Entscheidungsdatum
02.05.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W261 2217202-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 24.01.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 15.03.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer ist seit 03.10.2013 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 80 von Hundert (in der Folge v.H.) bzw. seit 14.09.2018 mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.
Am 14.09.2018 stellte er beim Sozialministeriumservice (in der Folge "belangte Behörde" genannt) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gilt und legte eine Reihe von ärztlichen Befunden vor.
Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 30.11.2018 erstatteten Gutachten vom selben Tag stellte der medizinische Sachverständige fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorlägen.
Die belangte Behörde übermittelte das genannte Gutachten dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 06.12.2018 im Rahmen des Parteiengehörs und räumt ihm die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist vom zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. Die belangte Behörde schloss dem genannten Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie an.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er mit der Entscheidung nicht einverstanden sei, weil bei ihm ein Lungenleiden vorliege, und er deshalb das öffentliche Verkehrsmittel nicht erreichen könne. Der Beschwerdeführer schloss der Beschwerde weitere medizinische Befunde an.
Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Lungeheilkunde ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 01.03.2019 erstatteten Gutachten vom 12.03.2019 stellte der medizinische Sachverständige fest, dass beim Beschwerdeführer eine zusätzlich zu den bisher bereits diagnostizierten Leiden auch eine Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD II) vorliege. Unabhängig davon würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorliegen.
Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge am 15.03.2019 eine Beschwerdevorentscheidung, wonach die Beschwerde abgewiesen wird, da die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.
Der Beschwerdeführer stellte innerhalb offener Frist mit Eingabe vom 27.03.2019 einen Vorlageantrag. Er begründete diesen Vorlageantrag damit, dass er mit dem Ergebnis des Verfahrens nicht einverstanden sei. 2014 sei ihm wegen des Lungenleidens die Unzumutbarkeit gewährt worden. Er ersuche um neuerliche Überprüfung.
Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 09.04.2019 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.04.2019 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.
Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers:
Allgemeinzustand:
63-jähriger Mann im altersentsprechenden normalen Allgemeinzustand, keine Ruhedyspnoe, keine Lippenzyanose, keine mobile Sauerstoffversorgung, Sauerstoffsättigung bei Raumluftatmung mit 96% im Normbereich.
Größe: 176,00 cm Gewicht: 75,00 kg Blutdruck: 140/80
Klinischer Status - Fachstatus:
Herz: reine rhythmische Herztöne, normale Konfiguration, Frequenz:
87 pro Minute.
Lunge: hypersonorer Klopfschall, deutliches Emphysem, trockene bronchitische Rasselgeräusche und Brummen über allen Lungenfeldern.
Leib: weich, adipös, über Brustkorbniveau, walnussgroßer Nabelbruch, kein Druckschmerz, Leber und Milz nicht tastbar.
Wirbelsäule:
HWS: Streckhaltung, endlagige Einschränkung der Drehbewegungen beidseits.
BWS: gering verstärkte Kyphose.
LWS: Hartspann, FBA: 30 cm, Rumpfdrehung und Rumpfneigung zu einem Drittel behindert; Schmerzangabe.
Obere Extremitäten:
Schultergelenke beidseits endlagige Elevationshemmung mit erschwerten Hinterhauptgriffen. Schürzengriffe unauffällig.
Ellbogengelenke und Handgelenke frei, Faustschluss beidseits kräftig. Fingerbeweglichkeit unauffällig. Sensibilitätsstörungen werden nicht angegeben.
Untere Extremitäten:
Hüftgelenke beidseits: endlagige Beugehemmungen, das rechte Hüftgelenk bei Rotation auf max. 25 Grad und Beugung auf ca. 40 Grad eingeschränkt, keine Krampfadern, keine Beinödeme, Kniegelenke und Sprunggelenke frei. Akren beidseits mäßig kühl, keine trophischen Störungen, Rekapillarisationszeit beidseits deutlich verlängert, Poplita- und Fußpulse beidseits nicht tastbar, keine Angabe eines Ruheschmerzes. Angabe von Sensibilitätsstörungen im Bereiche beider Unterschenkel und der Füße. Zehen- und Fersenstand ausführbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Erkennbares Schonhinken rechts beim Gehen in der Ordination, es wird keine Gehhilfe verwendet, dafür eine Unterarm-Stützkrücke bei längeren Gehstrecken.
Status Psychicus:
Unauffällig, zeitlich- und örtlich orientiert, keine fassbaren kognitiven Defizite, ausgeglichene, freundliche Stimmungslage.
