TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/16 G311 2195526-2

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Veröffentlicht am 16.04.2019
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Entscheidungsdatum

16.04.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §70 Abs3

Spruch

G311 2195526-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geboren am

XXXX, Staatsangehörigkeit: Slowenien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.05.2018, Zahl XXXX, zu

Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid

aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.05.2018 wurde über die Beschwerdeführerin gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde der Beschwerdeführerin ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat nicht erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot wird gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Zuge ihrer Teilnahme an einer Gedenkfeier am "XXXX" den "Hitlergruß" gezeigt habe. Die Beschwerdeführerin sei daher des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz verdächtig und sei gegen sie ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft eingeleitet worden. Die Beschwerdeführerin stelle eine massive Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit und auch für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Ihr Verhalten sei eindeutig staatsgefährdend und sei die Beschwerdeführerin - mangels familiärer oder privater Bezüge im Bundesgebiet oder Wohnsitzmeldungen - ausschließlich zur Begehung strafbarer Handlungen in das Bundesgebiet eingereist.

Noch am 12.05.2018 wurde die Beschwerdeführerin auf dem Landweg aus dem Bundesgebiet abgeschoben.

Gegen den oben angeführten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14.05.2018, beim Bundesverwaltungsgericht einlangend am 17.05.2018, das Rechtsmittel der Beschwerde. Die Beschwerde wurde mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.2018 gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG an das Bundesamt weitergeleitet.

Die Beschwerdeführerin führte in ihrer Beschwerde zusammengefasst aus, dass sie alljährlich zur Gedenkfeier anreise und daran teilnehme. Sie sei Katholikin und verurteile den Nationalsozialismus auf das Schärfste. Sie habe keinerlei Gründe, einen "Hitlergruß" durchzuführen. Es sei richtig, dass man sie mit erhobenen rechten Arm gesehen und auch fotografiert habe. Es sei in ihrer Gruppe gerade ein religiöses Lied gesungen worden und bewege die Beschwerdeführerin beim Mitsingen regelmäßig auch ihre Arme. Dies umso mehr, seit sie an einer bipolaren Störung leide und Anti-Depressiva einnehme. Auch habe die Beschwerdeführerin tatsächlich familiäre und verwandtschaftliche Bindungen in Österreich, die nicht berücksichtigt worden seien. Sicherlich sei sie nicht zur Begehung strafbarer Handlungen eingereist und stelle sie keinesfalls eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder die Sicherheit der Republik Österreich dar. Darüber hinaus weise sie auf die Unschuldsvermutung hin. Die Beschwerdeführerin beantragte sinngemäß die Stattgabe der Beschwerde und die Behebung des angefochtenen Bescheides.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten am 28.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Beschwerdeführerin ist gebürtige Kroatin, jedoch inzwischen Staatsangehörige von Slowenien.

Sie reiste mit einigen Verwandten in das Bundesgebiet ein, um am XXXX05.2018 an der Gedenkfeier am "XXXX" teilzunehmen. Nach den vorliegenden Amtsvermerk der Landespolizeidirektion XXXX, Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, sei sie wegen "Vollendung des deutschen Grüßes" am XXXX05.2018 vorläufig festgenommen woren. Sie wurde als Beschuldigte einvernommen. Nach der durchgeführten Befragung und von der Beschwerdeführerin freiwillig gestatteten Durchsicht ihres Mobiltelefons konnte der Verdacht vorerst nicht erhärtet werden (vgl Amtsvermerk vom XXXX05.2018, AS 47).

Die Beschwerdeführerin wurde auf freiem Fuß angezeigt und noch am XXXX05.2018 auf dem Landweg aus dem Bundesgebiet abgeschoben (vgl Amtsvermerk vom XXXX05.2018, AS 47; Auszug aus dem Fremdenregister vom 28.05.2018).

Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft XXXX zur Zahl XXXX wegen des Verdachts des Verbrechens nach § 3g Verbotsgesetz 1947 wurde eingestellt, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestand (vgl Benachrichtigung von der Einstellung des Verfahrens vom 19.06.2018).

Aufgrund des genannten Aktenvermerkes und der Benachrichtigung über die Einstellung des ERmittlungsverfarhens durch die Staatsanwaltschaft konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin bewusst einen "Hitlergruß" ausführte oder sonst ein Verhalten gesetzt hat, dass die öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder der Sicherheit der Republik Österreich gefährden würde.

Sonstige Anhaltspunkte können dem Akteninhalt nicht entommen werden.

