TE Vwgh Beschluss 2019/5/7 Ra 2019/20/0144

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Veröffentlicht am 07.05.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §11 Abs1
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52
MRK Art3
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des R Y in M, vertreten durch Mag. Peterpaul Suntinger, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. März 2019, Zl. W251 2172719-1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 21. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte der Revisionswerber zusammengefasst aus, er habe im Iran auf einer Baustelle gearbeitet. Ein Bekannter von ihm sei dabei aus dem siebten Stock gefallen und gestorben. Die Familie des Verunglückten, die in Afghanistan wohne, gebe dem Revisionswerber die Schuld daran und wolle sich an ihm rächen. 2 Mit Bescheid vom 14. September 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei und legte eine 14- tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Soweit die Revision einen Verstoß gegen die Rechtssicherheit erblickt, weil die bei der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG anwesende Rechtsberaterin trotz bestehender aufrechter anwaltlicher Vertretung des Revisionswerbers im Beschwerdeverfahren ohne deren Einverständnis auf die beantragte Zeugeneinvernahme verzichtet habe, und in der Revision die Wirksamkeit der Zustellung des Erkenntnisses angezweifelt wird, weil dieses nur an die Rechtsberaterin zugestellt worden sei, wird auf die im Akt erliegende dem Verhandlungsprotokoll vom 13. Februar 2019 angeschlossene Vollmacht vom 12. Februar 2019 verwiesen. Aus dem Verhandlungsprotokoll, dessen Richtigkeit nicht bestritten wird, ergibt sich ferner, dass der Revisionswerber zu Beginn der Verhandlung erklärt hat, nunmehr "von der Diakonie" vertreten zu werden.

8 Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit weiters geltend, es liege ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, weil sich das BVwG nicht im Detail mit den aktuellen Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 auseinandergesetzt habe, wonach Kabul generell als innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht komme, die Verfügbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in anderen Städten als Kabul problematisiere und die Annahme einer solchen von einer sorgfältigen Prüfung für den jeweiligen Antragsteller abhängig mache.

9 Insoweit die Revision auf das Erkenntnis des VwGH vom 13. Dezember 2018, Ra 2018/18/0533, verweist, gelingt es ihr nicht darzulegen, dass das BVwG von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre. Im Gegensatz zu den Behauptungen in der Revision hat sich das BVwG umfassend mit dem Vorliegen der Voraussetzungen einer innerstaatlichen Fluchtalternative für den Revisionswerber in Mazar-e Sharif auseinandergesetzt und dabei die aktuellen Berichte zur Lage in Afghanistan sowie die persönlichen Umstände des Revisionswerbers berücksichtigt. Die Einschätzung des BVwG, wonach der junge und arbeitsfähige Revisionswerber, der über eine jahrelange Berufserfahrung verfüge, auch ohne soziale Anknüpfungspunkte und ohne Unterstützung seiner Familie in der Stadt Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative vorfinde, deren Inanspruchnahme ihm auch zumutbar sei, begegnet vor dem Hintergrund der getroffenen und auf die im Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Quellen gegründeten Feststellungen keinen Bedenken und ist nach dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu beanstanden (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001; betreffend einen Angehörigen der Hazara auch bei Fehlen familiärer Anknüpfungspunkte in Afghanistan VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0277, mwN). Eine spezifische Vulnerabilität wird nach der ständigen Rechtsprechung auch nicht alleine dadurch begründet, dass der Revisionswerber jahrelang im Iran gelebt hat (vgl. VwGH 7.3.2018, Ra 2018/18/0103, mwN).

10 Sofern der Revisionswerber die Nichtberücksichtigung des Gutachtens von F.S. sowie die unterlassene Einholung aktueller Hintergrundinformationen vom UNHCR bzw. Amnesty International als Zulassungsgründe ins Treffen führt, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler in konkreter Weise darzulegen ist (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2018/01/0409, mwN). Eine Relevanzdarstellung in diesem Sinn lässt sich dem Zulässigkeitsvorbringen nicht entnehmen.

11 Insoweit sich die Revision gegen die Rückkehrentscheidung wendet, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 11.2.2019, Ra 2018/20/0479, mwN).

12 Der Revisionswerber macht geltend, dass bei hinreichender Berücksichtigung der islamischen Trauung vom 6. September 2017 die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfallen hätte müssen. 13 Abgesehen davon, dass die nach den Behauptungen des Revisionswerbers in Wien geschlossene Ehe "und islamischen Ritus" die Formvorschriften des Ortes der Eheschließung nicht erfüllt und sohin nach österreichischem Recht nicht gültig ist (vgl. 4.10.2018, Ra 2018/18/0149), ist der Revisionswerber Folgendes zu entgegnen: In der Revision wird zwar - entgegen den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis - mehrfach "eine enge Nahebeziehung zu seiner Ehegattin" behauptet, allerdings unterlässt es diese in weiterer Folge zu konkretisieren, worin sich diese Nahebeziehung in tatsächlicher Hinsicht manifestieren würde. Die Revision tritt auch der Feststellung des BVwG, wonach der Revisionswerber und seine behauptete Ehegattin, ebenfalls eine Asylwerberin, in unterschiedlichen Bundesländern wohnhaft seien und die Entfernung 300 km betrage, sie sich nur selten besuchen würden und kein finanzielles Abhängigkeitsverhältniss bestehe, nicht entgegen. Die Revision zeigt keine auf das Bestehen einer besonderen Beziehungsintensität hindeutenden Umstände auf. Im Ergebnis gelingt es der Revision nicht, das Bestehen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK aufzuzeigen. Selbst ein formales Band der Ehe würde alleine nicht ausreichen, um ein tatsächlich bestehendes Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK darzulegen (vgl. VwGH 20.7.2016, Ra 2016/22/0058; 27.4.2017, Ro 2016/22/0014; jeweils mwN).

14 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers berücksichtigte das BVwG bei seiner Interessenabwägung seine sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich, die guten Deutschkenntnisse, den Besuch eines Vorbereitungskurses für den Pflichtschulabschluss und sein gemeinnütziges Engagement. Der Revision gelingt es auch nicht aufzuzeigen, dass die Gewichtung dieser Umstände durch das BVwG nicht mit den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien in Einklang stünde. Die Interessenabwägung stellt sich - selbst unter Berücksichtigung der behaupteten Eheschließung die nur nach islamischen Ritus erfolgte -

nicht als unvertretbar dar.

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 7. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200144.L00

Im RIS seit

24.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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