abgeschlossen, das Polytechnikum hingegen besucht, aber nicht abgeschlossen. Bisher habe er Lehren begonnen, aber nicht abgeschlossen, und AMS-Kurse besucht. Sonst sei er bisher noch keiner Beschäftigung nachgegangen. Der ältere Bruder sei bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen. In Österreich würden neben dem Zwillingsbruder auch die Eltern und die Schwester leben. Diese wären allesamt rumänische Staatsangehörige. Die Großmutter des Beschwerdeführers lebe noch in Rumänien. Er habe während der Schulzeit dort seine Ferien verbracht, sie sonst aber selten besucht. Etwa die Hälfte des Jahres verbringe auch die Großmutter inzwischen in Österreich. Der Beschwerdeführer spreche Rumänisch zuhause mit seinen Eltern. Mit seinen Geschwistern spreche er Deutsch. Die Straftaten täten ihm leid. Er schreibe den Grund für seine Aggressionen dem Unfalltod seines älteren Bruders zu, an welchem sich der Beschwerdeführer wegen eines vorangegangenen Streits mit Schuld fühle.

Auf die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und die mündliche Verkündung der Entscheidung wurde verzichtet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Rumänien.

Der Beschwerdeführer wuchs bis zu seinem elften Lebensjahr in Rumänien auf und besuchte dort die Volksschule. Er zog gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder im Jahr 2008 zu seinen, sich bereits in Österreich aufhaltenden und arbeitenden, Eltern in das Bundesgebiet (vgl Angaben Beschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 30.11.2018, S 3).

Der Beschwerdeführer hält sich seit 17.07.2008 rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Er verfügt seit 20.11.2008 über eine unbefristete Anmeldebescheinigung als Familienangehöriger (vgl Feststellungen im angefochtenen Bescheid, AS 101; Auszüge aus dem Zentralen Melderegister sowie dem Fremdenregister vom 08.04.2019).

Der ältere Bruder des Beschwerdeführers verstarb im Jahr 2009 im Bundesgebiet bei einem Arbeitsunfall (vgl Stellungnahme vom 06.11.2017, AS 69).

Die Eltern, der Zwillingsbruder und die Schwester des Beschwerdeführers sind ebenfalls rumänische Staatsangehörige und leben im Bundesgebiet, wobei der Beschwerdeführer, sein Zwillingsbruder und die Eltern zuletzt im gemeinsamen Haushalt lebten. Die Schwester des Beschwerdeführers ist bereits verheiratet. Alle Kernfamilienangehörigen des Beschwerdeführers gehen in Österreich einer legalen Beschäftigung nach (vgl Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 24.10.2017, AS 54 ff;

Angaben Beschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 30.11.2018, S 3;

Auszüge aus dem Zentralen Melderegister der Eltern, des Bruders und der Schwester vom 08.04.2019).

In Österreich leben weiters Onkel, Tanten, Cousinen und Cousins des Beschwerdeführers. Die Großmutter des Beschwerdeführers, bei welcher er eine Zeit lang in Rumänien aufwuchs, verfügt über ein Haus in Rumänien. Während der Schulzeit hat der Beschwerdeführer regelmäßig die Ferien bei seiner Großmutter in Rumänien verbracht. Zuletzt war er etwa ein Jahr vor seiner Festnahme in Rumänien. Außer der Großmutter hat der Beschwerdeführer keine nahen Verwandten mehr in Rumänien (vgl Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 24.10.2017, AS 54 ff; Angaben Beschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 30.11.2018, S 3; Auszug aus dem Zentralen Melderegister und dem Fremdenregister zur Großmutter vom 08.04.2019; Stellungnahme vom 06.11.2017, AS 68 ff).

Der Beschwerdeführer spricht sowohl Rumänisch als auch Deutsch (vgl Angaben Beschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 30.11.2018, S 3).

Im Bundesgebiet schloss der Beschwerdeführer die Hauptschule positiv ab. Er besuchte des Polytechnikum, schloss dieses jedoch nicht ab. Der Beschwerdeführer hat mehrere Lehren begonnen und AMS-Kurse besucht, aber immer wieder abgebrochen. Er ist bisher keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgegangen und hat immer wieder Arbeitslosengeld bezogen. Sonst lebt der Beschwerdeführer von den finanziellen und materiellen Zuwendungen seiner Eltern (vgl Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 24.10.2017, AS 54 ff;

Angaben Beschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 30.11.2018, S 3;

Sozialversicherungsdatenauszug vom 08.04.2019; Stellungnahme vom 06.11.2017, AS 68 ff).

