Entscheidungsdatum
14.05.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W142 2164383-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) der XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch RA Dr. Edward W. Daigneault, betreffend ihren Antrag auf internationalen Schutz vom 10.05.2015, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 13.10.2017 und 30.04.2019 zu Recht erkannt:
A) Dem Antrag auf internationalen Schutz wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG
2005 stattgegeben und XXXX der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ist eine Staatsangehörige aus Somalia, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 10.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. In ihrer Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somali, gab die BF zu ihren persönlichen Verhältnissen befragt an, dass ihre Familie gewollt habe, dass sie einen 70-jährigen Mann heirate. Sie habe dies nicht gewollt, weshalb ihre Oma ihr geholfen und gesagt habe, dass sie Somalia verlassen solle. Sie habe Angst vor ihrer Familie, weil ihre Familie von diesem Mann Geld genommen habe.
3. Am 10.04.2017 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) eine Säumnisbeschwerde gemäß Art 130 Abs. 1 Z 3 B-VG ein.
4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 13.10.2017 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somali und im Beisein eines Rechtsvertreters der BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser brachte sie wie folgt vor: (Schreibfehler ausgebessert):
"R: Von wann bis wann haben Sie in Somalia gelebt?
BF: Ich bin am XXXX in Somalia geboren und habe Somalia 2014 verlassen, das genaue Datum weiß ich nicht.
R: Haben Sie noch Verwandte in Ihrem Heimatland?
BF: Ja, meine Familie.
R: Welche Familienangehörigen haben Sie in Ihrem Heimatland?
BF: Mein Vater ist bereits verstorben, meine Mutter heißt XXXX und lebt noch in Somalia.
R: Wo lebt Ihre Mutter?
BF: In Jilib.
R: Zu welcher Region gehört Jilib?
BF: Jubbada Dhexe.
R: Haben Sie noch Geschwister die in Ihrem Heimatland leben?
BF: Ich habe vier Schwestern und einen Bruder.
R: Wo leben Ihre Geschwister in Somalia?
BF: Sie leben in Jilib.
R: Haben Sie noch Onkeln und Tanten die in Somalia leben?
BF: Nein, habe ich nicht.
R: War Jilib auch Ihre ständige Wohnadresse als Sie noch in Somalia gelebt haben?
BF: Ja, das war die letzte Adresse an der ich gelebt habe.
R: Von wann bis wann haben Sie in Jilib gelebt?
BF: Ich habe ungefähr drei Jahre in Jilib gelebt.
R: Wo haben Sie vorher gelebt?
BF: Vorher war ich in einem kleinen Dorf namens XXXX .
R: Wieso haben Sie dieses Dorf verlassen?
BF: Ich habe damals bei meiner Großmutter gelebt und sie war krank.
R: Das heißt, Sie sind dann von diesem Dorf zu Ihrer Mutter nach Jilib gezogen, nachdem Ihre Großmutter krank geworden war?
BF: Ja, das stimmt.
R: Sind Sie verheiratet?
BF: Nein.
R: Haben Sie eine Schule besucht?
BF: Nein.
R: Haben Sie eine Koranschule besucht?
BF: Nein.
R: Können Sie Lesen und Schreiben?
BF: Nein.
R: Ist Jilib eine große Stadt?
BF: Ich kann es nicht beschreiben, aber ich glaube schon, dass sie groß ist.
R: Was ist die nächstgrößere Stadt von Jilib?
BF: Ich kenne keine, weil ich nicht schreiben und nicht lesen kann.
R: Welchem Clan gehören Sie an?
BF: Ich bin Gaboye.
R: Welchem Subclan gehören Sie an?
BF: Madhibaan.
R: Welche Clanangehörige leben in Jilib?
BF: Es leben nicht viele Madhibaan-Angehörige in Jilib.
R: Welcher Clan lebt vorwiegend in Jilib?
BF: Es gibt mehrere Clans, aber ich kenne sie nicht alle.
