TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/16 W211 2208968-1

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Veröffentlicht am 16.05.2019
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Entscheidungsdatum

16.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W211 2156521-1/13E

W211 2208968-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) W211 2156521, XXXX geboren am XXXX und 2) W211 2208968, XXXX , geboren am XXXX , beide StA. Somalia, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX bzw. XXXX , 1) Zl. XXXX , 2) Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 und 4 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die erste beschwerdeführende Partei, eine weibliche Staatsangehörige Somalias, stellte am XXXX .2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX 2015 gab die erste beschwerdeführende Partei an, sie stamme aus dem Ort XXXX und gehöre dem Clan der Darod an. Sie sei verheiratet. Ihr Ehemann, ihre Eltern, fünf Brüder und drei Schwestern würden noch in Somalia leben. Somalia habe sie wegen des Krieges und der Bedrohung durch Al Shabaab verlassen. Die Miliz habe sie mehrmals aufgefordert, für sie zu arbeiten. Die beschwerdeführernde Partei habe daraufhin Al Shabaab angelogen und behauptet, sie habe Kinder, um die sie sich kümmern müsse. Als der Druck zu groß geworden sei, habe sie im Jahr 2013 das Land verlassen.

3. Am XXXX .2017 wurde die erste beschwerdeführende Partei von der belangten Behörde unter Beiziehung ihrer Vertretung und eines Dolmetschers für die somalische Sprache einvernommen und gab dabei soweit wesentlich an, dem Clan der Darod und dem Subclan der XXXX anzugehören. Aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit habe sie in Somalia nie Probleme gehabt. In Somalia habe sie keine Ausbildung genossen und auch keinen Beruf ausgeübt. Sie habe zusammen mit ihrem Ehemann, der ein Geschäft besessen habe, in einer angemieteten Wohnung gelebt. Ihr Heimatort XXXX stehe unter der Kontrolle der Al Shabaab. Die Miliz habe die Frauen des Dorfes mitgenommen und in ein Lager gebracht. Zunächst habe die erste beschwerdeführende Partei sich einer Mitnahme durch den Verweis auf ein nicht existierendes Kind entziehen können, jedoch habe Al Shabaab später erfahren dass sie gelogen habe und sie gemeinsamen mit ihrem Mann in ein Camp gebracht. Dort habe die erste beschwerdeführende Partei achtzehn Tage verbracht und für die Miliz gekocht und Wäsche gewaschen. Ihr Mann sei aufgefordert worden mitzukämpfen. In einer Nacht sei sie mit ihrem Ehemann geflohen, indem sie mit einem verstecken Handy einen Bekannten kontaktiert habe, der sie im Nachbarort abgeholt und nach Mogadischu gebracht habe. Dort sei sie jedoch von Al Shabaab telefonisch bedroht worden. Der Ehemann habe der ersten beschwerdeführenden Partei dann die Ausreise aus Somalia ermöglicht.

4. Mit dem Bescheid vom XXXX 2017 wurde der Antrag der ersten beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).

6. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht.

7. Am XXXX 2018 wurde die zweite beschwerdeführende Partei, Sohn der ersten beschwerdeführenden Partei, geboren. Für sie wurde am XXXX .2018 ein Antrag im Familienverfahren gestellt.

8. Mit dem Bescheid XXXX .2018 wurde der Antrag der zweiten beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).

9. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde ebenfalls rechtzeitig Beschwerde eingebracht.

10. Am XXXX .2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Parteien und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die erste beschwerdeführende Partei im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich bereits mit Beschwerdevorlage für die Teilnahme an der Verhandlung.

11. Mit Stellungnahme vom XXXX .2019 zu den in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingebrachten aktuellen Länderberichten wurde hinsichtlich der ersten beschwerdeführenden Partei vorgebracht, dass sie nur sehr sporadischen Kontakt zu ihren in Somalia verbliebenen Verwandten habe. Diese würden sich vor al Shabaab verstecken und könnten der ersten beschwedeführenden Partei keinen Schutz bieten. Auch stelle ihr Clan eine ethnische Minderheit dar, da der übergeordnete Clan der Darod den Clan der XXXX nicht anerkenne. Weiters würden die Darod selbst in Mogadischu eine Minderheit darstellen, weshalb zu befürchten sei, dass die erste beschwerdeführende Partei als alleinstehende Frau in eine ausweglose Situation gerate. Sie gehöre somit zur sozialen Gruppe jener alleinstehenden Frauen, bei denen ein hohes Risiko bestehe, als IDP in einem entsprechenden Lager Opfer geschlechterspezifischer Gewalt zu werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den beschwerdeführenden Parteien:

1.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige Somalias. Sie stellten am XXXX .2015 bzw. am XXXX .2018 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.2. Die erste beschwerdeführende Partei wurde Ort XXXX in der Region Middle Shabelle geboren. XXXX liegt ca. 2 Stunden zu Fuß von Aden Yabaal entfernt.

