Entscheidungsdatum
25.04.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I414 2202293-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzenden und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 05.06.2018, Zl. XXXX, betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafte Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass die Zusatzeintragung "ist Träger/in von Osteosynthesematerial" vorzunehmen ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Frau XXXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) war bis 31.03.2018 in Besitz eines Parkausweises gemäß § 29b StVO. Am 26.03.2018 beantragte sie die Ausstellung eines weiteren Ausweises und legte aktuelle Befunde und ärztliche Unterlagen vor.
Vom Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) wurde Dr. N. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. N. hielt ihn ihrem Aktengutachten vom 14.04.2018 einen Gesamtgrad der Behinderung von 60% fest und führte zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus:
"[...] laut Arztbrief des Rehazentrum Bad Häring 1-3/2017 ist Frau XXXX derzeit ohne Gehhilfe gut mobil. Die Wegstrecke ist ca. 1 km.
Versorgung zuhause: 2 Stockwerke, die Treppe kann [...] bewältigt werden. (Sollte es sich verschlechtert haben, bitte um Vorlage neuer Befunde.)"
Festgehalten wurde auch, dass die Beschwerdeführerin Trägerin von Osteosynthesematerial ist.
Im Rahmen eines Parteiengehörs wurde der Beschwerdeführerin das Gutachten übermittelt. Sie zeigte sich mit dem Ergebnis nicht einverstanden und führte an, dass ihr das Ein- und Aussteigen aus öffentlichen Verkehrsmitteln nicht alleine möglich sei. Sie bedürfe einer Begleitperson. Eine gerade Strecke könne sie gehen, Niveauunterschiede könne sie ohne Geländer nicht überwinden. Es lägen auch neurologische Beschwerden vor, dazu werde auf das neu beigebrachte Gutachten von Dr. S. verwiesen.
Aufgrund der Stellungnahme wurde Dr. N. neuerlich beauftragt, ihr Gutachten unter Einbeziehung des Vorbringens zu ergänzen. Am 25.05.2018 hielt sie dazu fest:
"Laut neurolog. Gutachten besteht folgender Befund betreffend Stand und Gang: Stand: frei und ungestört, leichte X-Bein-Stellung; Zehen- und Fersenstand: o B. Zehen- und Fersengang: o B. Gangbild weitgehend ungestört, Koordination.: Romberg Versuch: O..B., Unterberger Tretversuch: kein Seitenabweichen. Daher folgt: eine kurze Gehstrecke kann bewältigt werden, das Ein-/Aussteigen in/aus ÖFFIS ist möglich und der Transport in ÖFFIS ist nicht mit Gefahren für die Antragstellerin verbunden."
Der Gesamtgrad der Behinderung blieb bei 60%. Dass die Beschwerdeführerin Trägerin von Osteosynthesematerial ist, wurde verneint. Eine Erkrankung des Verdauungssystems wurde bejaht.
Aufgrund dieser Einschätzung wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60% ausgestellt und nur die Zusatzeintragung "D3" vorgenommen. Der Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises wurde mit Bescheid vom 05.06.2018 abgewiesen mit der Begründung, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen.
Dagegen wurde rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben und abermals ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ohne fremde Hilfe aufgrund der Einschränkungen im Bewegungsapparat nicht aus einem öffentlichen Verkehrsmittel aussteigen könne. Aus dem Befund "Gangbild weitgehend ungestört" lasse sich wiederum ableiten, dass sehrwohl Störungen vorhanden seien, insbesondere in Bezug auf Gleichgewicht. "Angstzustände" hätten überhaupt keine Berücksichtigung erfahren. Moniert wird außerdem, dass sie weiterhin Trägerin von Osteosynthesematerial sei. Weil diese Eintragung unterblieb "[...] wird dabei - wie auch betr. des Aussteigens aus öffentlichen Verkehrsmitteln, mit einem nicht besonders gewissenhaften und respektablen Umgang der beschwerten Behörde auszugehen sein."