R: Können Sie mir ein Beispiel nennen?
BF: Ich habe gehört, dass es Shiikhaal und Jaree in Jilib gibt.
R: Kennen Sie noch sonstige Clanangehörige?
BF: Biimaal. Weitere weiß ich nicht.
R: Haben Sie in Jilib in einem Haus gelebt?
BF: Wir haben in einem Buschhaus gelebt.
R: Sie haben in diesem Buschhaus zusammen mit Ihrer Mutter und Ihren Geschwistern gelebt?
BF: Meine zwei größeren Schwestern sind verheiratet und leben in Jilib in einem anderen Buschhaus. Ich, mein Bruder, meine beiden anderen Schwestern und meine Mutter haben zusammengelebt.
R: Was war der Grund, dass Sie Jilib verlassen haben?
BF: Ich habe ein Problem gehabt.
R: Welches Problem hatten Sie?
BF: Meine Familie hat eine Ehe arrangiert. Sie haben von dem Mann Geld bekommen. Er war ein älterer Mann, der auch mit drei anderen Frauen verheiratet war.
R: Wie hat dieser Mann geheißen?
BF: XXXX .
R: Können Sie mir den vollständigen Namen nennen?
BF: XXXX .
R: Was ist der Vor- und was der Nachname?
BF: Vorname ist XXXX , Nachname ist XXXX .
R: Wie alt war dieser Mann?
BF: 70 Jahre.
R: Haben Sie seine anderen drei Frauen gekannt?
BF: Ich habe nur eine gesehen, die beiden anderen nicht.
R: Wo haben Sie diese Frau gesehen?
BF: Sie hat unsere Nachbarinnen besucht.
R: Wissen Sie den Namen dieser Frau?
BF: Nein.
R: Wie viel Geld hat Ihre Familie von diesem Mann bekommen?
BF: Ich weiß nicht wie viel es war, aber er hat Geld bezahlt.
R: Wann hätten Sie diesen Mann heiraten sollen?
BF: Was meinen Sie?
R: Wann wäre die Hochzeit gewesen?
BF: Das kurz bevor ich Somalia verlassen habe.
R: Können Sie sich an das Datum erinnern?
BF: Nein. Ich kann das genaue Datum nicht sagen, ich schätze, es war ein Monat bevor ich Somalia verlassen habe.
R: Hat dieser Mann mit Ihrer Mutter aufgenommen und gesagt, dass er Sie heiraten will?
BF: Ja.
R: Wann hat dieser Mann mit Ihrer Mutter Kontakt aufgenommen?
BF: Wie gesagt, ich kann nicht genau sagen, welches Datum das war. Es war jedenfalls kurz bevor ich Somalia verlassen habe.
R: Das heißt, Ihre Mutter, Ihr Bruder und Ihre Schwestern wollten, dass Sie diesen Mann heiraten?
BF: Ja, sie wollten das alle. Meine älteren Schwestern konnten das nicht verhindern.
R: Wie heißt Ihre Großmutter?
BF: XXXX .
R: Wieso sind Sie nicht zu Ihrer Großmutter zurückgegangen?
BF: Meine Großmutter war auch in Jilib.
R: Seit wann hat Ihre Großmutter in Jilib gelebt?
BF: Wir sind gleichzeitig nach Jilib gekommen.
R: Lebt Ihre Großmutter nach wie vor in Jilib bei Ihrer Mutter?
BF: Ja. Zuletzt hat sie mit meiner Mutter gelebt.
R: Was haben Sie gemacht, als Ihnen Ihre Mutter gesagt hat, dass Sie diesen alten Mann heiraten sollen?
BF: Ich habe mit meiner Großmutter darüber gesprochen und ihr gesagt, dass ich einen so viel älteren Mann, der auch schon drei Frauen hat, nicht heiraten kann. Ich habe ihr gesagt, dass ich mich eher selbst töte, bevor ich diesen alten Mann heirate. Sie hat mir dann Geld gegeben und mir gesagt, dass ich das Land verlassen müsse, bevor ich was Schlimmeres mache.
