TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/17 W211 2152905-1

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Veröffentlicht am 17.05.2019
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Entscheidungsdatum

17.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W211 2152905-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX 2015 gab die beschwerdeführende Partei soweit wesentlich an, Somalia im Jahr 2014 von Mogadischu aus wegen der Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab verlassen zu haben. Sie wolle nicht sterben und auch niemanden töten. Der somalische Staat sei nicht in der Lage sie vor Al Shabaab zu schützen.

3. Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX 2016 gab die beschwerdeführende Partei soweit wesentlich an, sie gehöre dem Clan der XXXX bzw. XXXX an und stamme aus dem Ort XXXX in der Region Shabelle Dhexe. Dort habe sie ihr gesamtes Leben bis zu ihrer Ausreise verbracht. In Somalia habe sie drei Jahre die Volkschule und sechs Jahre die Hauptschule besucht. Als sie sich im Laufe ihrer Flucht in Kenia aufgehalten habe, habe ihr ein somalischer Schlepper mitgeteilt, dass ihre Familie, bestehend aus ihren Eltern und acht Geschwistern, ihren Heimatort mittlerweile verlassen habe. Wo sich diese aufhalte wisse, die beschwerdeführende Partei nicht. Zuletzt habe sie zu einem in Somalia befindlichen Onkel telefonischen Kontakt gehabt. Zu ihrem Fluchtgrund befragt gab die beschwerdeführende Partei an, dass, nachdem sie im Jahr 2013 die Hauptschule abgeschlossen habe, sie Ende Juli bzw. Anfang August 2014 eine Nachricht des Schuldirektors erhalten habe, wonach sich alle Schüler zum Nachmittagsgebet treffen müssten. Im Laufe des Treffens seien jedoch Angehörige der Al Shabaab erschienen und hätten die Schüler aufgefordert sich der Gruppierung anzuschließen. Als sich die beschwerdeführende Partei geweigert habe, habe sie Zeit zum Überlegen erhalten und sei nachhause geschickt worden. Zwei Tage später habe die beschwerdeführende Partei zwei Mitglieder der Al Shabaab auf der Straße angetroffen, die sie nach ihrer Entscheidung gefragt hätten. Sie habe sich abermals geweigert, Mitglied der Miliz zu werden und sei deshalb verwarnt worden. Als die beschwerdeführende Partei wiederum zwei Tage später öffentlich Musik gehört habe, sei sie von mehreren Angehörigen der Al Shabaab geschlagen und zu einer ehemaligen Polizeistation gebracht worden. Nach einer Nacht in Haft sei sie nach Geedka Aden, ein Straflager der Al Shabaab für junge Leute, gebracht worden. Nachdem die beschwerdeführende Partei mehrmals misshandelt worden sei, habe sie zugestimmt sich der Miliz anzuschließen. Anschließend habe man sie in ein Dorf namens Al Kafther gebracht, wo sie trainiert worden sei und insgesamt achtzehn Tage verbracht habe. Als sie einmal im Wald Holz sammeln habe müssen, habe sie einen alten Mann angetroffen, der ihr ein Handy geliehen habe. Damit habe sie ihren Onkel kontaktiert, der ihr geraten habe zu fliehen. Als eines freitags wenige Al Shabaab-Mitglieder im Lager gewesen seien, sei der beschwerdeführenden Partei die Flucht geglückt und sie sei nach Mogadischu gereist. Von dort aus sei sie über Kenia aus Somalia ausgereist.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde stellte die Clanzugehörigkeit und die Herkunft der beschwerdeführenden Partei fest, nicht jedoch, dass die beschwerdeführende Partei einer Verfolgung oder Bedrohung durch Al Shabaab ausgesetzt sei.

5. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht und vorgebracht, dass der beschwerdeführenden Partei im Falle einer Rückkehr nach Somalia eine abermalige Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab drohe, bzw. sie als Deserteur Verfolgungshandlungen seitens der Miliz ausgesetzt sei. Auch sei zu befürchten, dass die beschwerdeführende Partei aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit in Somalia Diskriminierungen ausgesetzt sei.

6. Am XXXX 2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen sie nach ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich bereits mit Beschwerdevorlage für die Teilnahme an der Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:

1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Somalias. Sie stellte am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.2 Die beschwerdeführende Partei stammt aus dem Ort XXXX in der Region Middle Shabelle und gehört dem Clan der XXXX an.

Die beschwerdeführende Partei besuchte in Somalia drei Jahre die Volkschule und sechs Jahre die Hauptschule und arbeitete anschließend im Teehaus ihrer Mutter.

