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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das am 7. Februar 2019 mündlich verkündete und am 1. März 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, G307 2213987-1/14E, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: A N, zuletzt in W, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stellte nach seiner Einreise nach Österreich im Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag vollinhaltlich ab und erließ eine Rückkehrentscheidung (samt Nebenaussprüchen). Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 28. Dezember 2018 keine Folge.
2 Mittlerweile war für den Mitbeteiligten eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt worden, auf deren Basis er ab 1. Dezember 2018 in einem Restaurationsbetrieb/Cafe als Küchengehilfe arbeitete. Dort wurde er auf Grund eines Festnahmeauftrags des BFA am 30. Jänner 2019 festgenommen und dem BFA vorgeführt, das im Anschluss an seine Einvernahme mit Mandatsbescheid vom 30. Jänner 2019 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG Schubhaft zum Zweck der Abschiebung des Mitbeteiligten anordnete. 3 Der gegen diesen Bescheid und gegen die darauf gegründete Anhaltung erhobenen Beschwerde gab das BVwG mit am 7. Februar 2019 mündlich verkündetem und am 1. März 2019 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis statt; es behob den Schubhaftbescheid vom 30. Jänner 2019, erklärte die Anhaltung bis 7. Februar 2019 für rechtswidrig und stellte fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Außerdem traf es diesem Ergebnis entsprechende Kostenentscheidungen und sprach auch aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das BVwG stellte insbesondere fest, dass der Mitbeteiligte an seiner "Arbeitsadresse" wohnhaft gewesen sei, wofür auch ab 2. Jänner 2019 eine Nebenwohnsitzmeldung bestanden habe; seitens der Mutter der "Cafe-Eigentümerin" sei es verabsäumt worden, den Mitbeteiligten zeitgerecht mit Hauptwohnsitz an dieser Anschrift anzumelden. Dem Handeln des Mitbeteiligten könne - so das BVwG dann im Wesentlichen in seiner rechtlichen Beurteilung - keine Fluchtgefahr entnommen werden. Er habe bis zu seiner Festnahme von der Asylentscheidung des BVwG vom 28. Dezember 2018 noch keine Kenntnis gehabt und es sei die Frist für die Erhebung eines Rechtsmittels an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts noch offen gewesen. Somit habe am Tag der Festnahme "noch nicht von einer endgültigen Rechtskraft der Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung ausgegangen werden können". Auch sonst habe der Mitbeteiligte kein für eine Fluchtgefahr typisches Verhalten gesetzt, weder sei er untergetaucht, noch habe er sich von seinem Nebenwohnsitz abgesetzt oder habe es Hinweise darauf gegeben, dass er nicht weiterhin seiner Beschäftigung nachgehen werde.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des BFA, über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
6 Hat das Verwaltungsgericht - so wie hier das BVwG - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei, hat die Revision zufolge § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision). Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof dann im Rahmen dieser vorgebrachten Gründe zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG)
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7 In dieser Hinsicht macht die Amtsrevision der Sache nach geltend, das BVwG sei zu Unrecht vom Fehlen von Fluchtgefahr ausgegangen.
8 Dem ist zunächst allgemein zu entgegnen, dass die Frage, ob konkret von einem Sicherungsbedarf bzw. von Fluchtgefahr auszugehen ist, stets eine solche des Einzelfalles ist, die daher nicht generell zu klären und als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel ist, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde. Das gilt sinngemäß auch für die Frage, ob von einem Sicherungsbedarf auszugehen ist, dem nur durch Schubhaft und nicht auch durch gelindere Mittel begegnet werden könne, und auch für die Frage, ob sich die Schubhaft nach Abwägung der wechselseitigen Interessen als verhältnismäßig erweise (siehe etwa VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0187, Rn. 8, mwN).
9 Dass sich die angefochtene - unter Verwertung der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung ergangene - Entscheidung des BVwG als unvertretbar erweise, vermag das BFA nicht darzutun. Zwar trifft es zu, dass das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (hier: die mit der Asylentscheidung verbundene Rückkehrentscheidung) ein Indiz für Fluchtgefahr ist und demgemäß auch den Fluchtgefahrtatbestand nach § 76 Abs. 3 Z 3 FPG verwirklicht. Das wurde - soweit erkennbar - aber auch vom BVwG nicht in Frage gestellt. Wenn es ausführte, es sei am Tag der Festnahme des Mitbeteiligten "noch nicht von einer endgültigen Rechtskraft der Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung" auszugehen gewesen, so wurde damit offenbar nämlich nur zum Ausdruck gebracht, dass es im Zuge eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof bzw. eines Revisionsverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof noch zur Behebung der Rückkehrentscheidung (oder bei Gewährung von aufschiebender Wirkung zumindest zu einer Sistierung derselben) kommen könne. Dass die genannten Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof bzw. Verwaltungsgerichtshof per se eine "Wartepflicht" für eine Effektuierung der Rückkehrentscheidung zur Folge hätten, lässt sich der zitierten Überlegung des BVwG hingegen - anders als das BFA vermeint - nicht entnehmen. Dass die angesprochene Möglichkeit einer Behebung oder Sistierung der Rückkehrentscheidung das Risiko eines Untertauchens des Mitbeteiligten zumindest ein wenig reduzierte, ist aber eine nicht zu beanstandende Überlegung, zumal der Mitbeteiligte unbestritten eine - in den Worten des BVwG - "nahezu elterliche Beziehung" zu zwei (vom BVwG auch als Zeugen befragten) österreichischen Staatsbürgern pflegt und somit abgesehen von seinem Arbeitsverhältnis eine weitere ins Gewicht fallende soziale Bindung aufwies. Von daher ist nicht zu sehen, dass es, wie in der Amtsrevision abschließend formuliert wird, fallbezogen "im Sinne der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Verwaltungsgerichtshof" bedürfe, weshalb die Revision mangels Vorliegens einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.
Wien, am 16. Mai 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210111.L00Im RIS seit
16.08.2019Zuletzt aktualisiert am
16.08.2019