R: Wie viel Geld haben Sie von Ihrer Oma erhalten?
BF: 4.500 Dollar.
R: Woher hatte Ihre Großmutter so viel Geld?
BF: Sie hat Ihre Grundstücke verkauft.
R: Welche Grundstücke hat sie verkauft?
BF: Das Grundstück, auf dem wir damals gelebt haben.
R: Was haben Sie dann gemacht, als Ihnen Ihre Großmutter das Geld gegeben hat?
BF: Ich bin von Jilib mit einem Lieferwagen für Gemüse mitgefahren und bin nach Mogadischu gegangen.
R: Wie lange haben Sie sich in Mogadischu aufgehalten?
BF: Ich war eine Woche dort.
R: Wo genau haben Sie in dieser Woche gelebt?
BF: Ich weiß nicht wo ich war. Ich war das erste Mal von zu Hause weg.
R: Wie lange sind Sie von Jilib mit dem Lieferwagen nach Mogadischu gefahren?
BF: Ungefähr neun Tage.
R: Können Sie mir Dörfer und Städte nennen, die Sie passiert haben, um nach Mogadischu zu gelangen?
BF: Nein. Ich kann es nicht sagen.
R: Wie sind Sie von Mogadischu nach Österreich gelangt?
BF: Ich habe in Mogadischu in einem Cafe einen Schlepper getroffen. Er hat in dieser Woche meine Flucht vorbereitet. Ich bin in die Türkei geflogen.
R: Wann genau sind Sie in die Türkei geflogen, können Sie mir das Datum nennen?
BF: Das war 2014, ein genaues Datum kann ich nicht sagen. Ich kann mich nicht daran erinnern. (...)
R: Wo sind Sie mit dem Flugzeug in der Türkei gelandet?
BF: In Istanbul.
R: Wie lange haben Sie sich in Istanbul aufgehalten?
BF: Ich war sechs Monate dort.
R: Wo haben Sie diese sechs Monate in Istanbul gelebt?
BF: Ich habe in einer Wohnung gelebt, ich weiß aber nicht wo sich diese Wohnung befunden hat. Ich kann den Bezirk und auch die Straße nicht nennen. (...)
R: Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Großmutter in Somalia?
BF: Nein, ich habe keinen Kontakt mehr mit ihr seit ich Somalia verlassen habe.
R: Hat Ihre Mutter nicht gemerkt, dass Sie Somalia mit Ihrer Nachbarin verlassen wollen?
BF: Nein, sie hat das nicht mitbekommen.
R: Wieso konnten Sie nicht in Mogadischu bleiben?
BF: Weil ich in Mogadischu niemanden kenne und dort niemanden habe, der mir helfen könnte.
R: Wenn Sie jetzt in Ihr Heimatland zurückkehren müssten, was würden Sie befürchten?
BF: Dass ich den alten Mann heiraten muss und meine Mutter mich nicht beschützt. Das ist sehr schwer für mich.
R: Könnten Sie sich an niemand anderen wenden, der Ihnen helfen könnte und Sie nicht den alten Mann heiraten müssen?
BF: Nein. Ich habe niemanden. Von meinem Clan leben auch sehr wenige dort.
R: Wo hat dieser alte Mann gelebt?
BF: Auch in Jilib. (...)
R: Haben Sie Verwandte hier in Österreich?
BF: Nein.
R: Haben Sie Deutschkurse besucht?
BF: Nein, ich habe keine Deutschkurse besucht, ich habe gearbeitet.
Der BFV legt eine Bestätigung des Flüchtlingsheimes XXXX vom 09.10.2017 vor. Diese Bestätigung wird als Beilage A zum Akt genommen. Des Weiteren wird eine Bestätigung des Altenwohnheimes der Stadt XXXX vom 06.10.2017 vorgelegt. Darin wird bestätigt, dass die BF als Hilfskraft im Altenwohnheim tätig war. Diese Bestätigung wird als Beilage B zum Akt genommen.