Der Beschwerdeführer hat folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
-
Zustand nach Plattenepithel-CA im Rachenbereich, OP 10/2011
-
Periphere arterielle Verschlusskrankheit an unteren Extremitäten
-
Degenerativ bedingte Wirbelsäulen- und Gelenksveränderungen
-
Leichte Hypertonie
-
Chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung (COPD II) mit sekundärem Lungenemphysem und Rippenschwiele rechts basal
Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Die festgestellten Gesundheitsschädigungen am Stütz- und Bewegungsapparat haben keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge.
Der Beschwerdeführer leidet zwar an degenerativen Skelettveränderungen und an einer peripheren Durchblutungsstörung, doch ist er in der Lage, eine Wegstrecke von 300 - 400 m in einer entsprechenden Zeit zurückzulegen. Die Funktionen im Bereiche der oberen und unteren Gliedmaßen sind ausreichend, um in ein öffentliches Verkehrsmittel zu gelangen, in ein solches einzusteigen, sich einen Sitzplatz zu suchen, ein solches zu verlassen, und sich suffizient an Haltegriffen während des Transportes anzuhalten. Ein Stadium der peripheren arteriellen DBST über das Stadium II a nach Fontaine ist nicht dokumentiert. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt nicht vor.
Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.
Der Beschwerdeführer zeigt sich kardiorespiratorisch stabil und kompensiert, die Sauerstoffsättigung liegt im Normbereich, die Atemfunktionsstörung entspricht lediglich einer COPD II, eine Langzeitsauerstofftherapie ist nicht indiziert. Eine für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel oder für die Anmarschwege relevante Herzerkrankung ist nicht dokumentiert. Somit ist zusammenfassend die Fähigkeit gegeben, eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300 - 400 Metern ohne erhebliche Erschwernis und ohne Pause zurückzulegen.
Es liegt somit auch keine maßgebende Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, durch welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen wäre.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz des Beschwerdeführers im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Die von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 30.11.2018 basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag und das ebenfalls von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Lungenheilkunde vom 12.03.2019 basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 01.03.2019, sind schlüssig und nachvollziehbar, weisen keine Widersprüche auf. Es wird in diesen Sachverständigengutachten auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - aus jeweils fachmedizinischer Sicht möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, dass er insbesondere aufgrund seiner Lungenkrankheit nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der von der belangten Behörde im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens beigezogene Facharzt für Lungenheilkunde attestiert dem Beschwerdeführer zwar das Vorliegen einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD II) mit sekundärem Lungenemphysem und Rippenfellschwiele rechts basal, jedoch schränkt dieses Lungenleiden den Beschwerdeführer in seiner körperlichen Belastbarkeit nicht so ein, dass es ihm nicht möglich wäre, eine kurze Wegstrecke ohne erhebliche Erschwernis oder Pause zurückzulegen.
Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ist somit selbständig möglich. Auch das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln durch Festhalten an Haltegriffen ist gewährleistet, da auch die grobe Kraft der oberen Extremitäten ausreichend ist.
Der Beschwerdeführer ist mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen in der Beschwerde und im Vorlageantrag den jeweils auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und eines Facharztes für Lungenheilkunde im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Sachverständigengutachten vom 30.11.2018 (Allgemeinmedizin) und vom 12.03.2019 (Lungenheilkunde), beruhend jeweils auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, und werden diese beiden Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24.01.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 15.03.2019 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 32/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
"§ 1 ....
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. .......
2. ......
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)......"
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):
...
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
...
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden..."
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde in den eingeholten Sachverständigengutachten vom eines Arztes für Allgemeinmedizin und eines Facharztes für Lungenheilkunde, jeweils beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführer, nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers - trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der beim Beschwerdeführer objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung aufgrund von erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind im Falle des Beschwerdeführers ebenfalls nicht gegeben. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt ebenso wenig vor, wie entscheidungsmaßgebliche Einschränkungen der Sinnesfunktionen. Es kann im vorliegenden Fall außerdem keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, festgestellt werden.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, auf die über Veranlassung der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, die jeweils auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruhen, welche auf alle Einwände und vorgelegten Befunde des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingehen, und welchen der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs bzw. in seinem Vorlageantrag nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Der Beschwerdeführer hat keine mündliche Beschwerdeverhandlung beantragt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W261.2217202.1.00Zuletzt aktualisiert am
01.07.2019