Die minderjährige zweite beschwerdeführende Partei wurde am XXXX .2018 in Österreich geboren. Die erste beschwerdeführende Partei ist Mutter der minderjährigen zweiten beschwerdeführenden Partei.

1.1.3. Die erste beschwerdeführende Partei gehört den Darod, Subclan XXXX an.

Die erste beschwerdeführende Partei hat in Somalia im Jahr 2010 einen Angehörigen der Madhiban geheiratet.

In Österreich hat die erste beschwerdeführende Partei im Jahr 2018 abermals traditionell einen somalischen Staatsangehörigen geheiratet. Dieser ist der Vater der zweiten beschwerdeführenden Partei und hält sich in Deutschland auf.

Festgestellt wird, dass die Mutter und sieben Geschwister der ersten beschwerdeführenden Partei in der Umgebung von XXXX als Nomaden leben. Zwei Brüder der ersten beschwerdeführenden Partei gelten als verschollen.

Die erste beschwerdeführende Partei hat in Somalia keine Schule besucht, war Hausfrau und half im Geschäft ihres ersten Ehemannes mit.

1.1.4. Die beschwerdeführenden Parteien sind gesund und strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur relevanten Situation in Somalia wird festgestellt wie folgt:

a) Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 12.1.2018 samt Kurzinformation vom 17.09.2018:

Im Bundesstaat Hirshabelle kam es bereits kurz nach der Gründung, nämlich im August 2017, zu ersten politischen Spannungen. Das Regionalparlament wollte den Präsidenten absetzen (UNSC 5.9.2017). Bislang ist die Macht der Regierung von HirShabelle ohnehin auf Teile von Middle Shabelle bzw. Jowhar beschränkt. Sie hat Einfluss entlang der Straße von Jowhar nach Mogadischu (BFA 8.2017).

Die Grenze zum Gebiet der Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) bildet Matabaan. Im nordöstlichen Hiiraan werden einige Ortschaften östlich von Belet Weyne von der Macawuusley genannten Miliz kontrolliert. Im Grenzgebiet zu Äthiopien ist die äthiopische Liyu Police aktiv. Dies betrifft in erster Linie einen 30-40 Kilometer breiten Grenzstreifen westlich von Belet Weyne. In diesem Bereich verfügt al Shabaab nur über eine geringe Präsenz (BFA 8.2017).

Buulo Barde, Jalalaqsi und Belet Weyne befinden sich unter Kontrolle von AMISOM (DIS 3.2017). Dies gilt auch für Jowhar, Warsheikh, Balcad und Cadale sowie andere größere Städte in Middle Shabelle (BFA 8.2017; vgl. DIS 3.2017). In Hiiraan befinden sich zusätzlich in mehreren kleineren Städten Stützpunkte von AMISOM, der äthiopischen Armee, der Liyu Police und der somalischen Armee. In Middle Shabelle befinden sich Truppenteile der somalischen Armee die auch tatsächlich unter Kontrolle der Armeeführung in Mogadischu stehen (BFA 8.2017).

Große Teile des ländlichen Raumes werden von al Shabaab kontrolliert. Zwar ist die al Shabaab in Hiiraan nicht mehr so aktiv, wie zuvor (DIS 3.2017). Trotzdem verfügt sie dort über den Großraum westlich der Hauptverbindungsstraße sowie über das Gebiet zwischen Maxaas und Adan Yabaal; sowie nördlich nahezu bis zur Straße von Belet Weyne nach Dhusamareb. Der Raum zwischen Adan Yabaal und der Küste kann hingegen als ‚bandits country' mit geringer Präsenz der al Shabaab bezeichnet werden (BFA 8.2017).

