Index
E000 EU- Recht allgemeinNorm
AVG §8Betreff
?
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der Ö, vertreten durch Mag. Dr. Gerit Katrin Jantschgi, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Bischofplatz 3/1. Stock, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 8. Mai 2018, Zl. LVwG 41.34-835/0218-8, betreffend Zuerkennung der Parteistellung in einem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landeshauptmann von Steiermark; mitbeteiligte Partei: S GmbH in S, vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Landeshauptmann von Steiermark (LH) genehmigte mit Bescheid vom 24. Mai 2007 unter der Annahme einer Ausnahme vom Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie 2000/60 (WRRL) bzw. des § 104a WRG 1959 den Rechtsvorgängern der mitbeteiligten Partei die Errichtung und den Betrieb des Trinkwasserkraftwerkes S - Kraftwerk S. Der Antrag zur Erteilung der wasserrechtlichen Genehmigung war am 20. August 2003 bei der Behörde eingebracht worden.
2 Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte in dieser Angelegenheit mit Urteil vom 4. Mai 2016, C-346/14, fest, dass der LH das streitige Vorhaben insgesamt, einschließlich seiner unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf die Ziele der WRRL, geprüft habe und zum Schluss gekommen sei, dass die Voraussetzungen für die Ausnahme vom Verschlechterungsverbot erfüllt seien. Insbesondere habe er im Rahmen dieser Prüfung berücksichtigt, dass dieser Fluss von sehr hoher ökologischer Qualität sei, aber angenommen, dass angesichts der verschiedenen von dem Vorhaben zu erwartenden Vorteile die damit verbundenen öffentlichen Interessen eindeutig die Auswirkungen für das von dieser Richtlinie verfolgte Ziel der Vermeidung einer Verschlechterung überstiegen. Er habe sich daher nicht bloß in abstrakter Weise auf das übergeordnete allgemeine Interesse gestützt, das die Erzeugung erneuerbarer Energien darstellte, sondern seiner Schlussfolgerung, dass die Bedingungen für eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot erfüllt seien, eine detaillierte und spezifische wissenschaftliche Prüfung dieses Vorhabens zugrunde gelegt. Aus alledem folge, dass der LH sämtliche in Art. 4 Abs. 7 der WRRL vorgesehene Bedingungen berücksichtigt habe und zu Recht annehmen habe können, dass diese erfüllt seien.
3 Ein bereits 2012 gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung der Revisionswerberin, einer gemäß § 19 Abs. 6 und 7 UVP-G 2000 anerkannten Umweltorganisation, wurde mit Bescheid des LH vom 22. Juli 2016 mit dem Hinweis darauf, dass der Antrag auf Zustellung des zuletzt ergangenen Bescheides für die Revisionswerberin "als übergangene Partei" das korrekte Mittel zur Rechtsverfolgung wäre, abschlägig entschieden.
4 Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ro 2014/07/0028, ua unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 4. Mai 2016 eine Revision der Revisionswerberin im Zusammenhang mit einem Verfahren nach § 21a WRG 1959 betreffend das verfahrensgegenständliche Kraftwerk als unbegründet ab. 5 Die Revisionswerberin beantragte mit Schriftsatz vom 31. Jänner 2018 die Zustellung des Bescheides des LH vom 24. Mai 2007 und begründete diesen Antrag damit, dass ihr als anerkannter Umweltorganisation aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 8.11.2016, C-243/15, Slowakischer Braunbär 2, und vom 20.12.2017, C-664/15, Protect), Parteistellung in Verfahren über die Ausnahme vom Verschlechterungsverbot gemäß § 104a WRG 1959 bzw. Art. 4 Abs. 7 WRRL sowie der Aarhus-Konvention und der Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRC) zukomme.
6 Mit Bescheid des LH vom 15. Februar 2018 wurde dieser Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung und Zustellung des Bescheides des LH vom 24. Mai 2007 abgewiesen.
7 Dies wurde unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis Ro 2014/07/0028 damit begründet, dass bereits der EuGH im Urteil vom 4. Mai 2016, C-346/14, das unionsrechtskonforme Zustandekommen der Ausnahme vom Verschlechterungsverbot und damit des Bewilligungsbescheides vom 24. Mai 2007 bestätigt habe. 8 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde, in der sie auf das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2018, Ra 2015/07/0074, verwies. Ihre Parteistellung ergebe sich nicht aus der direkten Anwendung von Art. 9 Abs. 2 bzw. Abs. 3 der Aarhus-Konvention, sondern aus der Aarhus-konformen Auslegung des Unionsrechts gemäß der jüngsten Rechtsprechung des EuGH. Unabhängig von einer potentiell erheblichen Umweltauswirkung sei Parteistellung zu gewähren; ein Verfahren nach § 104a WRG 1959 bedeute jedenfalls eine potentiell erhebliche Umweltauswirkung. Eine Präklusion sei schon vom EuGH im Fall C-664/15 (Protect) ausgeschlossen worden; es handle sich bei der Revisionswerberin um eine übergangene Partei.