R: Arbeiten Sie im Altenwohnheim noch immer?
BF: Ja.
R: Verdienen Sie auch Geld?
BF: Ja, ich erhalte 240 Euro im Monat.(...)
R an BFV: Haben Sie eine Frage?
BFV: Welche Gruppe hat die Kontrolle über Jilib? Ist das die Al Shabaab oder eine andere Gruppe?
BF: Es ist ein Al Shabaab-Gebiet.
BFV: Wie hat Ihre Mutter das Familieneinkommen erhalten?
BF: Wir hatten nicht viel. Mein Bruder hat als Schuhmacher und als Metallarbeiter gearbeitet.
BFV: Wie war die wirtschaftliche Situation der Familie?
BF: Wir hatten ein armes Leben.
BFV: Haben Sie Kontakt mit Ihrer Mutter in Somalia?
BF: Nein. Wenn ich mit jemandem Kontakt aufnehmen wollte, würde ich es nur mit meiner Oma tun. (...)"
7. Am 30.04.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somalisch eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser teilte die BF mit, dass sie am XXXX einen Sohn geboren hat. Sie hat den Vater ihres Sohnes traditionell in einer Wohnung in Innsbruck am XXXX geheiratet und lebt mit ihm im gemeinsamen Haushalt. Bei einer Rückkehr nach Somalia würde sie viele Probleme mit dem Mann, den sie in ihrem Heimatland heiraten sollte, bekommen und könne sie nicht zu ihrer Familie zurückkehren. Außerdem habe sie jetzt auch einen Sohn. Ihre Mutter wollte sie zwingen, diesen Mann zu heiraten. Lediglich ihre Oma habe ihr geholfen und ihr das Geld zur Ausreise gegeben. Den Mann, den sie heiraten sollte, habe bereits Geld an ihre Familie bezahlt. Deshalb sei ihre Familie sehr wütend, weil sie es nicht getan habe. In Mogadishu könne sie nicht leben, weil sie dort niemanden kenne. In der Folge wurden das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, Stand 17.09.2018 sowie der Bericht von ACCORD, Jänner 2019 und der Bericht des US Department of State, 13.03.2019 erörtert.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die BF ist Staatsangehörige von Somalia und Zugehörige zum Clan der Madhiban. Sie ist Analphabetin. Sie hat vor ihrer Ausreise nach Europa in Jilib gelebt. Zuvor lebte sie eine zeitlang bei ihrer Großmutter im Dorf XXXX . Ihr Vater ist bereits verstorben. Ihre Mutter arrangierte eine Ehe mit einem siebzigjährigen Mann, der bereits drei Ehefrauen hatte. Ihre Familie bekam von diesem Mann bereits Geld für die bevorstehende Ehe mit der BF. In der Folge verließ die BF ihr Heimatland wegen der drohenden Zwangsheirat. Bei einer Rückkehr in ihr Heimatland hat sie Angst vor ihren wütenden Familienangehörigen (Mutter, Bruder und zwei Schwestern) und vor dem siebzigjährigen Mann, den sie heiraten sollte. Mittlerweile hat die BF einen Sohn geboren. In einer Wohnung in Innsbruck heiratete sie den Vater ihres Kindes traditionell.
Festgestellt wird, dass der BF in Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit landesweit eine an ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität in Form einer Zwangsheirat und der Gefahr der Verletzung ihrer körperlichen Integrität droht und sie nicht mit staatlicher Hilfe rechnen kann.
Die BF ist strafgerichtlich unbescholten und um Integration bemüht. Vor der Geburt ihres Sohnes arbeitete sie im Hausdienst des Altenwohnheimes der Stadtgemeinde XXXX .
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia wird festgestellt:
KI vom 17.9.2018: Positiver Trend bei Versorgungslage (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)
Nach den überdurchschnittlichen Gu-Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.9.2018; vgl. UN OCHA 5.9.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 1.9.2018). Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.8.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.9.2018). Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 2.9.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 5.9.2018).
Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 5.9.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.
Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).
In Nordsomalia werden aus einigen Gebieten immer noch Wasser- und Weidemangel berichtet, da die Gu-Regenzeit dort auch im Jahr 2018 nicht ertragreich ausgefallen ist. Es handelt sich um Teile der Regionen Bari und Nugaal (Puntland) sowie von Sool und Sanaag (Somaliland). Dort findet die Wasserversorgung teils immer noch mit Tanklastwagen statt, rund 48.000 Haushalte sind betroffen. Humanitäre Organisationen wie ACTED sind dort aktiv und konnten für über 31.000 Haushalte samt Vieh die Wasserversorgung wiederherstellen (ACTED 12.9.2018).
Insgesamt sind ca. 4,6 Millionen Menschen weiter auf Unterstützung angewiesen, im Februar 2018 waren es noch 5,4 Millionen gewesen (UN OCHA 11.9.2018). Von den 4,6 Millionen befinden sich ca. 1,4 Millionen auf IPC-Stufe 3 (IPC = Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung), weitere ca. 170.000 auf IPC-Stufe 4 (FSNAU 1.9.2018). Darunter scheinen sich viele Kinder zu finden. Ca. 240.000 Kinder gelten als akut unterernährt, weiter 55.000 als schwer unterernährt (UN OCHA 2.9.2018).
Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 5.9.2018; vgl. FAO 6.9.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 6.9.2018). Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 1.9.2018)
Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 6.9.2018). Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 6.9.2018).
Quellen:
-
ACTED (12.9.2018): Drought conditions continue to persist in Badhan district,
https://reliefweb.int/report/somalia/drought-conditions-continue-persist-badhan-district,
Zugriff 14.9.2018
-
FAO - FAO SWALIM / FSNAU (6.9.2018): Somalia Rainfall Outlook for 2018 Deyr (October-December) - Issued: 6 September 2018,
https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-rainfall-outlook-deyr-2018-october-december-
issued-6-september-2018, Zugriff 14.9.2018
-
FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (31.8.2018):
Somalia Price Bulletin, August 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-price-bulletin-august- 2018, Zugriff 14.9.2018
-
FSNAU - Food Security and Nutrition Analysis Unit / Famine Early Warning System Network (1.9.2018): FSNAU-FEWS NET 2018 Post Gu Technical Release,
https://reliefweb.int/report/somalia/fsnau-fews-net-2018-post-gu-technical-release-01-
sep-2018, Zugriff 14.9.2018
-
UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.9.2018): Somalia - Humanitarian Snapshot (as of 11 September 2018),
https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-humanitarian-snapshot-11-september-2018,
Zugriff 14.9.2018
-
UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (5.9.2018): Humanitarian Bulletin Somalia, 1 August - 5 September 2018,
https://reliefweb.int/report/somalia/humanitarian-bulletin-somalia-1-august-5-september-
2018, Zugriff 14.9.2018
-
UN OCHA - UN UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.9.2018): Somalia - Food security improving but recovery remains fragile,
https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-food-securitv-improving-recovery-remains-
fragile, Zugriff 14.9.2018
-
WB - Worldbank (6.9.2018): World Bank's Flagship Infrastructure Project Launched in Somalia,
https://reliefweb.int/report/somalia/world-bank-s-flagship-infrastructure-proiectlaunched-somalia, Zugriff 14.9.0218
KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)
Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).
Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).
Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):
Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu- Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a).
Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP- Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).
Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).
In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).
Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).
Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).