Die Familie der beschwerdeführenden Partei, bestehend aus ihren Eltern und acht Geschwistern, hat XXXX . Verlassen, wobei die beschwerdeführende Partei deren Aufenthaltsort nicht kennt. Die beschwerdeführende Partei hat zur Zeit keinen Kontakt zu ihren Verwandten. Ein Onkel der beschwerdeführenden Partei lebt in Somalia

1.1.3. Die beschwerdeführende Partei ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur relevanten Situation in Somalia wird festgestellt wie folgt:

a) Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 12.1.2018 samt Kurzinformation vom 17.09.2018:

Im Bundesstaat Hirshabelle kam es bereits kurz nach der Gründung, nämlich im August 2017, zu ersten politischen Spannungen. Das Regionalparlament wollte den Präsidenten absetzen (UNSC 5.9.2017). Bislang ist die Macht der Regierung von HirShabelle ohnehin auf Teile von Middle Shabelle bzw. Jowhar beschränkt. Sie hat Einfluss entlang der Straße von Jowhar nach Mogadischu (BFA 8.2017).

Die Grenze zum Gebiet der Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) bildet Matabaan. Im nordöstlichen Hiiraan werden einige Ortschaften östlich von Belet Weyne von der Macawuusley genannten Miliz kontrolliert. Im Grenzgebiet zu Äthiopien ist die äthiopische Liyu Police aktiv. Dies betrifft in erster Linie einen 30-40 Kilometer breiten Grenzstreifen westlich von Belet Weyne. In diesem Bereich verfügt al Shabaab nur über eine geringe Präsenz (BFA 8.2017).

Buulo Barde, Jalalaqsi und Belet Weyne befinden sich unter Kontrolle von AMISOM (DIS 3.2017). Dies gilt auch für Jowhar, Warsheikh, Balcad und Cadale sowie andere größere Städte in Middle Shabelle (BFA 8.2017; vgl. DIS 3.2017). In Hiiraan befinden sich zusätzlich in mehreren kleineren Städten Stützpunkte von AMISOM, der äthiopischen Armee, der Liyu Police und der somalischen Armee. In Middle Shabelle befinden sich Truppenteile der somalischen Armee die auch tatsächlich unter Kontrolle der Armeeführung in Mogadischu stehen (BFA 8.2017).

Große Teile des ländlichen Raumes werden von al Shabaab kontrolliert. Zwar ist die al Shabaab in Hiiraan nicht mehr so aktiv, wie zuvor (DIS 3.2017). Trotzdem verfügt sie dort über den Großraum westlich der Hauptverbindungsstraße sowie über das Gebiet zwischen Maxaas und Adan Yabaal; sowie nördlich nahezu bis zur Straße von Belet Weyne nach Dhusamareb. Der Raum zwischen Adan Yabaal und der Küste kann hingegen als ‚bandits country' mit geringer Präsenz der al Shabaab bezeichnet werden (BFA 8.2017).

In Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden. In den von al Shabaab kontrollierten Gebieten werden Unterstützer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen als militärisches Ziel definiert und entsprechend zur Ermordung freigegeben (AA 1.1.2017). Al Shabaab exekutiert vor allem jene, welche der Spionage für oder Kollaboration mit der Regierung bezichtigt werden (HRW 12.1.2017).

Die Schwelle dessen, was die al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, ist mitunter sehr niedrig angesetzt. Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden. Generell sind aber das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt (BFA 8.2017).

Besonders gefährdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfüllen:

a) die Kollaboration ist offensichtlich; b) der Ort lässt eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu; c) eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (BFA 8.2017).

Spezifisch als mögliche Ziele aufgrund von Kollaboration genannt wurden z.B. Rückkehrer in Gebiete der al Shabaab (Vorwurf der Spionage); Händler/Wirtschaftstreibende, welche z.B. AMISOM beliefern; Arbeiter oder Handwerker, die z.B. für Ministerien tätig werden; Hotels, die Politikern Unterkunft geben. Besonders gefährdet sind Personen, die von der al Shabaab als Spione wahrgenommen werden. Es kommt fast täglich zu Übergriffen bis hin zur Exekution von der Spionage verdächtigten Personen (BFA 8.2017).