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig sowie ledig und ohne Sorgepflichten (vgl Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 24.10.2017, AS 54 ff; Feststellungen im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom XXXX2017, AS 34 und 37).

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet nachfolgende Wohnsitzmeldungen auf (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 08.04.2019):

-

17.08.2007-25.09.2007 Nebenwohnsitz

-

17.07.2008-17.07.2009 Hauptwohnsitz

-

17.07.2009-Entscheidungszeitpunkt Hauptwohnsitz

-

30.10.2016-01.08.2017 Nebenwohnsitz Justizanstalt

-

01.08.2017-14.03.2019 Nebenwohnsitz Justizanstalt

-

14.03.2019-Entscheidungszeitpunkt Nebenwohnsitz Justizanstalt

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX2015, XXXX, rechtskräftig am XXXX2015, erging über den Beschwerdeführer (T.C.F.) folgender Schuldspruch (vgl aktenkundiges Strafurteil vom XXXX2015, AS 3 ff):

"T.C.F. ist schuldig, er hat in W.

I./ am XXXX2014 im bewussten und gewolltem Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten D.D. (§ 12 StGB) O.P. schwer am Kopf verletzt, indem er diesem gemeinsam mit seinem Mittäter mehrere Fußtritte gegen dessen Gesicht versetzte, wobei O.P. einen operativ zu behebenden Nasenbeinbruch, sohin eine an sich schwere Körperverletzung mit Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit von mehr als vierundzwanzig tägiger Dauer erlitt;

II./ fremde bewegliche Sachen in einem € 3.000,- nicht übersteigenden Wert - teils durch Einbruch - mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht (§ 15 StGB), um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, nämlich

a) am XXXX2014 indem er zuerst ein Fenstergitter des Geschäftslokals der Firma G.C. abmontierte und schließlich das Fenster aufbrach, mehrere Mobiltelefone, wobei es aufgrund der Betretung des Angeklagten auf frischer Tat beim Versuch geblieben ist.

b) am XXXX2015 einen Trainingsanzug im Wert von € 64,95 Verfügungsberechtigten der Firma S., indem er den Trainingsanzug unter seiner Jeanshose und Tasche verbarg und ohne zu zahlen den Kassenbereich und in weiterer Folge das Geschäft verlassen wollte, wobei er von der Zeugin D.S. angehalten wurde.

Strafbare Handlung(en): das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs 1 StGB und das Vergehen des Diebstahls teils durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Ziffer 1 StGB

Anwendung weiterer gesetzlicher Bestimmungen: § 5 Ziffer 4 JGG; § 28 StGB

Strafe: nach § 129 StGB

8 (acht) Monate Freiheitsstrafe, bedingt

Probezeit: 3 Jahre

[...]

Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche:

T.C.F. ist gemäß §§ 366 Abs 2 iVm 369 Abs 1 StPO schuldig, dem Privatbeteiligten O.P. einen Betrag von 2.750 Euro binnen 14 Tagen zu zahlen.

Ferner wird gemäß § 69 Abs 1 StPO festgestellt, dass T.C.F. dem Privatbeteiligten O.P. für sämtliche aus dem ihm zur Last gelegten Vergehen erwachsenden kausalen Spät- und Dauerfolgen in Zukunft haftet.

Kostenentscheidung: Gemäß § 389 Abs 1 StPO wird der Angeklagte zum Ersatz der Kosten dieses Verfahrens verurteilt.

Strafbemessungsgründe: mildernd: das Geständnis, dass es zum Teil beim Versuch geblieben ist, die bisherige Unbescholtenheit, teilweise Sicherstellung des Diebesguts, Enthemmung und Unterminierung der Affektkontrolle zum KV-Faktum

erschwerend: Zusammentreffen von einem Verbrechen und einem Vergehen, doppelte Qualifikation im § 84 nämlich länger als 24 Tage dauernde Berufsunfähigkeit und Gesundheitsschädigung

[...]

