TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/9 97/16/0520

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Veröffentlicht am 09.02.1999
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Index

L34006 Abgabenordnung Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §273 Abs1;
BAO §278;
BAO §279;
BAO §289;
B-VG Art119a Abs5;
LAO Stmk 1963 §203 Abs1;
LAO Stmk 1963 §208;
LAO Stmk 1963 §209;
LAO Stmk 1963 §213;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/16/0521

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der Gemeinde F, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Klement-Schreiner in Graz, Kaiserfeldgasse 29/III, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 30. Oktober 1997, GZ 7-485-46/96-2 (dessen Spruch I ist Gegenstand der zur hg. Zl. 97/16/0520, II der zur hg. Zl. 97/16/0521 protokollierten Beschwerde), betreffend Grundsteuer (mitbeteiligte Parteien: zur erstgenannten Beschwerde Herbert und Frieda Wiederhofer, zur zweitgenannten Beschwerde Frieda Wiederhofer, beide in Oberfeistritz Nr. 30) zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 25.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Sachverhalt zum Spruch I des angefochtenen Bescheides:

Mit Bescheid vom 23. September 1987 setzte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde gegenüber den Mitbeteiligten ab dem Kalenderjahr 1984 unter Bedachtnahme auf einen Einheitswertbescheid vom 9. März 1983 die Jahresgrundsteuer mit S 2.574,60 fest. Zur Bezahlung vorgeschrieben wurde mit diesem Bescheid unter Einbeziehung der Rückstände seit 1976 ein Betrag von S 17.346,90.

Der Gemeinderat der Beschwerdeführerin sah ein mit dem Familiennamen der Mitbeteiligten unterzeichnetes Schreiben vom 30. Oktober 1987 als Berufung an. Ausgehend von der Zustellung des Bescheides vom 23. September 1987 am 25. September 1987 wurde diese Berufung mit Bescheid des Gemeinderates vom 25. Juni 1996 als verspätet zurückgewiesen. In der dagegen von den Mitbeteiligten erhobenen Vorstellung wurde ohne weitere Darlegung die Berufung als "rechtzeitig" bezeichnet.

Mit dem angefochtenen Bescheid, Spruch I, gab die belangte Behörde dieser Vorstellung Folge, hob den Berufungsbescheid auf und verwies die Angelegenheit "an die Gemeinde" zurück. Gemäß § 203 Landesabgabenordnung müsse die Abgabenbehörde erster Instanz eine Berufung gegen einen von ihr erlassenen Bescheid zurückweisen, wenn sie nicht zulässig ist oder verspätet eingebracht wurde. Entgegen dem gesetzlichen Auftrag habe jedoch der Gemeinderat über die Berufung entschieden. Wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sei der Bescheid des Gemeinderates daher aufzuheben gewesen.

Sachverhalt zu Spruch II des angefochtenen Bescheides:

Das Schreiben der Zweitmitbeteiligten an die Beschwerdeführerin vom 22. Juli 1994 bezieht sich auf eine - im vorgelegten Akt nicht auffindbare - Zahlungserinnerung der Beschwerdeführerin vom 11. Juli 1994. Der Gemeinderat der Beschwerdeführerin sah das Schreiben vom 22. Juli 1994 als Berufung an; mit Bescheid vom 25. Juli 1996 wurde diese Berufung als unzulässig zurückgewiesen, weil die Zahlungserinnerung vom 11. Juli 1994 keinen Bescheid dargestellt hätte.

Dagegen richtete sich die Vorstellung der Zweitmitbeteiligten, in welcher dargetan wird, dass es sich bei der Zahlungserinnerung vom 11. Juli 1994 sehr wohl um einen Bescheid gehandelt hätte.

Mit dem angefochtenen Bescheid, Spruch II, gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung "an das Gemeindeamt". Auch diese Entscheidung wurde damit begründet, dass der Gemeinderat entgegen dem gesetzlichen Auftrag die Berufung als unzulässig zurückgewiesen und damit die sachliche Zuständigkeit der unteren Instanz rechtswidrig in Anspruch genommen habe. Durch den Bescheid der Berufungsbehörde werde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

II.

Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerden, zu deren Erhebung die Beschwerdeführerin gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG legitimiert ist. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der steiermärkischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 158/1963 in der Fassung LGBl. Nr. 34/1983 (im Folgenden: LAO) lauten:

"§ 203 (1) Die Abgabenbehörde erster Instanz hat eine Berufung, die gegen einen von ihr erlassenen Bescheid eingebracht worden ist, durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

(2) Eine Berufung darf nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Berufungsfrist eingebracht wurde oder weil sie unrichtig bezeichnet ist.

§ 208 Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat zu prüfen, ob ein von der Abgabenbehörde erster Instanz nicht aufgegriffener Grund zur Zurückweisung der Berufung vorliegt. Ist ein solcher Grund gegeben, so hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Zurückweisung mit Bescheid auszusprechen.

§ 209 (1) Im Berufungsverfahren haben die Abgabenbehörden zweiter Instanz die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt sind. (2)

Die Abgabenbehörden zweiter Instanz können notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens auch durch die Abgabenbehörden erster Instanz vornehmen lassen.

§ 213 (1) Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat, sofern die Berufung nicht gemäß § 208 zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie kann aber auch die Abgabenbehörde erster Instanz zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung anweisen, sofern in dem anhängigen Verfahren eine solche noch nicht ergangen ist. (2) Die Abgabenbehörde zweiter Instanz ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. "

Im Gegensatz zur Auffassung der Vorstellungsbehörde ergibt sich insbesondere aus § 208 LAO sehr wohl die Befugnis der Berufungsbehörde, Zurückweisungsgründe selbst wahrzunehmen. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Besonderheit in der steiermärkischen Landesabgabenordnung, sondern sieht auch § 278 BAO vor, dass die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu prüfen hat, ob ein von der Abgabenbehörde erster Instanz nicht aufgegriffener Grund zur Zurückverweisung der Berufung vorliegt; bejahendenfalls muß sie mit Zurückweisung vorgehen.

Die belangte Behörde stützte ihren aufhebenden Bescheid ausschließlich darauf, dass der Gemeinderat seine Zuständigkeit zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Da sie dabei die Bestimmung des § 208 LAO verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; zufolge eindeutiger, unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut geklärter Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Februar 1999

Schlagworte

Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997160520.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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