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung übermittelt. An die Sachverständige Dr. N. wurden seitens des erkennenden Gerichtes folgende ergänzende Fragen übermittelt und folgendermaßen beantwortet:
a) Kann die Beschwerdeführerin eine kurze Wegstrecke (ca. 300 bis 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe (allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe) zurücklegen?
"Ja. Laut Arztbrief des Rehazentrums Bad Häring vom Aufenthalt 2017 ist Frau XXXX ohne Gehhilfen gut mobil. Die Gehstrecke wurde mit 1km angegeben. Zuhause können die Stiegen über zwei Stockwerke bewältigt werden. Es wird auch in der Beschwerde keine Notwendigkeit einer Gehhilfe erwähnt. Bei der Schilderung des Tagesablaufes i.R. Des Gutachtens von Dr. XXXX berichtete Frau XXXX, dass sie 1-1 1/2 Stunden mit dem Kinderwagen geht."
b) Kann die Beschwerdeführerin eine kurze Wegstrecke (ca. 300 bis 400 m) ohne Unterbrechungen zurücklegen?
"Ja. Laut Arztbrief des Rehazentrums Bad Häring vom Aufenthalt 2017 ist Frau XXXX ohne Gehhilfen gut mobil. Die Gehstrecke wurde mit 1km angegeben."
c) Erschwert die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels in hohem Maß?
"Es werden keine Behelfe verwendet."
d) Wirkt sich die dauernde Gesundheitsschädigung/die dauernden Gesundheitsschädigungen auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens (zu überwindende Niveauunterschiede) und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel (u.a. beim Stehen oder bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt) unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen?
"Zuhause können die Stiegen über zwei Stockwerke bewältigt werden. Daher ist auch das Ein- und Aussteigens (zu überwindende Niveauunterschiede) möglich. Es wird in der Beschwerde angegeben, dass Stiegensteigen ohne Geländer nicht möglich sei, an den Bus- und Straßenbahntüren ist jedoch ein Handlauf zum Festhalten vorhanden. Daher ist dies möglich."
e) Bestehen bei der Beschwerdeführerin erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten?
"Es besteht Z.n, Innenknöchelbruch rechts i.R. des Polytraumas am 1.12.2016, sowie eine vorbestehende Abnützung der Kniegelenke beidseits. Laut Röntgenbefund vom 20.3.2017 liegen die Implantate reizlos und sind nicht locker, der Innenknöchel ist in regelrechter Position geheilt. Das Gangbild wurde im Verlauf des Rehaaufenthaltes 2017 in Bad Häring deutlich harmonischer, eine Verbesserung der Kraftausdauer, Koordination und des Gleichgewichtes konnten erreicht werden. Im Gutachten von Dr. XXXX werden die Beschwerden im Bereich der unteren Extremität mit Wetterfühligkeit im rechten Sprunggelenk angegeben. Im Befund von Dr. XXXX werden zu den unteren Extremitäten folgende Befunde erhoben: keine eindeut. neurogenen Atrophiehinweise, Motilität allseits regelrecht, kein Paresehinweis; Stand frei und ungestört, Zehen-Fersenstand o.B., Gangbild weitgehend ungestört. Zu Kniebeschwerden wurden keine Angaben gemacht. Daher bestehen keine erheblichen Einschränkungen der unteren Extremitäten."
f) Bestehen bei der Beschwerdeführerin erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit?
"Nein. Es liegen keine Einschränkungen der cardiorespirat. Belastbarkeit oder der Belastbarkeit der unteren Extremitäten vor; bei der Schilderung des Tagesablaufes berichtete Frau XXXX, dass sie 1-1 1/2 Stunden mit dem Kinderwagen geht."
g) Bestehen beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen?
