TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/25 Ra 2018/09/0209

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.2019
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG §2 Abs2
AuslBG §28 Abs1
AuslBG §3 Abs1
VStG §20
VStG §45 Abs1
VStG §45 Abs1 Z4
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision der Bezirkshauptmannschaft Freistadt gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 10. September 2018, LVwG-300846/18/KI/CG, betreffend Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: M W in T, vertreten durch die Jaeger Loidl Welzl Schuster Schenk Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Hauptplatz 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 11. September 2015 wurde die Mitbeteiligte wegen der Beschäftigung eines namentlich genannten rumänischen Staatsangehörigen vom 1. Jänner 2013 bis 29. Juli 2013, obwohl für diesen keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen sei, einer Übertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigu ngsgesetz (AuslBG) für schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe von 1 000 Euro (im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden) verhängt.

2 Der dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insofern Folge, als es statt der Verhängung einer Strafe eine Ermahnung aussprach. Die Revision erklärte es für nicht zulässig. 3 Auf Tatsachenebene ging das Verwaltungsgericht im Wesentlichen davon aus, dass der Ausländer nur für die Mitbeteiligte als Paketzusteller tätig gewesen sei. Das für die Zustellungen verwendete Kraftfahrzeug, der Scanner und die Tankkarte seien ihm von der Mitbeteiligten gegen eine Gebühr zur Verfügung gestellt worden, wobei der Scanner von einem namentlich genannten, internationalen Paketdienst stamme. Der Ausländer habe lediglich von diesem Unternehmen beauftragte Touren für die Mitbeteiligte durchgeführt, die die Toureneinteilung vorgenommen habe. Die Rechnungslegung sei - entgegen der vertraglichen Vereinbarung - nicht durch den Ausländer sondern durch die Mitbeteiligte erfolgt, wobei Mietentgelte bereits abgezogen worden seien. Nur die Differenz sei an den Ausländer ausbezahlt worden. Die Arbeitskleidung sei ebenso wie ein Ausweis für den Zutritt vom Paketdienst gestellt worden. Das zu verwendende Kraftfahrzeug habe dessen Farben und Aufschrift gehabt. Der zeitliche Rahmen für die Abholung und die Zustellung sei vorgegeben gewesen. Auch weitere Zustellungen seien von der Mitbeteiligten vorgegeben worden. Eine Abwesenheit habe der Ausländer der Mitbeteiligten zu melden gehabt, die dann selbst eingesprungen sei oder einen Ersatzfahrer gesucht habe. Der Ausländer verfüge zwar über eine Gewerbeberechtigung für das Güterbeförderungsgewerbe sowie eine Steuernummer und sei zur GSVG gemeldet gewesen. Ihm fehle es jedoch an unternehmerischem Risiko sowie der für eine selbständige Gewerbeausübung erforderlichen Geschäftsführung. Das Dienstverhältnis sei am 17. Jänner 2014 aufgelöst worden. Im Jahr 2013 habe die Mitbeteiligte sowohl selbständige Frachtführer als auch angestellte Zusteller verwendet; nunmehr beschäftige sie nur mehr angestellte Zusteller.

4 Rechtlich beurteilte das Landesverwaltungsgericht den Sachverhalt dahingehend, dass unter dem Blickwinkel der gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise der objektive Tatbestand des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG verwirklicht sei. Im Sinn des § 5 Abs. 1 VStG sei von Fahrlässigkeit und schuldhaftem Verhalten der Mitbeteiligten auszugehen.

5 Im Zusammenhang mit der Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht aus, dass bereits die belangte Behörde die vorgesehene Mindeststrafe verhängt und eine lange Verfahrensdauer zwischen dem Tatzeitraum und der Erlassung des Straferkenntnisses von über zwei Jahren als mildernd berücksichtigt habe. Im Hinblick auf die Aussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ab 20. November 2015 wegen eines beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Beschwerdeverfahrens betreffend die Versicherungspflicht nach den ASVG bis zu dessen Erkenntnis am 12. Juni 2018 seien weitere drei Jahre seit der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses vergangen. Es sei daher von keiner im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK "noch gänzlich angemessenen Verfahrensdauer" auszugehen. Dieser Umstand sei im Sinn des § 34 Abs. 2 StGB bei der Strafbemessung entsprechend zu werten gewesen. Mildernd wertete das Verwaltungsgericht ferner, dass die Mitbeteiligte keine selbständigen Zusteller mehr beauftrage, nur mehr angestellte Zusteller im Betrieb habe und sich seit dem Tatzeitpunkt - fünf Jahre - wohlverhalten habe. Im Grunde der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls vermeinte das Verwaltungsgericht, dass daher von einer Strafe abzusehen und gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG eine Ermahnung zu erteilen gewesen sei.

6 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass es bei der Beurteilung der Strafbarkeit nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen und die Strafbemessung aufgrund der besonderen Umstände im Einzelfall erfolgt sei. 7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die revisionswerbende Partei bringt unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision vor, dass die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das kumulative Vorliegen der darin genannten Umstände voraussetze. Von dieser Rechtsprechung sei das Landesverwaltungsgericht abgewichen, indem es sich mit diesen Umständen nicht auseinandergesetzt habe.

9 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. 10 Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG in Verbindung mit § 38 VwGVG hat das Verwaltungsgericht von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann dem Beschuldigten in diesem Fall gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens eine Ermahnung erteilt werden, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG voraus, dass die dort genannten Umstände kumulativ vorliegen. Um daher eine Einstellung des Verfahrens nach dieser Vorschrift oder - wie im vorliegenden Fall - eine Ermahnung im Sinne des § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG vornehmen zu können, müssen erstens die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, zweitens die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und drittens das Verschulden des Beschuldigten gering sein (vgl. VwGH 3.4.2019, Ra 2018/08/0241, betreffend die Übertretung des ASVG durch die Mitbeteiligte; siehe auch VwGH 21.2.2019, Ra 2018/09/0132, 0133, und die dort getroffenen Ausführungen zu den Folgen und der Intensität von Übertretungen nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG).

12 Das Landesverwaltungsgericht hat sich in Verkennung der Rechtslage mit dem Vorliegen der genannten Voraussetzungen nicht auseinandergesetzt. Für die Erteilung einer Ermahnung aufgrund der dafür ins Treffen geführten Milderungsgründe der langen Verfahrensdauer und des seither gegebenen Wohlverhaltens - die allenfalls Grund für eine außerordentliche Strafmilderung nach § 20 VStG sein können - bietet § 45 Abs. 1 Z 4 VStG jedoch keine Grundlage.

13 Zur Verfahrensdauer ist abschließend zunächst anzumerken, dass die Mitbeteiligte selbst die Aussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens anregte. Eine Aussetzung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren im Hinblick auf das die Versicherungspflicht nach den ASVG klärende Verfahren wäre aber schon deshalb nicht geboten gewesen, weil - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannte - für eine strafbare Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgehend von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bereits das Vorliegen eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses ausreichend ist (siehe etwa VwGH 20.3.2019, Ro 2018/09/0007, mwN).

14 Das angefochtene Erkenntnis war somit wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 25. April 2019

Schlagworte

Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018090209.L00

Im RIS seit

05.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten