TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/9 98/11/0264

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.02.1999
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;
86/01 Veterinärrecht allgemein;

Norm

AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
FleischUG 1982 §41 Abs3;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):98/11/0266 E 9. Februar 1999 98/11/0265 E 9. Februar 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des K in B, vertreten durch Dr. Thomas Richter, Rechtsanwalt in Linz, Landstraße 47, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 3. Juli 1997, Zl. VetR-330209/2-1997-A/Ga, betreffend Fleischuntersuchungsgebühren,

Spruch

1) zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung des Spruchpunktes 1) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von

S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 2) des angefochtenen Bescheides richtet, als gegenstandslos erklärt und das Verfahren wird insofern eingestellt.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde

1) der Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Oktober 1996 auf bescheidmäßige Festsetzung der Fleischuntersuchungsgebühren für den Zeitraum 1. Jänner bis 31. Oktober 1994 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und 2) der Antrag des Beschwerdeführers vom selben Tag auf Rückzahlung der im Zeitraum 1. Jänner bis 31. Oktober 1994 zu Unrecht entrichteten Fleischuntersuchungsgebühren abgewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 8. Juni 1998, B 2202/97, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Schlachtbetriebes in der Gemeinde Windhaag bei Perg. Mit zehn Erledigungen des Bürgermeisters der genannten Gemeinde wurden ihm für die Monate Jänner bis Oktober 1994 die Entrichtung von Fleischbeschaugebühren vorgeschrieben. Die als "Vorschreibung von Gebühren ..."

bezeichneten Erledigungen nannten jeweils bestimmte zu entrichtende Beträge, führten die Art ihrer Berechnung an und forderten zur Zahlung des jeweiligen Betrages unter Verwendung des beigelegten Zahlscheines innerhalb einer bestimmten Frist auf. Sie waren vom Bürgermeister und einem Gemeindebediensteten unterfertigt. Sie erhielten keine Rechtsmittelbelehrung.

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, daß die in Rede stehenden Gebühren mit - in Rechtskraft erwachsenen - Bescheiden vorgeschrieben worden sind. Der Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der Gebühren bezwecke eine unzulässige Neuaufrollung einer rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungssache. Von zu Unrecht entrichteten Gebühren könne auch nicht die Rede sein.

Vorauszuschicken ist, daß nach der für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Novelle zum Fleischuntersuchungsgesetz BGBl. Nr. 118/1994 mit 1. November 1994 die Einhebung der Fleischuntersuchungsgebühren unter dem Verfahrensregime des AVG erfolgte (gemäß dem damals in Geltung gestandenen § 48 leg. cit.).

1. Zu Spruchpunkt 1) (Zurückweisung wegen entschiedener Sache) ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittig, ob den genannten Erledigungen des Bürgermeisters der Gemeinde Windhaag bei Perg aus den Monaten Februar bis November 1994 betreffend die Gebühren für die Monate Jänner bis Oktober 1994 Bescheidqualität zukommt. Diese Frage muß entgegen der Auffassung der belangten Behörde verneint werden. Die Erledigungen enthalten zwar Aufforderungen zur Zahlung der darin genannten Beträge. Sie lassen auf Grund ihres Erscheinungsbildes aber nicht erkennen, daß es sich dabei um die förmliche Erledigung eines Gebührenvorschreibungsverfahrens handelt. In diesem Zusammenhang steht im Vordergrund, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer behördlichen Erledigung im Zweifel keine Bescheidqualität zuzuerkennen ist, wenn sie nicht als Bescheid bezeichnet ist (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A). Derartige Zweifel sind im vorliegenden Fall schon deswegen angebracht, weil - wie sich aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vom 15. November 1996 ergibt - die Erstbehörde in der irrigen Meinung, es wäre kein Bescheid zu erlassen, gar keine Bescheide erlassen wollte. Dazu kommt, daß die Erledigungen keine Möglichkeit aufzeigen, eine vermeintliche Unrichtigkeit der Vorschreibung geltend zu machen. Ungeachtet der (tatsächlich als Spruch eines

Bescheides deutbaren) normativen Formulierung "Der ... Betrag ...

ist ... einzuzahlen" kann das Fehlen der Bezeichnung als Bescheid

in Verbindung mit dem fehlenden Bescheidwillen der Erstbehörde und dem Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung nur so verstanden werden, daß formlose Zahlungsaufforderungen beabsichtigt waren, deren Befolgung weitere behördliche Schritte entbehrlich machte. Es kann aber nicht so verstanden werden, daß die - von Seiten des Beschwerdeführers tatsächlich erfolgte - Entsprechung der Aufforderung in Form der Bezahlung der geforderten Beträge zum Verlust des Rechtsschutzes führte. Ein Rechtsmittel gegen eine solche Zahlungsaufforderung wäre als solches unzulässig gewesen (es hätte aber die Behörde erster Instanz in die Notwendigkeit der erstmaligen Erlassung eines Bescheides versetzt).

Der Spruchpunkt 1) war daher wegen Verkennung der maßgeblichen Rechtslage gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

2. Die Abweisung des Antrages auf Rückzahlung zu Unrecht entrichteter Gebühren erfolgte unter Hinweis auf die Rechtslage. Der Beschwerdeführer bestreitet - wie bereits in seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof - nicht, daß die vorgeschriebenen Gebühren dieser Rechtslage entsprechend bemessen worden seien. Er äußert aber Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich betreffend Festsetzung der Höhe der Gebühren nach dem Fleischuntersuchungsgesetz LGBl. Nr. 86/1988 in der Fassung Nr. 93/1994 (letztere für die Zeit ab 1. Juli 1994).

Diesen Normbedenken begegnete der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluß vom 8. Juni 1998 mit dem Hinweis, daß diese unter Zugrundelegung der als vertretbar erachteten Rechtsauffassung der belangten Behörde (offenbar in Ansehung der Bescheidqualität der Gebührenvorschreibungen des Bürgermeisters) nicht präjudizielle Bestimmungen beträfen. Diese Rechtsauffassung der belangten Behörde wurde unter Punkt 1. der Begründung dieses Erkenntnisses als unzutreffend qualifiziert. Die Aufhebung des Spruchpunktes 1) des angefochtenen Bescheides macht den Weg frei, daß der Bürgermeister Gebührenbescheide erläßt, die (nach Erschöpfung des Instanzenzuges) beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG mit der Behauptung angefochten werden können, der Beschwerdeführer sei durch die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt; diesfalls würden die Normbedenken jedenfalls präjudizielle Bestimmungen betreffen.

Was die Beschwerde gegen den Spruchpunkt 2) an den Verwaltungsgerichtshof anlangt, war sie als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren war insoferne gemäß § 33 Abs. 1 letzter Satz in Verbindung mit § 34 Abs. 2 erster Satz VwGG einzustellen, weil der Beschwerdeführer über die an ihn nach Abtretung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ergangene Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes, (u.a.) die Beschwerdegründe auszuführen, ausschließlich verfassungsrechtliche Bedenken gegen generelle Normen geltend machte. Die Entscheidung über eine solche Beschwerde ist aber gemäß Art. 133 Z. 1 in Verbindung mit Art. 144 Abs. 1 B-VG eine Angelegenheit, die in die ausschließliche Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes fällt und damit von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgenommen ist. Der Beschwerdeführer ist insoferne dem an ihn ergangenen Auftrag nicht nachgekommen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1994, Slg. Nr. 13983).

3. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Februar 1999

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998110264.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten