TE Vwgh Beschluss 2019/4/25 Ra 2018/07/0377

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Veröffentlicht am 25.04.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
VwGG §42 Abs2
VwGG §42 Abs3
VwGG §63 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/07/0378Ra 2018/07/0379

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision 1. des Ing. P M in S,

2. des DI A L in D, 3. der S GmbH in S, alle vertreten durch die Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Hilmgasse 10, gegen das Erkenntnis vom 27. April 2018, LVwG 46.23- 1781/2015-8, betreffend Zuerkennung der Parteistellung in einer Angelegenheit nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landeshauptmann von Steiermark; mitbeteiligte Partei: Arbeitskreis, vertreten durch Dr. Werner Heißig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 14), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben der mitbeteiligten Partei insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (LH) vom 24. Mai 2007 wurde den erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb des Trinkwasserkraftwerkes S - Kraftwerk S, Ausbaustufe Teil A, erteilt.

2 Mit Bescheid des LH vom 4. September 2013 wurden die erst- und die zweitrevisionswerbenden Parteien im Rahmen eines Anpassungsverfahrens gemäß § 21a Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) verpflichtet, näher genannte Projektunterlagen vorzulegen.

3 Mit Eingabe vom 6. Mai 2014 beantragten die erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien die wasserrechtliche Bewilligung für Änderungen zum bewilligten Projekt (im Folgenden: "Trassenänderung 2014/2015").

4 Die mitbeteiligte Partei, eine gemäß § 19 Abs. 6 und 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation, beantragte mit Schriftsatz vom 24. Februar 2015 unter anderem die Zuerkennung der Parteistellung im letztgenannten wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren.

5 Der Erst- und der Zweitrevisionswerber nahmen mit Schriftsatz vom 1. April 2015 unter anderem zum genannten Antrag der mitbeteiligten Partei Stellung.

6 Der LH wies mit Bescheid vom 22. April 2015 den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Zuerkennung der Parteistellung mit der Begründung ab, dass Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens nicht unmittelbar anwendbar sei.

7 Die dagegen von der mitbeteiligten Partei eingebrachte Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) mit Spruchpunkt I. des Erkenntnisses vom 10. September 2015 gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, §§ 12, 102 WRG 1959 sowie § 8 AVG mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides insofern geändert werde, als der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Zuerkennung der Parteistellung im Wasserrechtsverfahren zurückgewiesen werde. Begründend hielt das LVwG fest, der mitbeteiligten Partei komme weder nach den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) noch nach dem Unionsrecht Parteistellung in einem wasserrechtlichen Verfahren zu. 8 Die mitbeteiligte Partei erhob gegen dieses Erkenntnis außerordentliche Revision.

9 In weiterer Folge setzte der Verwaltungsgerichtshof das Revisionsverfahren mit Beschluss vom 28. Jänner 2016, Ra 2015/07/0152, gemäß § 62 Abs. 1 VwGG iVm § 38 AVG unter Verweis auf mit hg. Beschluss vom 26. November 2015, EU 2015/0008 (Ra 2015/07/0055), dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen aus.

10 Mit Bescheid des LH vom 21. März 2017 wurde der Drittrevisionswerberin - aus dem Titel der Abänderung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides des LH vom 24. Mai 2007 - die wasserrechtliche Bewilligung A) für die Änderung der Druckrohrleitungstrasse (zwischen DRL-km 9,203 und DRL-km 12,412) sowie B) für die Änderung des Wasserfassungsstandortes auf Höhe 936,72 müA unter Auflagen erteilt. Der Begründung dieses Bescheides ist auch zu entnehmen, dass die Umbenennung des Konsensträgers in (Drittrevisionswerberin) beantragt worden sei (wobei - nach einer im Bescheid erwähnten Stellungnahme des Vertreters der revisionswerbenden Parteien das Grundstück Nr. 1609, KG. S., mit dem das Wasserrecht für das Kraftwerk S verbunden sei, nunmehr im Eigentum der Drittrevisionswerberin stehe, die sich wiederum über deren beide 50%-Eigentümer S. GmbH und M. GmbH im gemeinsamen Eigentum der Antragsteller (Erst- und Zweitrevisionswerber) befinde).