Die Menschen auf dem Gebiet der al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Während dies zwar einerseits zur Stärkung der Sicherheit beiträgt (weniger Kriminalität und Gewalt durch Clan-Milizen) (BS 2016), versucht al Shabaab alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren (BS 2016; vgl. DIS 9.2015). Alle Bewohner der Gebiete von al Shabaab müssen strenge Vorschriften befolgen, z. B. Kleidung, Eheschließung, Steuerzahlung, Teilnahme an militärischen Operationen, Rasieren, Spionieren, Bildung etc. (DIS 9.2015). Mit den damit verbundenen harten Bestrafungen wurde ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2016). Das Brechen von Vorschriften kann zu schweren Strafen bis hin zum Tod führen (DIS 9.2015).

Al Shabaab begeht Morde, entführt Menschen, begeht Vergewaltigungen und vollzieht unmenschliche und grausame Bestrafungen; Bürgerrechte und Bewegungsfreiheit werden eingeschränkt. Al Shabaab rekrutiert Kindersoldaten (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017, BS 2016). Da auf dem Gebiet der al Shabaab eine strikte Interpretation der Scharia zur Anwendung gebracht wird, kommt es dort zu Folter und körperlichen Strafen, wenn die Interpretation nicht eingehalten wird (EASO 2.2016; vgl. AI 22.2.2017). Außerdem richtet al Shabaab regelmäßig und ohne ordentliches Verfahren Menschen unter dem Vorwurf hin, diese hätten mit der Regierung, einer internationalen Organisation oder einer westlichen Hilfsorganisation zusammengearbeitet (AA 1.1.2017; vgl. AI 22.2.2017). Moralgesetze verbieten das Rauchen, das öffentliche Einnehmen von Khat, weltliche Musik und das Tanzen (BS 2016), Filme, und Sport (EASO 2.2016); Verschleierung und Männerhaarschnitte werden vorgeschrieben (BS 2016).

Zu von der al Shabaab herbeigeführten Zwangsehen kommt es auch weiterhin (SEMG 8.11.2017), allerdings nur in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten (DIS 3.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Das Ausmaß ist unklar. Manchmal werden die Eltern der Braut bedroht. Zwangsehen der al Shabaab in städtischen Zentren sind nicht bekannt (DIS 3.2017). Die Gruppe nutzt zusätzlich das System der Madrassen (Religionsschulen), um potentielle Bräute für die eigenen Kämpfer zu identifizieren (SEMG 8.11.2017). Immer mehr junge Frauen werden radikalisiert und davon angezogen, eine "Jihadi-Braut" werden zu können (SEMG 8.11.2017; vgl. BFA 8.2017).

Al Shabaab setzt Frauen - manchmal auch Mädchen - zunehmend operativ ein, etwa für den Waffentransport in und aus Operationsgebieten; für die Aufklärung und zur Überwachung (SEMG 8.11.2017); oder als Selbstmordattentäterinnen (DIS 3.2017).

In den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten werden die Regeln der Scharia in extremer Weise angewandt - mit der entsprechenden weitergehenden Diskriminierung von Frauen als Folge (AA 1.1.2017).

Generell haben Frauen nicht die gleichen Rechte, wie Männer, und sie werden systematisch benachteiligt (USDOS 3.3.2017). Frauen leiden unter schwerer Ausgrenzung und Ungleichheit in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten (ÖB 9.2016), und unter Diskriminierung bei Kreditvergabe, Bildung und Unterbringung. Laut einem Bericht einer somaliländischen Frauenorganisation aus dem Jahr 2010 besaßen dort nur 25% der Frauen Vieh, Land oder anderes Eigentum. Allerdings werden Frauen beim Besitz und beim Führen von Unternehmen nicht diskriminiert - außer in den Gebieten der al Shabaab (USDOS 3.3.2017).

Spezifisch als mögliche Ziele aufgrund von Kollaboration genannt wurden z.B. Rückkehrer in Gebiete der al Shabaab (Vorwurf der Spionage) [...]. Besonders gefährdet sind Personen, die von der al Shabaab als Spione wahrgenommen werden. Es kommt fast täglich zu Übergriffen bis hin zur Exekution von der Spionage verdächtigten Personen (BFA 8.2017).

Aufgrund der anhaltend schlechten Sicherheitslage sowie mangels Kompetenz der staatlichen Sicherheitskräfte und Justiz muss der staatliche Schutz in Süd-/Zentralsomalia als schwach bis nicht gegeben gesehen werden (ÖB 9.2016).

Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann also in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängen. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem wenn sie aus dem Westen zurückkehren (ÖB 9.2016).

b) Aus dem Fact Finding Mission Bericht, Staatendokumentation, Schweizer Staatssekretariat für Migration, Sicherheitslage, August 2017:

Der Raum zwischen Adan Yabaal und der Küste kann als ‚bandits country' mit geringer Präsenz der al Shabaab bezeichnet werden.

