TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/2 W261 2216201-1

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Veröffentlicht am 02.05.2019
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Entscheidungsdatum

02.05.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W261 2216201-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 05.10.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer war in der Zeit vom 28.07.2014 bis zum 31.07.2016 Inhaber eines befristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 % bzw. ab dem 02.06.2015 von 60 %.

Der Beschwerdeführer stellte am 11.07.2016 einen Antrag beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) auf Verlängerung des befristeten Behindertenpasses, der in letzter Instanz mit Erkenntnis des BVwG vom 18.01.2018, Zl. W132 2149899-1/4E mit der Begründung als unbegründet abgewiesen wurde, weil der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung von 40 % die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle.

Der Beschwerdeführer stellte bereits am 19.10.2017 bei der belangten Behörde einen neuen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte neuerlich ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.04.2018 erstatteten Gutachten vom 17.08.2018 stellte der medizinische Sachverständige bei dem Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule", "Kombinierte Hörstörung beidseits", "Insulinpflichtiger Diabetes mellitus", "Chronisch obstruktive Lungenerkrankung" und ein "Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom", mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 von Hundert (in der Folge vH) fest.

Die belangte Behörde übermittelte dem Beschwerdeführer dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 22.08.2018 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte diesem eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Der Beschwerdeführer gab mit Eingabe vom 06.09.2018, vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (in der Folge KOBV), eine schriftliche Stellungnahme ab und legte einen neuen Befund vor.

Die belangte Behörde nahm dies zum Anlass, um den befassten medizinischen Sachverständigen zu ersuchen, zu den Ausführungen des Beschwerdeführers Stellung zu nehmen. In seiner Stellungnahme vom 04.10.2018 führt der medizinische Sachverständige aus, dass die Einwendungen und der nachgereichte Befund zu keiner Änderung der Beurteilung führen würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.10.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH fest. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten samt ergänzender Stellungnahme in Kopie bei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, bevollmächtigt vertreten durch den KOBV, fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass sich das medizinische Sachverständigengutachten nicht ausreichend mit seinem orthopädischen und neurologischen Beschwerdebild auseinandergesetzt habe. Der Beschwerdeführer leide an schweren Veränderungen der Wirbelsäule, die bei ihm Dauerschmerzen verursachen würden. Es würden dazu neue Befunde vorgelegt, die belegen würden, dass das eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten keine taugliche Grundlage sei, um der Entscheidung der Behörde zugrunde gelegt zu werden. Es werde daher die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Orthopädie beantragt. Es werde auch beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen und der Beschwerde stattzugeben. Der Beschwerdeführer legte der Beschwerde weitere ärztliche Befunde bei.

Mit Eingabe vom 08.01.2019 teilte der KOBV der belangten Behörde mit, dass die Vollmacht mit dem Beschwerdeführer gekündigt sei.

Die belangte Behörde nahm die Beschwerde zum Anlass, um ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Orthopädie einzuholen. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.03.2019 erstatteten Gutachten vom selben Tag, stellte der medizinische Sachverständige bei dem Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule", "Kombinierte Hörstörung beidseits", "Insulinpflichtiger Diabetes mellitus", "Chronisch obstruktive Lungenerkrankung" und ein "Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom", mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 von Hundert (in der Folge vH) fest.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 19.03.2019 mit dem Hinweis vor, dass die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht eingehalten habe werden können, wo dieser am selben Tag einlangte.

Das BVwG führte am 20.03.2019 eine Abfrage im Zentralen Melderegister durch, wonach der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist, und seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat.

Das BVwG brachte dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Beweisaufnahme der belangten Behörde mit Schreiben vom 20.03.2019 zur Kenntnis und räumte ihm eine Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein.

Der Beschwerdeführer führte in seiner Stellungnahme vom 27.03.2019 im Wesentlichen aus, dass im Befund stehen würde, er habe die Kleidung bei der Untersuchung am 12.03.2019 selbst ausgezogen, was nicht stimme, denn sein Sohn habe ihm dabei geholfen. Der Arzt habe ihm gesagt, dass er eine Orthese nicht benötige und der Befund nicht stimme. Er habe auch gesagt, dass sein Knie stabil sei. Der Beschwerdeführer frage sich, weswegen er wegen seines Knies hinfalle, wenn doch alles in Ordnung sei. Er sei bereits öfters gefallen. Auch den Rollator benötige der Beschwerdeführer. Er sei bei der Untersuchung sehr schwer ohne den Rollator gegangen. Laut dem Sachverständigengutachten würde er auch keine Begleitperson benötigen, was ebenfalls nicht richtig sei. Er hätte im Jahr 2014 bei einer Untersuchung einen Grad der Behinderung von 60 % bekommen, seine Leiden hätten sich nicht verbessert, daher verstehe er nicht, weswegen der Grad der Behinderung nun 40 % betrage. Sein Zucker schwanke, er benötige Hilfe und Unterstützung durch seine Familie. Er werde in der Zeit vom 03.04.2019 für vier Wochen auf Rehabilitation sein.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 19.10.2017 bei der belangten Behörde ein.

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Allgemeinzustand: altersentsprechend.

Ernährungszustand: adipös.

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: unauffällig, alte Narbe vorne am Hals.

Thorax: symmetrisch, elastisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz, deutlich adipös, kleiner Nabelbruch.

Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört. Die Sensibilität wird am rechten Arm als "schlecht" angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich.