Beschluss:

1. Dem Angeklagten wird die Weisung erteilt bis spätestens bis Mai 2016 ein Antiaggressionstraining zu absolvieren und dies dem Gericht unaufgefordert nachzuweisen.

2. Gemäß § 19a StGB werden sämtliche zum Standblatt ON 6 erliegende Gegenstände konfisziert.

[...]"

Mit Schreiben des Bundesamtes vom 19.02.2016 wurde der Beschwerdeführer förmlich ermahnt, dass er im Falle eines weiteren Fehlverhaltens seinerseits mit einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu rechnen hat (vgl Schreiben vom 19.02.2016, AS 13).

Der Beschwerdeführer wurde von der Staatsanwaltschaft wegen des Verbrechens des versuchten Mordes angeklagt (vgl aktenkundige Mitteilung vom 04.11.2016, AS 16). Mit Geschworenen-Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX2017, XXXX, rechtskräftig am XXXX2017, erging über den Beschwerdeführer (T.C.F.) folgender Schuldspruch (vgl aktenkundiges Strafurteil vom XXXX2017, AS 33 ff):

"Das Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen XXXX hat sohin am XXXX2017 zu Recht erkannt:

T.C.F. ist schuldig, er hat am XXXX2016 in W. Q.A. absichtlich eine schwere Körperverletzung zugefügt, indem er dreimal mit einem Klappmesser mit einer Klingenlänge von 7 cm durch die Oberbekleidung (Jacke, T-Shirt, Unterhemd) in die Brust und die linke Oberkörperseite stach, wobei die Klinge jeweils bis zum Ansatz vorgeschoben wurde, sodass Q.A. eine oberflächliche Stichwunde an der vorderen Brustwand über dem Brustbein, eine Stichwunde an der vorderen Brustwand unter - und außerhalb der Brustwarze, die in die Brusthöhle eingedrungen ist und zu einer Lungenverletzung geführt hat, sowie eine Stichwunde an der linken seitlichen Brustwand in der mittleren Achselfaltenlinie in Höhe der 10. Rippe, die ebenfalls in die Brusthöhle und ins Lungengewebe eingedrungen ist, erlitten hat.

T.C.F. hat hierdurch das Verbrechen der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB begangen und wird hierfür unter Bedachtnahme auf § 19 Abs 1 iVm § 5 Z 4 JGG nach § 87 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von

4 (vier) Jahren

sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wir die erlittene Vorhat vom XXXX2016, 15:45 Uhr bis XXXX2017, 12:15 Uhr auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.

Gemäß § 369 Abs 1 StPO ist der Angeklagte T.C.F. schuldig, dem Privatbeteiligten, Q.A., binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution einen Betrag von Euro 3.620,-- zu bezahlen.

Gemäß § 19a Abs 1 StGB wird das sichergestellte Tatmesser konfisziert.

Beschluss

Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO wird die bedingte Strafnachsicht zum Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX2015 zu AZ XXXX widerrufen."

In den Entscheidungsgründen führte das Landesgericht aus, dass sich der Schuldspruch auf den Wahrspruch der Geschworenen gründe. Der Beschwerdeführer sei in Rumänien geboren und bis zum achten oder neunten Lebensjahr im elterlichen Haushalt aufgewachsen. Nachdem die Eltern nach Österreich übersiedelt seien, seien der Beschwerdeführer und seine Geschwister bei den mütterlichen Großeltern aufgewachsen. Im Alter von zwölf Jahren sei er gemeinsame mit dem Zwillingsbruder zu den Eltern nach Österreich gezogen. Kurz darauf wären auch der ältere Bruder sowie die Schwester des Beschwerdeführers gefolgt. Der ältere Bruder sei im Alter von 18 Jahren bei einem Arbeitsunfall verstorben. Der Beschwerdeführer habe in Rumänien vier Jahre die Schule besucht und in Österreich die Hauptschule positiv abgeschlossen. Einen anschließenden polytechnischen Lehrgang habe er jedoch nicht positiv absolvieren können. Seitdem besuche er immer wieder Kurse vom AMS und habe einige Lehren begonnen, jedoch alle wegen Desinteresse oder Konflikten mit Ausbildern abgebrochen. Bei Besuch eines AMS Kurses habe der Beschwerdeführer monatlich zwischen EUR 400,-- und 700,-- erhalten. Ansonsten sei er von seinen Eltern, bei welchen er bis zu seiner Inhaftierung auch wohnte, finanziell unterstütz worden. Der Beschwerdeführer habe die vom Landesgericht für Strafsachen im Zusammenhang mit seiner ersten strafgerichtlichen Verurteilung erteilte Weisung, an einem Anti-Gewalt-Training teilzunehmen nicht regelmäßig befolgt und sei deswegen auch bereits gerichtlich ermahnt worden.