9 Die Behauptung, ein Verstoß gegen nationales Umweltrecht liege nicht vor, sei unzutreffend, weil der Bewilligungsbescheid bereits einmal im Rechtsmittelverfahren aufgehoben und nur aus formellen Gründen wieder in Kraft gesetzt worden sei. Eine inhaltliche Kontrolle sei nicht erfolgt. Das Urteil des EuGH C- 664/15 (Protect) habe keine zeitliche Schranke eingezogen und entfalte daher unbeschränkt Wirkung. Der betroffene Bescheid sei keinesfalls bereits jahrelang problemlos gültig und sei auch noch nicht umgesetzt worden, sodass der Vertrauensschutz in die wasserrechtliche Bewilligung nur minimal sein könne. 10 Dazu erstattete die mitbeteiligte Partei eine Beschwerdegegenschrift, in der sie ua darauf hinwies, dass mit dem Bau des Kraftwerkes im Mai 2013 begonnen worden sei. Die Rechtmäßigkeit der Bewilligung sei sowohl innerstaatlich als auch nach Unionsrecht bestätigt worden. Das EuGH-Urteil C- 664/15 (Protect) sei für das seit über 10 Jahren rechtskräftig beendete Verfahren nicht einschlägig, habe doch die vom EuGH als wesentlicher Bestandteil seiner Entscheidung ins Treffen geführte GRC erst zwei Jahre danach Geltung erlangt. Hingegen habe das EuGH-Urteil C-346/14 bereits erwiesen, dass die Umweltauswirkungen durch das KW S alle unionsrechtlichen Vorgaben des Umweltrechts erfülle und alle Verpflichtungen eingehalten worden seien; dies sei auch vom Verwaltungsgerichtshof mehrfach bestätigt worden. Zudem sei die Revisionswerberin präkludiert. Letztlich läge der Revisionswerberin der Bescheid, dessen Zustellung sie begehre, bereits vor, weshalb der Antrag schikanös und missbräuchlich wäre. 11 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) wies die Beschwerde mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis vom 8. Mai 2018 als unbegründet ab.
12 Eingangs seiner rechtlichen Erwägungen verwies das LVwG auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Mai 2012, G 126/11-12, wodurch der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid vom 24. Mai 2007 rückwirkend Rechtskraft erlangt habe.
13 Nach Wiedergabe von Teilen des Urteils des EuGH C-346/14, des hg. Erkenntnisses vom 30. Juni 2016, Ro 2014/07/0028, und des Urteils des EuGH C-664/15 (Protect) heißt es weiter, die Revisionswerberin übersehe mit ihrem Begehren, dass Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention in Verbindung mit Art. 47 GRC eine Anfechtungsmöglichkeit für Umweltorganisationen nur insoweit einräume, als ein Bescheid möglicherweise ein gegen Verpflichtungen aus Art. 4 WRRL verstoßendes Vorhaben billige. Der EuGH habe aber in seinem Urteil C-346/14 die Zulässigkeit der Genehmigung unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten bestätigt. 14 Damit sei aber - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 30. Juni 2016, Ro 2014/07/0028, festgehalten habe -, der Revisionswerberin eine Anfechtungsmöglichkeit aus europarechtlichen Erwägungen der Boden entzogen. Ein möglicher Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 4 WRRL sei durch den EuGH bereits ausgeschlossen worden. 15 Weiters sei der Eingriff in die rechtskräftige wasserrechtliche Bewilligung durch die Entscheidung C-664/15 (Protect) nicht gedeckt. Von einer Rückwirkung dieser Entscheidung sei nicht auszugehen. Der EuGH habe im Zusammenhang mit der Rechtswirkung von Richtlinien (Rückwirkung nach Ablauf der Umsetzungsfrist) im Bereich des Umweltrechts die ständige - bis in die 1990er Jahre zurückreichende - "pipeline-Judikatur" gebildet. Demnach sei auf den Zeitpunkt der förmlichen Beantragung (Einleitung) eines umweltrechtlichen Genehmigungsverfahrens abzustellen. Liege dieser Zeitpunkt vor dem Tag des Ablaufes der Umsetzungsfrist, könnten sich Rechtsunterworfene und Mitgliedstaaten noch auf die alte Fassung des Unionsrechts berufen. Diese Einschränkung des Grundsatzes der sofortigen Wirksamkeit der Richtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist begründe der EuGH im Wesentlichen damit, dass es nicht angebracht sei, bereits auf nationaler Ebene komplexe Verfahren durch die spezifischen Anordnungen einer Richtlinie noch zusätzlich zu belasten und zu verzögern und bereits entstandene Rechtspositionen zu beeinträchtigen.
16 Der Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung sei im gegenständlichen Fall am 20. August 2003 bei der zuständigen Behörde eingebracht worden; die Bewilligung sei 2007 erteilt und letztlich rechtskräftig geworden.
17 Das Aarhus-Übereinkommen sei für Österreich am 17. April 2005 in Kraft getreten, somit fast zwei Jahre nach Einbringung des Bewilligungsantrages. Weiters sei wesentlicher Bestandteil der Entscheidung C-664/15 (Protect) die Bestimmung des Art. 47 GRC gewesen; nur in Verbindung mit dieser Bestimmung verpflichte Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention die Mitgliedstaaten zum gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere des Umweltrechts. Die GRC sei durch den Vertrag von Lissabon vom 1. Jänner 2009 - somit mehr als fünf Jahre nach Antragseinbringung und mehr als eineinhalb Jahre nach Erlassung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides - in Kraft getreten.
18 In Anwendung der sogenannten "pipeline-Judikatur" des EuGH sei zum Zeitpunkt der Einleitung bzw. förmlichen Beantragung des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens im Jahr 2003 weder die Aarhus-Konvention noch die GRC in Österreich in Kraft gewesen. Dass die Aarhus-Konvention am 17. April 2005 - vor Erlassung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides - in Kraft getreten sei, ändere nichts, weil Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention keine unmittelbare Anwendbarkeit zukomme. Unter Zugrundelegung des EuGH-Urteils vom 20. Dezember 2017, C-664/15, habe sich die Rechtslage (wenn überhaupt) erst mit Inkrafttreten der GRC am 1. Jänner 2009 geändert. Eine Rückwirkung dieses Urteils könne daher allenfalls nur bis zu diesem Zeitpunkt der Umsetzung bzw. des Inkrafttretens des Unionsrechtes bzw. des Völkerrechtes zurückreichen. Damit habe aber diese Entscheidung keine Relevanz für das gegenständliche Verfahren.
19 Auch das weitere Vorbringen der Revisionswerberin (mangelnder Vertrauensschutz auf Grund von Eingaben und Rechtsmitteln, fehlende Umsetzung des Vorhabens, Prüfung einer allfälligen UVP-Pflicht) sei nicht geeignet, eine Parteistellung im rechtskräftig abgeschlossenen Bewilligungsverfahren des Kraftwerks S darzulegen.
20 Das LVwG komme daher zum Schluss, dass es sich bei der Revisionswerberin um keine übergangene Partei im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren, welches mit Bescheid vom 24. Mai 2007 abgeschlossen worden sei, handle; der Antrag auf Zustellung des Bescheides (und Zuerkennung der Parteistellung) sei daher zu Recht abzuweisen gewesen.
21 Die ordentliche Revision wurde mit Formelbegründung nicht zugelassen.
22 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision; die Revisionswerberin macht inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend.
23 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurückweisung in eventu die Abweisung der Revision beantragte. 24 Dazu erstattete die Revisionswerberin eine Replik.
25 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
26 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
27 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 28 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
29 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
30 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung über die Revision zu lösen hätte (VwGH 21.11.2014, Ra 2014/02/0114, mwN). Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den VwGH erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (VwGH 18.1.2018, Ra 2017/07/0134, mwN).
31 2. Die Revisionswerberin macht als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 28.3.2018, Ra 2015/07/0152) ab, wo es um die Parteistellung in einem Verfahren betreffend die Änderung der Trassenführung beim verfahrensgegenständlichen Kraftwerk gegangen sei, und derzufolge Umweltorganisationen die Stellung als Partei in behördlichen Verfahren bereits aufgrund einer unionsrechtskonformen Auslegung der § 8 AVG und § 102 WRG 1959 zukomme. Die Bezugnahme des LVwG auf das hg. Erkenntnis Ro 2014/07/0028 hingegen verkenne, dass sich diese Entscheidung mit dem Parteienkreis in einem Verfahren nach § 21a WRG 1959 beschäftigt habe und somit mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar sei. Das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Ra 2015/07/0152) ab, wenn für die Parteistellung noch zusätzliche Voraussetzungen, nämlich die Prüfung, ob durch den zu bekämpfenden Bescheid ein Verstoß gegen Art. 4 WRRL vorliege, gefordert würden.
32 Der EuGH habe sich bei seiner Entscheidung C-346/14 zudem nur auf den Aktenstand gestützt und darauf verwiesen, dass ihm keine Gegengutachten vorgelegen und keine spezifische Rügen der Gutachten vorgebracht worden seien. Eine inhaltliche Prüfung der Grundlagen des Bewilligungsbescheides vom 24. Mai 2007 habe nicht stattgefunden. Insoweit bestehe die Möglichkeit für die Revisionswerberin, neue Tatsachen vorzubringen, die eine Rechtswidrigkeit des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides aufzeigen könnten.
33 Die Zuerkennung der Parteistellung sei zudem auch nach der Rechtsprechung zur UVP-Richtlinie geboten; dies deshalb, damit die Revisionswerberin, die unbestritten der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 2 UVP-RL zuzurechnen sei, die Verwaltungsentscheidung, keine UVP durchzuführen, im Materiengesetz im Rahmen eines gegen diese Entscheidung eingelegten Rechtsbehelfes anfechten könne (EuGH 16.4.2015, C- 570/13, Karoline Gruber). Die Ansicht des LVwG, daraus sei keine Parteistellung der Revisionswerberin abzuleiten, stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 5.11.2015, Ro 2014/06/0078; 27.7.2016, Ro 2014/06/0008). 34 Sollte darin kein Abweichen von der Rechtsprechung erblickt werden, werde ergänzend vorgebracht, dass es diesfalls an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, ob die Parteistellung anerkannter Umweltorganisationen im WRG-Verfahren von einem möglichen Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art. 4 WRRL abhänge; fraglich sei, ob eine solche Möglichkeit nur theoretisch vorliegen müsse oder ob auch eine tatsächliche Möglichkeit des Verstoßes vorzuliegen habe.
35 Weiters fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob die seitens des LVwG unter Hinweis auf die "pipeline-Judikatur" vertretene Ansicht, die Parteistellung einer Umweltorganisation sei mangels Rückwirkung des Urteils des EuGH, C- 664/2017 (Protect), auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren nicht gegeben, zutreffe oder nicht. Diese Judikaturlinie sei für die Frage der Rückwirkung der UVP-RL für die Durchführung einer UVP entwickelt worden (EuGH 11.8.1995, C-431/92, Kommission/Deutschland; 18.6.1998, C-81/96, Gedeputeerde Staten von Noord-Holland; 15.1.2013, C-416/10, Krizan, ua). Bei der Frage der Parteistellung gehe es jedoch vielmehr um die Verbesserung des Zugangs zu Überprüfungsverfahren hinsichtlich der Einhaltung schon zuvor verbindlicher rechtlicher Vorgaben. Das Prinzip des Vertrauensschutzes könne nicht das Vertrauen darauf umfassen, dass die Einhaltung des geltenden Rechts nicht überprüft werde. Hinsichtlich der Bestimmungen der WRRL, des Aarhus-Übereinkommens und der GRC und der damit verbundenen Parteistellung von anerkannten Umweltorganisationen in behördlichen Verfahren sei die "pipeline-Judikatur" jedoch nicht anwendbar. Zum Vorbringen zur UVP-Pflicht des gegenständlichen Verfahrens sei festgehalten, dass das gegenständliche Verfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. 10a UVP-RL 85/337/EG (nunmehr Art. 11 RL 2011/92/EU) noch nicht rechtskräftig beendet und somit diese Bestimmungen jedenfalls auf das gegenständliche Verfahren anzuwenden gewesen sei (EuGH 7.11.2013, C-72/12, Altrip, Rn. 31). 36 3. Das LVwG stützte die Versagung der Parteistellung der Revisionswerber auf zwei Argumentationslinien. Zum einen fehle wegen der Bestätigung der Unionsrechtskonformität des Bewilligungsbescheides durch den EuGH die Möglichkeit einer Verletzung von Unionsrecht; eine solche wäre aber für die Erlangung der Parteistellung nach Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention in Verbindung mit Art. 47 GRC Voraussetzung. Zum anderen sei die pipeline-Judikatur des EuGH anzuwenden, die allein auf den Antragszeitpunkt abstelle.
37 Mit der Möglichkeit der Ableitung einer Parteistellung aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur UVP-RL (EuGH 16.4.2015, C-570/13, Karoline Gruber) befasste sich das LVwG nicht.
38 Die Revision wendet sich nun gegen beide Argumentationslinien des LVwG und macht als weitere Rechtsfrage geltend, die Parteistellung sei auch aus der zuletzt genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die in Folge des EuGH-Urteils Karoline Gruber entwickelt worden sei, ableitbar. 39 3.1. Die Revision erweist sich als zulässig; so besteht noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage einer auf Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention gestützten Parteistellung von Umweltorganisationen in wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren mit Unionsrechtsbezug vor dem Hintergrund der "pipeline-Rechtsprechung" des EuGH vor dem Inkrafttreten des Aarhus-Beteiligungsgesetzes 2018, BGBl. Nr. 73.
40 3.2. Vorauszuschicken ist, dass die Revisionswerberin die Annahme des LVwG, die Umweltorganisation stütze ihre Parteistellung auf Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention, nicht substantiiert in Zweifel zieht.
41 3.2.1. Die seitens des LVwG ins Treffen geführte "pipeline-Judikatur" des EuGH fand ihren Anfang im Zusammenhang mit der Frage der Anwendbarkeit der UVP-Richtlinie auf bereits anhängige Genehmigungsverfahren (vgl. EuGH 9.8.1994, C-396/92, Bund Naturschutz in Bayern; 11.8.1995, C-431/92, Kommission/Deutschland; 18.6.1998, C-81/96, Gedeputeerde Staten van Noord-Holland). Demnach galt die Verpflichtung zur Vornahme einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach der Richtlinie nicht in Fällen, in denen das Genehmigungsverfahren vor dem 3. Juli 1988 (Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie) eingeleitet wurde und zu diesem Zeitpunkt noch lief. Dabei ging es darum, zu vermeiden, dass Verfahren, die bereits auf nationaler Ebene komplex sind und vor dem genannten Zeitpunkt förmlich eingeleitet wurden, durch die spezifischen Anforderungen der Richtlinie noch zusätzlich belastet und verzögert werden. Dabei vertrat der EuGH ua die Auffassung, dass nur das formale Kriterium der förmlichen Antragstellung dem Grundsatz der Rechtssicherheit entspreche und geeignet sei, die praktische Wirksamkeit einer Richtlinie zu erhalten.
42 In weiterer Folge wurde diese Rechtsprechung auf den Anwendungsbeginn der FFH-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie übertragen (vgl. EuGH 23.3.2006, C-209/04, Kommission/Österreich, und VwGH 29.1.2007, 2003/10/0081). Demnach unterliegen Projekte weder der FFH-Richtlinie noch der Vogelschutzrichtlinie, wenn das Bewilligungsverfahren hierüber vor deren Inkrafttreten förmlich eingeleitet wurde.
43 Der EuGH folgte in diesem Zusammenhang nicht der Auffassung der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 27. Oktober 2005, wonach die anhand der UVP-Richtlinie entwickelte Judikatur zu "Pipeline-Projekten" auf die FFH-Richtlinie nicht übertragen werden könne, weil die Letztere nicht nur verfahrensrechtliche Bestimmungen, sondern auch inhaltliche Vorgaben an eine Projektgenehmigung enthalte (vgl. Rn. 60-64 der Schlussanträge). Vielmehr vertrat der EuGH auch in dieser Entscheidung die Auffassung, dass nur das formale Kriterium der förmlichen Antragstellung dem Grundsatz der Rechtssicherheit entspreche und geeignet sei, die praktische Wirksamkeit einer Richtlinie zu erhalten. Der Umstand, dass sich bestimmte Vorschriften inhaltlich unterschieden, könne diese Beurteilung nicht in Frage stellen (Rn. 57 und 58 des Urteils). 44 3.2.2. Allerdings wurde diese Rechtsprechung - worauf die Revisionswerberin zutreffend verwies - durch den EuGH später eingeschränkt. In der Rechtssache Altrip, C-72/12, ging es um den Beginn der Rechtswirksamkeit des Art. 10a der RL 85/337/EWG (UVP-RL), in dem es ebenfalls um den Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht für Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit ging (Umsetzungsfrist war der 25. Juni 2005). Der EuGH führte in diesem Urteil nach Hinweis auf die Pipeline-Rechtsprechung Folgendes aus:
"27 Die in Art. 10a der Richtlinie enthaltenen neuen Anforderungen erschweren und verzögern jedoch als solche die Verwaltungsverfahren nicht in gleicher Weise wie die Verpflichtung, Projekte einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Wie der Generalanwalt in Nr. 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, schafft die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nämlich keine derartigen Anforderungen, sondern dient der Verbesserung des Zugangs zu einem Rechtsbehelf. Außerdem kann - auch wenn die Ausweitung des Rechts der betroffenen Öffentlichkeit zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen Handlungen oder Unterlassungen, die solche Projekte betreffen, für diese die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten erhöhen kann - nicht davon ausgegangen werden, dass eine solche Erhöhung einer bestehenden Gefahr eine bereits entstandene Rechtsposition beeinträchtigt.
28 Zwar lässt sich nicht ausschließen, dass diese Ausweitung in der Praxis die Durchführung der betreffenden Projekte verzögern wird, doch sind derartige Nachteile zwangsläufig mit der Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen im Sinne der Bestimmungen der Richtlinie 85/337 verbunden. An dieser Kontrolle wollte der Gesetzgeber der Europäischen Union, im Einklang mit den Zielen des Übereinkommens von Aarhus, die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder eine Rechtsverletzung geltend machen, beteiligen, um zur Erhaltung, zum Schutz und zur Verbesserung der Umweltqualität sowie zum Schutz der menschlichen Gesundheit beizutragen.
29 Angesichts dieser Ziele kann der in der vorstehenden Randnummer genannte Nachteil nicht als Rechtfertigung dafür dienen, den Bestimmungen des mit der Richtlinie 2003/35 eingeführten Art. 10a für Verfahren, die zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Richtlinie umgesetzt sein sollte, liefen, ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen, sofern diese Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung nach diesem Zeitpunkt geführt haben.
30 Daher können die Mitgliedstaaten, auch wenn sie aufgrund ihrer Verfahrensautonomie und vorbehaltlich der Einhaltung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität über einen Gestaltungsspielraum bei der Durchführung von Art. 10a der Richtlinie 85/337 verfügen (Urteil vom 16. Februar 2012, Solvay u. a., C-182/10, Randnr. 47), gleichwohl dessen Anwendung nicht allein den nach dem 25. Juni 2005 eingeleiteten behördlichen Genehmigungsverfahren vorbehalten."
45 Die zur Umsetzung des genannten Art. 10a UVP-RL ergangenen Vorschriften des nationalen Rechts galten daher auch für behördliche Genehmigungsverfahren, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden waren, in denen aber erst nach diesem Zeitpunkt eine Genehmigung erteilt wurde.
46 3.2.3. Es kann aber dahin stehen, ob die in Rede stehenden Bestimmungen des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention in Verbindung mit Art. 47 GRC wegen der damit ebenfalls eröffneten Möglichkeit eines Zugangs zum Recht dem Art. 10a der UVP-RL (nun Art. 11) vergleichbare Bestimmungen darstellen und daher im vorliegenden Fall die zuletzt genannte Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Altrip zu berücksichtigen wäre:
47 Wie der EuGH nämlich in seinem Urteil vom 20. Dezember 2017, C-664/15 (Protect), Rn. 45, unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung zum Ausdruck brachte, hätten lediglich "Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen", die Rechte aus Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus. Demnach habe diese Bestimmung im Unionsrecht als solche keine unmittelbare Wirkung. In Verbindung mit Art. 47 GRC verpflichte sie die Mitgliedstaaten aber dazu, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne bereits EuGH 8.3.2011, C-240/09, Lesoochranarske zoskupenie, EU:C:2011:125, Rn. 45 und 51).
48 Diese Ansicht hatte der EuGH - neben dem erwähnten Urteil vom 8.3.2011, C-240/09, Lesoochranarske zoskupenie, - bereits in seinen Urteilen je vom 13. Jänner 2015, C-401/12P bis C-403/12P, Verenigung Milieudefensie, Rn. 55, sowie C-404/12P und C-405/12P, Stichting Natuur en Milieu, Rn. 47, vertreten; demnach enthalte Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention keine unbedingte und hinreichend genaue Verpflichtung, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte (vgl. in diesem Sinne auch VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0055).
49 Daraus folgt, dass die Rechtstellung einer Umweltorganisation zur Gewährleistung von Vorschriften des Umweltrechtes (hier: als Verfahrenspartei) nicht unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention ableitbar ist, sondern dass es maßgeblich auf die Verbindung mit Art. 47 GRC ankommt; erst dadurch entsteht die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährung wirksamen gerichtlichen Schutzes der durch das Recht der Union garantierten Rechte. Eine "Rückwirkung" des Urteils des EuGH vom 20. Dezember 2017, C-664/15 (Protect), kann daher nicht weiter als bis zum Geltungsbeginn der GRC reichen.