Im Bereich beider Ellenbogen beugeaußenseitig bestehen Hämatome und Narben nach Einstichen, auch gleiche Narben in den Ellenbeugen. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Beweglichkeit:

Schultern, Ellbogen, Vorderarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger sind seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar, der Faustschluss ist komplett. Nacken- und Kreuzgriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Untere Extremitäten:

Freies Gehen wird nicht ausgeführt. Bei weit vorgebeugtem Oberkörper werden einige Schritte mit anhalten am Mobiliar ausgesprochen unnatürlich ausgeführt. Untersuchung im Liegen.

Die Beinachse ist im Lot. Gering Muskelverschmächtigung am rechten Oberschenkel. Beinlänge ist gleich. Die Durchblutung ist ungestört. Die Sensibilität wird am rechten Bein als vermindert angegeben. Fußsohlenbeschwielung durchaus deutlich vorhanden. Das Fußgewölbe ist beidseits abgeflacht.

Sprunggelenke sind jeweils bandfest.

Rechtes Knie: kein intraartikulärer Erguss, das Gelenk ist Seitenband in Streck- und 30° Beugestellung, Lachmanntest ist negativ, keine Schubladenzeichen.

Linkes Knie: ergussfrei und bandfest.

Hüften altersentsprechend unauffällig.

Beweglichkeit:

Hüften seitengleich frei. Knie S 0-0-130 beidseits. Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Umfang in cm (Oberschenkel gemessen 15 cm oberhalb vom Kniescheibenrand): Oberschenkel rechts 55, links 55,5, Unterschenkel rechts 42,5 links 43.

Wirbelsäule:

Auf die Untersuchungsliegen legen und auch wieder aufstehen gelingt durchaus flüssig. Im Stehen wird der Oberkörper weit nach vorgeneigt, die Hände an den Oberschenkeln abgestützt beziehungsweise Halt am Mobiliar gesucht. Die Haltung wird überaus auffällig und umständlich angenommen. Eine Beurteilung der Achse und Krümmungsverhältnisse der Wirbelsäule ist entsprechend der eingenommenen Körperhaltung nicht möglich.

Beim Ent- und Bekleiden bestehen keine höhergradigen Einschränkungen.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt in Begleitung des Sohnes zur Untersuchung, verwendet ein Rollmobil. Am rechten Knie ist eine Schiene angelegt. Trägt am rechten Handgelenk eine Handgelenksmanschette. Beim Entkleiden ist die Fingerfertigkeit ungestört. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig überwiegend im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Wach, Sprache unauffällig.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

2. Kombinierte Hörstörung beidseits

3. Insulinpflichtiger Diabetes mellitus

4. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung

5. Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v. H.

Das klinisch führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 wegen funktioneller Zusatzrelevanz um eine weitere Stufe erhöht. Keine weitere Erhöhung durch die Leiden 3-5 wegen fehlender ungünstiger Beeinflussung von Leiden 1 und fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem vom BVwG eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens der belangten Behörde nach Einlangen der Beschwerde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 12.03.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag.

Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der medizinische Gutachter setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Der Sachverständige geht in seinem Gutachten vom 12.03.2019 auch ausführlich und umfassend auf sämtliche Einwendungen und Befunde des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde vom 13.11.2018 ein.

Aus medizinischer Sicht liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses beim Beschwerdeführer nicht vor. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 27.03.2019 unter Hinweis auf ein auszugsweise mit der genannten Stellungnahme vorgelegtes medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2015, worin ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. diagnostiziert wird, ausführt, dass sich seine Krankheit nicht geändert habe. Der Beschwerdeführer übersieht in seiner Argumentation, dass bei auch bei diesem von ihm vorgelegten Gutachten festgehalten wird, dass eine Nachuntersuchung im September 2016 erforderlich ist, weil bei Leiden 1, damals schon degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine Besserung möglich ist. Diese Verbesserung des Leidens 1 ist mittlerweile eingetreten, wie der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Orthopädie zuletzt in dem dieser Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten vom 12.03.2019 schlüssig und nachvollziehbar ausführt.

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 27.03.2019 ausführt, dass der medizinische Sachverständige in seinem Gutachten festgehalten habe, dass das Knie des Beschwerdeführers stabil sei, was nicht stimme, der Beschwerdeführer schwer gehe und einen Rollator benötige, so ist dem entgegen zu halten, dass einem medizinischen Sachverständigen der Humanmedizin aus dem Fachgebiet der Orthopädie zugebilligt werden muss, die bei einem von ihm befundeten Menschen vorhandenen Funktionseinschränkungen und Einschränkungen der Mobilität richtig zu erkennen, und die Wahrnehmungen darüber richtig in der Verschriftlichung im Gutachten wiederzugeben.

Der Beschwerdeführer ist damit den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des BVwG bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 12.03.2019. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

..."

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist. Wie schon in der Beweiswürdigung angeführt, hat der medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Orthopädie die Leiden des Beschwerdeführers richtig nach der Einschätzungsverordnung eingestuft.

Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde nach Einlangen der Beschwerde ergänzend eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 12.03.2019, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers vom selben Tag, zu Grunde gelegt.

Der medizinische Sachverständige stellt in diesem Sachverständigengutachten fest, dass eine funktionelle Zusatzrelevanz bei den ersten beiden Leiden des Beschwerdeführers vorliegt, weswegen Leiden 1 um eine Stufe im GdB von 30 % auf 40 % erhöht wird. Bei den Leiden drei bis fünf liegt jedoch keine jedoch ungünstige Beeinflussung von Leiden 1 wegen fehlender maßgeblicher funktioneller Zusatzrelevanz vor, woraus sich ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. ergibt.

Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde waren nicht geeignet, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen, oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes zu belegen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht, auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W261.2216201.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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