Bei der Strafbemessung wertete das Landesgericht als mildernd das Geständnis, die Tatsache, dass er die Tat nach Vollendung des achtzehnten, jedoch vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres begangen hat, hingegen als erschwerend die einschlägige Vorstrafe und die Begehung der Tat innerhalb offener Probezeit. Unter Berücksichtigung der Bestimmungen des JGG sei von einem Strafrahmen von 0 bis 10 Jahren auszugehen gewesen. In spezialpräventiver Hinsicht sei insbesondere die einschlägige Vorstrafe ausschlaggebend gewesen. Die zuvor verhängte Freiheitsstrafe im Ausmaß von acht Monaten sei offensichtlich nicht geeignet gewesen, den Beschwerdeführer von der Begehung einer weiteren, auf derselben schädlichen Neigung beruhenden, Straftat abzuhalten. Er habe durch die gegenständliche Tathandlung vielmehr ein Delikt verwirklicht, welches gegenüber dem früheren Delikt eine Erschwerung darstelle. Die verhängte Freiheitsstrafe habe daher auch nicht bedingt nachgesehen werden können. Zusätzlich sei hinsichtlich der mit Urteil des Landesgerichtes vom XXXX2015 verhängten Freiheitsstrafe die gewährte bedingte Strafnachsicht zu widerrufen gewesen. Der Beschwerdeführer habe kein Verhalten gezeigt, aus welchem geschlossen werden könne, dass er darum bemüht wäre, ein gewaltfreies Umgehen mit Konflikten zu erlernen, was insbesondere auch daraus hervorgehe, dass er die Weisung, das Anti-Gewalt-Training zu besuchen, aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht befolgt habe.

Der gegen dieses Urteil seitens des Beschwerdeführers erhobenen Berufung bzw. Beschwerde gegen den Beschluss wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom XXXX2017, Zahl XXXX, keine Folge gegeben. Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom XXXX2017 erwuchs damit am XXXX2017 in Rechtskraft (vgl aktenkundiges Urteil des OLG vom XXXX2017, AS 40 ff).

Aufgrund der zitierten Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer die in den genannten Urteilen festgestellten strafbaren Handlungen begangen und je das umschriebene Verhalten gesetzt hat.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit XXXX10.2016 bis zum Entscheidungszeitpunkt ununterbrochen in Strafhaft (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 08.04.2019). Er absolviert dort seit zwei Jahren ein Anti-Aggressionstraining und geht einer Beschäftigung nach. Der Beschwerdeführer ist inzwischen Vorarbeiter (vgl Angaben Beschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 30.11.2018, S 4).

Dem Beschwerdeführer gelingt es nicht, sich von Konflikten während der Strafhaft fernzuhalten. Aus seiner Vollzugsinformation gehen zumindest zwei Pflichtverletzungen, ungebührliches Benehmen (Geldbuße von EUR 110,--) und einmal ungebührliches Vernehmen sowie strikte Trennung von afghanischen Häftlingen hervor (vgl Vermerke der Vollzugsinformation, AS 96 f).

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 30.11.2018 legte der Beschwerdeführer eine mit 23.11.2018 datierte Einstellungszusage von einem Einzelunternehmen mit Unternehmensgegenstand "Lichtkuppelmontagen" und "Lüftungsanlagen" vor (vgl aktenkundige Einstellungszusage).

Der Beschwerdeführer ist weiters seit etwa neun Jahren Mitglied der Kirchengemeinde der Pfingstkirche "Betezda" in XXXX. Einige Mitglieder dieser Glaubensgemeinschaft sowie der Diakon unterstützen den Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet mit Unterstützungsschreiben (vgl Unterstützungsschreiben des Diakons vom 15.03.2018, AS 144; in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegte Unterschriftenliste).