Adan Yabaal wurde 2016 von der ENDF eingenommen; derzeit befindet sich dort jedenfalls ein Stützpunkt der SNA, möglicherweise auch Truppen der AMISOM bzw. der ENDF.

Inwiefern somalische Truppen in der Lage sein werden, die Orte und FOBs in Eel Leheli, Goof Gaduud, Afcad, Adan Yabaal, Wabxo, Miir Taqwo, Biyo Cado, Abadale Birole und Badhaade ohne ausländische Unterstützung zu halten, bleibt abzuwarten.

1.3. Festgestellt wird, dass große Teile des ländlichen Gebiets, in dem sich auch das Dorf der ersten beschwerdeführenden Partei befindet, von Al Shabaab kontrolliert werden, und dass Adan Yabaal - der nächste größere Ort des Heimatdorfes - als geographische Markierung von Al Shabaab Einfluss in den Norden davon angenommen wird. Darüberhinaus wird festgestellt, dass es in Adan Yabaal einen Stützpunkt der SNF gibt; die Stärke der Kontrolle der Regierung in Adan Yabaal wird aber angezweifelt. Daher wird eine entsprechend hohe Al Shabaab Präsenz, wenn nicht sogar eine Kontrolle durch die Miliz, im Herkunftsort der ersten beschwerdeführenden Partei festgestellt.

Im Falle einer Rückkehr nach XXXX würde die erste beschwerdeführende Partei durch die Maßnahmen der Al Shabaab insbesondere Frauen gegenüber bereits von einer konkreten Bedrohung durch die Miliz betroffen sein.

Von einer Schutzfähigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden in XXXX wird nicht ausgegangen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der ersten beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden.

Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellung, dass die zweite beschwerdeführende Partei in Österreich geboren wurde, sowie dass die erste beschwerdeführende Partei ihre Mutter ist, ergibt sich aus der im Akt befindlichen Geburtsurkunde vom XXXX .2018.

Die Feststellung zur Herkunft der ersten beschwerdeführenden Partei aus XXXX in der Region Middle Shabelle wurden bereits von der belangten Behörde getroffen (vgl. S. 12 des angefochtenen Bescheids). Die Feststellung zur Verortung des Heimatortes in Middle Shabelle in der Umgebung von Adan Yabaal gründet sich auf die nicht angezweifelten Angaben der ersten beschwerdeführenden Partei.

Die Feststellungen zur Schulbildung, zur Berufstätigkeit und zur Eheschließung im Jahr 2010 und zu den Familienangehörigen der ersten beschwerdeführenden Partei in Somalia basieren auf ihren glaubhaften Angaben im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Hinsichtlich der Clanzugehörigkeit der ersten beschwerdeführenden Partei gilt es festzuhalten, dass sie anfangs der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nach vorheriger Zusicherung im Verfahren, beim Clan der XXXX handle es sich um keinen Minderheitenclan (Aktenseite 49 ff), erstmals vorbrachte, dieser werde als Subclan der Madhibaan betrachtet (Seite 6 des Verhandlungsprotokolls). In weiterer Folge präzisierte die erste beschwerdeführende Partei diese Angabe jedoch dahingehend, dass, wenngleich die übrigen Subclans der Darod die XXXX als nicht ebenbürtig ansehen würden, weshalb kein Schutz von diesen zu erwarten sei, sie sich selbst jedoch sehr wohl den Darod als zugehörig betrachte (Seite 7 des Verhandlungsprotokolls). Vor diesem Hintergrund konnte eine Feststellung der Clanzugehörigkeit der ersten beschwerdeführenden Partei erfolgen.

Die Feststellung, dass die erste beschwerdeführende Partei in Österreich traditionell geheiratet hat, ergibt sich aus den nicht anzuzweifelnden Angaben in der mündlichen Verhandlung und der im Akt befindlichen Übersetzung einer Heiratsurkunde des Islamischen Zentrum XXXX - XXXX vom XXXX 2018.

Die Feststellung, dass der zweite Ehemann der ersten beschwerdeführenden Partei der Vater der zweiten beschwerdeführenden Partei ist, und dass sich dieser in Deutschland aufhält, ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der ersten beschwerdeführenden Partei im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben der ersten beschwerdeführenden Partei im Laufe des Verfahrens. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit basiert auf einem Auszug aus dem Strafregister.

2.3. Die Feststellungen zu 1.2. fußen auf dem Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 12.1.2018 samt Kurzinformation vom 17.09.2018 und dem Fact Finding Mission Bericht, Staatendokumentation, Schweizer Staatssekretariat für Migration, Sicherheitslage, August 2017. Sie beruhen auf den folgenden

Detailquellen:

a) Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 12.1.2018 samt

Kurzinformation vom 17.09.2018:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258_de.html, Zugriff 14.9.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

-

DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):

South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016,

https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017

-

LI - Landinfo (20.12.2017): Somalia: Al-Shabaab utenfor byene i Sør-Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1515415669_2012.pdf, Zugriff 10.1.2018

-

NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

-

SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

-

UKHO - UK Home Office (7.2017): Country Policy and Information Note Somalia (South and Central): Fear of Al Shabaab, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1500368455_somalia-al-shabaab-cpin-v2-0.pdf, Zugriff 15.12.2017

-

UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

-

UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (18.9.2017):

Countering Al-Shabaab Propaganda and Recruitment Mechanisms in South Central Somalia,

https://unsom.unmissions.org/sites/default/files/countering_al-shabaab_propaganda_and_recruitment_mechanisms_report_final_-_14_august_2017.pdf, Zugriff 11.11.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

b) Fact Finding Mission Bericht, Staatendokumentation, Schweizer Staatssekretariat für Migration, Sicherheitslage, August 2017:

Militärstrategischer Experte, Wien. Gespräch im Juni 2017.

Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an der Ausgewogenheit, Aktualität und Verlässlichkeit der Länderinformationen zu zweifeln, und wird auch in der Stellungnahme vom 25.02.2019 nichts Gegenteiliges vorgebracht.

2.4. Die Feststellung, dass es in der Heimatregion der ersten beschwerdeführenden Partei eine sehr hohe Präsenz der Al Shabaab gibt - und sich damit das Dorf XXXX wahrscheinlich unter der Kontrolle der Al Shabaab befindet-, ergibt sich einerseits aus den glaubhaften Angaben der ersten beschwerdeführenden Partei im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wonach sich das Dorf XXXX in der Umgebung des Ortes Adan Yabaal befindet, und andererseits aus den Länderinformationen, wonach das Gebiet zwischen Maxaas und Adan Yabaal im Einflussbereich der Miliz steht.

Dabei wird nicht übersehen, dass sich aus dem Bericht der Fact Finding Mission aus 2017 ergibt, dass Adan Yabaal selbst 2016 von der ENDF eingenommen wurde und sich derzeit dort jedenfalls ein Stützpunkt der SNA befindet. Jedoch geht aus den angeführten Länderinformationen weiter hervor, dass unklar ist, inwieweit die somalischen Truppen in der Lage sein werden, den Ort ohne ausländische Truppen zu halten, was für eine schwache Kontrollsituation durch die somalischen Regierungseinrichtungen spricht.

Vor diesem Hintergrund kann bzw. muss angenommen werden, dass das Gebiet um den Ort Adan Yabaal, in dem sich der Herkunftsort der ersten beschwerdeführenden Partei befindet, immer noch unter der Kontrolle der Al Shabaab steht.

Vermeint die belangte Behörde, das Fluchtvorbringen der ersten beschwerdeführenden Partei stelle sich deshalb nicht mehr als aktuell dar, da Al Shabaab im Gegensatz zum Jahr 2013 nur noch eingeschränkt Gebietshoheit verzeichnen könne (Seite 46 des Bescheides vom XXXX .2017), muss darauf hingewiesen werden, dass Al Shabaab wie zuvor festgestellt wurde, den Heimatort der ersten beschwerdeführenden Partei sehr wahrscheinlich nach wie vor kontrolliert. Auch ergibt sich aus den Länderberichten eindeutig, dass es in Gebieten, die von Al Shabaab kontrolliert werden, zu Entführungen, Vergewaltigungen und Zwangsverheiratungen durch die Miliz kommt; Frauen sind dem Regime der Miliz mit besonderer Härte ausgesetzt.

Abschließend muss daher nicht festgestellt werden, ob das fluchtauslösende Vorbringen der ersten beschwerdeführenden Partei geglaubt wird oder nicht; für die rechtliche Beurteilung einer maßgeblich wahrscheinlichen und entsprechend invasiven Verfolgungsgefahr genügen die Feststellungen zum Herkunftsort als Al Shabaab kontrolliertes Gebiet sowie die Länderberichte bzw. Länderfeststellungen zum Umgang der Al Shabaab mit Frauen und Rückkehrern in ihr Gebiet, die sie leicht als Spione oder Verräter ansehen.