11 Zu den vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorabentscheidungsersuchen gestellten Fragen erging das Urteil des EuGH vom 20. Dezember 2017, C-664/15, Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation (im Folgenden: Protect). 12 Mit Erkenntnis vom 28. März 2018, Ra 2015/07/0152, hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des LVwG vom 10. September 2015 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf. 13 Seine Entscheidung begründete der Verwaltungsgerichtshof, gestützt auf das erwähnte Urteil des EuGH vom 20. Dezember 2017, wie folgt:

"27 5.1. Es trifft zu, dass sich im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren der Parteienkreis nach § 102 Abs. 1 lit. a und lit. b WRG 1959 bestimmt. Auch wenn dieser Aufzählung kein abschließender Charakter zukommt, kommt eine darauf gründende Parteistellung für Umweltorganisationen, denen keine subjektivöffentlichen Rechte zukommen, nicht in Betracht. Eine ausdrückliche Zuerkennung einer Parteistellung einer Umweltorganisation als Formalpartei, wo die Berührung subjektivöffentlicher Rechte nicht nachgewiesen werden müsste, findet sich im WRG 1959 nicht. Vor dem Hintergrund der innerstaatlichen Rechtslage kam der revisionswerbenden Partei daher keine Parteistellung zu.

28 5.2. Eine solche Parteistellung einer Umweltorganisation ergibt sich aber - wie dem Urteil des EuGH zu entnehmen ist - unmittelbar aus dem Unionsrecht.

29 5.2.1. Zwar verpflichtet Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus als solcher die Mitgliedstaaten nicht grundsätzlich, einer Umweltorganisation wie der revisionswerbenden Partei ein Recht auf Beteiligung am Bewilligungsverfahren vor der Behörde zu gewähren. Etwas anderes gilt aber, wenn nach dem einschlägigen nationalen Recht die Parteistellung eine zwingende Voraussetzung für die Erhebung einer Klage beim Verwaltungsgericht gegen die am Ende des Verwaltungsverfahrens ergehende behördliche Entscheidung ist.

30 5.2.2. Eine solche Verknüpfung ist nach der derzeitigen innerstaatlichen Rechtslage aber gegeben.

31 Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Demnach können nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen eine solche Beeinträchtigung von Rechten mit Beschwerde bei einem Verwaltungsgericht geltend machen, denen in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung zukam oder zuerkannt wurde.

32 Parteistellung im Verwaltungsverfahren und die Befugnis zur Beschwerdeerhebung an ein Verwaltungsgericht hängen nach der innerstaatlichen Rechtslage somit unmittelbar zusammen. Der Verlust der Parteistellung im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde führt daher in einem Bewilligungsverfahren auch zum Verlust der Beschwerdelegitimation an das Verwaltungsgericht.

33 5.2.3. Daraus ergibt sich im Lichte des zitierten Erkenntnisses des EuGH, dass der Umweltorganisation die Stellung als Partei im behördlichen Verfahren nicht verwehrt werden kann. Sonst hätte das Beschwerderecht keine praktische Wirksamkeit, ja wäre ausgehöhlt, was nicht mit Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte vereinbar wäre (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2015/07/0055).

34 6. Das LVwG hätte der revisionswerbenden Partei daher die Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren nicht versagen dürfen. Es wäre vielmehr gehalten gewesen, entgegenstehendes innerstaatliches Recht unangewendet zu lassen und § 8 AVG unionsrechtskonform im Sinne einer Zuerkennung der Parteistellung an die revisionswerbende Partei auszulegen.

35 Indem das LVwG der revisionswerbenden Partei die Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren betreffend das Kraftwerk S zu Unrecht nicht zuerkannt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.

36 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben."

14 Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis des LVwG vom 27. April 2018 wurde der Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid des LH vom 22. April 2015 gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG und §§ 12 und 102 WRG 1959, § 8 AVG und Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens Folge gegeben und der Bescheid des LH im Sinne der Stattgabe des Antrages der mitbeteiligten Partei auf Zuerkennung der Parteistellung im Wasserrechtsverfahren betreffend das Kraftwerk S (Trassenänderungen/Anlagenänderungen 2014/2015) abgeändert. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

15 In seinen Entscheidungsgründen führte das LVwG unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 28. März 2018, Ra 2015/07/0152, und das Urteil Protect des EuGH aus, die Parteistellung der mitbeteiligten Partei ergebe sich unmittelbar aus dem Unionsrecht. Die Mitgliedstaaten würden durch Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus zwar nicht verpflichtet, einer anerkannten Umweltorganisation ein Recht auf Beteiligung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zu gewähren. Wenn aber nach den einschlägigen nationalen Bestimmungen die Parteistellung eine zwingende Voraussetzung für die Erhebung einer Klage beim Verwaltungsgericht gegen die am Ende des Verwaltungsverfahrens ergehende behördliche Entscheidung sei, so habe etwas anderes zu gelten. Im vorliegenden Fall sei eine solche Verknüpfung nach innerstaatlicher Rechtslage gegeben (wird näher ausgeführt). Die Parteistellung im Verwaltungsverfahren und die Befugnis zur Beschwerdeerhebung an ein Verwaltungsgericht hingen nach innerstaatlicher Rechtslage unmittelbar zusammen. Im Lichte des EuGH-Urteils vom 20. Dezember 2017 ergebe dies, dass der Umweltorganisation die Stellung als Partei im behördlichen Verfahren nicht verwehrt werden könne.

16 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 26. Juni 2018, E 2285-2286/2018-6, die Behandlung der Beschwerden der revisionswerbenden Parteien (unter anderem) gegen das (die mitbeteiligte Partei betreffende) Erkenntnis des LVwG vom 27. April 2018 ab.

17 Gegen das Erkenntnis des LVwG vom 27. April 2018 richtet sich die außerordentliche Revision der erst- bis drittrevisionswerbenden Parteien wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

18 Die mitbeteiligte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision.

19 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

20 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 21 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 22 Zu ihrer Zulässigkeit wird in der Revision vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis des LVwG verstoße gegen die fundamentalen Grundsätze des Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK, weil den revisionswerbenden Parteien entgegen den Vorgaben des § 36 VwGG und § 10 VwGVG im Anschluss an die vom EuGH mit Urteil vom 20. Dezember 2017, C-664/15, Protect, getätigte Auslegung des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus in Verbindung mit Art. 47 GRC und der damit verbundenen Beurteilung der Parteistellung von Umweltorganisationen im Verwaltungsverfahren weder vom Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtsgang eine Revisionsbeantwortung noch vom LVwG im zweiten Rechtsgang die Möglichkeit einer Stellungnahme gewährt worden sei. 23 Das LVwG habe das angefochtene Erkenntnis erlassen, ohne den entscheidungsrelevanten Sachverhalt in dem in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht durch das Urteil des EuGH in der Sache Protect erweiterten Beurteilungsrahmen zu erheben. Ein Verfahren bzw. ein Erkenntnis, dem jegliche Sachverhaltsermittlung fehle, könne nicht auf seine Richtigkeit überprüft werden und widerspreche insoweit den in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten formalen Anforderungen an Erkenntnisse von Verwaltungsgerichten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beinhalte das Offizialprinzip die Verpflichtung, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu erheben und festzustellen. Das LVwG hätte seiner Verpflichtung nachkommen müssen, unter Wahrung des rechtlichen Gehörs der revisionswerbenden Parteien alle ihm sich bietenden Erkenntnisquellen sorgfältig auszuschöpfen und insbesondere alle Umstände zu erheben, die sich nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage anböten oder als sachdienlich erweisen hätten können. 24 Das angefochtene Erkenntnis stehe insoweit in offenkundigem Widerspruch zur Rechtslage und zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

25 Die vorliegende Revision betreffe die Rechtswirkungen des EuGH-Urteils Protect für die Parteistellung der mitbeteiligten Partei als Umweltorganisation, nämlich die Frage, inwieweit die mitbeteiligte Partei aufgrund der Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus iVm Art. 47 GRC das Recht habe, sich an dem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren "Trassenänderung 2014/2015" beim in Rede stehenden Kraftwerk als Partei zu beteiligen. Zu den dabei aufgeworfenen Rechtsfragen sei bis dato keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden und es sei vorhandene Rechtsprechung des EuGH, insbesondere das Erkenntnis Protect, vom LVwG falsch angewandt worden.