2. Beweiswürdigung:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die genannten strafgerichtlichen Urteile sind aktenkundig und werden der gegenständlichen Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht nahm Einsicht in das Fremdenregister, das Strafregister, das Zentrale Melderegister und holte einen Sozialversicherungsdatenauszug ein. Auch hinsichtlich der Familienangehörigen des Beschwerdeführers wurde Einsicht in das Zentrale Melderegister genommen.

Die Großmutter des Beschwerdeführers ist bis auf einen kurzen Zeitraum im Jahr 2007, in welchem sie in Österreich mit einem Nebenwohnsitz gemeldet war, nicht mit ihrem Wohnsitz in Österreich gemeldet und wird die Großmutter auch im Fremdenregister nicht geführt. Das diesbezügliche Vorbringen in der Beschwerde blieb unsubstantiiert. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer erst an, seine Großmutter lebe in ihrem eigenen Haus in Rumänien. Erst auf Nachfrage durch den Rechtsvertreter ergänzte er, dass diese eigentlich die Hälfte des Jahres in Österreich verbringe.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln und insbesondere den im gesamten Verfahren vom Beschwerdeführer gemachten eigenen Angaben, welche jeweils in Klammer zitiert und vom Beschwerdeführer zu keiner Zeit bestritten wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Der mit "Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate" betitelte § 51 NAG lautet:

"§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen."

Der mit "Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern" betitelte § 52 NAG lautet:

"§ 52. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder

5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1."

Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a NAG lautet:

"§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1. sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2. der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3. der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat."

Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG lautet:

"§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

§ 66 Abs. 1 FPG lautet:

"(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt."

§ 67 Abs. 1 FPG in der Fassung des Fremdenrechts-Änderungsgesetzes 2017 (FrÄG 2017), BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."

Artikel 27 ("Allgemeine Grundsätze") der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 ("Freizügigkeitsrichtlinie") lautet:

"(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Diese Gründe dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden.

(2) Bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

(3) Um festzustellen, ob der Betroffene eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, kann der Aufnahmemitgliedstaat bei der Ausstellung der Anmeldebescheinigung oder - wenn es kein Anmeldesystem gibt - spätestens drei Monate nach dem Zeitpunkt der Einreise des Betroffenen in das Hoheitsgebiet oder nach dem Zeitpunkt, zu dem der Betroffene seine Anwesenheit im Hoheitsgebiet gemäß Artikel 5 Absatz 5 gemeldet hat, oder bei Ausstellung der Aufenthaltskarte den Herkunftsmitgliedstaat und erforderlichenfalls andere Mitgliedstaaten um Auskünfte über das Vorleben des Betroffenen in strafrechtlicher Hinsicht ersuchen, wenn er dies für unerlässlich hält. Diese Anfragen dürfen nicht systematisch erfolgen. Der ersuchte Mitgliedstaat muss seine Antwort binnen zwei Monaten erteilen.

(4) Der Mitgliedstaat, der den Reisepass oder Personalausweis ausgestellt hat, lässt den Inhaber des Dokuments, der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit aus einem anderen Mitgliedstaat ausgewiesen wurde, ohne jegliche Formalitäten wieder einreisen, selbst wenn der Personalausweis oder Reisepass ungültig geworden ist oder die Staatsangehörigkeit des Inhabers bestritten wird."

Artikel 28 ("Schutz vor Ausweisung") der Richtlinie 2004/38/EG ("Freizügigkeitsrichtlinie") lautet:

"(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Fallbezogen ergibt sich daraus:

Der die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegenüber EWR-Bürger regelnde § 86 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 100/2005, der von 01.01.2006 bis 31.12.2009 in Geltung war, sah zwei unterschiedliche Gefährdungsmaßstäbe - als Bezugspunkt für die für jedes Aufenthaltsverbot Voraussetzung bildende Gefahrenprognose - vor. Einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens des betreffenden Fremden vorliegen musste, und andererseits (nach dem fünften Satz) - wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte - darüber hinausgehend eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet.

Der nunmehr in Geltung befindliche § 67 Abs. 1 FPG fünfter Satz kommt schon dann zur Anwendung, wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einen zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Die in § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG noch enthaltene Wendung "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" findet sich in der nunmehrigen Bestimmung des § 67 Abs. 1 FPG nicht mehr, sodass eine solche Einschränkung seither nicht (mehr) Platz zu greifen hat (vgl VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079 mwN).

