TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/9 98/11/0137

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Veröffentlicht am 09.02.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
FSG 1997 §24 Abs3;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §26 Abs1 Z3;
FSG 1997 §26 Abs8;
KFG 1967 §73 Abs2a impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Charlotte Bauer-Nusko, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Salesianergasse 1b, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. April 1998, Zl. MA 65-8/112/98, betreffend Anordnung einer begleitenden Maßnahme gemäß FSG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. November 1997, abgeändert mit Bescheid vom 14. Jänner 1998, wurde die dem Beschwerdeführer für Kraftfahrzeuge der Klassen B, C, E, F und G erteilte Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG entzogen und gemäß § 26 Abs. 1 Z. 3 FSG (idF BGBl. I 1998 2) festgesetzt, daß die Entziehungszeit drei Monate ab Abnahme des Führerscheines (welche am 17. November 1997 erfolgt war) betrage. Am 18. Februar 1998 wurde der Führerschein an den Beschwerdeführer (zu Handen einer Vertreterin) wieder ausgefolgt. In der Folge erließ die Bundespolizeidirektion Wien einen mit 20. Februar 1998 datierten Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautete:

"Die Bundespolizeidirektion Wien-Verkehrsamt ordnet gemäß § 26 Abs. 8 Führerscheingesetz 1997 an, daß Sie sich binnen vier Monaten ab Zustellung dieses Bescheides, einer begleitenden Maßnahme im Sinne des § 24 Abs. 3 FSG 1997 zu unterziehen haben."

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. April 1998 wurde der dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufung keine Folge gegeben, der Erstbescheid jedoch dahin abgeändert, daß die Frist, innerhalb welcher sich der Beschwerdeführer einer begleitenden Maßnahme zu unterziehen habe, mit Zustellung des Berufungsbescheides beginne.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 3 FSG kann die Behörde bei der Entziehung der Lenkerberechtigung auch zusätzlich begleitende Maßnahmen (Nachschulung oder Driver-Improvement mit oder ohne Fahrprobe, Einstellungs- oder Verhaltenstraining oder Aufbauseminar) anordnen. Sie hat eine Nachschulung anzuordnen, wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt.

Gemäß § 26 Abs. 1 Z. 3 FSG idF BGBl. I 1998 2 hat die Behörde, wenn beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen wird und der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l (1,2 %o) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 %o), oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l, beträgt, die Lenkerberechtigung für die Dauer von drei Monaten zu entziehen. Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen und beträgt der Alkoholgehalt des Blutes 1,6 g/l (1,6 %o) oder mehr, oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,8 mg/l oder mehr, so ist gemäß § 26 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen. Gemäß § 26 Abs. 8 leg. cit. hat die Behörde bei einer Entziehung nach Abs. 1 Z. 3 oder Abs. 2 Z. 1 begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen.

Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid nach Darstellung der Rechtslage im wesentlichen davon aus, daß der Beschwerdeführer am 17. November 1997 eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen habe, bei der mittels Messung durch den Alkomaten ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,66 mg/l festgestellt worden sei. Das Ausmaß der Alkoholbeeinträchtigung sei vom Beschwerdeführer "in keiner Weise bestritten" worden und sei daher als erwiesen anzusehen. Die Anordnung einer begleitenden Maßnahme gemäß § 26 Abs. 8 FSG setze lediglich die Entziehung der Lenkberechtigung nach Abs. 1 Z. 3 oder Abs. 2 Z. 1 voraus, wobei im Gesetz kein Zeitpunkt für diese Anordnung vorgeschrieben sei. Der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung, die Maßnahme müsse zugleich mit der Entziehung angeordnet werden, sei nicht beizupflichten, zumal eine derartige strikte zeitliche Bindung an das parallel laufende Entziehungsverfahren dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen sei. Die Anordnung einer Nachschulung mit gesondertem Bescheid während oder unmittelbar nach einer Entziehung stehe "durchaus" mit den Intentionen des Gesetzgebers im Einklang.