26 Dies betreffe die Anwendbarkeit des Aarhus-Übereinkommens auf vor dessen Inkrafttreten am 18. Mai 2005 in der EU eingeleitete "pipeline-Projekte" (Kraftwerk S) und in diesem Zusammenhang die Anwendbarkeit der "pipeline-Judikatur" des EuGH auf Änderungsverfahren des ursprünglichen, vor 2005 eingereichten Projektes, wenn diese Änderungen keinerlei Auswirkungen auf europarechtliche Vorschriften hätten und auch keine wesentliche Änderung des Projektes bewirkten.

27 Ferner seien die Relevanz des Aarhus-Übereinkommens und die Legitimation von Umweltorganisationen zur Verfahrensbeteiligung, wenn das spezifische Verfahren keine Rechtsvorschriften der Union im Bereich des Umweltrechts betreffe (Trassenänderung 2014/2015), angesprochen.

28 Auch betreffe dies die Legitimation von Umweltorganisationen zur Verfahrensbeteiligung, wenn die gerichtliche Prüfung der Übereinstimmung des Vorhabens mit dem gemeinschaftlichen Umweltrecht bereits hinreichend verwirklicht worden sei (Verweis auf zum Kraftwerk S ergangene EuGH- und VwGH-Judikatur).

29 Weiters stelle sich in diesem Zusammenhang die Frage der Legitimation von Umweltorganisationen zur Verfahrensbeteiligung, wenn diese sich in ihrem Antrag auf Parteistellung nicht auf das zu beurteilende Projekt bezögen, sondern sich auf die Rechtswidrigkeit eines seit mehr als zehn Jahren rechtskräftigen Projekts beriefen.

30 Schließlich betreffe dies auch die Frage der Parteistellung von anerkannten Umweltorganisationen unter Berufung auf das Aarhus-Übereinkommen, wenn diese Parteistellung erstmals sechs Monate nach Eintritt der Präklusion gemäß § 42 AVG wegen Nichtbeteiligung am Verfahren trotz ordnungsgemäßer, gesetzeskonform kundgemachter Ladung beantragt werde. In diesem Punkt habe das LVwG auch die Entscheidung Protect des EuGH falsch ausgelegt, denn der EuGH habe klar ausgesprochen, dass Präklusionsregeln wie in Österreich grundsätzlich zulässig seien, solange diese nicht so angewandt würden, dass die Parteistellung von der Teilnahme am Verfahren abhängig sei, wenn davor die Teilnahme am Verfahren verweigert worden sei. Wenn, wie im vorliegenden Fall, eine anerkannte Umweltorganisation, trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht einmal versuche, an einem Verfahren teilzunehmen, sei sie präkludiert und könne nicht nachträglich Parteistellung begehren.

31 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt.

32 Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden gemäß § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

33 Bei der Erlassung der Ersatzentscheidung gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsgerichte an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage (vgl. etwa VwGH 17.12.2018, Ra 2017/05/0240, 0241).

34 Mit dem Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. März 2018, Ra 2015/07/0152, wurde das im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des LVwG vom 10. Dezember 2015 mit der Begründung aufgehoben, dass - unter Verweis auf das Urteil des EuGH vom 20. Dezember 2017, C-664/15, Protect, - das LVwG der mitbeteiligten Partei die Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren (Trassenänderung 2014/2015) zuerkennen hätte müssen, weil sich die Parteistellung der Umweltorganisation unmittelbar aus dem Unionsrecht ergebe.

35 Die revisionswerbenden Parteien bringen nicht vor, dass sich der dem Erkenntnis Ra 2015/07/0152 zugrunde liegende Sachverhalt oder die Rechtslage im Vergleich zum angefochtenen Erkenntnis wesentlich geändert habe. Das LVwG war daher an die tragende Begründung des Erkenntnisses Ra 2015/07/0152 gebunden. 36 Das Vorbringen, im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtsgang sei den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen worden, richtet sich inhaltlich gegen das hg. Erkenntnis Ra 2015/07/0152. In diesem Zusammenhang wird auf die grundsätzliche Möglichkeit eines Wiederaufnahmeantrages gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VwGG in jenen Fällen hingewiesen, in denen eine Partei die Ansicht vertritt, dass im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen worden und anzunehmen sei, dass sonst das Erkenntnis oder der Beschluss anders gelautet hätte. Einen derartigen Antrag haben die revisionswerbenden Parteien nicht gestellt. Es ist daher die erwähnte Bindungswirkung des hg. Erkenntnisses Ra 2015/07/0152 für das gegenständliche Verfahren zu beachten.

37 Soweit sich das in Rede stehende Vorbringen des Vorliegens von Verfahrensmängeln auf das Verfahren vor dem LVwG im zweiten Rechtsgang bezieht, ist darauf zu verweisen, dass die Aufhebung des im ersten Rechtsgang erlassenen Erkenntnisses des LVwG durch das hg. Erkenntnis Ra 2015/07/0152 nicht etwa deswegen erfolgt war, weil es das LVwG unterlassen hätte, die für die Beurteilung des Rechtsfalles wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, sondern weil - vor dem Hintergrund der EuGH-Judikatur - das LVwG der mitbeteiligten Partei die Parteistellung im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren zu Unrecht nicht zuerkannt habe. Es bestand daher für das LVwG im fortgesetzten Verfahren - mangels Änderung der Sach- und Rechtslage - keine Veranlassung zu einer Ergänzung des Ermittlungsverfahrens (vgl. erneut VwGH 17.12.2018, Ra 2017/05/0240, 0241).

38 Darüber hinaus entspricht die Revision nicht dem Erfordernis, im Fall der Rüge von Verfahrensmängeln bereits in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz des gerügten Mangels für den Verfahrensausgang darzulegen (vgl. zu dieser Voraussetzung VwGH 30.5.2018, Ra 2018/18/0268; 23.10.2018, Ra 2018/06/0072, mwN).

39 Aufgrund der vom LVwG zu beachtenden Bindung an die tragenden Aufhebungsgründe des hg. Erkenntnisses Ra 2015/07/0152 erweist sich das übrige, oben dargestellte Vorbringen in den Zulässigkeitsausführungen der Revision, insbesondere zur "pipeline-Judikatur" des EuGH und betreffend die behauptete Präklusion der mitbeteiligten Partei, als für die vorliegende Entscheidung nicht maßgeblich (vgl. zur Entwicklung der "pipeline-Judikatur" des EuGH jedoch auch die beiden hg. Erkenntnisse vom heutigen Tag, Ra 2018/07/0380 bis 0382, sowie Ra 2018/07/0410). In dem erstgenannten Erkenntnis Ra 2018/07/0380 bis 0382 hat der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen mit näherer Begründung dargelegt, dass hinsichtlich des gegenständlichen, mit Antrag vom 6. Mai 2014 eingeleiteten wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens zur "Trassenänderung 2014/2015" eine "pipeline-Wirkung" im Sinne des EuGH-Judikatur nicht unter Hinweis auf den im Jahr 2002 gestellten Bewilligungsantrag zum Kraftwerk S argumentiert werden kann.

40 Die Revision war daher zurückzuweisen.

41 Schon aus diesem Grund war auch der in der Revision

erstatteten Anregung, einen Antrag auf Vorabentscheidung an den EuGH zu stellen, wenn für den Verwaltungsgerichtshof die Auslegung des Unionsrechts zur Beurteilung der Revision unklar sei, nicht näher zu treten.

42 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 25. April 2019

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018070377.L00

Im RIS seit

28.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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