TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/15 Ra 2018/13/0047

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Veröffentlicht am 15.05.2019
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §11a Abs1
EStG 1988 §11a Abs3

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs sowie Senatspräsident Dr. Nowakowski, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak und die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des K in W, vertreten durch Dr. Alice Gao, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 88- 90/11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 31. Jänner 2018, Zl. RV/7103206/2013, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2008 und 2009, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Beim Revisionswerber, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, fand eine u.a. die Einkommensteuer der Streitjahre 2008 und 2009 betreffende Außenprüfung statt. Im Bericht darüber vom 30. August 2012 hielt die Prüferin fest, der Revisionswerber habe im Jahr 2004 für einen nicht entnommenen Gewinn von EUR 26.000,-- und im Jahr 2005 für einen nicht entnommenen Gewinn von EUR 3.500,-

- die begünstigte Besteuerung gemäß § 11a EStG 1988 in Anspruch genommen. Sein Eigenkapital sei aber im Jahr 2008 gegenüber dem Jahr 2007 um EUR 8.491,59 und im Jahr 2009 gegenüber dem Jahr 2008 um EUR 11.030,59 abgefallen, weshalb gemäß § 11a Abs. 3 EStG 1988 in der Höhe dieses Kapitalabfalls eine Nachversteuerung zu erfolgen habe.

2 In seiner Berufung vom 16. September 2012 gegen die auf der Grundlage dieses Prüfungsergebnisses ergangenen Einkommensteuerbescheide für die beiden Streitjahre und im Vorlageantrag vom 15. Oktober 2012 gegen abweisende Berufungsvorentscheidungen des Finanzamtes machte der Revisionswerber - zusammengefasst - geltend, sein Eigenkapital habe sich zwar in den Jahren 2008 und 2009 durch Entnahmen verringert, dem sei aber in den Jahren 2006 und 2007 jeweils ein Anstieg des Eigenkapitals gegenübergestanden, für den er die begünstigte Besteuerung gemäß § 11a EStG 1988 nicht in Anspruch genommen habe. Die in diesen Jahren nicht entnommenen Gewinne habe er "voll versteuert". Durch die Entnahmen der Jahre 2008 und 2009 sei das Eigenkapital nie unter den Betrag gesunken, den es mit den nicht entnommenen und begünstigt besteuerten Gewinnen der Jahre 2004 und 2005 erreicht gehabt habe. Käme es nun zu einer Nachversteuerung, so würde er im Ergebnis dafür "bestraft", dass er die Gewinne der Jahre 2006 und 2007 nicht (sofort) entnommen, sondern (zunächst) zur Eigenkapitalbildung verwendet habe. 3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 31. Jänner 2018 wies das Bundesfinanzgericht die von ihm als Beschwerde zu behandelnde Berufung als unbegründet ab. Es vertrat die Ansicht, eine "Zuordnung von Entnahmen zu nicht begünstigten Gewinnanteilen" sei "nicht zulässig". Eine Entnahme nicht entnommener sowie zwischen 2004 und 2009 (Anmerkung: Anwendungszeitraum der begünstigten Besteuerung gemäß § 11a EStG 1988; zur letztmaligen Anwendung für das Kalenderjahr 2009 siehe § 124b Z 154 EStG 1988 i.d.F. des StRefG 2009, BGBl. I Nr. 26) nicht begünstigt besteuerter Gewinne sei erst dann ohne Nachversteuerung möglich, wenn entweder alle begünstigt besteuerten Gewinne nachversteuert seien oder der siebenjährige Beobachtungszeitraum für sämtliche begünstigt besteuerten Gewinne ausgelaufen sei. Dabei handle es sich im Revisionsfall nicht um eine nochmalige Besteuerung der in den Jahren 2006 und 2007 voll versteuerten Gewinne, sondern um die Besteuerung einer "Entnahme eines in den Vorjahren begünstigt besteuerten Gewinnes". Diese Nachversteuerung der in den Jahren 2004 und 2005 begünstigt besteuerten Gewinne sei auf Grund des in den Jahren 2008 und 2009 eingetretenen entnahmebedingten Eigenkapitalabfalls zu Recht erfolgt.

4 Eine Revision sei im Hinblick auf schon vorliegende "Judikatur und Literatur" gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht wird, das Bundesfinanzgericht habe an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur das Erkenntnis vom 17. Oktober 2017, Ro 2015/15/0040, ins Treffen geführt, das aber zu anderen Rechtsfragen ergangen sei. Zur Streitfrage des vorliegenden Verfahrens habe sich der Verwaltungsgerichtshof noch nicht geäußert.

6 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 § 11a EStG 1988 lautet in der hier maßgeblichen Fassung vor dem 2. AbgÄG 2014, BGBl. I Nr. 105, auszugsweise:

"Begünstigte Besteuerung für nicht entnommene Gewinne

§ 11a. (1) Natürliche Personen, die den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, können den Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne (§ 4 Abs. 10) und Veräußerungsgewinne (§ 24), bis zu dem in einem Wirtschaftsjahr eingetretenen Anstieg des Eigenkapitals, höchstens jedoch 100 000 EUR, mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 37 Abs. 1 versteuern (begünstigte Besteuerung). Der Höchstbetrag von 100.000 Euro steht jedem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum nur einmal zu. Der Anstieg des Eigenkapitals ergibt sich aus jenem Betrag, um den der Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne und Veräußerungsgewinne, die Entnahmen (§ 4 Abs. 1) übersteigt. Einlagen (§ 4 Abs. 1) sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie betriebsnotwendig sind.

(2) (...)

(3) Sinkt in einem folgenden Wirtschaftsjahr in sinngemäßer Anwendung des Abs. 1 unter Außerachtlassung eines Verlustes das Eigenkapital, ist insoweit eine Nachversteuerung vorzunehmen. Nachzuversteuern ist höchstens jener Betrag, der in den vorangegangenen sieben Wirtschaftsjahren nach Abs. 1 begünstigt besteuert worden ist. Die Nachversteuerung ist zunächst für den begünstigten Betrag des zeitlich am weitest zurückliegenden Wirtschaftsjahres vorzunehmen. Die Nachversteuerung hat mit dem Steuersatz gemäß § 37 Abs. 1 des Jahres der Inanspruchnahme der Begünstigung zu erfolgen. Der Nachversteuerungsbetrag erhöht nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte."

9 Streitpunkt des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob ein Sinken des Eigenkapitals auch zur Nachversteuerung führt, wenn sich die Reduktion nur auf einen vorausgegangenen Anstieg bezieht, für den der Steuerpflichtige das ihm in § 11a Abs. 1 EStG 1988 eingeräumte Wahlrecht nicht ausgeübt hat. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dazu nicht vor, weil die vom Bundesfinanzgericht ins Treffen geführte Entscheidung - wie das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis selbst einräumt - zu einer anderen Frage erging und der Verwaltungsgerichtshof mit einem Fall der vorliegenden Art noch nicht befasst war. Die Revision ist daher zulässig.

10 Die Revision ist auch begründet, weil das Gesetz in § 11a Abs. 3 erster Satz EStG 1988 zwar zunächst nur ein Sinken des Eigenkapitals im jeweiligen Wirtschaftsjahr voraussetzt, es mit dem Ausdruck "Nachversteuerung" und den nachfolgenden Sätzen aber auf die vorangegangene begünstigte Besteuerung Bezug nimmt und nicht erkennbar ist, dass dem Gesetzgeber dabei auch Fälle wie der hier vorliegende vor Augen standen.

11 Dass dies nicht der Fall war, ergibt sich aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71, mit dem die (im Jahr 2009 ausgelaufene) Steuerbegünstigung eingeführt wurde. Die Nachversteuerung, heißt es dort, solle "im Falle des Abbaus der seinerzeit geförderten Eigenkapitalbildung" einsetzen (59 BlgNR 22. GP 264). Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn die geförderte Eigenkapitalbildung unangetastet bleibt und sich der Abbau in einem Folgejahr nur auf Teile eines in der Zwischenzeit eingetretenen weiteren Anstiegs bezieht, für den die Förderung nicht in Anspruch genommen wurde. Der Verzicht auf die Ausübung des diesbezüglichen Wahlrechts ist in dieser Hinsicht auch nicht mit einer Überschreitung der Höchstgrenze von EUR 100.000,-- gleichzusetzen, mit der der Gesetzgeber ein eigenes rechtspolitisches Ziel verfolgte (vgl. den Ausschussbericht, 111 BlgNR 22. GP 13: vorrangige Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen). Fälle der zuletzt genannten Art können hier ebenso außer Betracht bleiben wie die für den Revisionsfall noch nicht maßgebliche Novellierung des § 11a Abs. 3 EStG 1988 durch das 2. AbgÄG 2014.

12 Handelt es sich bei Fällen wie dem vorliegenden somit nicht um solche, für die der Gesetzgeber die Nachversteuerung vorsehen wollte, so kommt noch hinzu, dass ein seine Absicht nicht berücksichtigendes Verständnis dem Gesetzeszweck direkt zuwiderliefe. § 11a EStG 1988 diente der "Förderung der Eigenkapitalbildung" (59 BlgNR 22. GP 262) "in besonderem Maße bei kleineren und mittleren Unternehmen" (111 BlgNR 22. GP 13). Hätte die Bestimmung den vom Bundesfinanzgericht angenommenen Inhalt, so böte sie einem Unternehmer, der die Begünstigung einmal in Anspruch genommen hat, sich auf eine weitere dauerhafte Erhöhung in einem Folgejahr aber nicht festlegen will, einen Anreiz dazu, eine solche Erhöhung auch nicht vorübergehend eintreten zu lassen. Der Gewinn des Folgejahres kann in diesem entnommen werden, ohne dass dies zu einer Nachversteuerung führt, und die Regelung würde dem Unternehmer nahelegen, dies "auf Vorrat" zu tun, statt vorerst Eigenkapital zu bilden, ohne die Begünstigung in Anspruch zu nehmen (vgl. in diesem Sinn - im Zusammenhang mit der allerdings zwingenden Höchstbetragsregelung - etwa Jakom/Kanduth-Kristen, EStG, 2017, § 11a Rz 28). Bei kleinen und mittleren Unternehmen, bei denen es nicht um Überschreitungen des Höchstbetrages geht, widerspräche dies dem mit der Regelung verfolgten Ziel "in besonderem Maße".

13 Auch der Zweck der Vorschrift erfordert für Fälle wie den hier vorliegenden daher ein Verständnis der "Nachversteuerung" des begünstigten Betrages (§ 11a Abs. 3 EStG 1988) als die vom Gesetzgeber vorgesehene Reaktion auf den "Abbau der seinerzeit geförderten Eigenkapitalbildung" (59 BlgNR 22. GP 264). Hat ein solcher Abbau nicht stattgefunden, so würde die Nachversteuerung nicht nur die ihr vom Gesetzgeber zugedachte Funktion nicht erfüllen können, sondern den mit der Regelung insgesamt verfolgten Absichten schaden.

14 Auf den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Fall, dass das Sinken des Eigenkapitals den geförderten Zuwachs unberührt lässt, ist § 11a Abs. 3 EStG 1988 in der hier noch anzuwendenden Fassung somit nicht zu beziehen.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 16 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 15. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018130047.L00

Im RIS seit

13.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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