"Im Gutachten von Dr. XXXX, FA für Neurologie und Psychiatrie vom 22.3.2018 wird festgehalten, dass Frau XXXX selbst den Gang als unsicher empfindet, sie Angst vor Stürzen habe, hohe Treppen ein Hindernis für sie darstellen und ein unebener Boden schwere Probleme bereitet. Generell habe sie Angst vor Stürzen. Objektiv wurde aber keine Gang-/Standunsicherheit festgestellt, bei der Schilderung des Tagesablaufes berichtete Frau XXXX, dass sie 1-1 1/2 Stunden mit dem Kinderwagen geht. Damit sind die subjektiven Empfindungen einer Gangstörung eher auf eine Anpassungstörung (Angst und depress. Reaktion gemischt) sowie eine Kombination von Symptomen einer posttraumat. Belastungsstörung mit solchen eines organ. Psychosyndromes zurückzuführen, was sich evt. Psychotherapeutisch/-pharmazeutisch verbessern lässt."
h) Ist die Beschwerdeführerin Trägerin von Osteosynthesematerial?
"Ja. Im Bereich der Brustwirbelsäule wurden Schrauben und Stäbe eingebracht, im Bereich des rechten Innenknöchels und des rechten Oberarmes befinden sich ebenfalls Metallimplantate."
Das Ergänzungsgutachten wurde den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht. Die belangte Behörde schloss sich den Ausführungen der Sachverständigen an. Von der Beschwerdeführerin langte keine Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Pkt. I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt.
Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Die Beschwerdeführerin ist in Besitz eines Behindertenpasses und hat ihren Wohnsitz in Österreich.
Sie leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen: generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates fortgeschrittenen Grades (Leiden 1), Funktionsbehinderung der Atmung und der Stimme leichten bis mittleren Grades (Leiden 2), neurotische Belastungsreaktionen, somatoforme Störungen und posttraumatische Belastungsstörungen (Leiden 3), Schilddrüsenunterfunktion (Leiden 4) und gastroösophagealer Reflux (Leiden 5).
Die Beschwerdeführerin kann eine kurze Wegstrecke von 300-400m ohne fremde Hilfe und ohne Unterbrechung zurücklegen. Ihr sind das Aus- und Einsteigen aus bzw. in ein öffentliches Verkehrsmittel möglich und ist der sichere Transport gewährleistet.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Es liegen auch keine Einschränkungen der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten oder Funktionen vor. Sie ist nicht hochgradig sehbehindert, blind oder taubblind. Bei der Beschwerdeführerin besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems.
Sie ist Trägerin von Osteosynthesematerial.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbestrittenen Verwaltungsakt der belangten Behörde, so auch die Feststellungen zum Wohnort, zur Person der Beschwerdeführerin und zum Behindertenpass.
Die dauerhaften Funktionseinschränkungen ergeben sich aus dem Gutachten von Dr. N. vom 25.05.2018 und blieben unbestritten. Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus den Sachverständigengutachten von Dr. N. vom 14.04.2018, 25.05.2018 und aus dem vom erkennenden Gericht ergänzend eingeholten Gutachten vom 01.10.2018.
Das Bundesverwaltungsgericht kann nichts finden, was die Schlüssigkeit, Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit dieser Gutachten oder die Person der Sachverständigen in Frage stellen würde. Alle Fragen wurden ausführlich und nachvollziehbar beantwortet, sodass sich in Gesamtschau ein eindeutiges Bild zur Frage der Zumutbarkeit ergibt. Es geht daher davon aus, dass es diese Gutachten seinen Feststellungen ohne Bedenken zu Grunde legen kann.
Die Sachverständige ist explizit auf die Vorbringen der Beschwerdeführerin eingegangen und legt schlüssig dar, dass es an der körperlichen Eignung zur Überwindung von Niveauunterschieden bei der Beschwerdeführerin nicht mangelt. Es wird mehrfach Bezug auf einen von der Beschwerdeführerin beigebrachten Arztbrief genommen, wonach sie das zweite Stockwerk über die Treppe ohne fremde Hilfe erreicht. Dass dabei das Geländer verwendet wird, schadet der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht, da diese ebenso mit Einhaltevorrichtungen ausgestattet sind. Auch wurden erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit und der unteren Extremitäten nachvollziehbar verneint, sodass das sichere Fortbewegen und der Transport im Verkehrsmittel nicht beeinträchtigt sind.