§ 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 enthält somit zwei Stufen für die Gefährdungsprognose, nämlich einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens vorliegen muss, und andererseits (nach dem fünften Satz) die nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet bzw. im Fall von Minderjährigen (VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181; 15.09.2016, Ra 2016/21/0262).

Der Beschwerdeführer hält sich seit 17.07.2008 und somit über zehn Jahre im Bundesgebiet auf. Er befindet sich seit XXXX10.2016, somit seit rund zweieinhalb Jahren, durchgehend in Haft.

Weder dem Spruch noch der Bescheidbegründung lässt sich entnehmen, dass die belangte Behörde - ihren Feststellungen zur Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet entsprechend - sich mit dem gegenständlich konkret anzuwendenden Gefährdungsmaßstab bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer auseinandergesetzt hätte. Vielmehr hat die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot ohne Weiteres auf § 67 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 FPG gestützt.

Für das erkennende Gericht waren bei der rechtlichen Beurteilung diesbezüglich folgende Erwägungen maßgebend:

In einem Verfahren betreffend Aufenthaltsverbot ist bei der Frage nach dem auf einen Fremden anzuwendenden Gefährdungsmaßstab das zu Art. 28 Abs. 3 lit. a der RL 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) ergangene Urteil des EuGH vom 16.01.2014, Rs C-400/12, zu berücksichtigen, weil § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 insgesamt der Umsetzung von Art. 27 und 28 dieser RL - § 67 Abs. 1 fünfter Satz FrPolG 2005 im Speziellen der Umsetzung ihres Art. 28 Abs. 3 lit. a - dient. Der zum erhöhten Gefährdungsmaßstab nach Art. 28 Abs. 3 lit. a der genannten RL bzw. dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 führende zehnjährige Aufenthalt im Bundesgebiet muss demnach grundsätzlich ununterbrochen sein. Es können einzelne Abwesenheiten des Fremden unter Berücksichtigung von Gesamtdauer, Häufigkeit und der Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, Österreich zu verlassen, auf eine Verlagerung seiner persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen schließen lassen. Auch der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Betroffenen ist grundsätzlich geeignet, die Kontinuität des Aufenthaltes iSd Art. 28 Abs. 3 lit. a der Freizügigkeitsrichtlinie zu unterbrechen und sich damit auf die Gewährung des dort vorgesehenen verstärkten Schutzes auch in dem Fall auszuwirken, dass sich der Fremde vor dem Freiheitsentzug mehrere Jahre lang (kontinuierlich) im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Dies ist - bei einer umfassenden Beurteilung - im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob die zuvor mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsverbindungen abgerissen sind VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079, mwN).

Der EuGH führt zudem in seiner Entscheidung vom 17.04.2018, C-316/16 und C-424/16 aus:

"63 Mit seinen zusammen zu prüfenden ersten drei Fragen möchte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Wesentlichen wissen, ob die in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 gestellte Anforderung, den "Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat" gehabt zu haben, dahin auszulegen ist, dass - und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen - sie von einem Unionsbürger erfüllt werden kann, der in jungem Alter in einen anderen Mitgliedstaat als denjenigen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, gekommen ist und dort 20 Jahre lang gelebt hat, bevor er dort zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die zu dem Zeitpunkt, in dem eine Ausweisungsverfügung gegen ihn ergeht, im Vollzug begriffen ist.

64 Insoweit trifft zwar erstens zu, dass die Erwägungsgründe 23 und 24 der Richtlinie 2004/38 einen besonderen Schutz für diejenigen Personen vorsehen, die vollständig in den Aufnahmemitgliedstaat integriert sind, insbesondere in Fällen, in denen sie dort geboren sind und dort ihr ganzes Leben lang ihren Aufenthalt gehabt haben, doch ist das entscheidende Kriterium für die Gewährung des durch Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 verbürgten verstärkten Schutzes nichtsdestoweniger, ob sich der Unionsbürger, der im Aufnahmemitgliedstaat über ein Recht auf Daueraufenthalt im Sinne von Art. 16 und Art. 28 Abs. 2 dieser Richtlinie verfügt, wie von besagtem Art. 28 Abs. 3 gefordert, in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisungsverfügung in diesem Mitgliedstaat aufgehalten h

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten