Entscheidungsdatum
06.05.2019Norm
AlVG §1 Abs1 litaSpruch
W209 2204349-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter in der Beschwerdesache des XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch Mag. Pia Andrea ZHANG, Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22, 1040 Wien, gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 25.07.2018, GZ: VA-VR 11384679/18-Mag.CS, betreffend Nichteinbeziehung des Beschwerdeführers in die Voll(Kranken-, Unfall-, Pensions-)versicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und in die Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) aufgrund seiner Tätigkeit für den Dienstgeber XXXX GmbH in der Zeit vom 17.10.2016 bis 30.11.2016 beschlossen:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit bekämpftem Bescheid vom 25.07.2018 stellte die belangte Behörde (im Folgenden: WGKK) fest, dass XXXX , VSNR XXXX , (im Folgenden: Beschwerdeführer) aufgrund seiner Tätigkeit für den Dienstgeber XXXX GmbH in der Zeit von 17.10.2016 bis 30.11.2016 nicht der Voll(Kranken-, Unfall-, Pensions-)versicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliege. Begründend wurde u.a. ausgeführt, dass mit Bescheid des Finanzamtes 8/16/17 vom 12.12.2016 rechtskräftig festgestellt worden sei, dass der Rechtsträger XXXX GmbH beginnend ab 12.10.2016 als Scheinunternehmen gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBGG) gelte, und die Krankenversicherungsträger gemäß § 35a ASVG an die rechtskräftige Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens durch die Abgabenbehörden des Bundes gebunden seien. Der Beschwerdeführer habe (Anm.: ohne dass es einer Aufforderung gemäß § 43 Abs. 4 ASVG bedurft hätte) am 17.01.2017 bei der Kasse vorgesprochen und niederschriftlich angegeben, auf Baustellten Arbeitsleistungen für das Scheinunternehmen erbracht zu haben. Auch wenn er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht habe, habe kein anderer Dienstgeber festgestellt werden können. Der im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführer und Alleingesellschafter der XXXX GmbH könne nicht Dienstgeber gewesen sein, da die Personenbeschreibung des Beschwerdeführers auf ihn nicht zutreffe. Ein anderer Dienstgeber habe mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht ermittelt werden können.
2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer binnen offener Rechtmittelfrist Beschwerde, die er im Wesentlichen damit begründete, dass Zeugen bestätigen könnten, dass er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Arbeitsleistungen für die XXXX GmbH erbracht habe. Es lägen auch entsprechende Lohnabrechnungen sowie die An- und Abmeldung zur Gebietskrankenkasse vor. Dies habe er bereits in der Niederschrift vor der WGKK am 17.01.2017 zu Protokoll gegeben.
3. Am 28.08.2018 einlangend legte die WGKK die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zu Entscheidung vor.
4. Mit Schriftsatz vom 04.09.2018 gab der Beschwerdeführer bekannt, Mag. Pia Andrea ZHANG, Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien, mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht betraut zu haben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 414 Abs. 1 ASVG kann gegen Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch einen Senat vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind.
Im vorliegenden Fall liegt eine Angelegenheit vor, die auf Antrag eine Senatszuständigkeit unter Beteiligung fachkundiger Laienrichter begründet (Feststellung der Versicherungspflicht). Mangels Stellung eines entsprechenden Antrages hat die Entscheidung jedoch mittels Einzelrichters zu erfolgen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. in seinem Erkenntnis vom 16.10.2015, Ra 2015/08/0042, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ausgeführt hat, kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt hat oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.
Mit Bescheid des Finanzamtes 8/16/17 vom 12.12.2016 wurde rechtskräftig festgestellt, dass die XXXX GmbH beginnend ab 12.10.2016 als Scheinunternehmen gemäß § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBGG) gilt.
Gemäß § 35a Abs. 1 ASVG idF BGBl. I Nr. 113/2015 sind die Krankenversicherungsträger an die rechtskräftige Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens durch die Abgabenbehörden des Bundes nach § 8 des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes (SBBG), BGBl. I Nr. 113/2015, gebunden.
Gemäß § 43 Abs. 4 leg.cit. sind die Versicherten verpflichtet, zur Auskunftserteilung über die Beschäftigung bei einem rechtskräftig als Scheinunternehmen nach § 35a festgestellten Unternehmen binnen sechs Wochen nach schriftlicher Aufforderung persönlich beim Krankenversicherungsträger zu erscheinen.
Gemäß § 35a Abs. 3 leg.cit. hat der Krankenversicherungsträger den Dienstgeber von Personen zu ermitteln, die der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Krankenversicherungsträger nach § 43 Abs. 4 rechtzeitig nachgekommen sind und glaubhaft gemacht haben, (für bestimmte Zeiträume) tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich eines Scheinunternehmens verrichtet zu haben.