Die Beschwerdeführerin ist den eingeholten Gutachten nicht substantiiert entgegengetreten und nahm sie betreffend dem Ergänzungsgutachten vom 01.10.2018 nicht mehr Stellung. Alle vorgelegten Unterlagen wurden von der Sachverständigen berücksichtigt und entsprechend gewürdigt. Aus Sicht des erkennenden Gerichtes erweisen sich die Ausführungen von Dr. N. auch als schlüssig, plausibel und nachvollziehbar.
Dass die Beschwerdeführerin Trägerin von Osteosynthesematerial ist, wurde bereits im Gutachten vom 14.04.2018 bejaht, in der Ergänzung vom 25.05.2018 jedoch verneint und auf explizite Nachfrage am 01.10.2018 wiederum bejaht. Es ist anzunehmen, dass im Gutachten vom 25.05.2018 dieser Eintrag nicht geprüft wurde, da es nur um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ging und in weiterer Folge wurde auf diese Eintragung im Behindertenpass vergessen. Im eingeholten Gutachten vom 01.10.2018 wurde eindeutig klargestellt, dass nach wie vor in den Bereichen Brustwirbelsäule und rechter Oberarm Schrauben, Stäbe und Metallimplantate angebracht sind.
Zum Unterbleiben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Vornahme der Zusatzeintragung Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass sind die Art und das Ausmaß die bei der Beschwerdeführerin festgestellte Gesundheitsschädigung. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ergänzendes Gutachten eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses, so wie auch das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten der Dr. N. als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Im Rahmen des Parteiengehörs wurde die Möglichkeit gegeben, sich zu äußern. Dem Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht (auf gleicher fachlicher Ebene) entgegen getreten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten ärztlichen Stellungnahmen berücksichtigt. Somit ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
§§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:
"Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."
§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:
"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) lauten wie folgt:
"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.
(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Gemäß § 42 Abs. 1 zweiter Satz BBG können im Behindertenpass auf Antrag des behinderten Menschen zusätzliche Eintragungen vorgenommen werden, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen.
Gemäß § 45 Abs. 1 leg.cit. sind Anträge auf Vornahme einer Zusatzeintragung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) einzubringen.
Nach § 47 leg.cit. ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
In Ausübung dieser Ermächtigung wurde die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, erlassen.
Der für die hier strittige Zusatzeintragung relevante § 1 Abs 4 Z 3 der zitierten Verordnung in der Fassung BGBl. II Nr. 263/2016 hat folgenden Wortlaut:
"§ 1
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
...
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen."
Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, je mwN).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Die Sachverständigengutachten beschäftigte sich mit diesen Fragen und kam zum Schluss, dass keine diesbezügliche Einschränkung vorliegen würde. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in freier Beweiswürdigung dem nicht als unschlüssig zu erkennenden Sachverständigengutachten folgt, ist dies im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Wesentlich stützt die Beschwerdeführerin ihr Beschwerdevorbringen auf den Umstand, dass sie nicht ohne fremde Hilfe aus einem Verkehrsmittel aussteigen könne. Auf diese Frage wurde mehrfach eingegangen und nachvollziehbar dargelegt, weshalb dies der Beschwerdeführerin zuzutrauen ist.
Das Ermittlungsverfahren hat des Weiteren ergeben, dass bei der Beschwerdeführerin keine schweren anhaltenden Erkrankungen des Immunsystems vorliegen und sie weder blind noch hochgradig sehbehindert oder taubblind ist. Es besteht auch keine schwere Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde diesbezüglich abzuweisen war.
Da die Beschwerdeführerin aber nach wie vor Trägerin von Osteosynthesematerial ist und die Eintragung im Behindertenpass aber übersehen wurde, wird dies von der belangten Behörde nachzuholen sein.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I414.2202293.1.00Zuletzt aktualisiert am
01.07.2019