Die Menschen auf dem Gebiet der al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Alle Bewohner der Gebiete von al Shabaab müssen strenge Vorschriften befolgen, z. B. Kleidung, Eheschließung, Steuerzahlung, Teilnahme an militärischen Operationen, Rasieren, Spionieren, Bildung etc. (DIS 9.2015). Mit den damit verbundenen harten Bestrafungen wurde ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2016). Das Brechen von Vorschriften kann zu schweren Strafen bis hin zum Tod führen (DIS 9.2015).

Al Shabaab foltert und exekutiert Personen, denen die Gruppe Spionage vorwirft, oder welche sich nicht an ihre Interpretation der Scharia halten (AI 22.2.2017). Außerdem richtet al Shabaab regelmäßig und ohne ordentliches Verfahren Menschen unter dem Vorwurf hin, diese hätten mit der Regierung, einer internationalen Organisation oder einer westlichen Hilfsorganisation zusammengearbeitet (AA 1.1.2017; vgl. AI 22.2.2017).

In ihrem Gebiet hält al Shabaab vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert al Shabaab in kleinen, mobilen Gruppen (LI 20.12.2017). Die Gruppe verfügt nicht nur über Kämpfer und Agenten, sie kann auch auf Sympathisanten zurückgreifen (NLMBZ 11.2017). Nominell ist die Reichweite der al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia damit unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuschlagen zu können (BFA 8.2017). Die al Shabaab übt über das Jubatal Kontrolle aus und kann sich auch in vielen anderen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (USDOS 3.3.2017). Al Shabaab beherrscht weiterhin große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia, v.a. in Bay, Gedo, Lower Shabelle und Middle Juba (AI 22.2.2017; vgl. BFA 8.2017). Auch rund um Städte in Süd-/Zentralsomalia, die von nationalen oder regionalen Sicherheitskräften und/oder AMISOM gehalten werden (SEMG 8.11.2017), kontrolliert al Shabaab den ländlichen Raum und wichtige Versorgungsstraßen (SEMG 8.11.2017; vgl. UKHO 7.2017). Dadurch gelingt es der Gruppe, große Teile der Bevölkerung von einer Versorgung abzuschneiden (SEMG 8.11.2017).

Die al Shabaab rekrutiert Kinder und zwingt diese, an Kampfhandlungen teilzunehmen (USDOS 3.3.2017). Rekrutiert wird vorwiegend in den Gebieten unter Kontrolle der al Shabaab (DIS 3.2017). Insgesamt gibt es fünf Hauptarten der Rekrutierungsbestrebungen durch die al Shabaab:

a) direkte Rekrutierung von Frauen, arbeitslosen Jugendlichen und vulnerablen Bevölkerungsteilen; v.a. über soziale und ökonomische Anreize;

b) Zwangsrekrutierung durch Entführung, Bedrohung oder den Befehl z. B. an Eltern, einen Sohn abzugeben;

c) Rekrutierung über Dritte - über Freund und Verwandte (peer pressure);

d) Medienarbeit: Propaganda, Soziale Medien, Radio und Internet;

e) religiöse Überzeugung: Predigten und Radikalisierung in Madrassen (UNSOM 18.9.2017; vgl. DIS 3.2017)

Somalische Bürger identifizierten die Gruppe der 10-15jährigen als primäres Ziel der al Shabaab zum Zweck der Rekrutierung. Das junge Alter garantiert, dass die Rekruten noch nicht so sehr zwischen Gut und Böse unterscheiden können (UNSOM 18.9.2017).

Al Shabaab rekrutiert Kämpfer gezielt in Moscheen (ÖB 9.2016). Außerdem hat die Gruppe als Rekrutierungswerkzeug ein eigenes Madrassen-System aufgezogen. Diese ‚Bildungsmaßnahme' für Kinder und Erwachsene soll mögliche Rekruten frühzeitig indoktrinieren und ausbilden. Das System zeigt für die al Shabaab gute Erfolge. So befinden sich in den sieben Madrassen in Jilib jeweils ca. 600 15-20jährige in Ausbildung; in Saakow gibt es sechs Madrassen mit ähnlichen Besuchszahlen, wobei dort auch viele unter-15jährige den Unterricht besuchen (SEMG 8.11.2017). Die Madrassen dienen auch dazu, Mädchen als mögliche Bräute für eigene Kämpfer zu identifizieren (SEMG 8.11.2017).

Al Shabaab ist in der Lage, einen Deserteur aufzuspüren - auch auf dem Gebiete von AMISOM und der somalischen Regierung. Sie tragen wahrscheinlich ein Risiko der Verfolgung. Die al Shabaab ist in der Lage, Deserteure aus Süd-/Zentralsomalia in Puntland abfangen zu können. Allerdings sind die Ressourcen begrenzt, und so müsste für die Verfolgung eines Deserteurs in Puntland ein besonderer Grund vorliegen. In den meisten Teilen Puntlands sind Deserteure nicht gefährdet (BFA 8.2017).