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (692 BlgNR 25. GP 8 f.) lautet es dazu:
"[...] Wird das Vorliegen eines Scheinunternehmens festgestellt, so hat der Krankenversicherungsträger im Zuge der Sachverhaltsfeststellung zu ermitteln, ob Personen, die von einem Unternehmen noch vor dessen rechtskräftiger Feststellung als Scheinunternehmen zur Pflichtversicherung angemeldet wurden oder deren (versuchte) Anmeldung - nach rechtskräftiger Feststellung des Scheinunternehmens - wegen Unzulässigkeit scheiterte, tatsächlich einschlägige Arbeitsleistungen erbracht haben.
Haben die angemeldeten Personen glaubhaft gemacht, im Konnex mit dem Scheinunternehmen Arbeitsleistungen erbracht zu haben, so hat der Krankenversicherungsträger den tatsächlichen Dienstgeber zu ermitteln. Führt dies zu keinem Erfolg, dann gilt auf Grund einer gesetzlichen Vermutung (gegebenenfalls) jenes Unternehmen als Dienstgeber, von dem das Scheinunternehmen Aufträge erhalten hat, zu deren Erfüllung die Arbeitsleistungen dienten. Diese Vermutung gilt nur dann, wenn das Auftrag gebende Unternehmen wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen handelt.
Gelingt dem Unternehmen der Gegenbeweis, nämlich dass es keine Arbeitsleistungen durch die auskunftserteilenden Personen erhalten hat oder erhält, so endet deren Pflichtversicherung ex tunc (siehe § 11 Abs. 7 Z 2 ASVG)."
Nach § 35a ASVG hat der Versicherungsträger somit dann, wenn Versicherte ihrer Verpflichtung nach § 43 Abs. 4 ASVG nachgekommen sind und glaubhaft gemacht haben, (für bestimmte Zeiträume) tatsächlich Arbeitsleistungen "im Bereich eines Scheinunternehmens" verrichtet zu haben, den Dienstgeber dieser Personen zu ermitteln. Häufig wird mit dem Scheinunternehmen allerdings gerade der Zweck verfolgt, den wahren Dienstgeber zu verschleiern (vgl. idS auch die ErläutRV 692 BlgNR 25. GP 1). In einer solchen Konstellation ist - nach den Grundsätzen des § 539a ASVG betreffend die Sachverhaltsfeststellung "in wirtschaftlicher Betrachtungsweise" und nach dem "wahren wirtschaftlichen Gehalt" - der eigentliche Dienstgeber zu ermitteln.
Führt die Prüfung dazu, dass letztlich ein Scheinunternehmen als Dienstgeber anzusehen wäre, so bedeutet das im Ergebnis, dass die Ermittlung eines Dienstgebers nicht möglich war. In einem solchen Fall wird auf das Auftrag gebende Unternehmen gegriffen: Dieses gilt - ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens - als Dienstgeber, wenn es wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen nach § 8 SBBG handelt, und nicht beweist, von den Dienstnehmer keine Arbeitsleistungen erhalten zu haben oder zu erhalten.
Ist der nach allgemeinen Grundsätzen ermittelte Dienstgeber ein Scheinunternehmen, ohne dass die Haftung eines fiktiven Dienstgebers nach § 35a Abs. 3 Satz 2 ASVG in Betracht kommt, ändert dies grundsätzlich nichts an der Pflichtversicherung des Dienstnehmers, der im Betrieb des Scheinunternehmens tatsächlich Arbeitsleistungen erbringt bzw. erbracht hat (es sei denn, die Pflichtversicherung ist gemäß § 11 Abs. 7 ASVG deswegen erloschen, weil er seiner Mitwirkungsverpflichtung nicht nachgekommen ist) (s. Julcher in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 35a ASVG Rz 5 ff.).
Dementsprechend hätte die WGKK zunächst Feststellungen darüber treffen müssen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich des Scheinunternehmens geleistet hat.
Wie dem angefochtenen Bescheid und den Verwaltungsakten zu entnehmen ist, wurde der Beschwerdeführer am 17.01.2017 von der WGKK niederschriftlich zu seinen für das Scheinunternehmen erbrachten Arbeitsleistungen befragt. Dabei gab er an, er sei vom Geschäftsführer und Alleingesellschafter des Scheinunternehmens auf einer Baustelle, als er dort für eine andere Firma gearbeitet habe, aufgenommen worden. Er habe von Montag bis Freitag von 7:00 bis 16:30 Uhr im Ausmaß von 39 Wochenstunden auf Baustellen in XXXX und XXXX gearbeitet. Die Arbeitsanweisungen auf beiden Baustellen habe Herr XXXX von der Firma XXXX GmbH gegeben. Auf der Baustelle in XXXX sei auch die Firma XXXX GmbH tätig gewesen. Das Entgelt sei auf sein Bankkonto überwiesen worden. Seine Kollegen XXXX und XXXX könnten seine Angaben bestätigen.