Die Beschwerdeführerin ist geschieden und hat vier Kinder, wobei die minderjährigen Kinder beim Ex-Ehegatten leben und eine Tochter bereits volljährig ist und alleine lebt. Seit der Scheidung leidet die Beschwerdeführerin an einer bipolaren Störung und Depression, ist deswegen arbeitsunfähig und bezieht eine Pension. Die Beschwerdeführerin hat in Österreich mehrere Verwandte väterlicher und mütterlicherseits, die sie mehrmals jährlich besucht (vgl Angaben der Beschwerdeführerin in der Beschuldigtenvernehmung vom XXXX05.2018, AS 39 ff; sowie der Beschwerde vom 14.05.2018, AS 31 ff).

Im Zentralen Melderegister weist die Beschwerdeführerin lediglich im Zeitraum von 14.09.2017 bis 08.11.2017 die Meldung eines Nebenwohnsitzes auf. Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten. Hinweise auf eine ausgeübte Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet liegen nicht vor. Insgesamt liegen keine maßgeblichen Anhaltspunkte auf das Vorliegen besonderer privater Bezüge oder einer Integration im Bundesgebiet vor. Der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin liegt in Slowenien (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 28.05.2018 und dem Strafregister vom 28.05.2018; Angaben der Beschwerdeführerin in der Beschuldigtenvernehmung vom XXXX05.2018, AS 39 ff; sowie der Beschwerde vom 14.05.2018, AS 31 ff).

2. Beweiswürdigung:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Aktenkundig ist weiters eine Kopie des slowenischen Personalausweises der Beschwerdeführerin (vgl AS 1).

Das Bundesverwaltungsgericht nahm Einsicht in das Fremdenregister, das Strafregister und das Zentrale Melderegister der Beschwerdeführerin.

Der Amtsvermerk des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, das Protokoll der Beschuldigteneinvernahme samt Foto sowie die Mitteilung über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft gegen die Beschwerdeführerin sind aktenkundig.

Wie bereits ausgeführt, konnte vor dem Hintergrund des genannten Aktenvermerkes und der Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich gegen das Verbotsgesetz verstoßen und damit die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie die Sicherheit der Republik Österreich gefährdet hätte. Auch finden sich keinerlei Hinweise auf ein sonstiges, eine derartige Gefährdungsannahme begründendes, Verhalten der Beschwerdeführerin.

Die übrigen Feststellungen zur persönlichen Situation der Beschwerdeführerin beruhen auf den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren und in der Beschwerde, welche der gegenständlichen Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 28 Abs. 5 VwGVG).

Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 Abs. 1 FPG lautet:

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

[...]

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl. dazu etwa VwGH 25.04.2014,

Ro 2014/21/0039).

Dabei ist im Sinne des § 67 FPG das persönliche Verhalten des Betroffenen zu beurteilen und insbesondere auf die durch die konkreten Straftaten bewirkten Eingriffe in die öffentliche Ordnung, die genauen Tatumstände und Begleitumstände der Taten und auch sonstige Besonderheiten Bedacht zu nehmen. In weiterer Folge ist abzuwägen, ob das Allgemeininteresse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegt als andere relativierende Momente, wie etwa auch das Familien- und Privatleben des Betroffenen.

Fallbezogen ergibt sich aus den angeführten beweiswürdigenden Erwägungen, dass weder ein Verstoß der Beschwerdeführerin gegen das Verbotsgesetz noch eine andere strafbare Handlung der Beschwerdeführerin festgestellt werden konnte. Der Verdacht hat sich bereits beim Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung nicht bestätigt und wurde das bei der Staatsanwaltschaft eingeleitete Ermittlungsverfahren mangels Verfolgungsgründen bereits rund einen Monat nach Bescheiderlassung eingestellt.

Die Beschwerdeführerin hat somit kein Verhalten gesetzt, dass eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, das ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt und gefährdete sie damit auch weder die öffentliche Ordnung und Sicherheit noch die Sicherheit der Republik Österreich. Insbesondere liegt auch kein "staatsgefährdendes" Verhalten vor.

Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG und damit in weiterer Folge auch der Nichtzuerkennung des Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG sowie der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG liegen daher gegenständlich nicht vor. Der angefochtene Bescheid erweist sich als rechtswidrig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Beschwerdeführerin hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Ihr Vorbringen wurde der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Der Sachverhalt ist im Gegenstand aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, umfangreichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Vielmehr hat sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Erstellung der Gefährdungsprognose an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes orientiert und diese - soweit erforderlich - auch in der Entscheidungsbegründung zitiert. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.

Schlagworte

Interessenabwägung, Rechtswidrigkeit, Voraussetzungen, Wegfall der
Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G311.2195526.2.00

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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