50 3.2.4. Der Revisionswerberin kommt daher vor dem Hintergrund des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention in Verbindung mit Art. 47 GRC keine Parteistellung zur Geltendmachung möglicher Verletzungen von Unionsrecht in Verfahren zu, die vor dem Tag des Inkrafttretens der GRC rechtskräftig abgeschlossen wurden. 51 Unstrittig ist, dass im Zeitpunkt der Einleitung bzw. förmlichen Beantragung des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens im Jahr 2003 weder die Aarhus-Konvention noch die GRC in Österreich in Kraft standen. Während des Verwaltungsverfahrens trat die Aarhus-Konvention in Kraft. 52 Gegen den Bewilligungsbescheid vom 24. Mai 2007 erhob das wasserwirtschaftliche Planungsorgan Berufung. Für die Aufhebung der dessen Berufungslegitimation vorsehenden Bestimmungen des WRG 1959 durch den Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis vom 16. März 2002, G 126/11) war das vorliegenden Bewilligungsverfahren der Anlassfall, auf das diese Aufhebung zurückwirkte. Dies hatte zur Folge, dass die Berufung des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans als bereits im Zeitpunkt ihrer Erhebung unzulässige Berufung zu beurteilen war. Der Bewilligungsbescheid vom 24. Mai 2007 wurde daher bereits mit seiner Erlassung rechtskräftig.
53 Die GRC entfaltete ihre Wirksamkeit erst am 1. Jänner 2009, somit erst nach Erlassung des Bewilligungsbescheides. 54 Daraus folgt, dass der Revisionswerberin aus dem Titel des Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention in Verbindung mit Art. 47 GRC keine Parteistellung im rechtskräftig abgeschlossenen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zukam.
55 3.2.5. Angesichts dessen kann dahin stehen, ob die von der Revisionswerberin behaupteten Widersprüche zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 28.3.2018, Ra 2015/07/0152) vorliegen oder die von ihr ins Treffen geführte fehlende Vergleichbarkeit mit dem Erkenntnis Ro 2014/07/0028 gegeben ist und ob sich aus dem Urteil des EuGH vom 4. Mai 2016, C-436/14, eine auch übergangene Parteien bindende Aussage über die Unionsrechtskonformität der wasserrechtlichen Bewilligung ableiten ließe.
56 Es erübrigt sich auch ein weiteres Eingehen auf den seitens der mitbeteiligten Partei ins Treffen geführten Aspekt der Präklusion, setzt diese doch die Parteistellung voraus, die im vorliegenden Fall - wie dargestellt - nicht gegeben ist. 57 3.3. Die Revisionswerberin stützt ihre Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren aber auch auf die Argumentation, dass deren Zuerkennung nach der Rechtsprechung zur UVP-Richtlinie geboten sei; dies deshalb, damit die Revisionswerberin die Verwaltungsentscheidung, keine UVP durchzuführen, im Materiengesetz im Rahmen eines gegen diese Entscheidung eingelegten Rechtsbehelfes anfechten könne (EuGH 16.4.2015, C-570/13, Karoline Gruber). 58 Dazu ist zu bemerken, dass es in Bezug auf die UVP-Pflicht des verfahrensgegenständlichen Kraftwerkes im hier allein relevanten Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses keinen rechtskräftigen Feststellungsbescheid nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 gab.
59 In diesem Zeitpunkt war das UVP-Feststellungsverfahren betreffend ein "Rodungsvorhaben Kraftwerk S", wegen der gegen den Feststellungsbescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 31. Jänner 2018 erhobenen Beschwerden noch beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Auch die Revisionswerberin hatte gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben.
60 Es kann dahin stehen, ob - entgegen der Bezeichnung des dortigen Verfahrensgegenstandes als "Rodungsvorhaben" - in diesem Verfahren auch über die UVP-Pflicht des Kraftwerkes selbst abgesprochen wurde oder nicht. Das Bundesverwaltungsgericht ging in seinem Erkenntnis vom 24. Juli 2018 davon aus, dass die UVP-Behörde auch diese Frage entschieden hatte (diesbezüglich sind derzeit außerordentliche Revisionen beim Verwaltungsgerichtshof anhängig).