Quellen:
-
FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia
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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlookupdate/april-2018, Zugriff 2.5.2018
-
FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia
-
Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018
-
FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia
-
Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/foodsecurity-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018
-
FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018
-
FAO SWALIM (27.4.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018,
https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff
2.5.2018
-
UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,
https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash-update-3-humanitarian-impact-heavv-rains-2-may-2018, Zugriff 3.5.2018
Politische Lage
Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).
Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).
Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf ClanBasis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).
Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017). Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2018). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).
Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal- islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).
Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).
Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)
Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).
Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vgl. NLMBZ 11.2017).
Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).
Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.
Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).
Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden. Sie fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).
Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: Galmudug Interim Administration (GIA); die Jubaland Interim Administration (JIA); Interim South West State Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 3.3.2017). Außerdem müssen noch wichtige Aspekte geklärt und reguliert werden, wie etwa die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern, die Verteilung der Einkünfte oder die Verwaltung von Ressourcen. Internationale Geber unterstützen den Aufbau der Verwaltungen in den Bundesstaaten (UNSC 5.9.2017).
1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).
2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Nach einer Gründungskonferenz im Jahr 2014 formierte sich im Dezember 2015 das Parlament des Bundesstaates South West State. Dieses wählte Sharif Hassan Sheikh Adam zum Übergangspräsidenten (USDOS 3.3.2017)
Insgesamt befindet sich der SWS immer noch im Aufbau, die Regierungsstrukturen sind schwach, Ministerien bestehen nur auf dem Papier. Es gibt kaum Beamte, und in der Politik kommt es zu Streitigkeiten. Die Region Bakool ist besser an den SWS angebunden, als dies bei Lower Shabelle der Fall ist. Die Beziehungen von Lower Shabelle zur Bundesregierung und zum SWS sind kompliziert, der SWS hat dort kaum Mitsprache (BFA 8.2017).
3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): Bei der Bildung des Bundesstaates HirShabelle wurde längere Zeit über gestritten. Beide Regionen (Hiiraan und Middle Shabelle) haben erklärt, dass sie genügend Einwohner hätten, um jeweils einen eigenen Bundesstaat gründen zu können. Trotzdem wurden die Regionen fusioniert (BFA 8.2017). Im Jänner 2016 fand eine Konferenz zur Bildung eines Bundesstaates aus Hiiraan und Middle Shabelle statt. In der Folge wurde im Oktober 2016 der Bundesstaat Hirshabelle eingerichtet: Ein Parlament wurde zusammengestellt und ein Präsident - Ali Abdullahi Osoble - gewählt. Anführer der Hawadle haben eine Teilnahme verweigert (USDOS 3.3.2017). Das Kabinett wurde Mitte März 2017 vom Parlament bestätigt (BFA 8.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Der Großteil der Regierung von HirShabelle befindet sich in Mogadischu. Die Bildung des Bundesstaates scheint alte Clan-Konflikte neu angeheizt zu haben, die Hawadle fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).
4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): 2015 wurde eine Regionalversammlung gebildet und Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten. Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 3.3.2017). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016). Am 25.2.2017 trat der Präsident von Galmudug, Abdikarim Hussein Guled, zurück (UNSC 9.5.2017). Am 3.5.2017 wurde Ahmed Duale Geele "Xaaf" vom Regionalparlament von Galmudug zum neuen Präsidenten gewählt (UNSC 5.9.2017). Auch der neue Präsident hat noch keine Lösung mit der ASWJ herbeigeführt (UNSOM 13.9.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik node.html, Zugriff
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13.9.2017 BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report Somalia%20Sicherheitslage Onlineve
rsion 2017 08 KE neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report, https://www.btiproiect.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI 2016 Somalia.pdf,
Zugriff 20.11.2017
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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmaio-der-neuepr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267,
Zugriff 24.11.2017
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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, http://www.ecoi.net/file upload/1226 1457606427 easo-somalia-security-feb-2016.pdf,
Zugriff 21.12.2017
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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview, http://www.ecoi.net/file upload/90 1412334993 easo-2014-08-coi-report- somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017