Am 08.05.2018 wurde der Beschwerdeführer neuerlich von der WGKK einvernommen. Dabei gab ergänzend an, dass er auf der Baustelle in XXXX die XXXX GmbH Generalunternehmer gewesen sei. Ansprechpartner sei der Bauleiter Ing. XXXX gewesen. Herr XXXX habe ihm gesagt, dass er nunmehr für die XXXX GmbH arbeite. In XXXX habe er die Arbeitsanweisungen auch von Herrn XXXX von der Firma XXXX GmbH bekommen.
Trotz dieses umfangreichen Vorbringens unter Nennung zahlreicher Zeugen sowie auf den Baustellen tätiger Unternehmen hat die Gebietskrankenkasse jegliche weitere Ermittlungstätigkeit zur Feststellung, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich des Scheinunternehmens erbracht hat, unterlassen. Vielmehr ließ sie es offen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht hat, weil sie vermeinte, keine entsprechenden Feststellungen treffen zu müssen.
Hätte die weitere Prüfung ergeben, dass der Beschwerdeführer auf den genannten Baustellen tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht hat, wäre von der WGKK als nächster Schritt der tatsächliche Dienstgeber des Beschwerdeführers zu eruieren gewesen. Auch diesbezüglich hat die Gebietskrankenkasse jegliche weitere Ermittlungstätigkeit vermissen lassen, obwohl die Angaben des Beschwerdeführers zahlreiche Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen geboten hätten. So nannte der Beschwerdeführer mehrere auf den Baustellen tätige Firmen, deren Mitarbeiter ihm Anweisungen erteilt hätten.
Schließlich wäre für den Fall, dass der tatsächliche Dienstgeber nicht ermittelt werden kann, auch das Auftrag gebende Unternehmen zu eruieren und als fiktiver Dienstgeber heranzuziehen gewesen, sollte es von der Scheinunternehmereigenschaft gewusst haben oder davon wissen hätte müssen. Auch hierfür bot das Vorbringen des Beschwerdeführers ausreichende Anhaltspunkte, denen die Gebietskrankenkasse nicht nachgegangen ist. Die WGKK beschränkte sich vielmehr darauf festzustellen, dass es sich bei dem beschwerdegegenständlichen Unternehmen um ein Scheinunternehmen gehandelt hat. Derartige Ermittlungen bedurfte es aber nicht, weil dies mit rechtskräftigem Bescheid der Abgabenbehörde bereits für die Gebietskrankenkasse bindend festgestellt wurde.
Aber selbst wenn der eigentliche Dienstgeber nicht ermittelt werden hätte können und die Haftung eines fiktiven Dienstgebers nach § 35a Abs. 3 Satz 2 ASVG nicht in Betracht kommt, hätte die Kasse dies (begründet) feststellen müssen. Sie hielt dies in Verkennung der Rechtslage jedoch nicht für erforderlich und vermeinte, mangels Dienstgebers im Sinne des § 35 ASVG sei die Pflichtversicherung zu verneinen (wie dies vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 113/2015 der Fall war). Dies widerspricht jedoch der geltenden Rechtslage, sofern der Beschwerdeführer tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich eines Scheinunternehmens erbracht hat, zumal er (auch wenn es hierfür keiner Aufforderung seitens der Kasse bedurfte) seiner Mitwirkungspflicht im Sinne des § 43 Abs. 4 ASVG nachgekommen ist und daher die Pflichtversicherung nicht bereits gemäß § 11 Abs. 7 ASVG erloschen ist.
Somit ist festzuhalten, dass die Gebietskrankenkasse nicht nur im Ansatz ermittelt hat, was die behauptete tatsächliche Erbringung von Arbeitsleistungen durch den Beschwerdeführer betrifft, indem sie u. a. die vom Beschwerdeführer angebotenen Zeugen nicht befragt hat und auch den anderen zahlreichen Hinweisen nicht nachgegangen ist. Sie hat - trotz ebenso zahlreicher Anhaltspunkte - auch jegliche weitere Ermittlungstätigkeit zur Feststellung des tatsächlichen Dienstgebers vermissen lassen. Schließlich hätte sie für den Fall, dass der eigentliche Dienstgeber tatsächlich nicht ermittelt werden kann, auch das Auftrag gebende Unternehmen zu eruieren gehabt und feststellen müssen, ob dieses von der Scheinunternehmereigenschaft gewusst hat oder wissen hätte müssen.
Derart grobe Ermittlungslücken berechtigen das Bundesverwaltungsgericht nach der eingangs zitierten Rechtsprechung von einer Entscheidung in der Sache abzusehen und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, ist in Anbetracht der spärlichen Ermittlungsergebnisse, die vom Bundesverwaltungsgericht nicht bloß zu ergänzen wären, sondern umfangreiche weitere Ermittlungen erforderlich machen, zu verneinen.
Zu B) Zulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den mit Novelle BGBl. I Nr. 113/2015 neu eingeführten Regelungen betreffend die Feststellung der Versicherungspflicht von Personen, die im Konnex mit rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen Arbeitsleistungen erbringen oder erbracht haben, fehlt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Dienstgebereigenschaft, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W209.2204349.1.00Zuletzt aktualisiert am
01.07.2019