Der Beschwerdeführer setzt dem im wesentlichen entgegen, daß die Behörde ihm nach Ablauf der Entziehungsdauer den Führerschein wieder ausgefolgt und damit zu erkennen gegeben habe, daß er wieder als verkehrszuverlässig anzusehen sei. Die erst danach verfügte "nachschießende" Anordnung einer begleitenden Maßnahme sei unzulässig. Abgesehen davon, daß die Behörde nicht berücksichtigt habe, daß das Verwaltungsstrafverfahren nach wie vor anhängig sei, der Beschwerdeführer vorgebracht habe, nie alkoholisiert gewesen zu sein, und die Behörde auch sonst den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt habe und die Voraussetzungen für die Anordnung einer begleitenden Maßnahme nicht gegeben seien, habe die belangte Behörde rechtswidrig auch nicht konkretisiert, welche der in Betracht kommenden Maßnahmen im konkreten Fall anzuordnen sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits - zu der insofern vergleichbaren Rechtslage in § 73 Abs. 2a KFG 1967 - ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 94/11/0289), enthält das Gesetz, was den Zeitpunkt der Anordnung einer begleitenden Maßnahme betrifft, keine ausdrückliche Regelung. Das Gesetz enthalte kein Verbot der Anordnung von Begleitmaßnahmen nach Erlassung eines Entziehungsbescheides. Es sei daher kein Rechtsanspruch darauf abzuleiten, daß die Anordnung von Begleitmaßnahmen gleichzeitig mit dem Entziehungsausspruch erfolgt. Demnach bewirke der Umstand der nachträglichen Anordnung einer begleitenden Maßnahme für sich allein noch keine Rechtsverletzung des Betreffenden. Aus dem Zweck der Regelung ergebe sich allerdings insofern eine Grenze für die nachträgliche Anordnung einer begleitenden Maßnahme, als die Anordnung jedenfalls nicht so spät erfolgen darf, daß daraus eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Betreffenden gegenüber jener bei gleichzeitiger Anordnung einer begleitenden Maßnahme resultiere. In dem zitierten Rechtsfall führte der Gerichtshof aus, daß keine Rechtsverletzung des dortigen Beschwerdeführers eingetreten sei, weil die gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 bestimmte Zeit für die Entziehung der Lenkerberechtigung erst mehrere Monate nach Erlassung der Nachschulungsanordnung endete und so der Beschwerdeführer ausreichend Zeit hatte, der Anordnung nachzukommen.

Anders liegt der vorliegende Fall, zumal an den Beschwerdeführer über seinen Antrag nach Ablauf der Entziehungszeit der Führerschein wieder ausgefolgt worden war und der Beschwerdeführer somit wieder im Besitze seiner Lenkberechtigung war. Damit kann aber von dem durch die Rechtslage geforderten zeitlichen Naheverhältnis zur Entziehung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 96/11/0254) nicht mehr die Rede sein. Die belangte Behörde hat auch übersehen, daß gemäß § 25 Abs. 3 FSG insofern ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Entziehung und Anordnung von begleitenden Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 leg. cit. besteht, als bei Anordnung von derartigen begleitenden Maßnahmen die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung endet, woraus gleichfalls abzuleiten ist, daß die Anordnung begleitender Maßnahmen nach Ablauf der Entziehungsdauer im Gesetz keine Deckung findet. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie schon deshalb den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Im übrigen hat es die belangte Behörde auch unterlassen, anzuordnen, welche der gemäß § 24 Abs. 3 FSG vorgegebenen begleitenden Maßnahmen sie für den Beschwerdeführer erforderlich hielt. Der von der belangten Behörde - ohne Begründung - im angefochtenen Bescheid angeführte Hinweis auf die "Anordnung einer Nachschulung" ebenso wie die damit in Widerspruch stehenden Ausführungen in der Gegenschrift, daß nur ein "Einstellungs- und Verhaltenstraining für alkoholauffällige Lenker" in Betracht komme, reichen hiezu nicht aus.

Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 9. Februar 1999

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung der Wertung einzelner Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998110137.X00

Im RIS seit

22.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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