Die Feststellung zur fehlenden Schutzfähigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden ergibt sich aus der Kontrolllage in XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

A) Spruchpunkt I.:

3.1. Rechtsgrundlagen

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

3.1.4. Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen einer Asylwerberin gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status der Asylberechtigten oder der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jede_r Asylwerber_in erhält einen gesonderten Bescheid. Diese Bestimmungen gelten sinngemäß auch für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (§ 34 Abs. 5 AsylG).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 22 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Darüber hinaus differenziert das Gesetz beim Status der Asylberechtigten jedoch nicht. Weder kennt das Gesetz einen "originären" Status des Asylberechtigten, noch spricht das Gesetz in § 34 Abs. 4 AsylG 2005 davon, dass im Familienverfahren ein anderer, nur "abgeleiteter" Status zuzuerkennen ist. Im Gegenteil spricht der zweite Satz des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 ausdrücklich davon, dass "der" Status der Asylberechtigten zuzuerkennen ist, was nur bedeuten kann, dass der Status der Asylberechtigten an sich (ohne weitere Differenzierung) zuzuerkennen ist. Im Übrigen lässt sich auch der Status-Richtlinie 2011/95/EU eine solche Differenzierung bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entnehmen (vgl. insbesondere deren Art. 13). Ist einem Familienangehörigen - aus welchen Gründen auch immer - ohnedies der Status der Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen (vgl. VwGH, 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

3.2.1. In Hinblick auf die Situation im Herkunftsort XXXX , wo es jedenfalls eine hohe Al Shabaab Präsenz gibt und sogar davon ausgegangen werden kann, dass die Miliz wahrscheinlich die Kontrolle inne hat, gehört die erste beschwerdeführende Partei zur bestimmten sozialen Gruppe der Frauen, denen durch die radikal islamistische Miliz eine Verfolgungsgefahr in Bezug auf Zwangsverheiratung mit einem Al Shabaab Mitglied, Vergewaltigung, Entführung oder Zwangsarbeit droht. Frauen im Allgemeinen in Somalia und insbesondere in Al Shabaab kontrollierten Gebieten haben weder eine rechtliche noch eine gesellschaftliche Position dahingehend inne, ihr Schicksal im Wesentlichen selbst zu bestimmen. Zwangsehen durch Al Shabaab kommen in der Regel dort vor, wo die Gruppe die Kontrolle hat. Dort sind Frauen und Mädchen einem ernsten Risiko ausgesetzt, von Al Shabaab entführt, vergewaltigt und zu einer Ehe gezwungen zu werden. Eine Verweigerung kann für Frauen oder ihre Familien den Tod bedeuten.

Darüber hinaus können Rückkehrer_innen aus dem Westen in Al Shabaab kontrollierte Gebiete als Spione oder Verräterinnen wahrgenommen werden, was zu einer aktuellen und maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr wegen einer durch die Miliz auch nur unterstellten oppositionellen politischen und religiösen Gesinnung führt.

Der mögliche Verbleib von Familienmitgliedern in XXXX vermag da an einer konkret die erste beschwerdeführende Partei selbst treffenden Gefährdung nichts ändern.

3.2.2. Von einer entsprechenden Schutzfähigkeit und -willigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden geht das Bundesverwaltungsgericht in Hinblick auf die Kontrollsituation in XXXX durch die Al Shabaab nicht aus.

3.2.3. Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

3.2.4. Im Lichte der Rechtsprechung des VwGH zum "originären" Asyl kann eine Prüfung einer allfälligen Verfolgungsgefahr der minderjährigen zweiten beschwerdeführenden Partei entfallen.

3.2.5. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist den beschwerdeführenden Parteien nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG bzw. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 und 4 AsylG der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihnen damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2.6. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag der ersten beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Gemäß § 3 Abs. 4b AsylG gilt oben stehender Abs. 4 in einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 AsylG mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet. Die erste beschwerdeführende Partei, von der das Recht abgeleitet wird, stellte ihren Antrag auf internationalen Schutz am XXXX .2015, und damit vor dem in § 75 Abs. 24 AsylG 2005 festgelegten Stichtag 15.11.2015. Daher verfügt auch die zweite beschwerdeführende Partei nun ebenfalls über eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W211.2208968.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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