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E1PNorm
BauO NÖ 1996 §7Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision des Dr. A B, nunmehr nach dem Einantwortungsbeschluss vom 20. September 2017 die Alleinerbin I B, vertreten durch Mag. Bernhard Hofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 12/6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 3. Februar 2017, Zl. LVwG-AV-96/001-2017, betreffend eine Duldungsverpflichtung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde S, vertreten durch Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtssanwälte in 1070 Wien, Lindengasse 38/3; mitbeteiligte Parteien: 1. DI R Z, 2. P B, beide in W; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Rechtsnachfolgerin des Revisionswerbers hat der Marktgemeinde S Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Gestützt auf das Gutachten des Ing. MG vom 29. September 2016 präzisierte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis die im innergemeindlichen Instanzenzug allgemein ausgesprochene Duldungsverpflichtung des mittlerweile verstorbenen Rechtsvorgängers der ins Verfahren als Erbin eingetretenen Revisionswerberin gemäß § 7 NÖ Bauordnung 1996 in Bezug auf am Nachbargrundstück rechtskräftig bewilligte Bauvorhaben (insbesondere betreffend die Baubewilligung vom 19. Oktober 2011 für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage und Abstellräumen als Nebengebäude) dahin, dass die in der Begründung des Berufungsbescheides angesprochenen, für die Errichtung der an der Grundgrenze geplanten Brandwand der Garage der Mitbeteiligten auf dem damaligen Grundstück des Rechtsvorgängers der Revisionswerberin notwendigen Arbeiten bzw. Maßnahmen konkret angeführt wurden. Die Begründung des Berufungsbescheides bezog sich auf der Grundlage des erwähnten Gutachtens sowohl auf jene Bauarbeiten, die nur mit Zustimmung des Rechtsvorgängers der Revisionswerberin möglich seien, als auch auf jene Bauarbeiten, in Bezug auf welche die Bauführung vom Grundstück der Mitbeteiligten aus wegen der diesbezüglich doppelt so hohen Kosten als unzumutbar angesehen wurde. Zu dem Gutachten war dem Rechtsvorgänger der Revisionswerberin Parteiengehör eingeräumt worden, er hatte sich jedoch nicht dazu geäußert. 2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
5 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 26.6.2018, Ra 2018/05/0189, mwN).
6 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
7 Die Revision macht zunächst geltend, es hätte, obwohl es nicht beantragt worden sei, eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durchgeführt werden müssen. § 24 Abs. 4 VwGVG mache den Entfall einer Verhandlung davon abhängig, dass in dieser eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007) diene aber eine mündliche Verhandlung nicht nur zur Klärung des Sachverhaltes, sondern auch zum Rechtsgespräch und zur Erörterung der Rechtsfrage. Die Ansicht des Verwaltungsgerichtes, die mündliche Verhandlung sei mangels eines klärungsbedürftigen Sachverhaltes nicht erforderlich gewesen, sei daher unzutreffend. Nach § 24 Abs. 4 VwGVG komme ein Entfall der Verhandlung auch dann nicht in Frage, wenn Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten (Hinweis u. a. auf VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049). Das sei regelmäßig der Fall, wenn es um "civil rights" gehe, was im vorliegenden Fall gegeben sei. Das Verwaltungsgericht habe die Frage des Absehens von der Verhandlung daher unrichtig gelöst und gegen § 24 Abs. 4 VwGVG und gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen.
8 Gemäß § 24 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017 kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. 9 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einer Reihe von Entscheidungen mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann und auch keine übermäßig komplexen Rechtsfragen zu lösen sind (vgl. dazu etwa VwGH 17.12.2018, Ra 2017/05/0008, mwN auch auf Judikatur des EGMR, u. a. auf EGMR 18.7.2013, Schädler-Eberle/Liechtenstein, 56422/09, Z 97 ff).
10 Das Verwaltungsgericht begründete das Absehen von einer - vom Rechtsvorgänger der Revisionswerberin nicht beantragten - mündlichen Verhandlung damit, dass mangels Behauptung eines feststellungsbedürftigen Sachverhaltes eine weitere Klärung der Rechtssache durch eine Verhandlung nicht zu erwarten sei. Der Revisionswerber habe die auf Verfassungsbestimmungen gestützten, erhobenen Rechtsrügen nicht näher ausgeführt.
11 Die Revision ist nicht im Recht, dass allein auf Grund des Umstandes, dass die in Frage stehende Angelegenheit "civil rights" im Sinn des Art. 6 EMRK betrifft, jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist. Es wurde bereits dargelegt (siehe Rz 9), dass nach der Judikatur des EGMR zu Art. 6 EMRK eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist. Die Revisionswerberin stellt nicht dar, welcher konkrete Sachverhalt im vorliegenden Beschwerdeverfahren strittig oder nicht geklärt oder dass eine komplexere Rechtsfrage zu beantworten gewesen sei (vgl. etwa VwGH 12.12.2017, Ra 2015/05/0043). In der Beschwerde wurde der von der Behörde angenommene Sachverhalt nicht bestritten, es wurden keine beachtlichen Tatsachenbehauptungen erhoben und auch die Beweiswürdigung der Behörde wurde nicht in Frage gestellt. Die Revisionswerberin behauptet auch nicht, dass es sich bei den geltend gemachten verfassungsrechtlichen Rechtsverletzungen um komplexere Rechtsfragen, die eine Verhandlung erfordert hätten, gehandelt hätte.
12 Wenn die Revisionswerberin meint, das Verwaltungsgericht hätte in Bezug auf die Beschwerde, da sie in den Beschwerdegründen mangelhaft gewesen sei, ein Verbesserungsverfahren durchführen müssen, tut sie schon die Relevanz dieses allfälligen Verfahrensmangel nicht dar (vgl. VwGH 24.1.2017, Ra 2017/05/0005). Abgesehen davon sind Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann solche von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. nochmals VwGH 24.1.2017, Ra 2017/05/0005). Derartiges wurde von der Revisionswerberin nicht dargetan.
13 Die Revisionswerberin meint weiters, dass nicht alle nunmehr im Spruch genannten Arbeiten bzw. Maßnahmen Gegenstand des Berufungsbescheides gewesen seien. Auch damit ist die Revisionswerberin nicht im Recht. Wie bereits dargelegt, hat sich der Berufungsbescheid, gestützt auf das genannte Gutachten, sowohl auf jene Arbeiten bezogen, die nur mit Zustimmung des Rechtsvorgängers der Revisionswerberin möglich waren, als auch auf jene, für die nach Ansicht des Sachverständigen die Bauführung vom Grundstück der Mitbeteiligten aus wegen der diesbezüglich doppelt so hohen Kosten unzumutbar war.
14 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
15 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf den in der angeführten Verordnung vorgesehenen Pauschalbetrag abzuweisen.
Wien, am 29. April 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017050042.L00Im RIS seit
10.07.2019Zuletzt aktualisiert am
10.07.2019