61 3.3.1. Wäre aber mit dem Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 31. Jänner 2018 über die UVP-Pflicht des Kraftwerkes feststellend entschieden worden, dann wäre dem Vorbringen der Revisionswerberin, wonach ihr die Parteistellung deshalb zuzusprechen sei, weil sie sonst die UVP-Pflicht des Kraftwerks nirgendwo geltend machen könnte, schon deshalb kein Erfolg beschieden, weil sie Beschwerde gegen den Bescheid vom 31. Jänner 2018 erheben konnte und auch erhob.
62 3.3.2. Wäre aber über die UVP-Pflicht des Kraftwerks nicht im genannten Verfahren feststellend abgesprochen worden, so scheiterte das Vorbringen der Revisionswerberin an folgender Überlegung:
63 Der Verwaltungsgerichtshof hat in Folge des von der Revisionswerberin erwähnten Urteils des EuGH C-570/13 (Karoline Gruber) in seiner Rechtsprechung (zusammengefasst) die Ansicht vertreten, dass - um den Anforderungen des EuGH in Auslegung der UVP-Richtlinie, dass nämlich die betroffene Öffentlichkeit eine auf der Grundlage einer nationalen Regelung getroffene Verwaltungsentscheidung, keine UVP durchzuführen, im Rahmen eines gegen diese Entscheidung oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfes anfechten können muss, Genüge zu tun - der betroffenen Öffentlichkeit Parteistellung im jeweiligen Genehmigungsverfahren einzuräumen ist, um ihr die Möglichkeit zu eröffnen vorzubringen, dass das jeweilige Projekt einer UVP zu unterziehen sei (VwGH 1.10.2018, Ra 2016/04/0141, mwN).
64 Dies gilt auch für Umweltorganisationen in Fällen, in denen kein UVP-Feststellungsverfahren durchgeführt wurde. Den Umweltorganisationen steht zwar nach § 3 Abs. 9 UVP-G 2000 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 80/2018 (früher: Abs. 7a) die Möglichkeit der Bekämpfung eines Feststellungsbescheides beim Verwaltungsgericht offen, nicht aber die Möglichkeit, ein Feststellungsverfahren zu beantragen.
65 Daraus folgt, dass der Umweltorganisation, die zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der UVP-RL zählt, die Möglichkeit offenstehen müsste, in einem späteren Genehmigungsverfahren die Frage der UVP-Pflicht des Vorhabens relevieren zu können. Insofern handelt es sich um eine auf die Geltendmachung der Zuständigkeit der jeweiligen Genehmigungsbehörde eingeschränkte Parteistellung.
66 Nun finden bei größeren Anlagen regelmäßig mehrere Genehmigungsverfahren nach den einzelnen Materiengesetzen statt. Es braucht vorliegendenfalls nicht geprüft werden, wie vorzugehen wäre, wenn sämtliche in Frage kommende Genehmigungsverfahren bereits rechtskräftig entschieden wären. Eine solche Situation liegt nämlich nach dem eigenen Vorbringen der Revisionswerberin nicht vor.
67 Das wasserrechtliche Bewilligungsverfahren des Kraftwerks ist zwar seit dem Jahr 2007 rechtskräftig abgeschlossen. Nach dem eigenen Vorbringen der Revisionswerberin in ihrer Beschwerde an das Verwaltungsgericht (S. 18 der Beschwerde) sind in Bezug auf das Kraftwerk aber "nach wie vor Genehmigungen (etwa im Forstrecht) ausständig".
68 In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es noch ein offenes Genehmigungsverfahren gibt, genügt es zur Durchsetzung der Rechte der Revisionswerberin, ihr in diesem offenen Verfahren Parteistellung (zur Geltendmachung der UVP-Pflicht) einzuräumen. Dies stellt die wirkungsvollste und in Bezug auf die Bestandsgarantie rechtskräftiger Bewilligungen (wie hier: der wasserrechtlichen Bewilligung) eingriffsschwächste Möglichkeit dar, die Frage der UVP-Pflicht des Kraftwerks einer Klärung zuzuführen. Der Einräumung einer Parteistellung in einem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren bedarf es in einer solchen Konstellation zur Sicherstellung des Rechtsschutzes der Revisionswerberin hingegen nicht.
69 Es verletzte daher auch keine Rechte der Revisionswerberin, wenn ihr im Ergebnis auch die Einräumung einer - auf die Überprüfung der UVP-Pflicht des Vorhabens beschränkten - Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren versagt wurde.
70 4. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
71 5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20 14, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 25. April 2019
Gerichtsentscheidung
EuGH 61992CJ0396 Naturschutzbund Bayern VORABSchlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018070410.L00Im RIS seit
10.07.2019Zuletzt aktualisiert am
10.07.2019