Insbesondere Deserteure mittleren Ranges unterliegen dem Risiko, von der al Shabaab getötet zu werden. Doch auch einfache Mannschaftsgrade können zum Ziel werden. Inwiefern die al Shabaab tatsächlich Energie in das Aufspüren und Töten von desertierten Fußsoldaten investieren will, ist unklar. Trotzdem kann sich ein Deserteur nicht sicher sein, von al Shabaab in Ruhe gelassen zu werden. Auch in Mogadischu ist ein Deserteur nicht zwangsläufig sicher - wiewohl das Risiko von seiner Rolle innerhalb der al Shabaab abhängig zu sein scheint. Insgesamt besteht in einigen Fällen offenbar auch die Möglichkeit, dass sich ein Deserteur mit der al Shabaab verständigt - etwa durch die Zahlung von Geldbeträgen.

b) Aus dem Fact Finding Mission Bericht, Staatendokumentation, Schweizer Staatssekretariat für Migration, Sicherheitslage, August 2017:

Der Raum zwischen Adan Yabaal und der Küste kann als ‚bandits country' mit geringer Präsenz der al Shabaab bezeichnet werden.

Adan Yabaal wurde 2016 von der ENDF eingenommen; derzeit befindet sich dort jedenfalls ein Stützpunkt der SNA, möglicherweise auch Truppen der AMISOM bzw. der ENDF.

Inwiefern somalische Truppen in der Lage sein werden, die Orte und FOBs in Eel Leheli, Goof Gaduud, Afcad, Adan Yabaal, Wabxo, Miir Taqwo, Biyo Cado, Abadale Birole und Badhaade ohne ausländische Unterstützung zu halten, bleibt abzuwarten.

1.3. Es wird festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei 2014 in XXXX von Mitgliedern der Al Shabaab, in Folge ihrer Weigerung sich der Miliz anzuschließen, entführt und in zwei Lagern der Miliz mehrere Tage festgehalten wurde, bevor ihr die Flucht gelang.

Es wird weiter festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr nach XXXX , in einen Ort im Einflussgebiet der Al Shabaab, einer Gefährdung durch die Al Shabaab unterliegen würde.

Eine Schutzfähigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden kann nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden.

Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zur Herkunft, zum Schulbesuch und zur Clanzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Verfahren. Die Herkunft und die Clanzugehörigkeit wurden außerdem bereits durch die Behörde festgestellt.

Die Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei über den Aufenthaltsort ihrer Verwandten in Somalia nicht Bescheid weiß und mit diesen in keinem Kontakt steht, beruht auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben im Laufe der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung, dass sich ein Onkel der beschwerdeführenden Partei in Somalia aufhält beruht ebenfalls auf ihren glaubhaften Angaben im Laufe der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand gründet sich auf die Angaben der beschwerdeführenden Partei im Laufe der mündlichen Verhandlung und auf das Fehlen anderslautender Informationen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf einem Auszug aus dem Strafregister.

2.3. Die Feststellungen zu 1.2. fußen auf dem Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 12.1.2018 samt Kurzinformation vom 17.09.2018 und dem Fact Finding Mission Bericht, Staatendokumentation, Schweizer Staatssekretariat für Migration, Sicherheitslage, August 2017. Sie beruhen auf den folgenden

Detailquellen:

a) Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 12.1.2018 samt

Kurzinformation vom 17.09.2018:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258_de.html, Zugriff 14.9.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

-

DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):

South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016,

https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017

-

LI - Landinfo (20.12.2017): Somalia: Al-Shabaab utenfor byene i Sør-Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1515415669_2012.pdf, Zugriff 10.1.2018

-

NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

-

ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

-

SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

-

UKHO - UK Home Office (7.2017): Country Policy and Information Note Somalia (South and Central): Fear of Al Shabaab, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1500368455_somalia-al-shabaab-cpin-v2-0.pdf, Zugriff 15.12.2017

-

UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

-

UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (18.9.2017):

Countering Al-Shabaab Propaganda and Recruitment Mechanisms in South Central Somalia,

https://unsom.unmissions.org/sites/default/files/countering_al-shabaab_propaganda_and_recruitment_mechanisms_report_final_-_14_august_2017.pdf, Zugriff 11.11.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

b) Fact Finding Mission Bericht, Staatendokumentation, Schweizer Staatssekretariat für Migration, Sicherheitslage, August 2017:

Militärstrategischer Experte, Wien. Gespräch im Juni 2017.

Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an der Ausgewogenheit, Aktualität und Verlässlichkeit der Länderinformationen zu zweifeln.

2.4. Die Feststellung, dass sich der Ort Adan Yabaal im Einflussgebiet der Al Shabaab befindet, ergibt sich aus den angeführten Länderinformationen und den damit übereinstimmenden glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei.

Dabei wird nicht übersehen, dass sich aus dem Bericht der Fact Finding Mission aus 2017 ergibt, dass Adan Yabaal 2016 von der ENDF eingenommen wurde und sich derzeit dort jedenfalls ein Stützpunkt der SNA befindet. Jedoch geht aus den angeführten Länderinformationen weiter hervor, dass unklar ist, inwieweit die somalischen Truppen in der Lage sein werden den Ort ohne ausländische Truppen zu halten. Generell werden große Teile des ländlichen Raumes von Middle Shaballe und Hiiraan von Al Shabaab kontrolliert. Zwar ist die Al Shabaab in Hiiraan nicht mehr so aktiv wie zuvor, trotzdem verfügt sie dort etwa über den Großraum westlich der Hauptverbindungsstraße sowie über das Gebiet zwischen Maxaas und Adan Yabaal.

Vor diesem Hintergrund kann nicht davon gesprochen werden, dass somalische Truppen eine ausreichend stabile Kontrolle über den Ort Adan Yabaal ausüben. Der Ort wurde außerdem erst im Jahr 2016, also nach der Ausreise der beschwerdeführenden Partei, von der ENDF, also von äthiopischen Einheiten, übernommen. Ein wie von der beschwerdeführenden Partei geschildertes Szenario einer Zwangsrekrutierung in Adan Yabaal erscheint somit rückblickend und im Lichte der Kontrolllage jedenfalls plausibel.

Wenn die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung festhält, die Angaben der beschwerdeführenden Partei zu einer erfolgten Zwangsrekrutierung durch Al Shabaab würden sich als lebensfern, äußerst vage und sprunghaft erweisen, weshalb ihnen keine Glaubhaftigkeit zukomme, kann diese Ansicht von der erkennenden Richterin nicht geteilt werden: Die von der beschwerdeführenden Partei im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gemachten Ausführungen zu ihrer Mitnahme und Verbringung in ein Lager der Al Shabaab aufgrund ihrer Weigerung, sich der Miliz anzuschließen, und zu ihrer mehrtägigen Festhaltung sind in sich schlüssig und stimmen weitgehend mit ihren in den beidem Einvernahme vor der belangten Behörde (AS 69ff) gemachten Angaben überein, wobei diese jedoch nicht gänzlich wortgleich bzw. vollkommen ident sind, was darauf hinweist, dass die beschwerdeführende Partei tatsächlich von selbst Erlebtem berichtet und nicht eine auswendig gelernte Erzählung wiedergibt.

Auch fällt auf, dass die beschwerdeführende Partei im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in der Lage war, ihren Alltag in jenem Ausbildungslager der Miliz, in dem sie mehrere Tage festgehalten wurde (siehe Seite 7 f des Verhandlungsprotokolls) lebensnah und detailreich zu schildern.

Hinsichtlich ihrer Flucht aus besagtem Camp brachte die beschwerdeführende Partei im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Folgendes vor (Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll):

"[...] R: Erzählen Sie genauer, wie Sie diesen Mann getroffen haben mit dem Telefon?

P: Während der Läufe haben wir oft eine kleine Pause bekommen. Eines Tages begleitete uns nur ein Al-Shabaab Mann. Der Al-Shabaab Mann hat sich mit etwas beschäftigt und ging etwas weg. Wo wir das Training bekommen haben, gab es Landwirtschaft, wo Mango gepflanzt war. Wir haben diese Mango gegessen, die anderen Gefangenen und ich. Ich habe einen Nomadenmann gesehen, der auf seine Tiere aufgepasst hat. Er hatte ein Handy und ich habe ihn gebeten, dieses zu benutzen. Mein Vater hatte kein Handy. Ich habe versucht meine Mutter zu erreichen. Das Handy meiner Mutter hat nicht funktioniert. Ich habe dann meinen Onkel angerufen. Als ich meinem Onkel den Vorfall erzählt habe, sagte er, ich solle eine Chance suchen, zu flüchten. Ich habe zu meinem Onkel gesagt, dass ich in einem Dorf bin namens Kawsar. Dann habe ich zu meinem Onkel gesagt, meistens haben wir freitags keine Wachmänner. Mein Onkel hat zu mir gesagt, es gibt LKWs, die durch Kawsar durchfahren und nach Jowhar und weiter nach Mogadishu fahren. Es gibt eine Straße, die Jidcade heißt. Mein Onkel hat gesagt, dass ich dort stehen soll und so einen LKW anhalten kann.

R: Wie sind Sie aus dem Camp hinausgekommen, damit Sie nach Jidcade kommen?

P: Es war an einem Freitag und es gab nur einen Wachmann. Es gab keinen richtigen Zaun, sondern nur einen kleinen Zaun aus Holz. Ich konnte in der Nacht flüchten, weil der Zaun nicht so hoch war. Ich bin über den Zaun darüber gesprungen. [...]"

Wie aus der zitierten Passage des Verhandlungsprotokolls hervorgeht stellt sich auch das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei zu ihrer Flucht aus jenem Ausbildungslager nach erfolgter Kontaktaufnahme mit ihrem Onkel, der in weiterer Folge ihre Ausreise aus Somalia organisierte, als nachvollziehbar dar.

Es konnten daher Feststellungen zu einer Entführung der beschwerdeführenden Partei durch Al Shabaab im Jahr 2014 samt anschließender Festhaltung in zwei Lagern und zu einer erfolgreichen Flucht erfolgen.

Al Shabaab ist nach den Länderinformationen für ihr autoritäres und repressives Regime bekannt; die Miliz foltert und exekutiert Personen, denen die Gruppe Spionage vorwirft und setzt Menschen in von ihr kontrollierten Gebieten harten Strafen aus. Zwangsrekrutierungen durch Al Shabaab kommen vor, auch durch Entführung, Bedrohung oder Befehl.

Vermeint die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, dass aufgrund der Vielzahl an Schulkollegen der beschwerdeführenden Partei , die sich Al Shabaab freiwillig angeschlossen hätten, nicht angenommen werden könne, dass ein besonderes Interesse seitens der Miliz an einer Bestrafung ihrer Person bestehe (siehe Seite 63 des angefochtenen Bescheides), muss darauf hingewiesen werden, dass, wenngleich es sicher stimmt, dass es sich bei der beschwerdeführenden Partei um kein "high profile" Ziel der Al Shabaab handelt, die Länderinformationen trotzdem besagen, dass auch nicht so bedeutende Deserteure als Personen, die sich durch ihre Flucht gegen die Miliz gestellt haben, grundsätzlich verfolgt und bestraft werden können. Es muss in Hinblick auf die Berichte der beschwerdeführenden Partei gerade auch über ihre Schulkollegen davon ausgegangen werden, dass sie im Falle ihrer Rückkehr wiedererkannt und als Verweigerer und damit Oppositioneller wahrgenommen oder der Spionage verdächtigt werden würde. Im Lichte der nicht sehr ausgeprägten Kontrolllage durch die regierungsnahen Kräfte und die hohe Präsenz von Al Shabaab in der Umgebung des Herkunftsorts der beschwerdeführenden Partei sowie ihrer früheren Kontakte mit Al Shabaab Mitgliedern konnte daher eine entsprechende Feststellung zu einer Gefährdung getroffen werden.

2.5. Die Feststellung zur fehlenden Schutzfähigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden ergibt sich aus der Kontrolllage in Adan Yabaal.

2.6. Im Lichte der getroffenen Feststellungen muss nicht mehr geprüft werden, ob der beschwerdeführenden Partei in Somalia eine Gefahr aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit drohen würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

A) Spruchpunkt I.:

3.1. Rechtsgrundlagen:

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

3.2.1. Aufgrund der getroffenen Feststellungen muss angenommen werden, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr in ihre Heimatregion einer aktuellen und maßgeblichen Verfolgungsgefahr durch Al Shabaab wegen einer ihr auch nur unterstellten oppositionellen religiösen oder politischen Gesinnung unterliegen würde.

3.2.2. Von einer entsprechenden Schutzfähigkeit und -willigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden geht das Bundesverwaltungsgericht in Hinblick auf die unsichere Kontrollsituation in Adan Yabaal nicht aus.

3.2.3. Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

3.2.4. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist der beschwerdeführenden Partei nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.3. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 2016/24 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, Schutzunfähigkeit,
Schutzunwilligkeit, Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W211.2152905.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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